von kikimaus
Ein Rätsel wird gelöst - und Snape hat recht
Harry hatte soviel erlebt, dass die Ereignisse auch noch Gesprächsstoff für den nächsten Tag boten. Aber von seinen Erinnerungen in Godric's Hollow erzählte Harry lieber nichts. Dafür erwähnte er, ganz nebenbei, wie es zu dem Beinahe-Absturz und seiner Rettung in letzter Sekunde gekommen war…Er versuchte das Interesse von Ron und Hermine auf das winzige Bruchstück zu lenken, das er in Snapes Kopf gesehen hatte. Wer war dieser Junge? War es Snape als Baby? Eine Erinnerung aus seiner frühen Kindheit?
„Das glaube ich nicht“, sagte Hermine bestimmt. „Aber mal was anderes: Snape hat dir gestern das Leben gerettet, Harry! Wieso hast du das gestern nicht erzählt?“
„Weil ich keine Lust hatte, mir eure Vorwürfe auch noch anzuhören.“
„Und wieso dringt Voldemort wieder in deinen Kopf ein? Letztes Jahr hat er dich doch in Ruhe gelassen.“
„Letztes Jahr hat Dumbledore auch noch gelebt“, meinte Harry düster. „Aber dieses Erinnerungsbruchstück in Snapes Kopf…“
„…beschäftigt dich mehr als alles andere, ich merke es schon. Also gut, schauen wir es uns an.“…
„Die Erinnerung ist aber wirklich sehr kurz“, sagte Hermine, nachdem sie das Bruchstück gesehen hatten.
„Das war wieder ne Erinnerung von ihm, als er noch klein war.“
„Bist du sicher, dass es das war?“, fragte Hermine skeptisch.
„Was soll es sonst sein?“
Ron und Harry konnten förmlich sehen, wie intensiv Hermine nachdachte.
„Darf ich die Erinnerung noch mal sehen! Vielleicht…mehrmals hintereinander?“
Jetzt sah Harry dem Baby in die Augen. Sie waren grün…
Hermine sprach aus, was alle dachten.
„Das ist nicht Snape! Das bist du - als Baby! Und der Arm, der dich umklammert, das ist Hagrid, wie er dich aus den Trümmern holt!“
„Ja, aber wie kommt diese Erinnerung in Snapes K…“ Harry erstarrte. Trelawneys letzte Prophezeiung kam im wieder in den Sinn.
„Er war da! Er war da, als meine Eltern getötet wurden!“
„Nein, Harry, das glaube ich nicht!“
„Ich hab geweint…“, sagte Harry nachdenklich.
„…weil deine Eltern tot waren?“, fragte Ron.
„Nein, dann hätte ich nach unten gesehen…sie lagen auf dem Boden…Ich hab geweint, weil ich…von ihm weg musste!“ Harry konnte selbst kaum glauben, was er da sagte.
„Harry“, sagte Hermine langsam „das, was du da gesagt hattest…das klang so ähnlich wie Sevas…könnte es ,Severus' heißen?“
„Du warst mit ihm per du? Echt krass“, meinte Ron.
Harry hörte kaum, was die beiden sagten. Er war mit seinen Gedanken vollkommen woanders: Der, der dich zuerst mit deiner neuen Kraft gesehen hat…
Harry schloss die Augen. Ihm war übel. „Das glaub ich einfach nicht“, hörte er sich sagen.
„Harry!“
Harry hatte das Gefühl, sein Kopf würde gleich platzen. „Ich kann nicht…nicht jetzt…“ Er sauste aus dem Zimmer.
„Harry!“
Dieses Mal war Ron es, der Hermine zurückhielt…
Irgendwie schienen sich Harrys und Snapes Wege ständig zu kreuzen. Er fragte sich allmählich, ob nicht eine unsichtbare Macht die beiden immer wieder zusammenführte…
Als er wieder zu dem Felsen kam, wartete Snape schon auf ihn.
„Na, Potter? Gut erholt vom gestrigen Abenteuer?“
Harry machte eine Bewegung, als wolle er Snape schlagen, aber Snape fiel ihm in den Arm…
„Überanstrengen Sie sich bloß nicht, Potter! Ein einfaches Dankeschön hätte schon gereicht.“
Das brachte Harry erst richtig in Fahrt…
„Ich hoffe, Sie halten Ihre Vorgehensweise nicht für Mut. Das, was sie gerade gezeigt haben, war Wut. Glauben Sie mir, Potter, der Anfangsbuchstabe dieser beiden Wörter ist nicht der einzige Unterschied…
Offenbar, hatte Snape sich vorgenommen, Harry etwas zum Thema Mut zu erzählen…
Ausgerechnet er, ein feiger Slytherin, wollte ihm, einem Gryffindor, einen Vortrag halten über Mut…
Und wie wenn Snape Harry Gedanken gelesen hatte, fuhr Snape fort:
„Die Gryffindors sind zwar sehr mutig, vielleicht sogar tapfer, aber den meisten von ihnen fehlt es leider an Klugheit…und deshalb sind so viele von ihnen tot. Aber Sie, Potter, wollte der Sprechende Hut Sie nicht ursprünglich nach Slytherin einteilen? Stehen Sie zu Ihren Fähigkeiten, Potter und sehen Sie sie nicht weiter als Makel an, denn eines Tages könnten sie Ihr Leben schützen.“
Harry sah Snape fragend an.
„Ja, ich weiß, was Sie sagen wollen, Potter“, fuhr Snape fort, „Sie sind dem Dunklen Lord immer wieder entkommen. Aber wenn sie die Sache einmal bei Licht betrachten, Potter, dann haben sie doch eigentlich immer nur unheimlich viel Glück gehabt. Aber Sie können sich nicht immer nur auf Ihr Glück verlassen. Irgendwann funktioniert das nicht mehr. Solange Sie noch jung sind, rechnen Ihre Gegner nicht damit, dass Sie etwas können. Aber je älter Sie werden, Potter, desto mehr Fertigkeiten erwartet man von Ihnen. Und wenn Sie weniger können, als man von Ihnen erwartet, dann haben Sie ein Problem, Potter, und zwar ein lebensbedrohliches Problem. Wollen Sie es wirklich darauf ankommen lassen, Potter?...Oder wollen Sie endlich anfangen zu lernen? Wie wollen Sie je erfahren, was Sie können, wenn Sie niemals an Ihre äußeren Grenzen gehen?“
Harry riss sich los und rannte davon.
„Ja, laufen Sie ruhig weg, Potter“, flüsterte Snape, „Aber vor sich selber können Sie nicht davonlaufen…Dieses Kunststück hat bisher noch niemand fertiggebracht…“
„Er sagte, ich hätte in Wahrheit immer nur Glück gehabt“, empörte sich Harry.
Ron grinste. Er wusste, was jetzt kommen wĂĽrde.
„Da hat ja auch recht“, sagte Hermine. Das hatte sie schon öfter gesagt.
„Sag mal, Hermine, bist du sicher, dass deine Eltern dich nicht adoptiert haben?“ Ron grinste noch breiter. Abrupt stand Hermine auf, ohne ein Wort zu sagen.
Ron blickte ängstlich zu Harry herüber. „Glaubst du, sie ist jetzt beleidigt?“
Harry schmunzelte. „Nein, ich denke, sie hat eine Idee.“
Nein, beleidigt sah Hermine nicht aus, eher entschlossen, etwas zu tun, was sie schon länger geplant hatte…
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