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Fanfiction

Das Erleben von Hermine Granger - Der fliegende Jimmy

von HannaLuisa

Die Klasse war an diesem Morgen unruhiger als üblich. Eine Papierkugel flog an Hermine vorbei, Mr Scott mahnte nach allen Seiten, sah besorgt zur Tür und schließlich zu Jimmy, der gerade so weit mit dem Stuhl nach hinten gekippt war, dass Hermine sich fragte, wann er endgültig fallen würde.
„Also mir reicht es jetzt! Jimmy, du kommst bitte an die Tafel, keine Widerrede.“ Der Stuhl des Jungen krachte auf alle Viere zurück und mit erschrockener Miene erhob der Angesprochene sich.
„Schreib auf“, kommandierte der Lehrer, rückte sich nervös die Brille zurecht und räusperte sich. „41 mal 5, 205 geteilt durch 5 und 3 mal 78.“ Die Miene des Schülers verdüsterte sich und so langsam er es vermochte begann er, die Fragen aufzuschreiben. Die Kreide quietschte über die Tafel und Hermine fühlte, wie sich eine Gänsehaut ausbreitete. Was für leichte Aufgaben, dachte sie und beugte sich gespannt vor. 41 mal 10 sind 410 und durch zwei dividiert sind es 205. Somit sind 205 durch 5 41. 70 mal 3 sind 210 plus 8 mal 3 sind 24, was 234 ergibt. Schöne Zahlen.
Jimmy begann umständlich, die Zahlen untereinander zu schreiben und zu addieren.
„Nein, du sollst nicht adddieren, sondern multiplizieren“, rief Mr Scott scharf. „Seit drei Wochen machen wir nichts anderes. Wie kann es sein, dass du nach diesen Stunden nichts gelernt hast?“
Hermine saß so weit vorne auf ihrem Stuhl, wie es gerade noch möglich war.
„Das kann man doch im Kopf rechnen“, platzte sie begeistert los. Mathematik war eines ihrer absoluten Lieblingsfächer.
Jimmy warf ihr einen vernichtenden Blick zun, schleuderte die Kreide auf das Pult, sodass sie zerbrach und setzte sich mit herausfordernd gerecktem Kinn.
„Also bitte, Hermine. Fülle Jimmys Wissenslücken.“ Jimmy tat so, als erbreche er sich in seinen Schulranzen. „Und erkläre uns nun bitte Schritt für Schritt dein Vorgehen.“
Stolz unterstrich die zehnjährige ihre Ergebnisse, drehte sich zur Klasse um und lächelte, bis Jimmys feindseliger Blick den ihren traf. Sofort verkrampfte sich Hermines Magen. Mit zusammen gepressten Lippen gab sie Mr Scott die Kreide und setzte sich.
Das wird ein Nachspiel haben, dachte Hermine beklommen und sah verstohlen zu Jimmy. Ihr graute vor der großen Pause. Kein Lehrer schaffte es wirklich, sie vor den Attacken der Mitschüler, allen voran Jimmys zu schützen, doch hatte sie eine Wahl?
Das Beste wird sein, ich nehme das Buch mit und verstecke mich bei der Turnhalle, überlegte sie und seufzte leise.

Der Wind war so stark, dass Hermines buschiges Haar ihr kurzzeitig die Sicht raubte. Während sie versuchte, das Buch festzuhalten und zugleich die Haare zu bändigen, schob sich etwas zwischen ihre Beine. Schon spürte sie den Aufprall auf Asphalt und einen brennenden Schmerz in Handflächen und Knien. Das Buch lag aufgeschlagen in einer Pfütze.
„Oh nein!“ Mit schmerzverzerrtem Gesicht sah sie auf und blickte in die hasserfüllte Miene Jimmys. Vorsichtig rappelte sich das Mädchen auf, wischte behutsam die Handflächen, in die sich spitze Steinchen gebohrt hatten, am Rock ab und nahm das Buch auf.
„Scheiß hässliche Streberin“, zischte Jimmy und schubste sie erneut. „Wie viele Klassen willst du noch wechseln bis du begreifst, dass du hier unerwünscht bist?“ Er kam langsam näher. Starr vor Angst blieb sie stehen, unfähig, auch nur einen Schritt zurück zu weichen. Angst verwandelte sich in Panik. Niemand half ihr, alle Schüler des Pausenhofes sahen in verschiedene Richtungen, lachten, und rauften miteinander. Grob schlug er ihr das Buch aus der Hand, Hermine schloss die Augen, wartete auf den nächsten Schlag bis -
Der Schrei fuhr ihr durch Mark und Bein, sie riss die Augen auf und erblickte ihren Peiniger mit seltsam abgewinkeltem Bein auf dem Boden vor sich.
Bloß weg hier, dachte Hermine, drängelte sich durch die Schüler und stieß beinahe mit Mr Scott zusammen.
„Komm bitte mit“, forderte er sie auf. Nicht die Spur seines üblichen warmen Lächelns war zu sehen. Seine Miene war kalt und abweisend.
Das ist alles nur ein böser Traum, dachte Hermine, als sie wie betäubt hinter dem Lehrer die Stufen hinauf stieg.
Nur der Schmerz der Hände, der stetig zunahm, zeigte ihr, dass sie nicht träumte.
Nein.
Es war schon wieder geschehen.
Einer dieser Vorfälle, wie die Lehrer es nannten, der vielleicht zu ihrem Schulausschluss führen würde. Hermine schluchzte leise auf. Sie hörte Sirenenlärm und wusste, dass Jimmy ins Krankenhaus gebracht würde. Zum zweiten Mal in diesem Schuljahr.
Und zum zweiten Mal, nachdem er sie so bedroht hatte, dass Hermine Todesangst empfand. Hermine nahm vor dem Schreibtisch der Schulleiterin Platz, die das Mädchen nicht wie sonst nachsichtig und aufmunternd, sondern ungewöhnlich ernst ansah.
„Möchtest du mir erzählen, was geschehen ist?“, fragte sie sanft und reichte Hermine ein Taschentuch.
„Er hat mir ein Bein gestellt und mich gestoßen“, würgte die Zehnjährige hervor und verbarg das Gesicht hinter dem weichen Stoff.
„Und dann bist du wütend geworden?“, erkundigte sich Mrs Willister in verständnisvollem Ton.
„Nein, ich hatte nur Angst“, schniefte Hermine. „Und dann lag er plötzlich auf dem Boden.“ Die Direktorin seufzte resigniert.
„Wirklich!“ Hermine richtete sich ein wenig auf. „Ich hab nichts getan. Bitte glauben Sie mir doch“, flehte Hermine.
„Möchtest du allen ernstes behaupten, Jimmy sei von ganz allein durch die Luft geflogen und habe sich das Bein gebrochen?“
Hermine wollte: „Ja!“ rufen, doch ihr versagte die Stimme. Niemand würde ihr glauben. Hermine konnte es Mrs Willister nicht einmal verdenken: Es gab keinen Hinweis, dass ein Mensch jemals sämtliche physikalischen Gesetze ignoriert und eigenständig vom Boden abgehoben war.
So hielt sie ihren Kopf gesenkt und schwieg.
„Wir werden uns diesmal zusammen setzen müssen. Bitte informiere deine Eltern. Komm nach der nächsten Stunde noch einmal vorbei, dann gebe ich dir einen Brief mit.“
Mrs Willister erhob sich, öffnete die Tür und nickte kurz.

Die Gänge lagen ausgestorben vor ihr, kein Lehrer oder Schüler war zu sehen. Der Gedanke, die Stille und Einsamkeit gegen die lärmende, ablehnende Gesellschaft ihrer Mitschüler einzutauschen, versursachte dem Mädchen Bauchschmerzen. Sie setzte sich auf die Treppe, pustete auf ihre Handflächen und starrte ins Leere.
Leichte Schritte erklangen und noch ehe Hermine sich umgewandt hatte, saß Mrs Port neben ihr.
,,Na du, was ist denn mit dir los?“ Die Krankenschwester lächelte Hermine so herzlich an, dass deren Kehle erneut eng wurde. Traurig zuckte sie die Achseln.
„Du bist ja verletzt“, rief Mrs Port erschrocken und sprang auf. „Komm mal mit, das müssen wir desinfizieren.“
Behutsam versorgte die junge Frau Hermine. „Ich habe vorhin gesehen, was geschehen ist“, durchbrach Mrs Port schließlich die Stille. „Du hattest keine Schuld an seinem Unfall. Er hat es sich selbst zuzuschreiben.“ Ungläubig, mit leicht geöffnetem Mund sah Hermine die Frau an.
„Aber...“, stotterte sie schließlich. „Er ist einfach abgehoben.“
Mrs Port nickte. „Circa einen halben Meter. Kannst du dir das erklären?“
„Nein, aber sonst glaubt mir keiner“, rief sie verzweifelt.
„Ich weiß und genau darum bin ich hier. Hermine, ich darf jetzt noch nicht darüber sprechen, aber… Sieh mich einmal an.“
Verzagt sah Hermine in die braunen Augen der Frau, die es vermochte, ihr in all der Not Hoffnung und Zuversicht einzuflößen. Mrs Port senkte die Stimme zu einem eindringlichen Wispern: „Morgen kommt ein Brief des Jugendamtes. Es wird sich alles aufklären.“
Hermines Kopf schwirrte, da waren so viele Fragen, dass sie nicht wusste, welche sie zuerst stellen sollte. Doch noch ehe sie auch nur einen Ton herausbringen konnte, schob Mrs Port Hermine sanft aus der Tür und ließ sie ratloser denn je zurück.


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