von HannaLuisa
„Sie möchten was?“ Die scharfe Nachfrage hatte er erwartet, doch der entgeisterte Blick Professor McGonagalls überraschte Severus dann doch. Die Blicke all seiner Kollegen waren auf ihn gerichtet. Einige blickten nur erstaunt, andere wie Professor McGonagall offen feindselig. Einzig Quirrell starrte mit betrübtem Blick vor sich hin und schien von der vorangegangenen Diskussion nichts mitbekommen zu haben.
„Ich möchte Madam Hooch beim nächsten Quidditch Spiel aus Sicherheitsgründen als Schiedsrichterin vertreten.“ Seine Kollegin konnte nur mit Mühe ein Schnauben unterdrücken und Severus ahnte nur zu gut, weshalb: Professor McGonagall glaubte, er wolle die Slytherins übervorteilen und aus parteiischen Gründen die Leitung des Spiels übernehmen. Es verwunderte ihn nicht, beim Thema Quidditch waren alle Hauslehrer empfindlich und seine Kollegin aus dem Hause Gryffindor ganz speziell. Zu knapp waren die Siege der letzten Jahre immer gewesen, als dass einer der beiden Hauslehrer hätte entspannt sein können.
„Aus Sicherheitsgründen?“ Nun mischte sich auch Professor Flitwick in das Gespräch. Sein Tonfall klang zwar einerseits höflich, doch auch skeptisch. „Haben Sie dafür einen besonderen Anlass, werter Kollege?“
„In der Tat“, antwortete Severus leise. „Ihnen allen wird die Attacke auf den Besen von Potter nicht entgangen sein, nehme ich an? Ich habe den begründeten Verdacht, dass der Täter“, sein Blick ruhte auf dem diesjährigen Lehrer für die Verteidigung gegen die Dunklen Künste, „dies nach seinem misslungenen Versuch wiederholen wird.“ Nun war auch der Blick Quirrells auf die unergründlichen, schwarzen Augen von Severus gerichtet. Auch bei der Erwiderung wandte Quirrell nicht scheu das Gesicht ab. Im Gegenteil meinte Severus sogar einen Anflug von Spott und stillem Vergnügen zu lesen, welches die Annahme bestätigte, dass der stotternde, verschreckt wirkende Kerl nur ein ganz großes Theaterspiel aufführte. „Ich weiß, dass du es warst und hätte ich nur den Hauch eines Beweises würde dir dein Triumph gründlich vergehen“, dachte Severus. Doch der Versuch, mit dem Schulleiter über den Verdacht gegen den verhassten Rivalen zu sprechen, hatte Severus nur zu deutlich vor Augen geführt, dass er in einer denkbar schlechten Position war, um dem Kollegen das Handwerk zu legen. Dumbledore war einer der Wenigen, mit denen Severus im Vertrauen sprechen konnte. Und wenn schon dieser sich weigerte, seinen Worten Glauben zu schenken, würde es in diesem Schloss auch niemand anderes tun. Quirrell und er waren eben beide perfekte Schauspieler. Nur den Grund für den Angriff konnte Severus sich nicht erklären. War es ein Mordversuch? Weshalb? Oder einte Severus mit dem Kollegen neben der Schauspielkunst auch den Hass gegen diesen Elfjährigen und es war schlichtes Vergnügen, welches ihn dazu angetrieben hatte, den Jungen zappeln zu sehen? Er glaubte nicht daran. Doch eigentlich interessierte es ihn auch nicht. Sein Bestreben war ausschließlich, dass dem Jungen nichts zustieß. Dies war es, was er sich und Dumbledore für Lily geschworen hatte. Wieder erinnerte er sich an den Moment vor so vielen Jahren, als läge der Blick Dumbledores noch immer auf ihm, fragend, hart, erbarmungslos: „Was bist du bereit zu geben?“ Und ihn selbst, schmerzerfüllt, qualvoll: „Alles!“ Der Schmerz lebte in ihm weiter, tief verborgen unter der Maske eines Mannes, der zu keiner liebevollen Regung imstande schien. Seit mehr als einem Jahrzehnt hatte er keine andere Frau mehr mit Interesse betrachtet, sich von keiner angezogen gefühlt und sich in sein Schicksal gefügt. Er würde mit diesem Schmerz leben müssen und an der Seite Dumbledores Lilys Kind gegen alles und jeden schützen, der ihm Schaden zufügen wollte. Und dennoch hatte er es genossen, wie der Elfjährige sich an den bockenden Besen klammerte. Er hatte laut und schadenfroh Lachen, rufen wollen: „Seht ihn euch an, den großartigen Potter!“ Doch er hatte das Bild des einstigen Feindes verdrängt und gedacht: „Es ist das Kind von Lily und ich muss es schützen.“ Wie hypnotisiert hatte er es angestarrt, wie es viele Meter über ihm flog. Severus hatte die Gegenzauber gemurmelt und nur an Lily gedacht. Bis Harry wieder frei fliegen konnte. Doch es war nicht sein Verdienst gewesen. Viel später, Stunden nachdem das Spiel mit dem Sieg der Gryffindors geendet hatte, war ihm bewusst geworden, dass es die kleine Granger war, welche dem Spuk ein Ende bereitet haben musste. War sie nicht hinter ihm gewesen? Da war doch ein kleiner Aufruhr. Und unmittelbar danach hatte sich der Fluch gelöst und Quirrell hatte hektisch seinen brennenden Umhang ausgetreten. Severus hatte gespürt, dass sein Gegenfluch nicht mächtig genug war. Wer immer den Jungen angegriffen hatte, musste es verdammt ernst gemeint haben. Und dazu durfte es nie wieder kommen. Nie wieder durfte eine solch brenzlige Situation vor seinen hilflosen Augen geschehen. Ohnmächtig, wie er es damals gewesen war, als er die Frau zu schützen versucht hatte, die er mehr als alles andere in seinem Leben liebte. So sah er nun mit entschlossenem Blick in die versteinerten Gesichter seiner Kollegen. Die Lehrerkonferenz, welche aufgrund von Unterrichts- und Prüfungsdiskussionen einberufen worden war, endete mit der üblichen Frage nach sonstigen Anliegen und diesmal hatte Severus ein Solches. „Und wären Sie so freundlich uns ihren begründeten Verdacht mitzuteilen? Haben Sie eine Vermutung über den Täter?“, fragte Professor Flitwick.
„Nein und aus der erniedrigten Position aus dem Zuschauerraum wird es mir kaum möglich sein, ihn oder sie zu ermitteln.“
„Und da sehen Sie sich als fähiger als die Kollegin Hooch?“ fragte Professor McGonagall spitz. Severus Lippen kräuselten sich zu einem sanften Lächeln.
„In der Tat.“ Es genügte ihm. Professor McGonagall hatte ihren schmallippigen Mund bereits zu einer Entgegnung geöffnet, doch diesmal ergriff Professor Quirrell das Wort. Die Worte stolperten nur langsam aus seinem Mund, als wehrten sie sich dagegen, ausgesprochen zu werden. „Ich denke, dass er seine Gründe hat und sehe keinen Grund, ihm die Leitung des Spiels zu verwehren.“ Diesmal war der Hohn in den Gesichtszügen noch sichtbarer als zuvor. „Mach du nur“, schien er zu denken, „mach du nur, ob aus dem Zuschauerraum oder in der Luft: Ich bin dir überlegen.“ Severus ballte seine Hände unter dem Tisch so stark zu Fäusten, dass seine Knöchel knackten. Ein Ruck ging nach den Worten Quirrells durch seine Kollegen und es kam zu einer knappen Mehrheit gegen Madam Hooch. Verärgert und mit geblähten Nasenflügeln verließ Minerva McGonagal das Lehrerzimmer und Severus, scheinbar so ungerührt und in sich gekehrt wie üblich, folgte ihr langsam.
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