von Krummbein_1986
Lange Zeit saĂen die beiden einfach nur schweigend vor dem Kamin und starrten ins Feuer. Sie brauchten auch gar nichts zu sagen, sie wussten sowieso ganz genau, was der andere dachte: âWie soll es jetzt nur weitergehen?â
Noch vor ein paar Stunden hatten sie nichts weiter im Kopf gehabt, als die Frage, wie sie die PrĂŒfungen endlich hinter sich bringen konnten. Doch nun war das alles in weite Ferne gerĂŒckt. Allein schon der Gedanke, dass sie noch vor kurzem in eben diesem Raum gesessen waren und sich ĂŒber diverse Zauberformeln den Kopf zerbrochen hatten, war einfach absurd.
Und jetzt saĂen sie wieder hier, zu zweit, und doch hatte Harry sich nie einsamer gefĂŒhlt, nicht einmal bei den Dursleys war es so schrecklich gewesen. Diese groĂe Leere in seinem Innern schien in diesem Augenblick unĂŒberwindlich.
âHarry? Bist du da?â
Harry und Hermine zuckten erschrocken zusammen. âWas war das?â, fragte Harry unsicher.
Seine Augen wanderten suchend umher, doch er konnte niemanden sehen.
âHarry?â
âDa war es schon wiederâŠâ Hermines Stimme war angsterfĂŒllt, als ob sie hinter jeder Ecke den Feind vermuten wĂŒrde.
âHarry, bitte, es ist sehr wichtig!â
âOh meinâŠâ Hermines Blick war auf den Spiegel gefallen, der immer noch neben ihnen auf dem Teppich lag. Sie streckte eine zitternde Hand danach aus und hob ihn auf. âHarry⊠e-es ist S-SiriusâŠâ
Mehr brauchte sie nicht zu sagen. Harry riss ihr den Spiegel aus der Hand⊠und da war er.
âSiriusâŠâ Harry sprach den Namen so vorsichtig aus, als hĂ€tte er Angst, sein Pate könnte wieder verschwinden, wenn er ihn beim Namen nannte. Ohne dass er etwas dagegen tun konnte, stiegen ihm die TrĂ€nen in die Augen: Sirius lebte!
âHarry⊠gut, dass du no- ⊠aber Harry, was ist denn los?â
Harry wischte sich die TrĂ€nen aus dem Gesicht, es war ihm irgendwie peinlich, dass er vor Sirius diese SchwĂ€che gezeigt hatte. âNichtsâŠâ, sagte er mit zitternder Stimme. âAlles in Ordnung.â Er versuchte ein LĂ€cheln, aber es misslang klĂ€glich.
âErklĂ€r es mir spĂ€terâŠâ, sagte Sirius eilig. âHarry, hör mir jetzt gut zu! Ihr mĂŒsst die Schule auf dem schnellsten Wege verlassen, hörst du?â
Dieser Nachricht folge eine geschockte Stille. âIch- also⊠warum?â
âKeine Zeit fĂŒr ErklĂ€rungen, nur so viel, wir haben herausgefunden, dass Voldemort die Abwesenheit von Dumbledore nutzen will, um die Schule zu ĂŒbernehmen! Die Ignoranz dens Ministeriums wird ihm da auch eine groĂe Hilfe sein⊠Er plant einen Angriff, und zwar bald. Schnappt euch Ron und Ginny und verschwindet, es wird euch jemand am Bahnhof von Hogsmeade erwarten!â
âA-aber⊠was ist mit all den anderen?â Harry hatte groĂe Schwierigkeiten, die Situation zu begreifen. Es war irgendwie alles zu viel auf einmal.
âWir werden uns spĂ€ter darum kĂŒmmern, Dumbledore versucht gerade ĂŒber seine noch vorhandenen Kontakte im Ministerium den Minister zu einer Evakuierung zu ĂŒberreden, aber ich glaube kaum, dass er groĂe Chancen hat. Solange die nicht einsehen wollen, dass Voldemort zurĂŒck ist, werden sie sich von ihm gar nichts sagen lassen.â Sirius stieĂ einen erschöpften Seufzer aus.
âAber was wollt ihr dann tun? Ich meine, wir können sie doch nicht einfach alle hier lassenâŠâ
âIch weiĂ, ich weiĂ, Hermine, aber uns bleibt erstmal nichts anderes ĂŒbrig. Was glaubst du, wird Umbridge tun, wenn ihr eine Panik auslöst? Sie wird euch den Kopf abreiĂen⊠wenn nicht sogar schlimmer. Sie wird es nicht verstehen, glaube mir⊠das Durcheinander ist auch so schon groĂ genug.â
âWir bleiben hierâŠâ, sagte Harry trotzig. âIch werde die anderen nicht zurĂŒcklassen!â
âDas ist sehr edel von dir, aber jetzt pack deine Sachen und lauf!â Sirius war am Rande der Verzweiflung. Harry spĂŒrte, dass er nur eins wollte, und zwar ihn und seine Freunde in Sicherheit wissen, aber Harry dachte gar nicht daran.
âEs hat sowieso keinen Sinn mehr, nach allem, was heute passiert istâŠâ, sagte Hermine traurig.
Sirius schaute sich fragend nach ihr um. Doch er konnte sie aus dem Spiegel heraus nicht sehen⊠und so bemerkte er auch ihre leisen TrÀnen nicht.
âWas meinst du, Hermine? Was ist denn noch passiert?â
âD-der FuchsbauâŠâ
Sirius wartete darauf, dass sie weiter sprach, aber Hermine brachte keinen Laut mehr hervor.
âWas soll damit sein?â, fragte Sirius schlieĂlich, als er sicher war, dass er andernfalls keine Antwort mehr bekommen wĂŒrde.
âW-war das alles also doch ein Traum?â Harry sagte das mehr zu sich selbst, als zu seinem Paten, aber Sirius schien trotzdem jedes einzelne Wort verstanden zu haben.
âWas war ein Traum? Harry, drĂŒck dich bitte mal etwas deutlicher ausâŠâ
âIch erklĂ€re es dir spĂ€ter, wir sollten jetzt lieber schleunigst von hier verschwinden.â
âNa endlich!â Sirius atmete erleichtert auf.
âAber nur damit das klar ist: Wenn Voldemort hier herkommt und die SchĂŒler nicht in Sicherheit sind, dann komme ich zurĂŒck!â
âIst ja gut, ist ja gutâŠâ Sirius hatte wohl keine Lust mehr zu diskutieren, andernfalls hĂ€tte er Harry diese Schnapsidee sicher wieder ausgeredet. âAlso, holt Ginny und Ron, und dann verschwindet. Lupin, Kingsley und Moody werden auf euch warten! Und versucht bitte, Umbridge nicht auf den Plan zu rufen⊠das letzte, was wir jetzt noch brauchen, ist eine machtbesessene Kröte die Amok lĂ€uft!â
Als Harry ihn aus seinem tiefen Schlaf riss und aus dem Bett zerrte, hatte Ron nicht wirklich begriffen, worum es ging und Harry glaubte auch nicht, dass er ihn gehört hatte, als er ihm mitgeteilt hatte, dass seine Vision doch nur ein Traum gewesen war. Er wĂŒrde es ihm spĂ€ter erklĂ€ren.
Doch trotz allem plagte ihn ein nagendes SchuldgefĂŒhl, weil er seinen besten Freund in diesen seelischen Abgrund gestĂŒrzt hatte.
Harry hatte nur ein paar Sachen in seinen Rucksack gestopft und dann Ron dabei geholfen, seine eigene Tasche zu fĂŒllen. Die ganze Zeit ĂŒber waren sie darauf bedacht, möglichst keinen LĂ€rm zu machen, denn wenn die anderen drei erst einmal wach waren, wĂŒrde es schwer sein, die nĂ€chtliche Packerei noch zu vertuschen, und wirklich erklĂ€ren konnten sie es ja schlieĂlich auch nicht.
Er atmete erleichtert auf, als sie endlich wieder im Gemeinschaftsraum waren. Ginny und Hermine warteten schon auf sie.
âHarry, ist dir klar, dass das Eingangsportal verriegelt ist? Wie sollen wir bitteschön um diese Uhrzeit noch da rauskommen?â Hermine schien sehr besorgt und Harry konnte sie nur allzu gut verstehen. Aber in diesem Falle hatte er sich sogar schon seine Gedanken gemacht.
âDie einĂ€ugige Hexe! Du weiĂt schon⊠der Geheimgang, der in den Honigtopf fĂŒhrt. Es ist ganz einfach!â Harry war nicht ganz so zuversichtlich, wie er sich in diesem Augenblick gab, aber es hatte ja schlieĂlich keinen Sinn, wenn er jetzt auch noch in Panik verfiel.
âDa wir nicht alle vier samt GepĂ€ck unter den Tarnumhang passen, wĂŒrde ich vorschlagen, dass wir immer zu zweit gehen. Einer wie die Strecke dann wohl oder ĂŒbel dreimal hinter sich bringen mĂŒssen, aber ich denke, das ist besser, als wenn Umbridge uns das zweite Mal innerhalb einer Nacht auf den Korridoren erwischt.â
Hermine nickte nur, was ein gutes Zeichen war, denn Regelbrechen war sonst immer einer der Punkte, bei denen sie gerne eine Diskussion anzettelte⊠auch wenn sie diese Angewohnheit schon fast vollstÀndig abgelegt hatte, und die DA war ja immerhin ihre Idee gewesen.
âAlso gut. Ich denke, Ron und ich sollten als erstes gehen. Ihr beide könnt euch dann ja darum streiten, wer zurĂŒckgelassen werden willâŠâ Harry grinste und auch Hermine brachte ein schwaches LĂ€cheln zustande.
âRon? Alles klar?â
Ron wirkte etwas abwesend, er schien immer noch nicht verstanden zu haben, dass sie gerade drauf und dran waren, die Schule wieder zu verlassen. âAlso, komm⊠wir sollte nicht mehr lĂ€nger warten.â
Harry schulterte seinen Rucksack und warf sich den Tarnumhang ĂŒber. Ron folgte zögernd seinem Bespiel und einen Moment spĂ€ter waren sie schon durch das Portraitloch geschlĂŒpft und fanden sich auf dem dunklen Korridor wieder.
Harry hielt sich die Karte des Rumtreibers dicht vors Gesicht. Bei dem schwachen Schein, der von den Fackeln an den WĂ€nden ausging, konnte er kaum etwas darauf erkennen. Doch nach einer angestrengten Suche war er sich sicher, dass alle feindlichen Objekte auĂer Reichweite waren.
Zum GlĂŒck war die Statue der buckligen, einĂ€ugigen Hexe nicht weit vom Gryffindor Turm entfernt und so standen sie auch schon keine fĂŒnf Minuten spĂ€ter direkt davor.
âDissendium.â, flĂŒsterte Harry leise. Die Antwort kam prompt. Der Buckel der Hexe öffnete sich und gab den Durchgang frei. Ron zog sich den Tarnumhang vom Kopf und quetschte sich durch die schmale Ăffnung. Harry hatte gerade genug Zeit, ihm seinen Rucksack hinterher zureichen und ihm zu versichern, dass er gleich wieder da sein wĂŒrde, da hatte sich der Gang auch schon wieder verschlossen.
Ginny war die zweite. Und wieder Erwarten lief auch diese Flucht völlig reibungslos ab. Die einzige, die sich etwas pikierte, war die Fette Dame, die es nicht einsah, sie um diese nachtschlafende Zeit dauernd ein- und auslassen zu mĂŒssen.
Und dann war Hermine an der Reihe. Sie wirkte immer noch sehr nervös, als befĂŒrchtete sie, dass Umbridge ihnen jeden Augenblick den Umhang vom Kopf reiĂen könnte.
Harry warf immer wieder einen nervösen Blick auf die Karte, und mit einem Mal blieb er wie angewurzelt stehen. Zum GlĂŒck reagierte Hermine schnell genug, andernfalls hĂ€tte sie ihm den Umhang einfach im Laufen vom Kopf gezogen.
âWas ist, Harry?â, fragte sie leise.
âFilch⊠und Mrs. Norris. Sie⊠sie kommen gleich um die-â
Er brauchte den Satz gar nicht zu beenden.
Filch und seine schnĂŒffelnde Katze kamen in eben diesem Moment vor ihnen um die Ecke geschlichen, auf der ewigen Suche nach Regelbrechern und Unruhestiftern.
âIch weiĂ, meine SĂŒĂe, sie sind hier irgendwoâŠâ
Harry wagte nicht, zu atmen. Sie standen mitten im Korridor, wenn Filch einfach geradeaus weiterging, wĂŒrde er direkt in sie hineinlaufen. Sie hatten keine Möglichkeit mehr, auszuweichen⊠und es kam, was kommen musste. Hermine starrte den Hausmeister voller entsetzten an, als er immer nĂ€her kam und Harry schlieĂlich umrempelte.
Erschrocken wich Filch zurĂŒck.
So schnell er konnte, rappelte Harry sich wieder auf, kroch zurĂŒck unter den Tarnumhang und ehe Filch realisiert hatte, was geschehen war, rannten sie los. Es war ein schweres Unterfangen, so schnell zu laufen und gleichzeitig den Umhang nicht zu verlieren. Harry war sich ganz sicher, dass ihre FĂŒĂe die ganze Zeit ĂŒber zu sehen waren, aber das spielte jetzt keine Rolle mehr. Filch war ihnen dicht auf den Fersen. Er rief ihnen irgendwelche unverstĂ€ndlichen Beschimpfungen hinterher und es war klar, dass schon bald die ganze Schule auf den Beinen sein wĂŒrde. So viel zum Thema âlautlos Verschwindenâ, dachte Harry.
Sie bogen in den Gang der buckligen Hexe ein⊠und erstarrten. Vom anderen Ende her kam Dolores Umbridge angelaufen.
âFilch⊠was zum Teufel ist hier los?â
Sie saĂen in der Falle.
Hinter sich hörten sie die schlurfenden Schritte des Hausmeisters, die immer nÀher kamen und Umbridge hatte den Korridor schon zur HÀlfte durchquert.
Hermine packte ihn am Arm und zog ihn mit sich. Einen Moment spĂ€ter hatten sie die Statue erreicht. Harry zog den Zauberstab heraus, tippte die Hexe an und sprach erneut die Zauberformel: âDissendiumâ.
Nichts passierte. âEs funktioniert nichtâŠâ flĂŒsterte er voller Panik.
Aber Hermine hatte schon reagiert und die Statue gab ihr Geheimnis preis. FĂŒr einen kurzen Moment war Hermine wieder sichtbar, bevor die Mauer sie verschluckte. Harry beeilte sich, ihr zu folgen. Die Ăffnung wĂŒrde nicht mehr lange da sein. Wenn sich der Buckel erst wieder geschlossen hatte, wĂŒrde er ihn nicht noch einmal öffnen können. Umbridge und Filch könnten die Worte hören und das Geheimnis der Statue wĂ€re enthĂŒllt und ihre Flucht sogleich vereitelt.
Er stĂŒrzte sich kopfĂŒber in den Geheimgang, just in dem Augenblick, in dem sich der Buckel wieder schlossâŠ
Harry schrie laut auf. Ein unertrĂ€glicher Schmerze durchzuckte sein BeinâŠ
âHarry, was ist los?â, fragte Hermine aufgeregt.
âM-mein FuĂ⊠e-er steckt festâŠâ
Die anderen drei beeilten sich, ihm zur Hilfe zu kommen. Gemeinsam zogen und schoben sie an ihm herum, doch nichts rĂŒhrte sich. âWir mĂŒssen die Hexe wieder öffnenâŠâ
âDas können wir nicht tun, sie werden uns noch erwischenâŠâ Rons Stimme ĂŒberschlug sich.
âJ-jetzt haut doch e-endlich ab.â, rief Harry mit vor Schmerz erstickter Stimme. âVerschwindet von hierâŠâ
âNeinâŠâ, sagte Hermine entschlossen und es war klar, dass sie keinen Widerspruch duldete. Sie nĂ€herte sich der kleinen Ăffnung, die noch vorhanden war. Filch und Umbridge standen genau davor und starrte zu ihnen hinein.
âIch denke, das warâs dann, Miss Granger. Kommen sie da raus, aber sofort!â
Doch Hermine dachte gar nicht daran. Langsam hob sie ihren Zauberstab. Ihre Hand zitterte doch sie wirkte entschlossen. âStupor.â
Ein roter Lichtblitz fand seinen Weg durch die Ăffnung, Umbridge wurde zurĂŒckgeschleudert und landete unsanft auf dem FuĂboden, wo sie reglose liegen blieb. Filch eilte ihr sofort zu Hilfe und Hermine nutzte diesen Augenblick, um den Buckel der Hexe erneut zu öffnen. Ron und Ginny zogen Harry weiter in den Gang und noch bevor Filch die Möglichkeit hatte, ebenfalls hineinzuschlĂŒpfen, war der Eingang schon wieder verschlossen.
Einen Moment lang herrschte dröhnende Stille. Ein leises Scheppern war zu hören, als Hermine ihren Zauberstab fallen lieĂ. âI-ich hab eine Lehrerin angegriffen⊠i-i-ich h-hab die Schulleiterin angegriffenâŠâ stotterte sie.
âSie war nie wirklich Schulleiterin. Und nachdem, was sie Fred und George angetan hat⊠wie kannst du da jetzt noch ein schlechtes Gewissen haben?â Ron schien wirklich entsetzt ĂŒber Hermines SchuldgefĂŒhle. Er war drauf und dran, einen Streit anzufangen, doch ein lautes Keuchen von Harry erinnerte ihn wieder daran, was gerade geschehen war.
âOh, HarryâŠâ Auch Hermine besann sich wieder des eigentlichen Problems. Einen Augenblick spĂ€ter hockte sie neben ihm auf dem Boden und besah sich sein Bein. âD-das sieht nicht gut ausâŠâ Vorsichtig betastete sie seinen Knöchel. Harry keuchte auf vor Schmerz und ihre HĂ€nde zuckten erschrocken zurĂŒck.
âKannst du es nicht heilen?â, fragte Ginny schnell.
âI-ich weiĂ nicht⊠ich g-glaube nicht.â Mit zitternden HĂ€nden tastete sie nach ihrem Zauberstab. Es schien eine halbe Ewigkeit zu dauern, bis sie ihn endlich gefunden hatte.
Sie hob den Zauberstab, aber kein einziges Wort kam ihr ĂŒber die Lippen.
âWas ist?â, fragte Ron ungeduldig. âMach schonâŠâ
âIch k-kann nicht. I-ich weiĂ den Spruch n-ni-nicht mehr.â Hermine klang verzweifelt. Noch nie hatte sie eine Zauberformel vergessen⊠noch nie.
âDann muss es eben so gehen.â, presste Harry hervor. âRon, hilf mir mal.â
Ron beeilte sich, Harry wieder auf die Beine zu helfen⊠oder besser, auf das eine Bein. Harry zog scharf die Luft ein, als eine erneute Welle des Schmerzes durch sein Bein fuhr.
âGehtâs?â, fragte Ginny besorgt.
âEs muss wohlâŠâ
Und so machten sie sich auf den langen Weg durch den Geheimgang. Der Boden war steinig und uneben. Ron musste aufpassen, dass er nicht hinfiel und auch Harry hatte groĂe Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu halten.
Irgendwann ging es bergauf und Harry wusste, dass sie bald die lange, steinerne Treppe erreichen wĂŒrden, ihm graute schon davor.
Und da war sie, alt und grau ragte sie vor ihnen auf.
âWie sollen wir da nur hochkommen?â, fragte Ron gequĂ€lt.
âDas bekommen wir schon irgendwie hin. Viel mehr interessiert mich, wie wir aus dem Honigtopf rauskommen sollen, ohne erwischt zu werden.â Sie klang besorgt, aber noch nicht verzweifelt.
âIch schĂ€tze mal, der Tarnumhang wird uns auch hier wieder weiterhelfen.â, meinte Ginny trocken und machte sich daran, die Stufen zu erklimmen, Hermine folgte ihr.
Harry atmete noch einmal tief durch, bevor auch Ron und er sich an den Aufstieg machten.
Es schien Stunden zu dauern. Immer wieder musste Harry eine Pause einlegen, denn obwohl er versuchte, seinen FuĂ nicht zu belasten, wurde der Schmerz von Minute zu Minute stĂ€rker. Doch er biss die ZĂ€hne zusammen und irgendwann erreichten sie die FalltĂŒr. Ginny und Hermine waren schon hindurchgeschlĂŒpft und zogen ihn nun gemeinsam in den Keller des Honigtopfes.
âGinny und ich gehen besser voraus, dann kannst du dich noch eine Weile ausruhen.â
Harry nickte nur. âAusruhenâ⊠das klang wie Musik in seinen Ohren.
Hermine und Ginny warfen sich den Tarnumhang ĂŒber, einen Augenblick spĂ€ter waren sie verschwunden, doch ihre FuĂspuren waren auf dem staubigen Boden sehr gut zu erkennen. Harry und Ron konnten hören, wie die KellertĂŒr leise zuschlug, dann waren sie allein.
âKannst du mir jetzt vielleicht noch einmal erklĂ€ren, was das ganze soll? Ich meine, warum mĂŒssen wir mitten in der Nacht das Schloss verlassen?â Rons Stimme klang vorwurfsvoll, als wĂ€re das alles Harrys Schuld.
âSirius hat nicht viel darĂŒber gesagt, nur, dass Voldemort auf dem Vormarsch ist. Er will die Unwissenheit des Ministeriums ausnutzen, um in Hogwarts einzufallenâŠâ
Diesen Worten folgte ein geschocktes Schweigen. âDu-WeiĂt-Schon-Wer ist auf dem Weg hierher? Aber-aber⊠was ist mit all den anderen?â
âSirius meinte, sie kĂŒmmern sich darum⊠ich hoffe nur, sie schaffen es rechtzeitig.â
Erneut trat Stille ein, bis Ron erneut das Wort ergriff. âDas, was du vorhin gesagt hast, also⊠von wegen, es wĂ€re doch nur ein Traum gewesen⊠bist du da ganz sicher?â
Harry ĂŒberlegte einen Moment, bevor er antwortete. Sirius Reaktion war eigentlich eindeutig gewesen, und doch zweifelte er langsam an seinem Verstand. Das ganze war so real gewesen, dass er sich ĂŒberhaupt nicht vorstellen konnte, dass es doch nur ein schlimmer Alptraum gewesen sein sollteâŠ
âIch weiĂ es nicht, Ron. Ich hoffe, dass es nur ein Traum war, aber ich weiĂ es einfach nichtâŠâ
In diesem Augenblick tauchte Hermine wieder auf. Sie wirkte etwas gehetzt, aber scheinbar erleichtert. âDie Luft ist rein. Ich glaube, wir können es riskieren, ohne den Tarnumhang zu gehenâ, sagte sie eilig, und mit einem Blick auf Harry fĂŒgte sie hinzu: âEs wĂ€re sowieso ein Wunder, wenn wir ihn unterwegs nicht verlieren wĂŒrdenâŠâ
Also zogen sie Harry wieder in die Senkrechte und halfen ihm die Stufen hinauf.
Harry war erleichtert, als sie endlich wieder drauĂen an der frischen Luft waren. Erst jetzt merkte er, wie stickig es in dem Geheimgang gewesen war.
Ginny wartete schon ungeduldig. âBeeilt euch!â
Trotz der warmen Jahreszeit war es in dieser Nacht ziemlich kalt und Harry Ă€rgerte sich, weil er nicht daran gedacht hatte, sich noch einen Pullover ĂŒberzuziehen.
Der Bahnhof war nicht mehr weit entfernt, doch angesichts Harrys Verletzung war es nicht verwunderlich, dass sie fast dreimal so lange brauchten, wie sonst.
Als sie den Bahnsteig endlich erreicht hatten, schaute Hermine sich suchend um, doch es war niemand zu sehen. âSirius hat doch gesagt, dass die drei hier auf uns warten wĂŒrdenâŠâ
âAber wo sind sie?â, fragte Ginny unsicher.
âHier drĂŒben!â
Alle vier fuhren herum. Im selben Augenblick traten drei Gestalten aus den Schatten der HĂ€user hervor.
âHarry, was ist passiert?â, fragt Lupin erschrocken, als er nĂ€her kam.
âSpĂ€terâ, keuchte Harry. âLasst uns endlich verschwinden!â
Lupin warf ihm noch einen besorgten Blick zu, dann nickte er und sah sich nach seinen beiden GefÀhrten um.
âDa ihr noch zu jung seid, um selbst zu apparieren und es etwas zu weit ist, um mit dem Besen zu fliegen, werden wir Seit-an-Seit-Apparieren!â, sagte Moody kurz angebunden.
Harry sah ihn fragend an, er konnte sich einfach nichts unter diesem Begriff vorstellen. Doch er erhielt keine Antwort und so blieb ihm nur zu hoffen, dass die drei wussten, was zu tun war.
âNimm meine Hand, HarryâŠâ, sagte Lupin aufmunternd und hielt sie ihm entgegen. Harry ergriff sie zögernd und wartete, dass etwas passierte.
âGut festhalten⊠eins, zwei, dreiâŠâ
Es war das unangenehmste, was Harry jemals verspĂŒrt hatte. Er hatte das GefĂŒhl, als wĂŒrde jemand versuchen, ihn in eine SardinenbĂŒchse zu quetschen und ihn gleichzeitig auf das ganze Universum auszudehnen. Doch in dem Augenblick, in dem er sich sicher war, dass er es nicht mehr lĂ€nger ertragen konnte, hörte es wieder auf.
Er schrie auf vor Schmerz als er mit dem verletzten FuĂ auf den Boden auftraf. Seine Knie knickten ein und er landete sehr unsanft auf dem harten Asphalt.
âHarry, bist du in Ordnung?â Lupin war sofort an seine Seite geeilt.
âIch⊠nein⊠mein FuĂâŠâ presste er hervor.
Harry zuckte zusammen, als die anderen plötzlich aus dem Nichts auftauchten. âBeeilung, Remus, wir sollten schon lĂ€ngst zurĂŒck sein!â Moody machte sich nicht die MĂŒhe, Harry nach seinem Befinden zu fragen. âLos, losâŠâ
Also biss Harry ein letztes Mal die ZĂ€hne zusammen. Gemeinsam ĂŒberquerten sie den kleinen, schĂ€bigen Platz und erreichten endlich die TĂŒr von Grimmauldplatz Nr.12.
Kaum hatten sie die TĂŒr wieder hinter sich verriegelt, gaben Harrys Knie wieder nach. Völlig erschöpf sank er zu Boden, nicht mehr fĂ€hig, auch nur noch einen weiteren Schritt zu tun.
âMoody⊠hab ich dir nicht gesagt, dass du sie heil herbringen sollst?â Sirius war in der KĂŒchentĂŒr erschienen und eilte auf seinen Patensohn zu. âWas hast du mit ihm angestellt? War das wieder so eine verrĂŒckte IdentitĂ€tsprĂŒfung?â
âDas hat der Junge sich selbst zuzuschreiben. Ich habe damit nichts zu tun.â, gab Moody trocken zurĂŒck.
âMom?â Ron Stimme ĂŒberschlug sich fast vor Freude als Mrs. Weasley aus der KĂŒche kam. Ihm stiegen die TrĂ€nen in die Augen, und keiner, auĂer Harry und Hermine, wusste, warum. Besorgt lief Mrs. Weasley auf ihn zu. âRon? Was ist? Stimmt etwas nicht?â
âDoch, doch⊠alles in Ordnung.â Ron strahlte ĂŒber das ganze Gesicht. âIch bin einfach so froh, dich zu sehenâŠâ
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Erstmal n ganz, ganz, ganz groĂen Dank an Beaky, der trotz der langen Wartezeit gespannt auf jedes einzelne Kapitel wartet und mir immer sofort n Kommi hinterlĂ€sst
DANKE *knuddel*
Und natĂŒrlich auch n groĂen Dank an alle anderen Leser, die mir immer noch die Treue halten *drĂŒck*
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Noch eine Anmerkung:
Ich wollte eigentlich langsam eine RegelmĂ€Ăigkeit fĂŒr meine Veröffentlichungen finden, aber wenn mich die Schreibwut erst mal gepackt hat, dann kann ich nicht mehr aufhören. Seid aber versichert, dass ich noch ein paar Kapitel vorrĂ€tig habe... der Strom wird also nicht so schnell abbrechen *g*
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
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