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Fanfiction

ABC-Adventskalender - Dezember: H für HERZINFARKT

von ChrissiTine

8. Dezember: H für HERZINFARKT

September 2034


„Was ist denn das für ein schrecklicher Lärm?", wollte eine schlaftrunkene Stimme wissen und riss James damit aus seinen wundervollen Träumen, in denen er gerade zum Quidditchweltmeister geworden war. „Bricht da jemand ein?"

Stöhnend drehte sich James auf den Rücken und wischte sich über die Augen. Er hatte keine Ahnung, wo er war oder wem diese nerv tötende Stimme gehörte, aber ganz dumpf konnte er den Klingelton seines Handys wahrnehmen, den neuesten Hit der Death Metal Eaters.

„Das ist nur mein Handy", murmelte er missmutig und richtete sich langsam auf. Merlin, er wollte einfach nur schlafen. Vor wenigen Stunden hatte die englische Nationalmannschaft ein wichtiges Qualifikationsspiel verloren und der Sex, den er mit einem seiner Fans, den er kurz nach dem Spiel kennen gelernt hatte, gehabt hatte, war leider auch ziemlich enttäuschend gewesen. Eigentlich hatte er noch in seine Wohnung apparieren wollen, aber er war zu müde gewesen und wohl eingeschlafen.

„Was ist ein Handy?", wollte die Frau verwirrt wissen. James verdrehte die Augen und griff nach seiner Jeans, die auf dem Boden lag. Aus der Hosentasche fischte er sein Telefon. „Und was ist das für ein scheußliches Lied?"

Okay, damit stand auf jeden Fall fest, dass er mit dieser Frau nie wieder schlafen würde. Nicht nur wusste sie nicht, was ein Handy war, nein, sie kannte auch die Death Metal Eaters nicht. So jemanden konnte er nicht noch einmal treffen. Von dem schlechten Sex mal ganz abgesehen.

Er warf einen Blick auf das Display und stellte überrascht fest, dass seine kleine Schwester versuchte, ihn um drei Uhr morgens zu erreichen. Das hatte sie noch nie gemacht. „Was soll das, Lil?", fragte er gähnend. „Wenn du mich trösten willst, dann bist du aber sehr spät dran." Er hörte ein Schniefen am anderen Ende der Leitung und setzte sich sofort gerade hin. „Was ist?"

„Grandpa …", erwiderte sie mit erstickter Stimme und James musste schlucken. „Grandpa ist im Mungos. Er hatte einen Herzinfarkt oder sowas, Mum wusste nichts genaues, als sie mich angerufen hat. Dad und sie sind schon auf dem Weg, ich sollte Al und dir Bescheid sagen, dann geh ich auch hin."

Hellwach sprang James aus dem Bett und suchte seine Klamotten zusammen, während er das Handy zwischen Ohr und Schulter einklemmte. „Ich bin gleich da, Lil. Hast du Al schon erreicht?"

„Er ist nicht rangegangen. Ich hab ihm auf die Mailbox gesprochen", sagte sie mit zitternder Stimme und James verfluchte seinen kleinen Bruder, der zu einer rechtschaffenden Zeit ins Bett ging und sein Handy nicht im Schlafzimmer hatte. Und seine Frau Tia war genauso spießig.

„Wir können es im Mungos wieder versuchen", sagte er dennoch aufmunternd, streifte sein Shirt über den Kopf und ignorierte die Frau im Bett völlig, die ihm fragend hinterherrief, wo er denn hinwollte. Sie würde das noch früh genug in der Zeitung lesen können.

Kaum eine halbe Minute später erschien er in den stillen Empfangshalle des Mungos und wurde einen Moment später fast von den Füßen gerissen, als Lily sich mit tränenüberströmten Wangen in seine Arme warf.

„Ich bin so froh, dass du das bist", murmelte sie und vergrub ihr Gesicht in seiner Brust. „Hugo wollte auch gleich kommen, aber er ist zu weit weg zum Apparieren und es dauert über das Flohnetzwerk und Roxy ist auch nicht rangegangen …"

James strich ihr über ihre dichten roten Haare und atmete tief durch, um einen klaren Kopf zu behalten. „Was sagt Rose? Ist sie hier?"

Lily nickte. „Sie ist im Dienst, aber das ist nicht ihre Abteilung und sie und der behandelnde Heiler verstehen sich nicht gut und alle haben gesagt, dass es sowieso noch viel zu früh ist, um etwas genaues sagen zu können." Sie löste sich langsam von ihm und wischte sich über die Augen. „Wahrscheinlich hat es gar keinen Sinn, dass wir gekommen sind, wir können sowieso nichts machen und wir stören nur, aber …"

„Red keinen Quatsch, Lily, es geht um Grandpa, natürlich mussten wir kommen", widersprach James und wandte sich zum Aufzug. Gut, dass die blöde Empfangshexe nicht da war und sie ohne Probleme zu den Stationen gelangen konnten. „Weißt du, wo er liegt?"

„Cardio-Notaufnahme", erwidere Lily und drückte im Aufzug auf den entsprechenden Knopf. Kaum waren sie auf der richtigen Etage angekommen, konnte James schon seine Mutter und Onkel Ron hören. Die Geschwister eilten den Gang entlang und kaum waren sie um die nächste Ecke gebogen, stießen sie auf einen ganzen Haufen Weasleys. Seine Mum hatte die Arme um Grandma gelegt und Onkel Ron stand auf der anderen Seite und tätschelte ihr etwas unbeholfen aber entschlossen die Schulter. Tante Hermine telefonierte in einer Ecke, während Onkel Percy laut einige Behandlungsmöglichkeiten von seinem Smartphone vorlas. James verdrehte die Augen. Wikipedia war nicht immer die zuverlässigste Quelle, das wussten mittlerweile sogar Zauberer.

„Ihr hättet nicht gleich kommen müssen", sagte eine Stimme von der Seite. James drehte den Kopf und erblickte erst jetzt seinen Vater, der müde an der Wand lehnte und das Geschehen bisher schweigend verfolgt hatte. „Wir können hier sowieso nur rumstehen und nichts tun und ich glaube, wenn wir noch mehr werden, werden sie uns sowieso rausschmeißen."

„Aber … aber Grandpa …", widersprach James verständnislos. Bei den paar Malen, bei denen er sich so gravierend verletzt hatte, dass er ins Krankenhaus gebracht werden musste, war auch das Großteil der Familie aufgetaucht und auch wenn sie alle sehr anstrengend waren, hätte er doch nie auf sie verzichten wollen.

„Ich weiß", seufzte sein Vater. „Natürlich. Aber Arthur ist stark wie ein Baum. Er hat den Biss von Voldemorts Riesenschlange überlebt, da wird so ein Herzinfarkt ihn schon nicht umhauen."

„Er hat was?", rief Lily überrascht. „Voldemorts Schlange? Wie das? Wieso habt ihr das noch nie erwähnt?"

Also wirklich. Da war er schon fast dreißig und es gab immer noch Sachen über den Krieg, von denen er noch nie gehört hatte. Was hatte Grandpa bitte mit Voldemorts Schlange zu schaffen? Er wusste, dass Neville sie damals geköpft hatte, aber dass sie Grandpa fast auf dem Gewissen gehabt hatte …

„Weil es nun wirklich wichtigeres gab", klinkte sich Tante Hermine in das Gespräch ein und warf James' Dad einen missbilligenden Blick zu. „Rose hat mich gerade angerufen und gesagt, dass wir besser nach Hause gehen sollten und nur die engste Familie dableibt." James schnaubte. Sie waren doch alle die engste Familie! Tante Hermine lächelte schwach. „Ich weiß. Aber wir verstopfen den Flur und machen es den Heilern nicht einfacher und ob wir jetzt hier oder Zuhause sind, wird für Arthur keinen Unterschied machen. Er weiß sowieso nicht, dass wir hier sind und wir können auf keinen Fall zu ihm. Sobald sie ihn stabilisiert haben, werden wir ihn wahrscheinlich in kleinen Gruppen besuchen können. Aber auf keinen Fall vor morgen Früh."

Dad seufzte nickend und stieß sich von der Wand ab. Er ging zu Grandma, Mum und Onkel Ron und wechselte ein paar Worte mit ihnen. Mum sah ihn mit traurigen Augen an und nickte dann, bevor sie ihn lange umarmte. Onkel Ron und Tante Hermine tauschten einen minutenandauernden Blick und James musste schlucken. „Wir können alle zusammen im Fuchsbau auf Neuigkeiten warten", schlug Tante Hermine nach ein paar Sekunden leise vor und James und Lily nickten sofort. Keiner von ihnen wollte alleine sein. „Fred ist schon dort", fuhr sie fort. „Er wollte eigentlich mitkommen, aber er hat es sich anders überlegt."

Lily schniefte leise. Es war noch keine drei Wochen her, dass Freds Freundin Ellen gestorben war. Kein Wunder, dass er es im Krankenhaus nicht aushielt. Oh Merlin, hoffentlich würde es Grandpa nicht so gehen wie Ellen, das würde Fred auf keinen Fall verkraften. Er war jetzt schon direkt am Abgrund. James war zwar mit Fred und Ellen nicht so befreundet gewesen wie mit einigen anderen seiner Cousins, aber dennoch hatte auch ihn Ellens Tod schwer getroffen. Es war der erste Todesfall in der Familie gewesen, an den James sich erinnern konnte. Während des Krieges hatten die Weasleys viele wichtige Menschen verloren, aber jetzt war die Welt sicher und Menschen starben nicht mehr einfach so. Ellen war der Beweis, dass es doch so sein konnte. Und Fred schien mit ihr gestorben zu sein, denn sein Cousin war mittlerweile nur noch ein Schatten seiner selbst.

James war bei der Beerdigung gewesen, zwischen zwei wichtigen Spielen, und er hatte Fred die Hand geschüttelt, aber er hatte keine Ahnung, wie er seinen gebrochenen Cousin hätte trösten können. Er wusste nicht, wie es war, seine große Liebe zu verlieren, oder die ganze Zukunft, die man sich vorgestellt hatte. Aber Fred hatte ihn sogar richtig dankbar angeschaut, also war ihm vielleicht James' hilfloses Gestammel lieber als nichtssagende Floskeln.

James schluckte, als er daran dachte, dass sie vielleicht bald wieder alle auf eine Beerdigung gehen würden müssen. Er konnte sich nicht vorstellen, wie das Leben ohne seinen Großvater aussehen würde. Auch wenn er ihn nicht so oft besuchte, wie er vielleicht sollte, waren seine Großeltern doch immer da gewesen, wenn man sie brauchte. Sie waren eine unzweifelhafte Präsenz. Wie würde es seiner Großmutter ohne Grandpa gehen? Wie würde sie das nach über siebzig Jahren Ehe aushalten?

Er konnte sich keinen Fuchsbau vorstellen, in dem sein Großvater nicht begeistert seine Stecker sammelte. Das ging einfach nicht.

Selbst jetzt war es merkwürdig still, als sie im Garten des Fuchsbaus erschienen und durch die Küchentür hereinkamen. Fred saß am Küchentisch und schreckte hoch. Aus blutunterlaufenen Augen schaute er sie an.

„Und?", fragte er heiser und räusperte sich. „Gibt's was Neues?"

Lily schüttelte den Kopf und setzte sich neben ihn. Sie legte einen Arm um seine Schultern und lehnte ihren Kopf an. „Sie tun, was sie können, aber bisher gab es noch nichts Eindeutiges. Rose hat gemeint, dass alle bis auf die engste Familie besser verschwinden, bevor wir herausgeworfen werden. Dad und Tante Hermine müssten bestimmt gleich kommen. Und die anderen wahrscheinlich auch?" Sie schaute ihn fragend an und Fred nickte.

„Ich hab eine Gruppen-SMS an alle geschickt. Einige hatten das Handy aus und …" Er räusperte sich. „Roxy wollte ich es einfach nicht sagen. Nicht nach … nicht schon wieder. Sie kommt bestimmt sofort, wenn sie das hört und die anderen wahrscheinlich auch. Die meisten wollen die Kinder nur in den Kindergarten bringen und kommen später. Die Kleinen verstehen sowieso noch nicht, worum es geht."

James beneidete sie darum. Er griff nach dem Teekessel und begann damit, Wasser zu kochen. Wenn die Weasleys alle auftauchten, würden sie bestimmt etwas zu trinken wollen und mit Tee konnte man nichts falsch machen.

Es dauerte nicht lange, bis sein Vater und Tante Hermine ankamen, dicht gefolgt von Tante Angelina und einer in Tränen aufgelösten Roxanne. Hugo konnte das Ganze überhaupt nicht begreifen, während Scorpius sich sofort nach seinem Erscheinen daran machte, einen Haufen Sandwiches für alle zuzubereiten. Al und Tia hatten einen Stapel Zeitungen und Zeitschriften zur Ablenkung besorgt, weil der Fuchsbau keinen Fernseher hatte. Al entschuldigte sich hundert Mal bei Lily, dass er nicht an sein Handy gegangen war, aber er hatte die ganze Nacht über mit einer Ausgrabungsstelle in Australien kommuniziert, die ein paar völlig überraschende Funde gemacht hatte, bei denen ein Mitarbeiter zu Schaden gekommen war und Al hatte versucht, die Behörden zu beruhigen. Erst als er todmüde sein Büro in Gringotts verlassen hatte, hatte er das Gerät wieder angeschaltet. Molly verhandelte gerade einen Fall von Vergewaltigung und war unabkömmlich, wurde aber von ihrem Mann Justin und Lucy auf dem Laufenden gehalten. Victoire und Louis waren eine Weile da, mussten aber schließlich ins Ministerium, weil es irgendein Problem mit dem französischen Ministerium gab, was die Einführung von Froschbeinen als Zaubertrankzutat betraf. Ted blieb aber da und war eine zuversichtliche Präsenz im ganzen Durcheinander.

Am Vormittag erschien Onkel Charlie, der einen Portschlüssel erwischt hatte und gleich darauf weiter ins Mungos disapparierte. Tante Audrey kam gegen Mittag mit dem Auto und bot an, für den ganzen Haufen Mittagessen zu kochen. Sie gab fast jedem etwas zum schneiden oder rühren und unterhielt alle mit ihren Geschichten über den letzten Streik der Postboten, wovon natürlich niemand aus der Zauberwelt (abgesehen von Scorpius, der wusste über alles Bescheid) etwas mitbekommen hatte. Am Nachmittag tauchte Lilys Freund Howard auf, ein Mann, der James' Ansicht nach so interessant war wie eine Scheibe Toast, aber Lily warf sich dankbar in seine Arme und dann konnte James ihm nichts übel nehmen. Wann Dominique mit ihrem Mann aufgetaucht war, konnte James nicht sagen, besonders weil sie, völlig untypisch, die ganze Zeit mucksmäuschenstill in einer Ecke auf Stevens Schoß saß und seine Hand krampfhaft umklammert hielt.

Es war einer der schlimmsten Tage, an die James sich erinnern konnte. Aber was ihm, abgesehen von der lähmenden Angst um seinen Großvater am meisten im Gedächtnis geblieben war, war, wie einsam er sich inmitten seiner Familie gefühlt hatte.

So viele von ihnen hatten jemanden, an den sie sich anlehnen konnten, der ihnen ohne zu fragen Trost schenkte. Sicher, die meisten Partner und Partnerinnen seiner Cousins und Cousinen kannten James' Großvater schon lange und hatten ihn genauso ins Herz geschlossen wie seine Familie, aber sie waren doch eine große Stütze für die Weasleys, die sich alle in einer Art Schockzustand befanden. Das konnte er bei Al sehen, der dauernd Tias Blick suchte und Lily, die Howards Nähe mehr brauchte als jemals zuvor. Aber besonders sah er es an Dominique. Dominique, deren Beziehung zu ihrem Mann eigentlich durch ständige Streitereien und Kräftemessen und betonte Gleichgültigkeit geprägt war (James konnte sich an kaum eine Unterhaltung der beiden erinnern, die ohne Beleidigungen und in normaler Lautstärke geführt worden war). Und in diesen schweren Stunden wich Steven keine Minute von ihrer Seite. Während sie mit starrem Blick ins Leere schaute, hielt er sie in seinen Armen fest und war wahrscheinlich der einzige Grund, warum sie noch aufrecht war.

James schluckte. Diese bedingungslose Liebe hatte er noch nie gespürt und zum ersten Mal fragte er sich, wie es wohl wäre, wenn er auch so jemanden hätte, auf den er sich in Zeiten von solchen Krisen verlassen konnte. Noch nie hatte er sich umgeben von so vielen Weasleys so alleine gefühlt.

Vielleicht sollte er das ändern. Vielleicht war eine echte Beziehung doch nicht ganz so schlimm, wie er sich das vorstellte. Wenn sogar Dominique jemanden gefunden hatte, den sie so offensichtlich liebte und brauchte.

Wenn sein Großvater das Ganze überlebte – und daran gab es keinen Zweifel, er musste das überleben – dann würde er mal schauen, ob es noch mehr da draußen gab als nur One Night Stands. Die waren mittlerweile sowieso schon ziemlich langweilig geworden.

Es würde schon alles gut werden. Die Weasleys hatten bisher noch alles hingekriegt.

TBC…
__________________________________________________

A/N:

@Dolohow:
Schön, dass du dieses Jahr auch wieder dabei bist. Die Moderatoren brauchen dieses Jahr wohl manchmal etwas länger, um die Kapitel hier freizuschalten (wobei sie in den letzten paar Tagen wieder sehr schnell waren). Ich schreibe immer noch sehr gerne in dem Universum,ich hab nur nicht immer viel Zeit und mit der Adventskalenderdeadline hab ich immer ein gutes Ziel vor Augen. Außerdem gehören die Kommentare und dieser Kalender mittlerweile auch zur Vorweihnachtszeit für mich dazu :).
Du musst dich natürlich an der Abstimmung nicht beteiligen. Ich war nur wirklich unentschlossen, wann ich die letzten Kapitel posten soll und da sie ja für die Leser sind, dachte ich, ist es nur fair, wenn die entscheiden dürfen. Und da ich sehe, dass zwar viele lesen, aber nur wenige kommentieren, war die Abstimmung am einfachsten. Und bei den übrig gebliebenen Buchstaben stand ich richtig auf dem Schlauch, sodass ich dankbar für die Vorschläge war, weil sie mir Denkanstöße in neue Richtungen gegeben haben.


Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.

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