Unbekannte Vergangenheit - In Trümmern - Teil 1
von ChrissiTine
In Trümmern, Teil 1
Mit einem mulmigen Gefühl apparierte Remus in der Nähe des Hauses, das er und Tonks bewohnten. Es war eigentlich ein sehr schöner Tag gewesen, den er mit seiner Tochter verbracht hatte. Viel ungezwungener als er erwartet hatte. Es hatte ihm sogar richtig Spaß gemacht, sich mit ihr zu unterhalten. Irgendwann waren sie auf Verteidigung gegen die dunklen Künste gekommen und Remus hatte feststellen müssen, dass Rebecca sein Talent für dieses Fach durchaus geerbt hatte. Aber auch von Sarah hatte sie sehr viel, schon allein ihre ganze Art erinnerte Remus an seine erste große Liebe. Er brauchte nur zu sehen, wie sie sich mit einer Hand eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich und er sah ihre Mutter vor seinem inneren Auge.
Aber trotzdem hatte es etwas gegeben, was diesen Nachmittag überschattet hatte, was es ihm nicht erlaubt hatte, die Zeit mit seiner Tochter voll und ganz zu genießen. Es waren diese Augen, die ihn auf Schritt und Tritt verfolgt hatten. Natürlich nicht wirklich, nur im übertragenden Sinn, aber Remus hatte sich ständig beobachtet gefühlt und sein Gewissen wurde von Minute zu Minute schlechter. Es war Tonks gewesen, die ihn gesehen hatte, da war er sich zu 99,99 Prozent sicher. Es konnte gar nicht anders sein.
Er fragte sich, was ihn zu Hause erwarten würde. Er kannte das Temperament seiner Frau, oh ja, er kannte es. Sehr gut. Viel zu gut. Und er konnte nicht einschätzen, in was für einer Verfassung sie jetzt war. Ob sie ihn nur anschreien oder auch noch mit Geschirr ihren Worten Ausdruck verleihen würde. Vielleicht griff sie sogar zu ihrem Zauberstab... er wusste es nicht. Er wusste es nicht, weil er nicht wusste, wie sie das Treffen mit Rebecca interpretiert hatte. Sah sie seine Tochter nur als eine "Mitleidende" oder als jemandem, mit dem er sie schon Jahre hinterging?
Sie war verletzt, soviel stand fest. Der Blick von ihr hatte alles gesagt. Sie war sehr verletzt. Er hätte sie nicht belügen dürfen. Er hätte ihr gleich heute morgen sagen müssen, dass er eine Tochter hatte, er hätte sich erst mit seiner Frau und dann mit seinem Kind auseinander setzen müssen, nicht anders herum. Aber Tonks war heute morgen völlig erschöpft gewesen, sie hatte kaum einen klaren Gedanken fassen können, für so eine Hiobsbotschaft war sie doch überhaupt nicht aufnahmefähig gewesen...
Lahme Ausreden!, schoss ihm eine Stimme durch den Kopf. Und diese Stimme hatte Recht. Er konnte sich nicht herausreden. Und egal was er sagte, Tonks würde ihm so schnell nichts glauben, da war er sich sicher. Todsicher.
Langsam und zögerlich fing er an, in seinen Taschen nach dem Hausschlüssel zu suchen, obwohl er genau wusste, wo er sich befand. Aber Remus wollte so viel Zeit schinden wie nur irgend möglich, selbst wenn er wusste, dass es lächerlich war.
Schließlich hatte er sich doch noch dazu durchringen können, die Tür zu öffnen und vorsichtig das Haus zu betreten. Langsam und umständlich zog er seinen Umhang aus und hängte ihn an die Garderobe, neben Tonks' knallpinke Winterjacke, die sie immer anzog, damit sie nicht 'im Schnee verloren ging und übersehen wurde', wie sie immer steif und fest behauptete.
Er seufzte und ging in die Küche, wo er, wie erwartet, seine Frau mit einem unleserlichen Gesichtsausdruck am Küchentisch sitzen sah. Er zögerte einen kurzen Moment, ging dann aber doch zu ihr und gab ihr den üblichen Begrüßungskuss auf die Wange.
"Wie war dein Tag?", erkundigte er sich, wie er es immer tat. Er wusste nicht, was er sonst machen sollte, da er nicht wusste, ob Tonks wusste, dass er sie erkannt hatte.
"Interessant.", erwiderte sie kühl und blickte starr geradeaus auf die weiße Wand. "Und wie war deiner? Hast du dich mit irgendjemandem getroffen?" Ihre Stimme zitterte etwas bei den Worten und Remus erkannte, dass es ihr sichtlich schwer fiel, so ruhig und unnahbar zu bleiben. Ihr Temperament eben.
"Ja, ich hab mich mit Harry und Ginny getroffen. Sie wollten etwas über die früheren Gesetze des Ministeriums wissen.", meinte er und war froh, dass es nicht gelogen war. Er hatte sich schließlich mit Harry und Ginny getroffen und er hatte mit ihnen über frühere Gesetze gesprochen.
"Und sonst?" Die Kälte aus ihrer Stimme wich langsam der Wut. Angestrengt fixierte sie ein Bild an der Wand, um nicht zu Remus schauen zu müssen, der sich jetzt ebenfalls am Küchentisch niederließ und ihren Blick suchte.
"Und sonst was?"
Sie seufzte und blickte ihm endlich in die Augen. Aus ihrem Blick wurde er allerdings nicht schlau. "Du weißt genau, was ich meine.", zischte sie beinahe.
Er atmete tief durch, so, als ob er sich für das Kommende wappnen müsste. "Dora, lass uns nicht um den heißen Brei herumreden, wir wissen beide, worauf du hinauswillst." Er schaute sie beinahe aufmunternd an. Er wollte, dass sie sagte, was los war, was genau ihr auf dem Herzen lag. Die Spannung, die momentan in der Luft lag, war für den Werwolf nahezu unerträglich.
"Gut, bitte, wie du willst.", erwiderte sie schroff und richtete sich noch etwas mehr auf. "Wer ist sie? Wer ist diese ... diese Frau, mit der du dich getroffen hast?" Sie wandte ihren Blick wieder ab. Sie konnte nicht in diese Augen schauen, sie konnte nicht. Es tat ihr zu weh.
Er räusperte sich und legte seine Hände auf den Tisch, ganz in die Nähe von ihren. Tonks zog sie sofort zu sich, je weiter weg, desto besser. Remus räusperte sich erneut. Dieses Verhalten kannte er von ihr gar nicht und es irritierte ihn sehr. Aber er durfte sich jetzt nicht aus dem Konzept bringen lassen, er musste ihr die Wahrheit sagen und das am besten jetzt sofort. Kurz und schmerzlos. Das hatte sie verdient.
"Sie ... also sie ...", fing er an und brach wieder ab. Er hatte sich zwar überlegt (in den verschiedensten Varianten), was sie sagen würde, aber er hatte keine Ahnung, was er sagen sollte. Oder besser gesagt, wie er anfangen sollte. "Sie ist -"
"Wie lange trefft ihr euch schon?", unterbrach ihn Tonks. Dieses Gestotter von ihm war unerträglich, sonst wusste er doch immer, was er sagen sollte, wie er es sagen sollte. Es war völlig neu für sie, ihn so zu erleben und das machte die ganze Situation noch schlimmer.
"Was?", fragte Remus erstaunt und wissend zugleich. Er hatte vermutet, dass sie glaubte, er habe eine Affäre, aber es kränkte ihn doch sehr, dass sie ihm so etwas überhaupt zutraute. Sie kannte ihn nun schon so lange, sie hätte doch wissen müssen, dass er ihr so etwas nie antun würde, dass er sie nie im Leben so verletzen würde. Und jetzt verletzte sie ihn, mehr als er erwartet hatte, indem sie ihm so etwas unterstellte.
"Wie lange läuft das schon zwischen euch, Remus?", formulierte Tonks die Frage anders und fixierte ihn nun direkt mit stechendem Blick. Sie wollte endlich ihre Antworten haben und so würde sie sie am ehesten bekommen, das wusste sie.
Remus schaute sie entrüstet an. "Da läuft überhaupt nichts, Dora!", widersprach er, mit einem Hauch von Wut in seiner Stimme und lauter als geplant. "Ich kenne sie doch erst seit gestern!", fügte er noch hinzu, um ihr zu zeigen, wie absurd das war.
"Erzähl mir doch nichts, Remus!", rief sie. Schlimm genug, dass er sie betrog, jetzt log er sie auch noch an! "Ich hab euch beide doch gesehen. Sogar ein Blinder mit einem Krückstock hätte erkannt, was da läuft!" Sie wandte den Blick ab, konnte einfach nicht mehr in seine bernsteinfarbenen Augen blicken, konnte einfach nicht.
"Dora, du hast die Situation falsch verstanden, wirklich. Es ist nicht, wie du denkst, ich schwö-", setzte Remus eindringlich an und versuchte seine Frau zu überzeugen. Wieso musste sie nur so stur sein?
"Spar dir deine Reden!", sagte sie kalt. Aber ihre Stimme zitterte jetzt hörbar, sie hatte Mühe, ihre Fassung zu wahren. "Ich hab genau gesehen, wie du sie angesehen hast. So hast du mich noch nie, angesehen, Remus, nie!", platzte sie heraus. Einige Tränen rollten jetzt ihre Wange herunter, sie wischte sie unwirsch weg, bevor er auf die Idee kommen konnte, es zu tun.
"Dora, glaub mir bitte, ich betrüge dich nicht! Rebecca ist nicht meine Freundin oder Geliebte!", beteuerte Remus und wurde langsam aber sicher verzweifelt. Na das läuft ja prima...
"Ach, Rebecca heißt diese Schlampe also.", stellte Tonks fest und atmete tief durch. Ganz ruhig, Tonks, ganz ruhig. Dass die Geliebte ihres Mannes jetzt sogar noch einen Namen hatte und nicht mehr nur mit 'Flittchen' betitelt werden konnte, machte es noch schlimmer für sie.
"Sie ist keine Schlampe!", verteidigte Remus seine Tochter. So wütend Dora auch war, sie hatte kein Recht, seine und Sarahs Tochter als Schlampe zu bezeichnen, bei weitem nicht!
"Ja, verteidige sie nur, Remus!", höhnte Tonks und stand ruckartig auf. Der Stuhl, auf dem sie gesessen hatte, fiel mit einem lauten Krach nach hinten. Sie bemerkte es nicht. "Wie konntest du mir sowas nur antun? Ich dachte, du wärst anders als die Anderen, etwas Besonderes, jemand, der mich nie so verletzen würde, wie andere Männer es vor dir getan haben, aber da habe ich mich wohl getäuscht, Remus Lupin!" Sie klang so furchtbar enttäuscht, so schrecklich traurig. Immer noch liefen ihr Tränen die Wangen herunter, aber es schien sie nicht zu kümmern.
"Dora, so ist es doch gar nicht! Ich liebe dich, ich würde dir nie weh-"
"Falls es dir noch nicht aufgefallen ist, du hast mir bereits weh getan! Ich habe dich gesehen, ich hab dich sozusagen 'in Flagranti' ertappt! Warum streitest du es jetzt noch ab, warum tust du so, als wäre gar nichts passiert, warum machst du es für uns noch schwerer? Warum sagst du nicht einfach die Wahrheit, dann haben wir es hinter uns!"
Remus erhob sich ebenfalls. Sein Stuhl fiel allerdings nicht nach hinten. "Das versuche ich doch, Dora, aber du unterbrichst mich ja andauernd.", erwiderte er und gegen seinen Willen flog eine Sekunde lang ein Lächeln über sein Gesicht.
Für Tonks brachte es das Fass zum überlaufen. "DU FINDEST DAS AUCH NOCH LUSTIG?!"; schrie sie außer sich. Sie konnte nicht fassen, was sich hier gerade abspielte, was hier gerade passierte. Sie hätte nie gedacht, jemals in einer solchen Situation zu sein. "Du betrügst mich, lügst mich an und dann fängst du auch noch an zu lachen?!"
Remus schüttelte vehement den Kopf. "Jetzt hör mir doch bitte zu, Dora!", flehte er schon beinahe. "Rebecca ist nicht meine Geliebte, sie ist meine To-"
"Spar dir deine Lügen, ich will sie nicht hören!", unterbrach sie ihn erneut. Wie dreist war dieser Mann eigentlich? "Spar sie dir, Remus, ich will sie nie wieder hören! Und dich will ich nie wieder sehen, nie wieder, hast du verstanden!?", schrie sie und schaute ihn aus verschleiertem Blick an.
"Das meinst du nicht ernst.", sagte er leise und starrte sie schockiert an. Er hatte sich sicherlich verhört, er musste sich verhört haben, sie konnte doch unmöglich... oder doch? So hatte er sie noch nie erlebt, es war durchaus möglich... trotzdem hoffte er, dass er sich einfach nur verhört hatte.
"Oh doch, Remus, oh doch. Todernst.", sagte sie sehr leise. Er verstand sie trotzdem ganz genau und ihm war, als hätte ihm jemand den Boden unter den Füßen weggerissen. Das konnte nicht wahr sein, das konnte einfach nicht wahr sein!
"Dora..."
"Das hast du dir alles selbst zuzuschreiben!", rief sie plötzlich laut. "Du hast alles kaputt gemacht, du hast mein Vertrauen missbraucht, du hast mich angelogen!" Ihre Haare hatten in den letzten Minuten häufig die Farbe gewechselt, aber keiner von beiden hatte es bemerkt. "Ich geh jetzt zur Arbeit, wahrscheinlich bin ich sowieso schon wieder viel zu spät. Und wenn ich morgen zurück komme, dann möchte ich dich hier nicht mehr sehen, hast du verstanden?!"
Wortlos nickte Remus. Er war unfähig, irgendetwas anderes zu tun, sodass sie ungehindert und türenknallend die Küche verlassen konnte.
Was ist eigentlich gerade passiert?
TBC...
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Unerschöpflich detailversessen und zum Schreien komisch ist Joanne Rowlings Fantasie.
Mannheimer Morgen