von kikimaus
Die ersten Sonnenstrahlen schienen durchs Fenster im Ligusterweg 4 und kitzelten Harry in die Nase.
Es war halb sechs.
Harry blinzelte. Zuerst wollte er sich auf die andere Seite drehen und einfach weiterschlafen. Aber dann durchfuhr ihn ein wichtiger Gedanke, der ihn sofort aus dem Bett springen ließ.
Heute war der 31. Juli. Heute wurde Harry 17 Jahre alt.
Heute war sein letzter Tag bei den Dursleys.
Blitzschnell zog Harry sich an. Er wollte keine Sekunde länger als nötig in diesem Haus verbringen.
Seine Sachen brauchte er nicht mehr zu packen, das hatte er schon gestern erledigt.
,Aber wie sage ich es den Dursleys?
Ach was, die werden froh sein, wenn ich nicht mehr da bin', grinste Harry, ,und ich auch.'
Er würde Ron und Hermine wiedersehen!
Auch die Aussicht, an einer Hochzeit (und vielleicht sogar noch einer Verlobungsfeier?) teilzunehmen, stimmte Harry fröhlich. Fröhlich! Nach allem, was letztes Jahr passiert war, mochte man es kaum glauben.
Das Chaos, das bis gestern noch in seinem Zimmer geherrscht hatte, war noch harmlos im Vergleich zu dem heillosen Durcheinander in seinem Kopf. So sehr Harry sich auch bemühte, es war ihm nicht möglich, so etwas wie Ordnung in seine Gedanken und Gefühle zu bringen. Es war wesentlich einfacher gewesen, seine Habseligkeiten fein säuberlich in seinem Schrankkoffer zu legen.
Harry schlich sich nach unten. Er musste die Zeit bis zu seinem endgültigen Auszug irgendwie rumkriegen. Das Frühstück vorbereiten! Ja, dass ist eine gute Idee! Allerdings stellte sich heraus, dass die „Frühstücksvorbereitungen“ Harrys volle Konzentration erforderten, da er in anbetracht des bevorstehenden Auszugs besonders aufgeregt war.
Es waren im letzten Jahr so viele Dinge passiert, dass Harry große Mühe hatte, alles in seinen Kopf reinzukriegen.
Na gut!
Wenn er schon zu den vergangenen Ereignissen keinen klaren Gedanken fassen konnte, wollte er wenigstens Pläne für die Zukunft machen.
Während er den Frühstückstisch deckte, überlegte er, welches Ziel er als erstes in Angriff nehmen sollte: Godrics Hollow oder das Grab seiner Eltern. Oder Snape erledigen.
Snape.
Harrys Blick verdüsterte sich bei dem Gedanken. Ihn zu erledigen schien ihm noch wichtiger zu sein als Voldemort zu töten.
Er hatte gerade alles vorbereitet, da hörte er von oben die ersten Geräusche.
Na endlich, ich dachte schon, die werden heute überhaupt nicht mehr wach!
Harry fing an, das Frühstück vorzubereiten. In den fast 16 Jahren, die er nun hier lebte, hatte er genügend Zeit gehabt, die Vorlieben der einzelnen Familienmitglieder kennenzulernen.
Vielleicht vermissen die mich sogar, wenn sie keinen “Hauselfen“ mehr haben!
Sein Blick drückte Entschlossenheit aus.
Wenn sie nach unten kommen, dann können sie gleich frühstücken. Und je eher sie mit dem Frühstück fertig sind, desto schneller komme ich hier weg!
Als Onkel Vernon, Petunia und Dudley im Wohnzimmer eintrudelten, wunderten sie sich gar nicht darüber, dass der Tisch gedeckt war und Harry das ganze Frühstück vorbereitet hatte. Ohne ein Wort des Dankes oder auch nur ein „Guten Morgen“ schnappten sie sich ihre Stühle.
Als alle am Frühstückstisch saßen, gab Harry sich einen Ruck.
„Ihr habt mir zwar dieses Jahr wieder nichts geschenkt, aber dafür habe ich ein Geschenk für euch.“
Entgegen aller Gewohnheit erhielt Harry bei diesen Worten ungeteilte Aufmerksamkeit. Sogar Dudley hörte auf zu kauen.
Harry versuchte gar nicht erst, den Zynismus in seiner Stimme zu verbergen.
„Ich habe eine gute Nachricht für euch. Ich werde ausziehen. Heute noch. Dann seid ihr mich endlich los.“
Mr. Dursleys Antwort folgte prompt.
„Wurde aber auch langsam Zeit.“ Mr. Dursley schluckte den Rest seines Brötchens herunter.
„Ach so“, sagte Onkel Vernon beiläufig, während er sein Ei pellte, „vergiss die Kiste nicht, die auf dem Dachboden steht, die stört mich schon seit ner Ewigkeit.“
Noch nie hatten die Dursleys Harry auf den Dachboden gelassen.
„Was für eine Kiste?!“ fragte Harry alarmiert.
Schweigen.
„Was für eine Kiste?!!!!!!“ schrie Harry.
Vernon versuchte, Haltung zu bewahren. „Da sind nur Sachen von deiner Mutter drin, die sie damals….“ Weiter kam er nicht.
Harry sprang so heftig vom Stuhl auf, dass dieser mit lautem Gepolter zu Boden fiel.
„Und das sagt ihr mir erst jetzt?!!“ Harry war außer sich. „Die ganzen Jahre, wo ich versucht habe, etwas über meine Eltern herauszufinden, habt ihr die Kiste auf dem Dachboden gehabt?!!! Sagt mal, habt ihr sie noch alle?!!!!!!“ Petunia, Vernon und Dudley zuckten ein wenig zusammen.
„Keine Sorge, die lass ich ganz bestimmt nicht hier!!“
Harry versuchte mit aller Gewalt, seinen Wutausbruch zu unterdrücken. Seine überschüssige Energie benutzte er stattdessen, um die voluminöse Kiste vom Speicher in den Flur zu wuchten. Diese Energie brauchte er auch dringend, denn die Dursleys taten nicht einen Handschlag, um ihm zu helfen.
„Ist eher ein Zufall, dass wir die Kiste noch haben, wollte sie schon längst auf den Müll werfen“; sagte Onkel Vernon ungerührt.
„Aber Vernon!“
,Du kannst von Glück sagen, dass ich gerade keine Hand frei habe, sonst hätte ich dich jetzt erwürgt.' Harry biss die Zähne zusammen. ,Die ganzen Jahre hat ihrs mir verschwiegen. Wie kann man nur so sein?!'
Über soviel Unverstand konnte Harry nur den Kopf schütteln.
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