von ChrissiTine
10. Dezember: J für JAHRESTAG
April 2035
Konzentriert biss sich Al auf die Lippe, um sich nicht zu verbrennen, als er die in Öl gebratenen Falafels aus der Pfanne fischte und auf einem Teller drapierte. Daneben platzierte er die Würstchen und Pilze, die er gebraten hatte und das Rührei, das gerade fertig geworden war. Dann füllte er koffeinfreien Kaffee in Tias Lieblingstasse und stellte zwei große Gläser Orangensaft auf das Tablett. Er war schon fast damit zur Küchentür raus, als ihm einfiel, dass er das wichtigste beinahe vergessen hatte. Vorsichtig stellte er das Tablett auf den Küchentisch und holte die Vase aus der Speisekammer, in die er eine einzelne rote Rose gegeben hatte. Zufrieden betrachtete er das Gesamtkunstwerk, das er mit ein paar grünen Blättern Petersilie dekoriert hatte. Konnte sich sehen lassen. Hoffentlich würde Tia es auch gefallen.
Ein Blick auf die Küchenuhr brachte ihn dazu, das Tablett schnell wieder in die Hand zu nehmen und sich zu beeilen, die Treppe hochzusteigen, ohne etwas zu verschütten. Mit dem Fuß stieß er die Schlafzimmertür auf und kam gerade rechtzeitig, um seine Frau Tia dabei zu sehen, wie sie aus dem Badezimmer kam. Im Moment konnte man die Uhr danach stellen, wann sie morgens auf die Toilette musste. Sie schaute ein bisschen blass aus um die Nase, aber sobald sie Al erblickte, erschien ein breites Lächeln auf ihrem Gesicht, das er einfach erwidern musste.
Wieder einmal wurde er sich bewusst, wie viel Glück er hatte, dass Tia in seinem Leben war. Nie wieder war er jemandem begegnet, der ihr gleichkam.
„Was soll denn das alles?", fragte sie überrascht und zeigte auf das Tablett.
„Frühstück", erwiderte er grinsend und deutete mit dem Kopf auf ihr großes Ehebett. „Im Bett. Ich hab sogar so ein Tablett besorgt, das so ausklappbare Ständer hat, damit du das nicht auf dem Schoß balancieren musst. Ich dachte, das ist praktischer."
„Weil ich es mit meinem großen Bauch sonst umstoße, ich hab schon verstanden", erwiderte Tia mit hochgezogenen Augenbrauen und ließ sich etwas schwerfällig auf dem Bett nieder. Sie griff sich sein Kopfkissen und stopfte es sich in den Rücken, bevor sie ihr übergroßes Schlafshirt zurecht zog.
Al stöhnte innerlich. „Ich weiß nicht, wieso du das immer so betonst. Du bist schwanger. Und so groß ist dein Bauch nun wirklich nicht." Für ihn war sie wunderschön. Sicher, ihre Knöchel waren etwas geschwollen und sie war ein bisschen in die Breite gegangen, aber im achten Monat war das wirklich normal. Und sie war keine geplagte Schwangere. Man sah ihr an, wie glücklich sie war. Im Vergleich zu Rose, die wirklich gequält ausgeschaut hatte und deren Gesundheit bei ihrer ersten Schwangerschaft ernsthaft in Gefahr gewesen war, war Tia das blühende Leben. Sie übertrieb nur gerne.
„Groß genug", erwiderte sie, sagte aber nicht mehr und schaute erwartungsvoll dabei zu, wie Al das Tablett vor ihr abstellte. Ihre Augen leuchteten auf. „Hey, du hast ja die Falafels meiner Mum gemacht", sagte sie glücklich und bediente sich sofort.
Al setzte sich auf seine Seite vom Bett und rutschte zu ihr heran, sodass er neben ihr saß. „Sie hat mir das Rezept gegeben. War gar nicht so schwer."
„Ja, schon, aber mit den englischen Zutaten ist das nicht dasselbe." Sie biss ein Stück ab und ihre Augen wurden groß. „Die schmecken ja genauso wie früher", sagte sie überrascht.
Ein zufriedenes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Stu war letzte Woche auf einer Ausgrabungsstätte in der Nähe von Kairo und hat mir alles mitgebracht, was ich brauche. Er hat dir auch ein paar Stück von diesem Schokogebäck mitgebracht, ist alles unten."
„Ja?", fragte sie begeistert und lehnte sich, so gut es ging, zu ihm, um ihm einen leidenschaftlichen Kuss zu geben. Vielleicht war das Frühstück doch keine so gute Idee gewesen, mit dem Tablett auf dem Bett. Seit ihr Bauch so gewachsen war, hatte Tia nur noch selten Lust auf Sex gehabt. Aber ihre Aufmerksamkeit galt schon wieder dem Essen, also hatte Al seine kurze Chance wohl verpasst.
Mittlerweile hatte sie schon eine zweite Falafel verputzt und ein Würstchen aufgespießt. „Das ist wirklich ganz toll, Al, aber was ist der Anlass? Ich hab doch erst in drei Monaten Geburtstag und unser Hochzeitstag ist im November."
„Ich bin froh, dass du fragst", sagte er lächelnd und biss einen Happen von dem Würstchen ab, das sie auf der Gabel hatte. „Vor genau acht Jahren bin ich am Abend deprimiert in einer Zauberbar in Kairo herumgesessen. Und die tollste Frau in der ganzen Stadt hat mich angesprochen und mit ihrem Lächeln verzaubert. Diesem Lächeln", fügte er hinzu, als besagtes Lächeln auf ihrem Gesicht erschien. „Ich hatte die Hoffnung aufgegeben, meine große Liebe jemals zu treffen und auf einmal standest du da und warst genau das, was ich gesucht habe."
Sie verdrehte die Augen, aber eine Träne kullerte doch ihre Wange hinunter. Schnell wischte er sie weg. „Du bist immer so dramatisch", sagte sie mit erstickter Stimme. „Dir hat eine einzige Frau dein Herz gebrochen, mehr war das nicht. Du warst doch erst einundzwanzig, als wir uns getroffen haben."
Al zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich hast du Recht." Zumindest James hatte ihm immer gesagt, dass er sich idiotisch verhielt. „Aber es hat sich trotzdem so angefühlt, als ob alle nur Interesse an mir hatten, weil Dad berühmt ist und ich ihm so ähnlich sehe und sich keiner wirklich für mich interessiert. Und dann warst du da und hattest keine Ahnung, wer Dad war und du wusstest Bescheid über meine Arbeit und du bist so positiv und unkompliziert und lebensfroh und einer der besten Menschen, denen ich je begegnet bin. Und ich kann manchmal immer noch nicht fassen, dass du dich wirklich in mich verliebt und mich geheiratet hast und dass da jetzt unser Baby drin ist." Er legte seine Hand auf ihren Bauch, spürte einen leichten Tritt und musste noch mehr lächeln.
„Ich bin auch froh, dass ich dich getroffen hab", erwiderte sie und strich ihm über die Wange. „Du hast mir einen Grund gegeben, mich wirklich auf England zu freuen." Sie war in England geboren, aber mit fünf Jahren nach Ägypten gezogen, weil ihr Vater eine Stelle im dortigen Ministerium bekommen hatte. Als Al sie kennen gelernt hatte, hatte sie bereits geplant, nach London zu gehen, weil sie dort ein Jobangebot hatte, aber sie war noch etwas unsicher gewesen, ob das wirklich die richtige Entscheidung für sie war. Nachdem sie Al begegnet war, hatte sie nie wieder gezweifelt. „Und du bist so ein leidenschaftlicher Mensch und kannst dich wirklich für Dinge begeistern und du gibst mir wirklich das Gefühl, dass ich die tollste Frau auf der Welt bin. Sogar so." Sie deutete auf ihren Bauch und ihre geschwollenen Füße.
„Du bist die tollste Frau auf der Welt. Diese ganzen Äußerlichkeiten sind doch nicht wichtig. Du würdest mich doch hoffentlich auch noch lieben, wenn ich einen Bierbauch hätte und eine Glatze und wenn ich schwerhörig wäre."
Tia schaute ihn konsterniert an. „Du willst doch hoffentlich deine Tochter nicht mit dem Aussehen eines Achtzigjährigen vergleichen."
Schnell schüttelte er den Kopf. „Natürlich nicht. Aber du willst doch hoffentlich nicht sagen, dass du mich dann nicht mehr lieben wirst."
„Nein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich irgendwann damit aufhören werde. Ich hoffe, das wird nie so sein." Sie schniefte und wischte sich mit dem Ärmel über ihre feuchten Augen. „Dämliche Hormone."
„Du kannst das wenigstens auf die Hormone schieben", erwiderte Al mit belegter Stimme und bemühte sich, nun ebenfalls die Tränen zurückzuhalten. Merlin, wenn das Baby erst geboren wurde, würde er wahrscheinlich heulen wie ein Wasserfall. Wobei wahrscheinlich niemand an Onkel Ron herankommen konnte. Bei Geburten war er immer sehr nah am Wasser gebaut.
Tia lächelte mit zitternder Unterlippe und küsste ihn zärtlich. Dann atmete sie tief durch und wandte sich wieder dem Frühstück zu. Gut, dass er es mit einem Wärmespruch belegt hatte. „Es tut mir nur Leid, dass ich nichts für dich hab. Das ist normalerweise kein Tag, den wir feiern."
Das stimmte. Es war das erste Mal, dass Al etwas Besonderes an dem Tag machte, seit sie geheiratet hatten. Davor hatten sie ihren Kennenlerntag schon gefeiert, aber dann war ihr Hochzeitstag wichtiger geworden. Aber er würde den Tag, an dem er seiner großen Liebe begegnet war, nie vergessen und es war ihm wie ein Wink des Schicksals vorgekommen, als sein Kollege Stu für eine Weile nach Kairo musste und ihn gefragt hatte, ob er etwas mitbringen sollte. Tia hatte sich zwar sehr gut wieder in der englischen Kultur eingelebt, aber das ägyptische Essen hatte ihr doch manchmal sehr gefehlt. Besonders in der Schwangerschaft.
„Du musst mir nichts schenken. Dass du da bist, ist genug, und dieses kleine Wesen ist mehr, als ich mir erhofft habe." Er spürte einen weiteren Tritt seiner Tochter und ihm wurde warm ums Herz. Wenn man bedachte, wie viel schwerer eine Schwangerschaft für die Mutter als für den Vater war, schuldete er ihr noch einige Frühstücke, bis sie quitt waren.
„Okay." Sie biss in eine weitere Falafel und schloss schwärmerisch die Augen. „Du Schokolade bringst du mir hoffentlich auch noch, oder?"
Er lachte. „Darauf kannst du Gift nehmen." Er würde den Teufel tun und sich zwischen seine Frau und Schokolade stellen.
TBC…
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A/N: So, hier ist der brandneueste One Shot, den ich am Freitag gerade noch so fertig gekriegt habe. Mittlerweile bin ich leider krank geworden, also sollte er euch nicht so gefallen wie die vorigen, bitte ich das zu entschuldigen. Er ist ein bisschen kitschig ausgefallen, aber Al ist nun mal ein etwas sentimentaler und emotionaler Mensch ;).
Danke für die Reviews und besonders die Vorschläge für den Buchstaben J, einer hat mich zu dieser Geschichte inspiriert. K und N habe ich mittlerweile auch schon geschrieben, aber wenn euch noch etwas einfallen sollte für R und T, immer her damit, da hab ich mich noch nicht entschieden.
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