von HannaLuisa
„Harry Potter ist mittelmäßig und dazu unfassbar arrogant und unverschämt.“ Severus hatte sich in Rage geredet. Seine sonst so beherrschte Miene war wutverzerrt, sein Gesicht gerötet. Müde und resigniert sah ihn Albus Dumbledore an. „Jeder sieht das, was er sehen will, Severus“, erwiderte er. „Und eigentlich würde ich diese leidige Diskussion an dieser Stelle gerne beenden.“
Es war kein Rauswurf und dennoch lag etwas abschließendes im Tonfall des Schulleiters, der ihn mit ruhigem Ausdruck aus den alten Augen ansah. Severus ärgerte sich über sich selbst. Ursprünglich hatte er Dumbledore aufgesucht, um mit ihm über Quirrell zu sprechen. Nur irgendwie waren sie vom Thema abgekommen. Da war dieser Blick, den Severus spürte. Ein Blick der ihm bedeutete, dass der Schulleiter jede Kritik mit höchstem Misstrauen bewerten würde, die von Severus Snape kam und sich gegen einen neuen Lehrer richtete, der Verteidigung gegen die dunklen Künste lehrte. Severus wusste, dass er selbst daran nicht unschuldig war: Bisher hatte er keinen der Lehrer gemocht, die in den 11 Jahren bisher gekommen und nach einem Jahr wieder gegangen waren. Und jedes Jahr noch hatte er versucht, selbst die Stelle zu bekommen. In diesem Punkt, und es war einer von vielen Punkten, sprach der Schulleiter grundsätzlich nicht mit ihm. „Schlimm genug, dass unsere Schüler ihre Prüfungen in diesem Fach bei dem alljährlichen Lehrerwechsel schaffen müssen,“ war das einzige Argument, welches Dumbledore genannt hatte. „Nein, Severus, du bringst die Schüler in Zaubertränke gut durch die Prüfungen und ich sehe absolut keinen Anlass, dies mit einer internen Stellenumbesetzung zu gefährden.“ Doch diesmal war es anders. Mit Quirrell stimmte wirklich etwas nicht. 8 Wochen waren seit dem Schuljahresbeginn vergangen und Severus hatte diese Zeit genutzt, um den Rivalen genau zu beobachten. Severus fiel auf, wie stark Quirrell auf der einen Seite alles daran setzte, über den Stein der Weisen zu sprechen und zugleich auf auffällige Weise versuchte, dabei unauffällig zu klingen. Doch diese Beobachtung taugte kaum, um sie dem Schulleiter mitzuteilen. Da gab es durchaus einige, die sehr gerne über das Thema diskutierten, wenn auch nicht so stark, wie Quirrell. Severus hatte häufig Gespräche seiner Kollegen rund zu dem Thema mitbekommen, sogar Argus Filch hatte den Zaubertranklehrer schon ausgefragt. Doch ein zufällig mitgehörtes Gespräch zwischen Hagrid und Quirrell hatte das Misstrauen in Severus noch weiter ansteigen lassen. „Ein Hund mit drei Köpfen? An dem kommt man bestimmt nicht vorbei, oder? Außer dir natürlich...“ Hagrid hatte relativ unkonkret geantwortet, was Severus überrascht hatte. Er hatte wenig für den Wildhüter übrig und hielt es für fahrlässig, dass der Schulleiter ausgerechnet diesen Riesen, der nichts für sich behalten konnte in das Schutzsystem mit integriert hatte. Eine unnötige Schwachstelle mehr. Die endgültige Gewissheit darüber, dass Quirrell im Auge behalten werden musste, war Severus am vergangenen Morgen gekommen. Er hatte Nachtdienst gehabt und war wie üblich durch die Gänge des Schlosses gelaufen, als er plötzlich innegehalten hatte: Stimmen. Es waren zwei Stimmen gewesen, doch nur eine hatte er erkannt. „Ist ja gut, ich werde dafür sorgen, dass ich mehr in Erfahrung bringe. Aber wie um alles in der Welt soll ich das hier hinkriegen, wo ständig Leute unterwegs sind, sogar Nachts?“ Die Stimme von Quirrell hatte verzweifelt und ängstlich geklungen, die Antwort konnte Severus nicht verstehen. Bis auf ein Wort: Ablenkungsmanöver. Wie angewurzelt war er stehen geblieben und hatte gelauscht. Eine drohende Stimme war zu hören gewesen, und ein Schluchzen. Die Nackenhaare des Lauschenden hatten sich aufgerichtet: War das Quirrell? Eine Tür war aufgegangen und ein Hauself war mit einem Stapel an Putzlappen erschienen, dies lenkte Severus kurzzeitig ab. Das Schlagen einer Tür ließ die Stimmen verstummen, noch ehe Severus um die Ecke hatte sehen können. Nachdem der Elf außer Sicht war, spürte Severus seinen schnellen Puls. Zwei Lehrer planten etwas äußerst ungutes, das spürte er. Sein Hirn arbeitete auf Hochtouren, doch er kam nicht dahinter, wer die zweite Stimme gewesen war.
Grübelnd war Severus in sein Büro zurück gegangen und wäre dabei fast auf der nassen Spur ausgerutscht, die der putzende Elf hinterlassen hatte. An Halloween schließlich hatte Severus die Anspannung Quirrells, die sich über den gesamten Tag hinweg ins unerträgliche steigerte, nahezu körperlich gespürt. Der Verteidigungslehrer reagierte kurzangebunden auf Ansprache und schien mit den Gedanken in weiter Ferne. Er bekam nicht einmal mit, dass Fred und George Weasley ihn während des Mittagessens in jeder Bewegung imitierten. Über den Tag hinweg hatte sich die Unruhe des Kollegen immer weiter gesteigert und sogar der beherrschte Severus war davon angesteckt worden.
Dann war Quirrell vor dem Festessen plötzlich verschwunden. Während des Essens lief das Gehirn von Severus auf Hochtouren: Wo war Quirrell? Die Stimmung an den Tischen, die ausgelassen und so übermütig war, dass Severus nahe daran war, einzuschreiten, wurde von einem dramatischen Auftritt in der Großen Halle beendet. Es war Quirrell, der mit erhitztem Gesicht in die Halle stürmte, stockend ein: „Troll, im Kerker. Dachte, sie sollten es wissen“ herausbrachte und dann zu Boden sank.
Ein Tumult war ausgebrochen und nur für einen Moment war Severus unschlüssig gewesen. „Ablenkungsmanöver!“ Das Wort beherrschte seine Gedanken und so hatte er sich auf den Weg in den dritten Stock begeben. Dass der Schwächeanfall des Kollegen länger andauern würde, glaubte er nicht. Überhaupt war dieser verdächtig filmreif in die Knie gegangen und Severus hätte schwören können, dass der Troll-Entdecker dadurch einen allzu schmerzhaften Sturz hatte abfangen wollen. Dumbledore hatte die Lehrer um sich geschart und sie in Teams eingeteilt, welche den Troll suchen sollten. Unterdessen trieben Vertrauensschüler, allen voran der Wichtigtuer Percy Weasley, verängstigte Erstklässler aus der Halle. Sobald die Halle leer wäre, würde sich Quirrell unter Garantie auf den Weg in den dritten Stock machen.
So schnell ihn seine Beine trugen lief Severus die Gänge entlang und rannte die Stufen der Marmortreppe hinauf. In seiner Aufregung hatte er die falsche Treppe genommen, sie änderte ihre Richtung und Severus kam am anderen Ende des vierten Stockes heraus. Fluchend hatte er einen Wandteppich zur Seite gerissen und war eine verborgene Wendeltreppe hinunter gelaufen, die ihn direkt in den dritten Stock führte. Nach Atem ringend stand er schließlich vor der Tür des verbotenen, dritten Korridors und lauschte. War da ein Laut? Was sollte er tun? Warten? Und wenn Quirrell die Bestie tötete?
Ihm blieb nur eine Wahl, wenn er Gewissheit wollte. Mit klopfendem Herzen riss Severus die Tür auf und sprang in den Raum. Auf den ersten Blick erkannte er keine verdächtigen Hinweise auf den Verdächtigen, doch zu mehr Beobachtungen blieb ihm keine Zeit. Mit einem lauten Kläffen stürzte sich der dreiköpfige Hund auf ihn und noch bevor er mehr tun konnte, als seinen Zauberstab zu heben, spürte er, wie sein Bein von einem der drei Gebisse zerfleischt wurde.
Schreiend schoss er einen Zauberspruch ab und der Biss lockerte sich. Schon war er blutend hinter der geschlossenen Tür gewesen. Das Adrenalin ließ ihn keinen Schmerz fühlen. Wie hatte er nur so blöd sein können? Doch schon bevor Severus einen weiteren Gedanken fassen konnte, lenkte ein weiteres Geräusch ihn ab.
Der Troll? Er rannte los: Zumindest diesmal würde er es geschickter anstellen. Doch als er in die Mädchentoilette gerannt kam, fiel der erste Blick auf den verfluchten Potterjungen. Der Troll lag am Boden. Wieder war Potter ihm zuvor gekommen, wie sein verfluchter Vater und bekam die Lorbeeren. In diesem Augenblick hatte er sogar Quirrell vergessen. Erst viel später, als er schlaflos im Himmelbett lag, fiel ihm der Verdacht wieder ein. Hatte Quirrell den Troll wirklich hereingelassen? Ein Seufzer entwich der Brust des Magiers. Er durfte in seiner Aufmerksamkeit nicht nachlassen, wenn er Quirrell stoppen wollte.
Jetzt lächelte der Schulleiter ihn sanft an. „Hast du mir noch etwas zu sagen, Severus?“
„Nein, Direktor.“ Steif hatte Severus sich erhoben, sein schmerzendes Bein ignorierend. Argus würde sich später noch darum kümmern. Ohne einen Blick zurück, betrat er die sich drehende Treppe. Er würde Dumbledore die Beweise schon noch liefern.
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