von Noble Scarlet
Dunkel.
Vollkommene Dunkelheit herrschte in dem Verliess, in welchem Draco zitternd in einer Ecke sass. Angestrengt lauschte er den fernen Geräuschen ausserhalb seiner Zelle. Vor wenigen Minuten noch, waren leise offenbar weit entfernte Schreie zu hören gewesen. Draco konnte nicht sagen warum, aber er war sich beinahe sicher, dass es Leonies Stimme gewesen war. Warum hatte sie geschrieen? Was war ihr angetan worden? Und warum, warum war sie bloss hier? Weshalb? Unablässig kreisten diese Fragen in seinem Kopf, schoben sich vor andere Gedanken und wollten endlich beantwortet werden. Draco zog sich auf die Beine und begann unruhig in seinem Gefängnis auf und ab zu gehen. Die Dunkelheit hinderte ihn nicht im Mindesten daran, er war schon so lange hier eingesperrt, dass er sich inzwischen daran gewöhnt hatte.
Plötzlich vernahm er hastige Schritte, sofort erstarrte er in seiner Bewegung und lauschte. Die Schritte kamen auf seine Zellentür zu, eine Stimme murmelte ein Wort, das Summen eines Zaubers erklang und die Tür sprang auf. Draco blinzelte im flackernden Schein der Fackeln, die ihr Licht in die dunkle Zelle warfen.
„Los, Malfoy! Beweg dich! Raus hier, ich hab nicht den ganzen Tag Zeit!“
Verwirrt stolperte Draco Snape entgegen, der ungeduldig seinen Zauberstab hin und her schwang. Er packte den Jungen am Arm und bugsierte ihn die langen Gänge des Kerkers entlang.
„Was soll das? Wohin bringen sie mich?“
„Der Dunkle Lord wünscht deine Gesellschaft“, höhnte Snape.
„A-aber ich war doch erst vor ein paar Stunden bei ihm! Bellatrix hat mich zu ihm gebracht! Ich weiss nicht wo sich Leonie aufhält! Ich weiss nichts! Ich weiss wirklich nichts!“
Angst packte Draco. Was wollte der Dunkle Lord nun schon wieder? Er wusste nichts! Schon ein paar Stunden zuvor war er zu ihm gebracht worden und hatte seine Fragen beantworten müssen. Ja, Bellatrix' Folter war grausam, aber Voldemorts war unerträglich. Er wollte nicht wieder zu seinen Füssen liegen und wie ein Häufchen Elend um Gnade flehen! Er hatte keine Informationen! Er wusste nichts!
Snape antwortete nicht und zehrte ihn durch die Eingangshalle und auf den Thronsaal zu. Vor der TĂĽr blieb er stehen und drĂĽckte Draco die Spitze seines Zauberstabs in den Magen.
„Du wirst keinen Ton von dir geben, verstanden? Egal was du nun siehst, du sprichst erst, wenn der Dunkle Lord es von dir verlangt!“
„J-ja.“
Draco wurde ĂĽbel. Das hier war nicht irgendeine Befragung, es musste viel schlimmer sein... Snape hob eine Hand und klopfte an die TĂĽr zum Thronsaal. Er trat zurĂĽck und sie schwang wie von Geisterhand einen Spalt breit auf.
„Herr, er ist hier“, Snape sprach mit lauter Stimme.
„Bring ihn herein...“, antwortete die eisige Stimme Lord Voldemorts.
Die Tür schwang gänzlich auf und sie traten ein.
Am anderen Ende des Saals sass, genau wie schon wenige Stunden zuvor, Lord Voldemort. Aber etwas hatte sich verändert. Er war nicht allein. Entsetzt blieb Draco stehen und riss die Augen auf, er wollte etwa rufen, doch da fiel ihm Snapes Warnung wieder ein. Snape versetzte ihm einen heftigen Stoss und er taumelte weiter, ohne dabei die Augen von der, vor Voldemort knienden, Gestalt zu wenden. Ihr braunes Haar schimmerte im schwachen Licht, welches durch die hohen Fenster hereinfiel. Sie trug einen langen schwarzen Umhang und einen ebenso schwarzen Rock. Ihre blasse Haut hob sich deutlich von ihrer Kleidung ab und wirkte beinahe weiss. Nun war sich Draco sicher, dass er sich nicht geirrt hatte. Es waren ihre Schreie gewesen, ihre Stimme... Leonie...
„Steh auf!“, blaffte Voldemort und das Mädchen beeilte sich zu gehorchen.
„Nun... Ich frage dich noch einmal, Leonie... Schwörst du mir die Treue?“
„Ja, Herr“, ihre Stimme klang ruhig und fest.
Draco holte tief Luft. Warum? Warum tat sie das? Weshalb war sie hier? Er hatte sie doch gerettet! Er hatte ihr Herz befreit! Sie durfte nicht hier sein! Nicht hier, nicht bei Voldemort!
„Beweise es mir.“
„Wie, Herr?“
„Nimm deinen Zauberstab. Ja, gut so. Wenn du mir die Treue schwören willst, dann wirst du nicht zögern auf meinen Befehl hin den jungen Mann hinter dir ein wenig Gehorsam zu lehren. Dreh dich um, Leonie...“
Draco sah, wie sie sich langsam in seine Richtung drehte. Ein wenig Gehorsam lehren... Er sah ihren entschlossenen Blick, sah ihr ernstes Gesicht und die fest zusammengekniffenen Lippen. Doch als ihr brauner Blick den seinen, grauen traf, da begann die Maske zu wanken. Ihre Augen weiteten sich und ihr Mund öffnete sich zu einem stummen Schrei der Verzweiflung. Draco schüttelte voller Angst den Kopf. Doch sie reagierte nicht. Sofort wurde ihr Gesicht wieder ausdruckslos und sie hob langsam ihren Zauberstab.
„CRUCIO!“
Leonie sah, wie Draco von dem Fluch auf den Rücken gerissen wurde und sich unter Qualen wand. Warum Draco? Warum hatte Voldemort ausgerechnet ihn holen lassen? Sie konnte ihn nicht foltern, ihr Herz hämmerte schmerzhaft und ihre Vernunft setzte sich mit aller Kraft zur Wehr. Sie konnte nicht, sie liebte in! Sie konnte ihm nicht Schmerzen zufügen! Jede Faser in ihr schrie, schrie gegen ihre Tat. Aber sie durfte nicht aufhören. Sie durfte nicht ihre Maske fallen lassen. Nicht jetzt! Niemals! Aber warum tat sie ihm das an? Sie war doch hier um ihn zu retten! Doch es ging nicht anders, es war die einzige Möglichkeit zu überleben, ihn zu retten und Voldemort zu schwächen.
„Leonie! Was tust du?!“, Voldemorts Stimme riss sie aus ihren Gedanken.
Ja, was tat sie? Nichts. Sie stand reglos da.
„LEONIE!“
Leonie hob wieder ihren Zauberstab. Sie konnte nicht denken - sie wollte nicht denken. Draco, der vor ihr auf dem Boden kauerte, starrte sie mit angsterfĂĽllten Augen an.
„CRUCIO!“, schrie sie wieder, doch nun mit hasserfüllter, eisiger Stimme. Die Macht des Fluches schleuderte Dracos, bereits geschundenen, Körper an die gegenüberliegende Wand. Blut rann ihm aus einer Platzwunde übers Gesicht, während er vor Schmerz schrie. Leonie legte ihre ganze Wut, ihren Hass und ihre Angst der letzten Monate in den Fluch. Er war so mächtig - so unerträglich, dass Draco glaubte niemals wieder klar denken zu können. Er wollte nur eines: Dem Schmerz entfliehen, diesem unerträglichen, furchtbaren Schmerz. Doch niemand kam ihm zu Hilfe, er glaubte sterben zu müssen.
„Lass gut sein, Leonie!“, hörte er Voldemorts kreischende Stimme rufen.
Leonie hob den Fluch auf und Draco fiel keuchend zur Seite und blieb dort reglos liegen.
„Du elende Verräterin“, presste er noch hervor, dann wurde er ohnmächtig.
„Snape, schaff ihn weg“, meinte Voldemort kalt und machte eine angewiderte Geste in Dracos Richtung, „Und versorg seine Wunden, wir brauchen ihn noch und ausserdem beschmutzt er meinen Boden.“
„Wie ihr wünscht, Herr“, Snape machte eine kleine Verbeugung und zerrte dann Draco hinter sich her aus dem Saal.
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