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Fanfiction

Unbekannte Vergangenheit - Entschlossenheit - Teil 3

von ChrissiTine

A/N: So, jetzt sind wir am Ende angelangt (fast), denn nach diesem Teil kommt nur noch der Epilog (fragt aber nicht, wie lange der noch dauert). Ich danke schon jetzt allen, die bis zum Ende durchgehaltem haben und hoffe, dass ihr die FF so gerne gelesen habt wie ich sie geschrieben habe.





Entschlossenheit, Teil 3



"So, mein Kind, es ist an der Zeit, dass du endlich deine Mummy kennen lernst.", sagte Remus zu seiner Tochter und näherte sich Tonks' Krankenbett. Das Kind starrte ihn aus großen Augen aufmerksam an und schien jedem seiner Worte zu lauschen. "Du kennst sie schließlich nur von innen."

Rebecca schloss leise lächelnd die Tür hinter ihnen und blieb dann in einigem Abstand stehen. Dieser Moment gehörte den Lupins: Remus, Dora und deren Tochter. Sie war zwar mittlerweile auch ein Teil dieser Familie, aber momentan störte sie da einfach. Hier ging es nur um Vater, Mutter und Kind, selbst wenn die Mutter nicht bei Bewusstsein war.

Und Rebecca stellte überrascht fest, dass ihr das überhaupt nichts ausmachte. Sie hatte, besonders nach ihrer Reaktion direkt nach der Geburt ihrer kleinen Schwester, geglaubt, dass es ihr sehr viel schwerer fallen würde, die Lupins so zusammen zu sehen. Aber sie hatte erkannt, dass sie nicht wollte, dass ihre kleine Schwester das gleiche Schicksal ereilte wie sie selbst. Die Kleine sollte nicht ohne ihre Mutter aufwachsen, sie sollte nicht aufwachsen ohne zu wissen, wie es war, von ihrer Mutter eine Geschichte zum Einschlafen vorgelesen zu bekommen oder einen Gute-Nacht-Kuss. Sie sollte wissen, wie die Stimme ihrer Mutter klang, wie ihr Lächeln aussah (obwohl das bei Tonks sehr verschieden sein konnte), wie ihre Haare dufteten oder wie es war, von ihr umarmt zu werden.

Die Kleine war hilflos, gerade mal einen Tag alt, während Rebecca bereits dreiundzwanzig Jahre auf der Welt war. Sie war erwachsen. Sie hatte ihre Großmutter verloren, ihren Vater gefunden, sich in ihren besten Freund verliebt, die Highschool abgeschlossen und ihren Boss um den Finger gewickelt. Und es war unmöglich, ihre kleine Schwester nicht zu lieben. Genauso, wie es unmöglich war, Sam ...

Rebecca konzentrierte sich auf ihren Vater, um diesen Gedankengang nicht weiterführen zu müssen.

Remus hatte das Baby vorsichtig auf das Bett gelegt und mit einem Kissen abgestützt. Behutsam nahm er Doras Arm und legte ihn um das kleine zierliche Geschöpf, das keinen Mucks von sich gab.

Vielleicht, überlegte Rebecca, dachte es, dass seine Mommy schläft und es deshalb so leise wie möglich sein musste, um sie nicht zu wecken. Sie schluckte.

"Dora ... deine Tochter ist hier.", sagte Remus mit zitternder Stimme und schaute auf das ebenmäßige blasse Gesicht seiner Frau. Es war das erste Mal, dass Rebecca hörte, wie er mit ihr sprach, seit sie im Koma lag. Und es fiel ihm unglaublich schwer. "Unsere Tochter. Du hast sie nur ganz kurz gesehen und ich dachte, du würdest sie vielleicht gerne etwas länger um dich haben."

Er schluckte. Rebecca blinzelte.

"Sie hat noch keinen Namen. Den wollten wir zusammen aussuchen, weißt du noch? Weil ich absolut gegen Clamydomona war. Und du gegen Madeleine. Auch wenn ich nicht verstehen kann, warum." Ein schwaches Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. "Aber jedenfalls, sie ist jetzt hier, unser Kind, und sie würde dich gerne kennen lernen. In deine Augen sehen. Deine Stimme hören. Bitte, Dora, erfüll ihr diesen Wunsch. Wenn du schon nicht meinetwegen aufwachst, dann tu es für unser Kind. Tu es für sie ..." Er brach ab und ließ sich in den Stuhl neben ihrem Bett sinken.

Rebecca wischte sich mit dem Ärmel über ihre Augen und beobachtete ihre Stiefmutter aufmerksam. Nichts tat sich. Keine Bewegung, abgesehen vom Heben und Senken ihres Brustkorbes. Sie drückte die Daumen so fest, dass sie bereits schmerzten.

Es musste funktionieren. Es musste einfach. Es musste.

Bitte, bitte, bitte, bitte, bitte...

/-/

"Nein, Hermine, du musst nicht kommen.", sagte Ginny in das Telefon, das sie sich zwischen Schulter und Ohr eingeklemmt hatte, während sie ihren Toast butterte. "Du kannst sowieso nichts machen. Du hast auch keine besonderen Heilkräfte, um Tonks aufzuwecken." Sie biss ein Stück ab und sprach kauend weiter. "Und Remus hat schon mehr moralische Unterstützung als ihm lieb ist, glaube ich. Rebecca ist im Moment bei ihm." Harry schüttete ihr etwas Kaffee ein, nachdem sie wild in die Richtung der Kanne mit ihrem angebissenem Toast gestikuliert hatte. "Du musst wirklich nicht kommen, Hermine. Deine Termine sind wichtig, das Ministerium verlässt sich auf dich." Sie trank einen Schluck, verschluckte sich und bekam einen Hustenanfall. Harry klopfte ihr auf den Rücken. "Nein, alles in Ordnung, Hermine. Du kommst morgen doch sowieso wieder... Soll ich dich nochmal daran erinnern, wie viel Energie du in die Aushandlung dieser Treffen gesteckt hast?" Sie verdrehte genervt die Augen. Schließlich konnte Harry das nicht mehr mit ansehen und nahm ihr das Telefon aus der Hand.

"Hermine, du bist hier völlig nutzlos. Du kannst genauso wenig machen wie wir alle. Da, wo du jetzt bist, bist du nützlich und kannst etwas bewirken. Also mach keinen Quatsch, okay? Dein Chef würde dich umbringen, wenn du das jetzt einfach abbrichst. Und vertrau mir, ob du heute oder morgen kommst, viel verpassen wirst du hier nicht."

Das Gespräch ging noch eine Weile hin und her, aber schließlich ließ sich Hermine davon überzeugen, dass sie erstmal bleiben sollte, wo sie war. Es waren schließlich wirklich schon genug Leute da, die sich Sorgen machten und nicht wussten, was sie tun sollten.

Seufzend legte Harry den Hörer auf.

"Wieso hat ihr Ron nur von Tonks erzählt? Es hätte doch wirklich bis morgen warten können. Er weiß doch, wie sehr sich Hermine in manche Dinge hineinsteigern kann. Sie ist völlig unkonzentriert und war drauf und dran, die Verhandlungen abzusagen."

Ginny stellte ihre Tasse auf den Tisch, stand auf und setzte sich auf seinen Schoß. Er schlang seine Arme um sie und legte den Kopf an ihre Schulter. Trost hatten beide dringend nötig.

"Vielleicht hat Ron einfach nur Trost gebraucht, Harry. Als ich das von Tonks erfahren hab, bin ich auch sofort zu dir, obwohl du gearbeitet hast, obwohl ich dich vielleicht aus einer Besprechung geholt hätte." Ginny schloss die Augen und schüttelte den Kopf. "Ich bin einfach nur meinem Gefühl gefolgt und mein Gefühl hat mir gesagt, dass es mir bei dir am besten geht, dass du mir in solchen Momenten Hoffnung gibst. Hoffnung, die ich von niemand anderem bekommen hätte. In deinen Armen sieht alles nicht mehr so ausweglos, so schrecklich aus." Sie küsste ihn auf die Stirn und spürte, wie er seinen Griff verstärkte. "Ich glaube, wir Weasleys sind alle so. Mum und Dad, Bill und Fleur. Charlie. Percy. Fred und George haben sich, da wird eine Frau so wohl nie durchkommen. Aber wenn Ron bei jemandem Trost sucht, den er liebt, dann kann ich ihm das nicht übel nehmen, selbst wenn wir jetzt eine Stunde mit Hermine telefonieren mussten, um sie davon zu überzeugen, nicht frühzeitig zurückzukommen. Ich kann es ihm nicht übel nehmen, denn ich hätte an seiner Stelle genau das gleiche getan."

Harry nickte. "Ihr handelt, ohne nachzudenken, das stimmt."

Ginny lächelte schwach. "Nicht jeder kann alles so in sich hineinfressen wie du, Harry." Sie strich ihm durch die dunklen unordentlichen Haare und küsste ihn.

Er seufzte. "Na schön. Vielleicht hast du Recht." Ginny nickte und küsste ihn erneut, während sie damit anfing, sein Hemd aufzuknöpfen.

/-/

~Flashback Anfang~

"Ich wusste gar nicht, dass du ein so toller Tänzer bist, Remus.", sagte Dora und ließ sich erschöpft auf einen Stuhl sinken. Sie schnappte sich eine der Servietten, die zu einem Schwan gefaltet worden war, und fächelte sich Luft zu.

Remus lächelte. "Das kommt davon, dass du mich nie danach gefragt hast.", erwiderte er und setzte sich auf den Stuhl neben sie. Sie hatten nie davon gesprochen, wie gut er tanzen konnte, weil das Tanzen eine große Verbindung zu Sarah und auch Lily und James herstellte und es manchmal immer noch weh tat, nur darüber nachzudenken. Darüber zu sprechen wäre zu schmerzhaft. "Aber dass du auch so gut tanzen kannst, Dora, hätte ich nie gedacht.", fügte er hinzu.

Sie grinste und strich sich eine Locke aus dem Gesicht, die sich aus ihrer kunstvollen Frisur gelöst hatte. "Das kommt nur von den bescheuerten Tanzstunden, zu denen meine Mutter mich gezwungen hat. Man möchte meinen, dass es reicht, dass sie mir so einen grauenhaften Namen gegeben hat, aber nein, sie konnte es einfach nicht lassen, mich zu quälen. Sie meinte, dass Tanzen mir vielleicht helfen würde, meine Ungeschicklichkeit etwas einzuschränken. Tja, da hat sich die Gute aber getäuscht." Triumphierend warf sie ihrer Mutter einen Blick zu.

Remus lachte. "Ich bin jedenfalls froh, dass du mir nicht auf die Füße getreten bist. Diese Schuhe können gefährliche Waffen sein, besonders an deinen Füßen." Dora warf einen Blick auf ihre weißen Schuhe, die einen ziemlich hohen Absatz hatten. Sie nickte.

"Das sollte ich mir merken, wenn ich mit Onkel Andrew tanze.", sagte sie und lächelte verschmitzt. "So könnte ich mich dafür rächen, dass er mir immer zuckerfreie Schokolade zu meinem Geburtstag geschenkt hat."

Remus schüttelte den Kopf. "Nymphadora Lupin, was muss ich da hören?!" Tonks verzog das Gesicht bei der Erwähnung ihres Vornamens. Sie hatte sich schon sehr zusammenreißen müssen, um nicht auf den Pfarrer loszugehen, der ebenfalls ihren vollen Namen benutzt hatte, obwohl sie ihn in der Vorbesprechung explizit darauf hingewiesen hatte, es nicht zu tun. "Ich wusste gar nicht, dass du so eine sadistische Ader hast. Ich hätte es mir in Anbetracht dessen vielleicht nochmal anders überlegt."

Tonks sah ihn erschrocken an. "Untersteh dich!" Sie hielt ihre Hand hoch, an der jetzt ein goldener schlichter Ehering zu sehen war. "Du gehörst jetzt mir, Remus John Lupin, ob du willst oder nicht. Und eins kann ich dir versichern, so schnell wirst du mich nicht mehr los."

Remus beugte sich vor und küsste sie zärtlich. "Das hoffe ich doch, Dora.", erwiderte er und betrachtete ihren Ring. "Unfassbar, dass wir es wirklich geschafft haben." Es kam ihm immer noch wie ein Traum vor. Ein Traum, aus dem er nie mehr aufwachen wollte.

Sie nickte strahlend. "Nicht wahr? Aber ich wusste schon mit vier, dass du der Mann meines Lebens bist. Aber Männer sind ja bekanntlich etwas langsamer als Frauen." Remus schaute sie empört an. Sie hob abwehrend die Hände. "Was? Stimmt doch! Frag Ginny oder Hermine, die werden es dir nur zu gerne bestätigen. Selbst Molly würde mir da zustimmen."

Remus warf einen Blick zu Harry und Ginny, die auf der Tanzfläche waren. Harry war kein so toller Tänzer wie James, er wirkte recht unbeholfen, was aber auch kein Wunder war, schließlich hatte der arme Junge nicht viel Gelegenheit zum Tanzen in seinem turbulenten Leben gehabt. Aber es schien ihm Spaß zu machen und Ginny schien es alles andere als zu stören, dass Harry kein Naturtalent war.

"Okay, okay, du hast Recht, ich werde überstimmt. Wir Männer können einfach nicht gegen die weibliche Intuition ankommen. Zufrieden?"

Dora nickte und gab ihm noch einen Kuss, bevor sie in schallendes Gelächter ausbrach. Remus drehte sich verwundert um. Als er die Ursache für Tonks' Lachen gefunden hatte, konnte auch er nicht mehr an sich halten, genau wie der Rest der Gäste.

Ron hatte versucht, mit Nevilles Großmutter zu tanzen und die energische ältere Dame hatte ihn dabei so auf der Tanzfläche herumbugsiert, dass ihr der alte Hut mit dem Geier, der natürlich bei so einer festlichen Gelegenheit nicht fehlen durfte, von Kopf direkt auf Ron gefallen war, der jetzt äußerst dümmlich dreinblickte.

Fred und George schienen vor Lachen kaum noch Luft zu bekommen, während Ginny Colin Creevey einen fragenden Blick zuwarf. Der hielt seine Kamera hoch und nickte grinsend.

"Ich muss schon sagen", sagte Tonks zu Remus, nachdem sie sich etwas beruhigt hatte und ihre Lachtränen aus den Augen wischte, "das ist mit Abstand die beste Hochzeit, auf der ich je war, und das nicht nur, weil ich die Braut bin!"


~Flashback Ende~

/-/

"Hallo?" Sam hielt sich sein Handy ans Ohr und ließ das Hemd, das er gerade aus seinem großgezauberten Koffer genommen hatte, wieder zurückfallen. Kurz nachdem Rebecca praktisch aus der Wohnung geflüchtet war, war er auch gegangen. Ohne sie hatte er keinen Grund, weiter bei Harry und Ginny zu bleiben. Also hatte er sich wieder auf den Weg zum Tropfenden Kessel gemacht, wo er sich erst einmal dem drohenden Blick von Rebeccas Chef Tom aussetzen musste (dieser Mann hatte den Streit zwischen ihm und Becky bei seinem letzten Besuch anscheinend nicht vergessen) und es hatte eine Weile gedauert, bis er endlich ein Zimmer bekommen hatte (das kleinste und schäbigste zu einem Wucherpreis, aber Sam hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben, sich mit Tom irgendwann vielleicht doch noch gut zu stellen).

Nachdem er geduscht hatte, wobei ihm übrigens zehn verschiedene Arten von Insekten beobachtet hatten, hatte er sich ans Auspacken gemacht, obwohl er langsam bezweifelte, dass das wirklich notwendig war. Becky hatte ihm jetzt bereits oft genug zu verstehen gegeben, dass er wieder gehen sollte und langsam fiel ihm kein Weg mehr ein, sie von seinen Gefühlen zu überzeugen.

Er musste sich damit abfinden. Er war fünf Jahre zu spät gekommen. Er hätte sich mit neunzehn in sie verlieben sollen und nicht mit vierundzwanzig. Aber wer weiß, vielleicht war er damals schon in sie verliebt gewesen und die Gefühle für Victoria waren einfach nur präsenter gewesen, offensichtlicher. Er war sich nicht mehr sicher. Er war absolut verunsichert was Rebecca und ihre Vergangenheit anging. Immer wieder ging er seine Erinnerungen mit ihr durch und fragte sich, wo und wann er sich in sie verliebt hatte und er hatte keine Ahnung. Es hätte schon vor Jahren passiert sein können. Aber auf jeden Fall war es schon lange bevor er mit ihr geschlafen hatte. Und er könnte sich in den Hintern beißen, weil er ausgerechnet diese Nacht gebraucht hatte, um sich darüber klar zu werden. Hätte er es vorher gemerkt, hätte er vor dem Sex mit Becky gesprochen, hätte sie seine Motive nie angezweifelt. Sie wäre nie auf die Idee gekommen, dass er aus Schuldgefühlen oder Pflichtgefühl oder einem schlechten Gewissen heraus handelte. Sie hätte ihm geglaubt. Sie hätte ihm geglaubt, dass er sie liebte, ohne wenn und aber und es als die Tatsache akzeptiert, die es war. Aber so einfach lief es in seinem Leben natürlich nicht. Und jetzt war er mit seinem Latein am Ende. Was blieb ihm denn noch anderes übrig als zu gehen? Er hatte es vermasselt, die Chance, mit seiner großen Liebe zusammen zu sein.

Vielleicht sollte er die zwei Hemden, die er in den mikroskopisch kleinen Schrank gequetscht hatte - der übrigens sehr merkwürdig roch - wieder zurück in den Koffer legen, Toms bereits jetzt astronomisch hohe Rechnung zahlen und wieder nach Amerika zurückfliegen. Je früher er sich damit abfand, desto besser.

"Sam?", fragte eine von Tränen erstickte Stimme. Er brauchte einen Moment, bis er erkannte, mit wem er da am Telefon sprach.

"Becky?" Sein Herz fing an, schneller zu schlagen. Viel schneller als sonst. Das war bestimmt nicht gesund, besonders, weil es in den letzten Tagen schon so oft passiert war.

"Hast du vielleicht in einer halben Stunde Zeit?" Ihre Stimme wurde von Schluchzern geschüttelt und Sam wurde blass. Was in aller Welt war passiert? Wieso war sie so aufgebracht? Tonks war doch hoffentlich nicht ... Er schluckte.

"Becky, was ist los? Gab es irgendwelche Komplikationen? Ist deine Stiefmutter etwa ... oder ist deiner Schwester etwas passiert, deinem Dad?" Er suchte nach weiteren Gründen, wegen denen sie so aufgebracht sein konnte.

"Hast du in einer halben Stunde Zeit?", wiederholte Rebecca. Sie ging auf seine Fragen nicht ein. Sam bekam es allmählich mit der Angst zu tun. "Ich muss mit dir sprechen." Das konnte nichts Gutes bedeuten. Das konnte absolut nichts Gutes bedeuten. Am besten packte er seine Hemden wirklich gleich wieder ein.

"Ich kann gleich zu dir kommen, Becky", erwiderte er. Eine halbe Stunde Ungewissheit? Nur über seine Leiche.

Sie schniefte. "Okay. Das geht auch. Ich warte in der Cafeteria vom Mungos auf dich, in Ordnung?"

Sam schloss die Augen. Das war es. Dieses hin und her hatte jetzt ein Ende. Gleich würde er zum allerletzten Mal hören, dass Rebecca ihn nicht mehr liebte, dass das alles keinen Sinn hatte und dass er es auch nicht wirklich ernst meinte. Irgendwie würde ihm das fehlen. Sie würde ihm fehlen. Aber er hatte sie in den letzten sechs Monaten sowieso kaum noch gesehen, also hatte er sich schon an ein Leben ohne sie gewöhnen können. Nicht, dass ihm das jemals wirklich gelingen würde. Er wusste nicht, was er tun sollte, wenn sie tatsächlich aus seinem Leben verschwunden war. Für immer.

"Sam, bist du noch da?"

Er schluckte. "Ja. Ich bin noch da." Die Frage war nur, wie lange noch.

/-/

Suchend ließ er seinen Blick über die Tische streifen. Es waren überraschend viele besetzt. Wer war schon gerne in einer Krankenhauscafeteria?

Er entdeckte Rebecca. Sie saß in der hintersten Ecke und starrte ihn aus verheulten Augen an. Sie hatte sich offensichtlich wieder gefangen. Den Blick konnte er allerdings überhaupt nicht deuten.

Sam schloss die Augen und atmete tief durch. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Der Augenblick war gekommen. Er würde seine beste Freundin, das Mädchen, das er kannte, seit er denken konnte, die wunderschöne Frau, in die er sich verliebt hatte, seine große Liebe, jetzt zum letzten Mal sehen.

Schnellen Schrittes ging er auf ihren Tisch zu und setzte sich.

"Also, was ist passiert?" Diese Frage stellte er sich seit ihrem Anruf. Irgendetwas Schreckliches musste passiert sein. "Wer ist gestorben?"

Sie zuckte zusammen und schüttelte den Kopf. "Niemand.", sagte sie mit überraschend fester Stimme. "Niemand ist gestorben. Allen geht es gut. Dad, meiner Schwester und selbst Tonks." Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus und machte es schöner als Sam es seit langem gesehen hatte. Machte sie noch schöner. Merlin, sie war so wunderschön ... aber was hatte sie gesagt? Tonks ging es gut? "Sie ist aufgewacht, Sam, sie ist aufgewacht. Und dazu hat sie nur ihre Tochter gebraucht. Kaum lag die Kleine in ihren Armen, hat Dora die Augen aufgemacht. Darauf hätten wir alle schon gestern kommen können. Wir sind so dämlich gewesen, kannst du dir das vorstellen?" Sie strahlte ihn an und Sam hatte mittlerweile Probleme, einen klaren Gedanken zu fassen.

"Deshalb hast du geweint?", brachte er schließlich mit Mühe heraus. "Weil du dich gefreut hast?"

Rebecca errötete und nickte schnell. "Es tut mir Leid, dass ich bei dir den falschen Eindruck erweckt habe, aber ich musste es dir sofort erzählen, ich konnte einfach nicht warten und ich hatte mich noch nicht beruhigt und ... na ja, auf jeden Fall, vielen Dank, Sam. Vielen Dank für deine Hilfe, ich glaube ohne dich hätte ich gestern nicht überstanden." Sie hob ihre Hand, war einen Moment lang unentschlossen und legte sie dann schließlich auf seine, die auf dem Tisch lag. Sam schluckte. Es fiel ihm verdammt schwer, sich nicht wieder irgendwelche Hoffnungen zu machen. "Du bist wirklich mein bester Freund und es war ziemlich blöd von mir zu glauben, dass sich das nach den letzten Monaten ändern würde."

Sam schluckte. Es hatte gehofft, dass sie sich nicht ganz verloren hatten, hatte ihr mehrmals zu verstehen gegeben, dass es ihm reichte, ihr bester Freund zu sein, aber er konnte trotzdem nicht anders als enttäuscht zu sein. Ihr bester Freund zu sein war besser als gar nichts, aber er wollte trotzdem mehr für sie sein. Weil sie so viel mehr für ihn war. Aber er musste diese absurden Hoffnungen endlich begraben. Besser bester Freund als gar nichts mehr.

"Und es tut mir Leid, Sam." Er starrte sie überrascht an. Was sollte ihr denn Leid tun? Dass sie seine Gefühle nicht mehr erwiderte? Dafür konnte sie doch nichts.

"Es tut mir Leid, dass ich es dir so schwer gemacht habe. Dass ich deine Gefühle angezweifelt habe. Aber ich ..." Sie fuhr sich mit der Hand, die gerade noch auf seiner gelegen hatte, durch ihre blonden Haare. "Ich hab aufgehört zu hoffen, dass du dich irgendwann noch in mich verlieben wirst. Ich hab zwei Jahre dafür gebraucht, mir nicht ständig Hoffnungen zu machen und jede deiner Gesten und Bemerkungen mir gegenüber nicht mehr auf die Goldwaage zu legen in der Hoffnung, dass du vielleicht doch in mich verliebt bist und mir das so begreiflich machen willst und letzten Endes hast du mir dabei geholfen, zu akzeptieren, dass ich nur deine beste Freundin bin und nichts weiter, als du gesagt hast, dass du nach Victoria niemanden mehr lieben kannst. Diese Worte haben meine Welt verändert und ich hab mich mehr an sie geklammert, als du dir vielleicht vorstellen kannst. Und deshalb war es so unwahrscheinlich für mich, dass du mich liebst, dass du mich willst, dass das für dich mehr als nur Sex war, dass du das nicht nur wegen dem Kind zu mir gesagt hast, dass dir die Nacht so viel bedeutet hat wie mir, weil du dich doch gar nicht mehr in mich verlieben konntest."

Sie schloss die Augen und atmete tief durch. Sam hob zögernd seine Hand und strich ihr über die Wange. Sie lehnte ihr Gesicht in seine Handfläche und schlug ihre Augen wieder auf. Sam versank in dem bernsteinfarbenen Himmel.

"Ich hatte Angst, Sam. Ich hatte gedacht, dass ich über dich hinweg bin, dass diese Gefühle nicht mehr da sind und dann sind sie plötzlich wieder in mir hochgekommen und ich wusste einfach nicht, was ich machen sollte. Es war einfach unvorstellbar für mich, dass du mich wirklich liebst. Und deshalb hab ich versucht, diese Nacht zwischen uns zu verdrängen, oder noch besser, sie zu vergessen, denn ich konnte mir diese Hoffnung einfach nicht erlauben, dass das mehr für dich war als nur Sex, weil das meine Welt noch mehr auf den Kopf gestellt hätte als sie ohnehin schon war.

Und dann dachte ich, dass ich schwanger bin und dann bist du genau in diesem Augenblick aufgetaucht, drei Monate nach dieser Nacht, um mir zu sagen, dass du mich liebst. Wie hätte ich dir denn das glauben sollen, Sam? Wo du mir doch gesagt hast, dass du nie wieder jemanden lieben kannst. Ausgerechnet in diesem Moment, in dem ich merke, dass ich anscheinen ein Kind von dir bekomme, erkennst du, dass du nicht ohne mich leben willst?"

Sie verstummte und Sam fühlte etwas nasses auf seiner Hand. Eine Träne war über ihre Wange gerollt. Sam schaute sie sprachlos an. Er hatte keine Ahnung, wohin das alles führen sollte. Es schien so, als hätte sie seine Gefühle endlich akzeptiert, aber was bedeutete das jetzt für sie beide? Wollte sie ihn noch?

"Kannst du verstehen, warum ich dir nicht geglaubt habe? Warum ich mich so verhalten habe? Meine Gefühlswelt war so durcheinander, ich wusste nicht mehr, wo oben und unten war, ich war kurz davor, Mutter zu werden, dann ist meine kleine Schwester auf die Welt gekommen und sie hätte beinahe keine Mutter gehabt und ich hatte Angst um Dad und mir ging es durch das Virus sowieso schon ziemlich scheiße und dann warst da auch noch du -"

"Ich weiß, dass ich nicht das perfekte Timing hatte, Becky.", unterbrach Sam schließlich ihren Redefluss. Er hatte verstanden, worauf sie hinaus wollte und langsam ertrug er nicht mehr, dass sie lauter Gründe auflistete, warum es ihr in den letzten zwei Tagen so schlecht gegangen war und dass er einer davon war. "Ich hätte schon früher merken sollen, dass ich dich liebe, dann hättest du das alles wahrscheinlich nicht so in Frage gestellt und -"

Sie schüttelte den Kopf und er ließ seine Hand sinken. Bevor er sie allerdings ganz zurückziehen konnte, umschloss Rebecca sie mit ihren beiden Händen und lächelte ihn zaghaft an. Sams Herz schlug so schnell, dass er glaubte, es würde bald wegen Überlastung damit aufhören.

"Das ist nicht mehr wichtig, Sam", sagte sie und jetzt hatte Sam wirklich das Gefühl, dass sein Herz aufhörte zu schlagen. Sie wollte ihn nicht. Es war zu spät. Er hatte es wirklich vermasselt, am besten packte er seine zwei Hemden wieder ein und ... "Ich liebe dich auch, Sam." Und er musste sich damit abfinden und seine Mutter würde so enttäuscht sein und ... Was hatte sie gerade gesagt?!

Er öffnete den Mund, um sie zu bitten, ihren letzten Satz zu wiederholen, denn er musste sich verhört haben, aber er brachte keinen Ton hervor. Sie schaute ihn immer noch lächelnd und jetzt auch abwartend an und als er nichts sagte, sprach sie schließlich wieder.

"Ich liebe dich auch."

Besorgt beugte sie sich vor, weil er immer noch keinen Ton herausbrachte, sein Mund aber weiterhin offen stand. Sein Gehirn kam nicht mehr mit. Das war jetzt alles so schnell gegangen und er musste das alles noch verarbeiten. Kein Wunder, dass sie ihm gestern nicht geglaubt hatte, so wie er sie überfahren hatte.

"Alles in Ordnung?"

Langsam schien er ihr wirklich Angst zu machen, aber das einzige, was Sam zu Stande brachte, war ein Nicken und das Schließen seines Mundes. Er hatte keine Ahnung, was er sagen sollte.

Aber wie sich herausstellte, musste er gar nichts mehr sagen, denn im nächsten Augenblick lagen ihre Lippen auf seinen und sie küsste ihn. Überraschenderweise hatte er keine Probleme damit, den Kuss zu erwidern. Das war etwas Vertrautes, etwas, wovon er in den letzten drei Monaten nonstop geträumt hatte, etwas, das er, wie ihm schien, schon sein ganzes Leben lang getan hatte.

Er liebte sie und sie liebte ihn und obwohl es ihm immer noch schwer fiel zu glauben, dass sie endlich aufgehört hatte, vor ihm, seinen und ihren Gefühlen davon zu laufen, wusste er, dass das der schönste Augenblick in seinem bisherigen Leben war, viel schöner als alles, was er jemals mit Victoria erlebt hatte und sogar noch schöner als die Nacht mit Becky, denn jetzt wusste er, woran er war, wusste, dass sie eine Zukunft hatten und vor allem, dass er nie wieder jemand anderen als Becky küssen wollte.

Er vergrub seine Hände in ihren Haaren, zog sie näher zu sich und erinnerte sich erst daran, dass sie in einer voll besetzten Cafeteria saßen, als sie eine Kaffeetasse herunterwarfen.

"Heißt das, dass du mit mir zusammen sein willst?", fragte Sam schließlich, nachdem sich sein Atem wieder etwas beruhigt hatte.

Becky fing an zu strahlen und nickte. "Ja. Ja, ich will."

Auch Sam fing an zu grinsen und seine bereits außer Kontrolle geratenen Gedanken galoppierten davon und malten eine andere Szene aus, in der sie genau die gleichen Worte sagte und ein wunderschönes Kleid trug und ...

"Ich weiß zwar nicht, wie das alles zwischen uns weitergehen soll, ich meine, du wohnst in Amerika und ich bin hier ..." Jetzt, wo sie es sagte, fiel Sam auf, dass er sich darüber noch gar keine Gedanken gemacht hatte. Soweit hatte er in den letzten drei Monaten überhaupt nicht denken können und jetzt erschien es ihm als so unwichtig. Er fühlte sich, als ob er schweben würde und wenn die räumliche Distanz zwischen ihnen ihr größtes Problem war, dann war das wirklich mehr als unwichtig. Das würden sie schon hinkriegen, da war er sich absolut sicher.

"Dafür werden wir schon eine Lösung finden, Becky", sagte er zuversichtlich. Nichts konnte seine Stimmung trüben, absolut gar nichts. Alles hatte sich zum Guten gewendet.

Sie nickte. "Ich weiß." In den letzten fünf Minuten hatte sie mehr gelächelt als in den vergangenen sechs Monaten. Er hatte schon ganz vergessen, wie ihr Lächeln überhaupt aussah. Wie wunderschön es war. Aber er würde es nie wieder vergessen. Dieser Tag hatte sich für immer in sein Gedächtnis gebrannt. "Seit heute halte ich alles für möglich."

Sam legte seine Hand wieder auf ihre Wange, beugte sich vor und küsste sie erneut. Es war ihm egal, wer alles zuschaute. Das einzig Wichtige war Becky. Endlich hatte er sie und jetzt würde er sie nie wieder gehen lassen.

Ende (fast)


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