von ChrissiTine
5. Dezember: E für EIFERSUCHT
Roxanne hielt sich eigentlich für eine relativ entspannte Person. Das musste sie auch sein, bei ihrer chaotischen Familie. Besonders, wenn ihr Dad irgendwelche Scherzartikel mit nach Hause brachte, die ihre Mutter ganz und gar nicht im Haus haben wollte. Roxanne war zwar immer ganz begeistert von den Sachen, aber sie konnte auch verstehen, dass ihre Mutter irgendwann keine Lust mehr hatte, ständig das Wohnzimmer neu zu streichen, weil irgendein Gegenstand ihnen um die Ohren geflogen war.
Meistens war sie auch der ruhige Pol, wenn Hugo und Lucy bei der Arbeit anfingen, sich in die Haare zu kriegen. Eigentlich arbeiteten sie wirklich gut zusammen und waren ein tolles Team, aber es war auch normal, dass sie sich nicht immer einig waren und wenn sie sich wirklich in etwas reinsteigerten, dann war Roxanne die erste, die einen Schritt zurück machen und die Sache etwas nüchterner betrachten konnte.
Sie neigte auch nicht allzu sehr zur Eifersucht. Sie wusste, dass sie nicht die schönste Frau auf der Welt war (wenn man mehrere Veelas in der Familie hatte, dann war diese Erkenntnis unausweichlich), aber sie hatte Sinn für Humor und es machte Spaß, mit ihr zusammen zu sein. In einer Beziehung war sie betrogen worden, das hatte schon wehgetan, auch wenn ihr Herz nicht allzu sehr an dem Mann gehangen und sie selbst schon überlegt hatte, ob sie den Kerl nicht in den Wind schießen sollte. Aber er hätte ihr trotzdem sagen können, dass er nicht mehr mit ihr zusammen sein wollte, bevor er mit jemand anderem ins Bett gegangen war. Deshalb hatte sie auch kein schlechtes Gewissen gehabt, als sie ihm ihre neue Nasch-und Schwänzleckerei, die sie gerade testeten (Durchfallpastillen), ins Essen mischte. Die Pille war leider noch nicht ganz ausgereift und die Testpersonen verbrachten zu diesem Zeitpunkt drei Tage auf der Toilette, aber das war es ihr wert … Und um fair zu sein, sie war um einiges netter zu ihm, als ihre Familie das gewesen wäre, wenn sie gewusst hätte, dass er sie betrogen hatte.
Seitdem war sie jedoch etwas vorsichtiger mit ihrem Herzen. Sie hatte das Vertrauen verloren und bei ihren nächsten beiden Freunden schaffte sie es nicht, dieses Misstrauen wieder loszuwerden. Auch wenn die Männer ihr keinen Grund zu diesen Zweifeln lieferten. Es war kein Wunder, dass sie bald wieder Single war, aber es störte sie auch nicht.
Und dann begegnete sie Oliver und alles wurde auf den Kopf gestellt. Sein gutes Aussehen hatte sie sprachlos gemacht, sein Lächeln hatte sie umgehauen und seine Art war so wundervoll, dass sie einfach machtlos war. Sie hatte sich anfangs geweigert, mit ihm auszugehen, weil sie sich so wenig im Griff und Angst davor hatte, dass das nur schlimmer werden würde. Doch als er sich bei seinem sechsten Besuch im Laden mit Lucy unterhalten hatte, war sie so eifersüchtig geworden, dass sie einem Date mit Oliver doch zugestimmt hatte. Sie hätte es nicht ertragen, ihn mit ihrer Cousine zusammen zu sehen.
Sie hatte es nicht bereut. Er war wirklich so ein toller Mann, wie er zu sein schien. Er war liebevoll und einfühlsam und hatte einen fantastischen Sinn für Humor. Sogar ihr Dad war ganz und gar von ihm begeistert und auch wenn er nie etwas gegen ihre früheren Freunde gehabt hatte, merkte sie doch, dass der Funke nie so übergesprungen war wie bei Oliver. Und jetzt würden sie sogar heiraten. Und sie wohnten schon zusammen und Roxanne hatte keine Bedenken, dass sie nicht glücklich sein würden. Wenn Weasleys heirateten, dann hielt das immer. Sogar Dominique und Steven waren schließlich noch glücklich verheiratet, hatten sogar ein gemeinsames Kind und waren sich noch nicht an die Gurgel gegangen.
Nein, wenn Weasleys heirateten, dann hielt das für immer. Es gab zwar auch viele Fehlschläge und Griffe ins Klo, aber sie hatten es alle irgendwie geschafft, die richtige Person zum Heiraten zu erwischen und das war schon eine fantastische Leistung, auf die sie auch alle stolz waren.
Umso überraschter war sie, als Oliver ihr vier Monate, nachdem sie sich kennen gelernt hatten, schließlich erzählte, dass er seit zehn Jahren geschieden war. Er hatte seine ehemalige Frau in seiner Rennbesenfirma kennen gelernt, als er noch ganz unter auf der Karriereleiter gestanden hatte und der Laufbursche für die wichtigen Leute gewesen war. Sie war die Nichte des Chefs der Firma und in Amerika geboren, aber sie wollte ein paar neue Erfahrungen machen und deshalb hatte ihr Onkel ihr angeboten, in seiner Firma als Sekretärin zu arbeiten. Es hatte sofort gefunkt zwischen Oliver und Clarice, so hieß sie. Sie waren ein paar Monate zusammen gewesen und Oliver hatte ihr mit einundzwanzig einen Antrag gemacht. Ihr Onkel stand der Beziehung eher skeptisch gegenüber, und warf ihm vor, dass er Clarice nur benutzte, um Karriere zu machen. Was natürlich nicht stimmte, also waren Oliver und Clarice einfach durchgebrannt, bevor ihnen irgendwelche Steine in den Weg gelegt werden konnten. In der Firma blieb alles beim Alten, denn Oliver hatte Clarice wirklich nicht geheiratet, um weiter zu kommen.
Es hatte etwas gedauert, bis auch Clarices Onkel das akzeptiert hatte, aber schließlich lernte er Olivers Arbeit zu schätzen und gab ihm, wie auch den anderen Laufburschen, langsame Aufstiegschancen in der Firma und bereute das auch nicht. Umso überraschender war es, dass die beiden schließlich nach zwei Jahren verkündeten, dass sie sich wieder scheiden lassen wollten.
„Es hat einfach nicht funktioniert", hatte Oliver ihr eines Abends bedauernd erzählt. „Wir haben uns wirklich geliebt und wir haben es auch versucht, aber wir haben uns da Hals über Kopf reingestürzt und am Ende haben wir uns einfach nur genervt. Alles, was sie gemacht hat, hat mich angekotzt und alles, was ich gemacht habe, hat sie auf die Palme gebracht." Alle Fortschritte, die Oliver bei ihrem Onkel gemacht hatte, schienen zunichte gemacht, aber Clarice und er überraschten ein weiteres Mal, als sich zeigte, dass sie sich nach der Scheidung wieder viel besser verstanden und gute Freunde wurden.
Zwei Jahre später war Clarice wieder in die Staaten zurückgegangen, aber das gute Verhältnis von Oliver zu ihrem Onkel war geblieben. Roxanne hatte ihn schon zweimal auf Firmenveranstaltungen getroffen und ihn als sehr netten Menschen kennengelernt. Auch mit Clarice hatte Oliver noch Kontakt, er telefonierte mehrmals im Monat mit ihr. Seit kurzem wurde es etwas häufiger, weil Clarice sich anscheinend gerade wieder scheiden ließ und Beistand brauchte.
Das war alles schön und gut und auch kein Problem für Roxanne. Oliver war der Mann ihrer Träume und sie konnte ihm hundertprozentig vertrauen, das wusste sie. Aber jetzt wollte Clarice zu Besuch kommen, weil ihr Onkel in den Ruhestand ging und eine große Party schmiss und da wurde Roxanne doch ein wenig flau im Magen. Schließlich verstanden die beiden sich immer noch blendend und Clarice ließ sich gerade scheiden und da war man anfällig für ein bisschen Zuneigung. Roxanne hatte in mehr als einer Ausgabe der Hexenwoche gelesen, wie viele ehemalige Paare in einer solchen Situation miteinander ins Bett gingen.
Deshalb stimmte sie auch sofort zu, als Oliver sie fragte, ob sie mit Clarice und ihm Essen gehen wollte, sobald diese in London ankam. Nicht, dass sie die Frau unbedingt kennen lernen wollte, aber sie hatte einfach kein gutes Gefühl, ihren Verlobten mit seiner Exfrau allein zu lassen. Auch wenn er ihr gesagt hatte, dass nichts mehr zwischen ihnen lief, er hatte mit einer solchen Wehmut von seiner ersten Ehe gesprochen, dass sie einfach zweifeln musste. Sicher, es hatte damals nicht geklappt, aber sie waren jung und unerfahren gewesen und nun waren sie zehn Jahre älter. Wer weiß, ob es jetzt nicht ganz anders sein würde?
Ihr Magen krampfte sich unangenehm zusammen, als sie schließlich das Restaurant betrat, in dem sie sich verabredet hatten. Lucy, Hugo und sie waren gerade in den letzten Zügen einer neuen Entwicklung und sie hatte sich nicht früher loseisen können. Deshalb waren Oliver und Clarice schon am Tisch, zu dem der Kellner sie führte. Sie bemühte sich, ein freundliches Lächeln auf dem Gesicht zu behalten, selbst als sie sah, wie vertraut die beiden miteinander waren und wie glücklich sie zusammen aussahen und wie fehl am Platz Roxanne sich fühlte. Am liebsten wäre sie wieder umgedreht und hätte sich in ihrem Bett verkrochen.
Aber es war zu spät, Oliver hatte sie schon gesehen und war mit einem glücklichen Lächeln aufgesprungen. „Roxy!", rief er aufgeregt, schlang einen Arm um ihre Hüfte und küsste sie auf die Wange. „Schön, dass du kommen konntest." Er zog sie zum Tisch, wo Clarice mittlerweile aufgestanden war. Sie sah wirklich gut aus, mit funkelnden braunen Augen und einem gewinnenden Lächeln. Sie ergriff Roxannes Hand, bevor diese auch nur den Mund aufmachen konnte.
„Es freut mich wirklich sehr, dich endlich kennen zu lernen. Ich hab Olli noch nie so schwärmen hören wie von dir", sagte sie herzlich.
Roxanne bemühte sich, das Lächeln zu erwidern. „Freut mich auch", sagte sie zögerlich. „Oliver hat oft von dir gesprochen." Nachdem er ihr schließlich von seiner gescheiterten Ehe erzählt hatte, hatte er Clarice häufig nebenbei erwähnt. Aber das machte er mit vielen seiner Freunde, also hatte Roxanne sich nie daran gestört. Jetzt war sie sich nicht mehr so sicher und das störte sie am allermeisten. Sie wollte nicht diese irrationale, eifersüchtige Verlobte sein. Sie hatte keinen Grund dazu. Richtig?
„Aber doch bestimmt nicht so viel wie von dir", widersprach Clarice und setzte sich wieder. Roxanne ließ sich auf den freien Platz sinken und bestellte blind etwas aus der Speisekarte. „Wie steht's mit der Hochzeit, habt ihr schon Pläne? Deine Eltern freuen sich doch bestimmt, dass sie dieses Mal dabei sein können, oder?" Clarice und Oliver tauschten einen Blick und fingen an zu lachen.
„Du hast ja keine Ahnung."
Und so ging es weiter. Clarice war wirklich nett und interessiert an Roxanne, den Hochzeitsvorbereitungen und ihrem Leben, aber ständig konnte man merken, wie nahe sie und Oliver sich noch standen. Roxanne mühte sich sehr, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, aber meistens schob sie nur ihren Rosenkohl auf dem Teller hin und her und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie unangenehm ihr der Abend war. Sie wollte wirklich nicht zweifeln an ihrer Beziehung, aber wie konnte sie nicht? Vielleicht waren sie auch zu überstürzt, sie kannten sich schließlich auch noch nicht allzu lange. Vielleicht wollte er doch lieber mit Clarice zusammen sein …
Der Abend änderte sich erst, als Oliver einmal kurz das Restaurant verlassen musste, um mit einem Holzlieferanten in China zu telefonieren. Clarice trank einen großen Schluck Wein und beugte sich dann zu Roxanne. „Hör mal, es tut mir wirklich leid, dass dir das alles hier so unangenehm ist."
Roxanne schluckte und schüttelte hastig den Kopf. „Oh, nein, nein, da irrst du dich, das ist wirklich nicht …", protestierte sie schwach. Lügen war nicht ihre Stärke.
Clarice seufzte. „Ich weiß, dass unsere Beziehung manchmal ein bisschen … merkwürdig ist, aber … wir haben unsere Ehe vor zehn Jahren abgehakt. Es war ein Fehler. Wir sind gute Freunde und wenn ich jemanden brauche, dann hat er immer ein offenes Ohr. Mittlerweile ist er mehr wie der Bruder, den ich nie hatte. Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, wie es überhaupt war, mit ihm zu schlafen. So ist es viel besser." Clarice lächelte sie beruhigend an. „Und er ist so in dich verliebt. Und so glücklich mit dir. Ich weiß noch, wie er mich angerufen hat, als er dich das erste Mal gesehen hat und du ihm versprochen hast, den Minimuff zu besorgen. Er hatte wochenlang von nichts anderem gesprochen und mich gefragt, was er noch für Vorwände finden kann, in deinen Laden zu kommen. Er hatte solche Angst, dass du kein Interesse hast. Und als du erst mit ihm ausgegangen bist …" Sie schüttelte lachend den Kopf. „Und dann seid ihr zusammengezogen … Und du hättest ihn erstmal hören sollen, als du ja gesagt hast … er hat sich solche Sorgen gemacht, dass du nein sagen würdest … als ob du das getan hättest, so wie er von dir gesprochen hat …"
„Wirklich?", fragte Roxanne und das erste echte Lächeln des Abends erschien auf ihrem Gesicht. „Aber er war immer so selbstsicher und überzeugt …"
Clarice zuckte mit den Schultern. „Er ist sich sicher, dass du die Richtige bist." Sie tätschelte Roxanne die Hand. „Nur nach allem mit uns damals … das ging auch so schnell. Und ich dachte auch, dass das mit meinem jetzigen Mann ewig halten würde und jetzt … aber ich war mir auch nie so sicher wie er es sich mit dir ist und du musst dir wirklich keine Sorgen wegen mir machen. Stell dir einfach vor, dass ich seine nervige kleine Schwester bin, so fühl ich mich nämlich. Und ich freu mich wirklich, dass er dich gefunden hat. Das hat er verdient."
Roxanne schluckte. Und dann, bevor sie es sich anders überlegen konnte, umarmte sie die Exfrau ihres Verlobten. „Danke", sagte sie leise. „Ich wollte wirklich nicht eifersüchtig sein, aber…"
„Das ist doch normal", lächelte Clarice. „Und nicht immer unbegründet. Aber ich will wirklich nichts von Olli und er nichts von mir. Das haben wir versucht und wir sind auf ganzer Linie gescheitert. Ich hab eher Grund, eifersüchtig zu sein, weil er eine so gute Beziehung gefunden hat." Sie seufzte. „Ich wünschte, das hätte ich auch. Aber vielleicht hab ich ja beim dritten Mann Glück. Hast du vielleicht einen Bruder?", fragte sie hoffnungsvoll.
Roxanne lächelte entschuldigend. „Schon, aber der ist vergeben."
Clarice seufzte. „Schade. Aber was kann man machen? Nicht jeder hat so ein Glück."
TBC…
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