Tonks starrte ihren Mann mit offenem Mund an und fragte sich vermutlich, ob sie an einem Hörschaden litt. "Deine ... deine Toch ... Tochter ...?" Ungläubigkeit machte sich auf ihrem Gesicht breit. Zögerlich fing sie an zu lachen. "Das war ein guter Witz, Remus, wirklich. Ich hätte ihn fast geglaubt."
Er blickte ihr entschlossen in die Augen. "Das war kein Witz, Dora. Rebecca ist meine Tochter. Nicht meine Geliebte."
"Aber ... aber wie ... wie denn ... wann denn ... was ...", stammelte sie und schaute ihn fassungslos an. "Wie ist das denn passiert?"
Remus lachte. "Soll ich dir das jetzt erklären, Dora? Ich dachte, du wüsstest, wie das geht."
Sie warf ihm einen bösen Blick zu. "Du findest das lustig? Was ist daran bitte lustig, dass mir mein Mann jetzt auf einmal gesteht, dass er eine Tochter hat?"
"Dora, Rebecca ist über zwanzig Jahre alt, du kannst mir nicht vorwerfen, dass ich dich betrogen habe.", gab er zu bedenken, da er vermutete, dass sie wohl darauf hinauswollte.
"Aber ... aber, wieso hast du mir das dann so lange verschwiegen? Wieso hast du mir in all den Jahren nichts von ihr gesagt? Und wer ist die Mutter? Wo ist die Mutter?", prasselten Fragen auf ihn herab. Er hob beschwichtigend die Hände.
"Ganz ruhig, Dora, immer der Reihe nach.", sagte er beruhigend, stand auf und ging zum Bett seiner Frau. Sanft drückte er sie in die Kissen zurück. Sie wirkte sehr schwach, auch wenn diese Nachricht grade eine Unmenge an Energie zurückgebracht hatte. "Ich habe erst am Freitag von ihr erfahren. Sie stand plötzlich vor Harry im Ministerium. Er hat sich ihrer angenommen und es hat sich herausgestellt, dass sie ihren Vater sucht und dass ich ihr Vater bin. Ich schwöre, bis dahin wusste ich nicht, dass es sie gibt, sonst hätte ich doch sofort mit dir gesprochen, Dora!" Er blickte sie eindringlich an. Sie konnte ihm nicht standhalten und wandte den Kopf ab.
"Du hast aber nicht sofort mit mir gesprochen, Remus.", sagte sie mit brüchiger Stimme. Die ganze Energie schien mit einem Schlag aus ihr verschwunden zu sein. "Wenn du sofort mit mir gesprochen hättest, dann hätte ich euch nicht im Tropfenden Kessel überrascht, dann hätte ich nicht geglaubt, dass ihr eine Affäre habt, dann wäre es nicht so weit gekommen und dann würde ich jetzt vielleicht nicht hier liegen..."
Betroffen trat er einen Schritt zurück. Es tat ihm weh, sie so leiden zu sehen und es war seine Schuld, das war Remus klar. Aber jetzt war es zu spät, um etwas ändern zu können. "Es tut mir Leid, Dora, wirklich! Aber wann hätte ich denn mit dir sprechen sollen? Als du so unglaublich müde von der Arbeit gekommen bist? Ich wollte es dir morgen sagen, wenn du Zeit hast und ausgeschlafen bist, wenn du dich wirklich damit auseinander setzen kannst. Und nicht so zwischen Tür und Angel, wenn du noch zur Arbeit musst. Ich wollte verhindern, dass dir etwas passiert. Aber wie du siehst, hat das ja nicht geklappt." Er suchte erneut ihren Blick, aber sie schien noch nicht bereit zu sein, ihm in die Augen zu schauen.
"Das Ganze ist doch nur passiert, weil du nicht mit mir gesprochen hast, Remus." Sie drehte sich auf die Seite und zog die Beine eng an.
"Dora, wollen wir wirklich dieses was-wäre-wenn-Spiel spielen? Wir werden nicht ändern können, was passiert ist. Es ist passiert, es tut mir Leid, dass es so weit gekommen ist, ich weiß, dass es vorwiegend meine Schuld ist, aber wie gesagt, ändern werden wir es nicht können. Und es ist ja nicht so, als hätte ich dir jahrelang verschwiegen, dass ich ein Kind habe." Er bemerkte eine einzelne Träne, die ihre Wange herunterlief. Langsam und vorsichtig streckte er seinen Arm aus und wischte die Träne von ihrer Wange. Sie ließ es kommentarlos geschehen. "Dora, bitte..."
"Wer ist die Mutter?", fragte sie leise, ohne auf das Gesagte von ihm einzugehen.
Remus seufzte und zog sich zurück auf die Kante des anderen Bettes. "Sarah.", erwiderte er und konnte sehen, wie sie die Stirn runzelte. Natürlich überlegte sie jetzt, wann sie eine Frau namens Sarah kennen gelernt hatte und ziemlich sicher kam sie zu keinem Ergebnis.
"Wer?", fragte sie schließlich, nachdem sie bestimmt dreimal ihr Gedächtnis nach dem Namen Sarah durchsucht hatte.
"Sarah Sanford. Du erinnerst dich wahrscheinlich nicht mehr an sie, du hast sie nur einmal gesehen, als du noch relativ jung warst. Ich war mit ihr seit der siebten Klasse zusammen."
"Wann habe ich sie gesehen?" Sie klang völlig emotionslos, aber ihm war klar, dass es in ihr völlig anders aussah.
"Auf Lilys und James' Hochzeit. Bestimmt kannst du dich nicht erinnern, aber sie war Lilys beste Freundin und sie war auch ihre Brautjungfer gewesen. Sie-"
"Sie trug nicht zufällig ein blaues Kleid und hatte wunderschöne lange blonde Haare?", wurde er von Tonks unterbrochen.
"Doch, ja.", nickte Remus erstaunt. Sie wusste doch noch, wer Sarah war.
"Sie stand fast die ganze Zeit bei dir, hat dich umarmt, geküsst, mit dir getanzt, gelacht...", murmelte Tonks leise und zog die Knie noch weiter an. Sie lachte. "Ich glaub ich war damals schon eifersüchtig auf sie, weil du dich nur um sie gekümmert hast, nur Augen für sie hattest, nur mit ihr getanzt hast... Aber ich hab damals den Brautstrauß gefangen, das weiß ich noch ganz genau, er kam zu ihr geflogen, aber ich hab ihn gefangen..."
~Flashback Anfang~
"Wie viele Finger halte ich hoch?", fragte Sirius grinsend und wedelte mit der Faust vor dem Gesicht der fröhlichen Braut herum.
"Wie ich dich kenne, keinen.", grinste Lily.
Sirius blickte empört drein. "Hey, du schummelst. Du siehst doch was."
Lily schüttelte den Kopf, Sirius schmollte. Dann versuchte er das Ganze nochmal, Lily sah nichts mehr mit der schwarzen Binde vor den Augen. Sirius packte sie an den Schultern und drehte sie ein paar Mal im Kreis, bis sie erfolgreich protestierte. Sirius stellte sie in Position und rief laut: "Bitte alle Anhängerinnen des weiblichen Geschlechts hinter der Braut aufstellen, der Brautstrauß wird jetzt geworfen. Lily, du bist dran." Er entfernte sich aus der Schusslinie. Lily holte Schwung und warf die Blumen hinter sich.
Der Strauß flog in Richtung Sarah, die relativ abseits stand, hatte zu viel Schwung, rutschte ihr aus den Händen und ... fiel dem Blumenmädchen in die Arme. Die Kleine strahlte und ihre violetten Haare wechselten zu bonbonrosa. Sie lächelte Remus verlegen zu, er erwiderte das Lächeln und wandte sich dann Sarah zu.
~Flashback Ende~
"Schicksal...", murmelte Remus lächelnd. Sie hatte schon damals etwas für ihn übrig gehabt, sehr interessant... "Du kannst dich also an Sarah erinnern.", stellte er fest. Sie nickte.
"Aber ich hatte den Eindruck, dass es ziemlich ernst zwischen euch war. Warum hat sie dir dann nicht gesagt, dass sie schwanger ist? Wo war sie überhaupt all die Jahre und warum hat Rebecca erst jetzt nach dir gesucht? Ist diese Sarah so gemein, dass sie dir dein Kind vorenthält?" Langsam aber sicher redete sich Tonks in Rage.
"Nein, so ist sie nicht.", verteidigte Remus die Mutter seiner Tochter. "So war sie nicht.", fügte er leise hinzu.
"Ach, und wie ist sie dann?" Dora war es unbegreiflich, wie jemand einem anderen Menschen ein Kind vorenthalten konnte, besonders wenn es sich um den Vater des Kindes handelte.
"Sie ist tot.", sagte er ruhig und blickte auf seine Hände. Manchmal fiel es ihm immer noch schwer, diese Tatsache zu akzeptieren, auch wenn er schon vor über zwanzig Jahren versucht hatte, sich damit abzufinden.
"Tot?", wiederholte sie leise und ungläubig. "Tot?" Es war zwar nichts neues für sie, dass alle alten Bekannten von Remus, oder zumindest fast alle, inzwischen tot waren, aber trotzdem war es sehr überraschend für sie, auch wenn sie nicht wusste, warum.
Er nickte kaum merklich. "Ja. Sie ist bei Rebeccas Geburt damals gestorben. Meinen Namen hat sie niemandem gesagt, deshalb wusste auch keiner, dass ich der Vater bin. Rebecca hat erst vor kurzem einen Hinweis gefunden, der sie zu mir geführt hat."
"Warum? Warum hat sie niemandem von dir erzählt, warum hat sie nie gesagt, dass du der Vater bist?"
"Weil ich ein Werwolf bin, Dora." Sie blickte ihn erstaunt an und öffnete den Mund, aber er sprach weiter, bevor sie etwas sagen konnte. "Das mag dir komisch vorkommen, aber genau das ist der Grund, wegen dem sie damals nach Amerika gegangen ist und wegen dem ich nichts von ihrer Schwangerschaft gewusst habe. Ich bin ein Werwolf. Man glaubt nicht, wie sehr diese Tatsache mein Leben beeinflusst. Meines und das von allen anderen. Wäre ich kein Werwolf, wären meine Freunde keine Animagi geworden. Wer weiß, ob diese ganzen Zwischenfälle mit Peter und Sirius dann passiert wären. Wer weiß, was dann aus Sarah und mir geworden wäre oder aus-"
"Aus uns.", unterbrach Tonks Remus und warf ihm einen kurzen Blick zu.
Er nickte. "Ja, oder aus uns. Aber ich bin nun mal ein Werwolf. Daran wird sich nie etwas ändern. Leider. Aber das ist der Grund. Der einzige. Wer weiß, ob Sarah und ich uns sonst getrennt hätten. Sie durfte nicht schwanger sein. Zumindest nicht von mir, einem Werwolf. Du kennst die Gesetze, Dora, du weißt, dass es einem Werwolf sehr lange Zeit verboten war, eine Familie zu gründen. Du kennst die Strafen, die man für eine Missachtung dieser Gesetze zu erwarten hatte, du weißt, was uns erwartet hätte."
"Und da hat sie einfach entschieden, dich zu verlassen?", fragte Dora ungläubig. "So nahe, wie ihr euch gestanden habt?"
"Nein, sie hat nicht einfach so entschieden, mich zu verlassen. Sie konnte sich nicht zwischen mir und unserem Kind entscheiden, sie hat sich sehr lange davor gedrückt."
"Woher weißt du das?"
"Aus ihrem Tagebuch. Rebecca hat es mitgebracht. Es war für mich bestimmt. Sie hat es damals geschrieben, als sie die Schwangerschaft bemerkt hatte, deshalb weiß ich, was passiert ist. Sie hat sich diese Entscheidung wahrlich nicht leicht gemacht. Hätte es damals nicht dieses Missverständnis gegeben, wegen dem wir geglaubt haben, dass der jeweils andere tot ist, wer weiß, ob sie jemals eine Entscheidung hätte treffen können."
Tonks schluckte. "Das ... das tut mir Leid."
Remus schaute sie an. "Ja, mir auch. Mir auch..."
Tonks zwang sich dazu, ihm weiterhin in die Augen zu blicken. "Wie ... wie ist sie so?" Er schaute sie fragend an. "Deine ... deine Tochter?"
"Großartig. Sie ist ein wunderbares Mädchen. Eine ... wunderbare junge Frau."
Tonks nickte und drehte sich auf den Rücken. "Schön für dich.", murmelte sie. Remus sagte nichts. Eine ganze Weile lang schwiegen sie. Die Stille drückte auf ihre Gemüter, aber keiner traute sich, etwas zu sagen. Beiden war bewusst, dass ihre Beziehung auf dem Spiel stand - immer noch. "Liebst du mich?", fragte sie schließlich.
Remus schaute sie beinahe entrüstet an. "Natürlich liebe ich dich, Dora."
"Mehr als Sarah?"
Er seufzte. "Das kann man nicht vergleichen, Dora. Ihr seid zwei völlig verschiedene Menschen, das sind zwei völlig verschiedene Beziehungen. Ich habe Sarah geliebt, sehr. Und ein Teil von mir wird sie wahrscheinlich immer lieben. Sie war meine erste große Liebe. Ich war über vier Jahre mit ihr zusammen. Sie ist ein wichtiger Teil meines Lebens gewesen, meiner Vergangenheit." Dora schluckte. "Aber du, Dora, du bist meine Gegenwart. Du bist da gewesen, als mein Leben beinahe komplett in der Dunkelheit versunken ist. Du warst mein Licht, mein Licht im Dunkeln. Du bist es immer noch. Ich wüsste nicht, was ich ohne dich tun sollte." Er verstummte und blickte ihr Profil an.
"Remus.", fing sie an, nachdem sie tief durchgeatmet hatte. Was jetzt kam, würde schwer werden. Aber sie musste es tun. "Wenn ich auch deine Zukunft sein soll, dann muss ich dich um eines bitten." Er schaute sie mit einer dunklen Ahnung an. "Ich schäme mich, weil ich dich darum bitte, aber es muss sein."
"Um was geht es?"
"Ich muss dich darum bitten, dass du ... dass du dich nicht mehr mit ... mit dieser Frau ... mit Rebecca triffst. Glaub mir, es fällt mir sehr schwer, dass jetzt zu sagen, aber ... aber ich muss mit dieser ... dieser Nachricht erstmal fertig werden. Der Gedanke, dass du ... dass du ein Kind mit einer anderen Frau hast, mit einer Frau, die du so geliebt hast ... das ist für mich unerträglich. Ich hab mir dich nie mit einer anderen Frau vorgestellt, Remus. Mir war klar, dass du auch nicht wie ein Mönch gelebt hast, dass du auch Freundinnen hattest, aber ich hab nie geglaubt, dass es mal was ernstes war. Das ... das tut mir mehr weh, als ich gedacht habe. Ich weiß nicht, wieso, aber es ist so. Meine Verletzungen sind nicht so schwer, aber der Heiler hat gesagt, ich brauche trotzdem einige Tage Ruhe und ... ich brauche dich, Remus. Ich muss wissen, dass du für mich da bist und das kann ich nicht wissen, wenn du dich mit Rebecca triffst. Das klingt vielleicht komisch, aber so ist es, so ist meine Gemütslage und daran wird sich auch nichts ändern. Es tut mir wirklich Leid, dass ich dich dazu zwingen muss, aber du musst dich entscheiden. Ich oder deine Tochter."
Er starrte sie fassungslos an. Meinte sie das ernst? War das wirklich ihr Ernst? "Du ... du ..."
Sie seufzte. "Es wäre ja nicht für immer, Remus. Nur, bis es mir besser geht, bis ich mich wieder erholt und an diesen Gedanken gewöhnt habe. Und bis unsere Beziehung wieder so ist wie vorher. Denn ob du es glaubst oder nicht, das hat ihr einen gehörigen Knacks verpasst und -"
"In Ordnung.", unterbrach Remus sie. Diese Entscheidung war nicht leicht für ihn, aber Dora war seine Frau. Er liebte sie und wusste nicht, was er ohne sie machen sollte. Er kannte sie seit Jahren, er brauchte sie. Seine Tochter kannte er erst seit zwei Tagen und trotzdem hatte er sie ins Herz geschlossen. Aber das war kein Wunder, schließlich war sie sein Kind. Und als solches würde sie sicher verstehen, warum er das tun musste. Es ging schließlich um seine Ehe. Rebecca würde es verstehen. Sie musste. Und es würde sicher nicht lange dauern, bis Dora sich daran gewöhnt hatte. Aber sie brauchte ihn, so wie er sie. Für sie würde er alles tun. Die letzten Stunden waren die Hölle für ihn gewesen. Die Angst, dass seine Beziehung vorbei war, dann die Angst, dass ihr etwas passiert war, dass er sie für immer verloren hatte ... Mit diesem Gefühl war er schon so oft konfrontiert worden, er konnte einfach nicht mehr. "Ich mach's. Ich breche den Kontakt zu ihr ab, wenn du das möchtest. Aber es darf nicht zu lange dauern, Dora. Immerhin ist sie meine Tochter."
Tonks nickte und wandte den Kopf. Tränen standen in ihren Augen. "Ich liebe dich.", flüsterte sie. Er stand wieder vom Bett auf, ging auf sie zu und beugte sich nach unten. Langsam, ganz langsam kam ihr Gesicht näher. Sanft und liebevoll küssten sie sich. "Ich bin froh, dass ich dich habe."
"Ich auch.", erwiderte er und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
TBC...
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A/N: Es tut mir Leid, dass es wieder eine Weile gedauert hat bis zum nächsten Kapitel, aber ich hab im Moment in der Schule so viel zu tun, ich muss Kurse für's Abi wählen, hab ständig Nachmittagsunterricht und auch sonst ziemlich viel zu tun, deshalb nicht wundern, wenn es im Moment wieder etwas länger dauert, wenn die Osterferien da sind, hab ich wieder mehr Zeit.
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