von ChrissiTine
4. Dezember: D für DRACHEN
Mühsam schälte sich Charlie im Umkleideraum aus seiner Schutzkleidung und fuhr sich erneut durch die Haare, nachdem er die Klamotten in den Reinigungsspint gestopft hatte. Er hatte immer noch einige Blätter und Zweige in den Haaren, obwohl er sich schon bemüht hatte, alles loszuwerden. Hoffentlich würde die Dusche ihn von dem restlichen Grünzeug befreien.
Er seufzte. Es war erst Ende Mai und dennoch war es schon unerträglich heiß in Rumänien. Die Hitzewelle hatte sie dieses Jahr schon sehr früh erwischt. Und da half es wirklich nicht, dass man sich in ihrer feuerfesten Schutzkleidung fühlte wie in einer Sauna. Es gab zwar Zaubersprüche zum Kühlen, aber die hielten nicht lange und waren sehr umständlich auszuführen, wenn man erstmal in dem Ding drinstecke. Nicht zum ersten Mal dachte er daran, George darum zu bitten, sich eine Lösung für das Problem einfallen zu lassen, aber dann vergaß er es immer, wenn er mit seinem Bruder sprach.
Er zog seine Unterwäsche und sein leichtestes T-Shirt aus und schmiss beides in seinen eigenen Spint, bevor er sich sein Handtuch griff und in die nächste Dusche stieg. Erleichtert stöhnte er auf, als das kalte Wasser über seinen Körper rieselte.
Merlin, wie sehr er die Kontrollgänge in ihrem größten Gehege hasste. Es dauerte fünf Stunden, das ganze Gebiet systematisch abzugehen und auch wenn die Drachen mit ihren Pflegern vertraut waren, hieß das nicht, dass sie ihn so weniger als Futter betrachteten. Das ganze Grünzeug hatte er einem Hechtsprung in das nächstgelegene schützende Gestrüpp zu verdanken, als er unvermutet einem der zehn Ungarischen Hornschwänze über den Weg gelaufen war, die das Gehege bewohnten. Es war gerade Brutzeit und die Männchen waren auf Nahrungssuche und noch aggressiver eingestellt als sonst. Laut Karte hätte Harry eigentlich ganz woanders sein sollen, aber wenn sie im Flug einmal ihre Meinung änderten, dann konnte man nicht immer schnell genug reagieren.
Dabei war Harry noch einer ihrer nettesten Hornschwänze. Er war aus einem der Eier geschlüpft, die sie damals zum Trimagischen Turnier mitgebracht hatten und das einzige Drachenbaby, das sie in Rumänien behalten hatten, genau wie Fleur, Viktor und Cedric, die anderen Drachenbabys, die nach dem Turnier geschlüpft und nach den Trimagischen Champions benannt waren, die es mit ihren Müttern aufgenommen hatten. Fleur hatte sich damals bei ihrer Hochzeit kaputt gelacht, als Charlie ihr erzählt hatte, für wen sie unfreiwillig zur Namenspatin geworden war und jedes Mal, wenn sie sich unterhielten, erkundigte sie sich amüsiert, wie es der kleinen Fleur ging.
Dabei war die kleine Fleur mittlerweile alles andere als klein und sie hatte ein ähnliches Temperament wie die menschliche Ausgabe. Besonders in der Brutzeit war mit dem Walisischen Grünling nicht zu spaßen und nach allem, was Bill ihm so berichtet hatte, war Fleur während ihrer Schwangerschaften auch nicht die einfachste Person gewesen. Aber wenn das das größte Problem seines großen Bruders gewesen war, dann hatte er sich wirklich nicht beklagen können. Immerhin hatte er noch seine tolle Frau und mittlerweile drei erwachsene und gesunde Kinder.
Müde griff Charlie nach seinem Handtuch und wickelte es um seine Hüften. Er konnte es gar nicht erwarten, endlich, nach Hause zu kommen und sich in seiner angenehm kühlen Wohnung in sein weiches Bett zu kuscheln. Kontrollgänge waren wahnsinnig anstrengend. Aber wenigstens hatte er morgen Vormittag frei und konnte ausschlafen, somit hatten sie wenigstens etwas Gutes.
Er trocknete sich rasch ab und streifte seine Freizeitklamotten über, bevor er schnell den Umkleideraum verließ. Im Flur lief er seiner Kollegin Olena in die Arme, die vor ein paar Jahren aus der Ukraine zu ihnen gestoßen war. Ihr halbes Gesicht war mit einer dicken gelben Paste bedeckt und es stank nach versengten Haaren.
Was ist dir denn passiert?", fragte Charlie erschrocken. Olena war diejenige, die die Drachen normalerweise am besten im Griff hatte.
„Deine Norberta ist mir passiert", erwiderte sie missmutig und boxte ihn in den Arm. „Ich hab gerade den Ultraschallzauber bei den Eiern durchgeführt, da kam sie von hinten angerauscht und wollte mich flambieren. Ich konnte gerade noch disapparieren. Bader hat mal wieder gepennt und zu spät seinen Schockzauber losgelassen." Sie verdrehte die Augen.
Bader war erst seit einem halben Jahr bei ihnen. Er stammte ursprünglich aus Kuwait, aber er hatte unbedingt nach Rumänien gewollt, weil sie das beste Drachenzentrum der Welt hatten. Wenn er sich aber weiterhin so viele Flüchtigkeitsfehler erlaubte, würde er nicht mehr lange bei ihnen bleiben. Sicher, Verbrennungen konnten immer passieren, aber Olenas heute wäre wirklich nicht nötig gewesen.
„Ich hab gehört, Norberta war bei ihren eigenen Eiern schon schlimm genug, aber wie sie sich bei den Eiern ihrer Tochter aufführt … vielleicht sollten wir sie wirklich in ein separates Gehege bringen."
Charlie schüttelte den Kopf. „Alles schon versucht. Sie macht dann nur noch mehr Terror." Hagrid hatte ihnen damals wirklich ein schönes Früchtchen überlassen. Es war ein Wunder, dass der Wildhüter überhaupt so lange mit dem Drachenbaby klar gekommen war. Und dass Harry und Hermine es damals tatsächlich durchs Schloss hatten schmuggeln können. Charlie liebte seine Drachen über alles, aber manchmal wünschte er sich wirklich, dass sie nicht alle so launisch wären wie die, mit denen sie es hier zu tun hatten. Er war so oft verbrannt worden, dass er schon vor Jahren aufgehört hatte zu zählen.
„Naja, ich werd's auf jeden Fall bei der Besprechung nächste Woche zur Sprache bringen", erwiderte Olena schulterzuckend. „Vielleicht fällt uns ja was ein. Und hast du gesehen? Das russische Gringotts hat schon wieder fünf Drachen für Wachposten Stufe 7 bestellt. Was machen die nur dauernd mit den ganzen Tieren?"
„Schon wieder?", rief Charlie erstaunt. „Aber die haben doch erst vor zwei Jahren drei neue Tiere bekommen. Da müssen wir wieder die Tierschutzabteilung des Ministeriums benachrichtigen. Wäre nicht das erste Mal, dass die mit den Tieren nicht artgerecht umgehen." Wenn es nach ihm ginge, würde es gar keine Drachen als Wachposten in magischen Banken eingesetzt werden, aber der Antrag zur Gesetzesänderung war ein ums andere Mal abgelehnt worden. Er wusste, dass Hermine sich einmal um einen neuen Entwurf gekümmert hatte, aber zu ihrer und seiner Enttäuschung war sie leider nicht durchgekommen. Dabei war das wirklich eine der schlimmsten Sachen, die man einem Drachen antun konnte, ihn in einem dunklen kalten Loch festzuhalten, wo er weder fliegen noch jagen konnte und nur mit Schmerzen unter Kontrolle gehalten wurde. Aber sie waren verpflichtet, auch diese Tiere auszubilden und solange sich das geltende Recht nicht änderte, konnten sie leider nichts machen. Dennoch war das mit den Russen verdächtig, denn so viele Tiere wie die Bank wollte, brauchte man nun wirklich nicht. Hoffentlich wollten sie die Drachen nicht für etwas anderes. Dann würden sie den internationalen Tierschutzbund aufmerksam machen müssen.
„Werden wir alles nächste Woche besprechen", seufzte Olena und öffnete die Umkleideraumtür. „Der Chef hat vorhin die Liste mit Gesprächspunkten rausgegeben."
„Schau ich mir zu Hause an", nickte Charlie und drehte auf dem Absatz um, um noch zu seinem Postfach zu gehen. Er war immer gerne vor der Besprechung auf dem Laufenden, besonders wenn es um solche politischen Dinge ging. Nicht jedem Land lag der Tierschutz so am Herzen, wie es nötig sein sollte, aber man musste immer durch so viele Reifen springen und so viele Regulierungen beachteten, dass die meisten ihrer Bedenken im Sand verliefen. Und das hatten die Drachen nicht verdient.
Schnell leerte er sein Postfach und stopfte das ellenlange Pergament so gut es ging in seine Hosentasche, bevor er zum nächsten Kamin eilte und endlich in seiner Wohnung ankam, wo er sogleich von einer wütenden Eule in Empfang genommen wurde. Es war die Eule von Bill und Fleur, die ihm einen vorwurfsvollen Blick zuwarf bevor sie auf seine Schulter flog und schmerzhaft ihre Krallen in seine Schulter bohrte.
Charlie verdrehte die Augen. „Meine Güte, ich hatte doch keine Ahnung, dass du kommst", sagte er genervt und griff nach dem Umschlag, der dem Uhu ans Bein gebunden war. „Ich muss nicht die ganze Zeit zu Hause hocken und auf Post warten, ich hab mein eigenes Leben." Er scheuchte die Eule von seiner Schulter und suchte neben dem Kamin nach ein paar Eulenkeksen, die er für die Posteulen aufbewahrte. Die Eule aß misstrauisch zwei davon, bevor sie auf dem Absatz kehrt machte und aus dem offenen Fenster davonflog, ohne darauf zu warten, ob Charlie ihr vielleicht eine Nachricht mitgeben wollte. Der Vogel war eine noch größere Diva als Norberta, meine Güte! Dann würde er wohl eine SMS schicken müssen, wenn Bill eine Antwort haben wollte.
Gähnend öffnete Charlie den Umschlag und hielt gleich darauf eine Einladung in der Hand, die auf wirklich elegantem Papier gedruckt war:
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