von HannaLuisa
Severus hatte schlecht geschlafen. Als er aufstand fühlte er sich sich so müde, dass er sich am liebsten in das noch warme Bett zurückfallen lassen wollte. Doch das ging nicht, die Pflicht rief. Heute würde der Junge in seinem Unterricht sitzen. Automatisch wanderten seine Gedanken zu Lily. Wie begabt sie gewesen war, wie sie sich zu zweit mit Begeisterung den Zaubertränken gewidmet und neue entwickelt hatten, wie der damalige Zaubertrankmeister, Professor Slughorn, sie gelobt hatte. Severus und Lily, die fähigsten Schüler des ganzen Schlosses. Sogar Auszeichnungen hatten sie bekommen. Und in ihrem vierten Jahr waren Lily Evans und Severus Snape als Sieger eines Wettbewerbes hervorgegangen, der zwischen den drei größten Schulen ausgetragen worden war.
Unter dem Motto: „Zaubertränke, welche die Welt heute braucht“ waren 12 Teilnehmer aus den Schulen Hogwarts, Beauxbatons und Durmstrang angetreten, um binnen 6 Monaten mit einem Konzept, einer Studie bis hin zu einem fertigen Zaubertrank ihren Beitrag zur Forschung zu leisten. „Stell dir mal vor, Sev“, hatte Lily mit träumerischem Gesicht gesagt, „wir würden einen Trank finden, der es verhindert, dass Menschen zu Werwölfen werden.“
Zweifelnd hatte Severus seine Freundin angesehen. „Da entwickeln schon so viele dran, wieso sollten ausgerechnet wir das hinbekommen? Ich wüsste nicht einmal einen Ansatz.“ Es war nicht der einzige Grund. Severus war bewusst, dass Lily dabei an Remus dachte und er wollte alles tun um zu verhindern, dass Lily zu sehr an diese schrecklichen Mitschüler dachte oder sich für sie interessierte. Doch letztlich hatte sie ihn überzeugt. Sie hatte Remus detailliert darüber ausgefragt, wie er die Verwandlungen empfand, was er dachte und fühlte und ab wann sein Denken aussetzte. „An diesem Punkt“, hatte Lily mit funkelnden Augen gesagt, „muss unser Trank ansetzen. Vermutlich ist es illusorisch zu versuchen, die komplette Verwandlung zu verhindern, aber es muss doch möglich sein, das Ganze für die Gebissenen zum einen weniger schmerzhaft zu machen und zum anderen dafür zu sorgen, dass sie bei Verstand bleiben. Wir müssen das Gehirn vor der Verwandlung schützen, so dass es menschlich bleibt, auch wenn der Körper sich verwandelt.“
Natürlich war es ihnen nicht gelungen, innerhalb der 6 Monate den aktuellen, viel benutzten Trank herzustellen, doch war es ihnen tatsächlich gelungen, gewisse neue Grundlagen zu entwickeln, auf deren Basis der Banntrank schließlich hergestellt worden war. Und es hatte die Freundschaft der Beiden noch enger werden lassen. Wenn nur der verfluchte James nicht gewesen wäre...
Ob Harry das Talent seiner Mutter geerbt hatte? Severus bezweifelte dies, so wie der Kerl aussah, würde er ein ebenso großer Versager wie einst James sein, doch das würde sich heute zeigen. Grimmig kleidete sich der Lehrer an und betrat den Korridor. Noch war es still im Schloss, die Lehrer waren stets die Ersten, die aufstanden. Professor McGonagal nickte ihm mit müder Miene zu. Sie hatte in dieser Nacht Aufsicht gehabt und würde deshalb erst am Nachmittag unterrichten, um ein wenig schlafen zu können. Severus nickte zurück, mit seinen Gedanken noch immer bei dem Potterjungen. Mit grimmiger Miene betrat er eine Stunde später den Kerker. Die Schüler saßen schon und starrten ihn gespannt an. Aufmerksam ging Severus die Liste der Namen durch.
„Harry Potter, unsere neue Berühmtheit“, höhnte er leise. Der Junge sah ihn reichlich hochmütig an. Severus hielt seine übliche Rede und ließ seinen Blick über die Köpfe der Kinder schweifen. Ein Mädchen, Hermine Granger, sah tatsächlich so aus, als würde sie gewissenhaft zuhören, bei den anderen war er sich da nicht so sicher, obwohl sie alle schwiegen.
Da – der Kerl tauschte einen Blick mit Weasley. Offenbar waren sie ebenfalls vom ersten Moment ihrer Begegnung befreundet gewesen, wie damals der verhasste James mit dem widerwärtigen Sirius. Und jetzt glaubten sie, sich über seine Worte amüsieren zu können. Dem würde er schnellsten einen Riegel vorschieben müssen, gemäß dem Spruch „Wehret den Anfängen“. Potter würde unverzüglich lernen müssen, wen er vor sich hatte und dass der Lehrer dem unverdienten Helden nicht die geringste Unverschämtheit würde durchgehen lassen.
„Potter! Was bekomme ich, wenn ich einem Wermutaufguss geriebene Affodillwurzel hinzufüge?“ bellte er. Der Junge sah ihn mit demselben dämlichen Gesichtsausdruck an, den er erwartet hatte. Und natürlich hatte er keine Ahnung, ganz im Gegensatz zu der Muggelgeborenen. Sofort dachte er wieder an Lily, doch er verdrängte den Gedanken. Auch die beiden anderen Fragen wusste der Kerl nicht, war ja klar, ganz der Vater: Große Arroganz und nichts dahinter.
„Warum nehmen Sie nicht mal Hermine dran?“ Das Triumphgefühl ebbte so rasch ab, wie es aufgestiegen war, wütend blaffte er das Mädchen an. Er konnte es nicht fassen, womit hatte er das verdient? Und diesen dreisten, unverschämten Elfjährigen hatte er versprochen für Lily zu schützen? Hasserfüllt sah er seinen Schüler an, der Severus dreist aus Lilys Augen ansah. Nicht einmal der Punktabzug gab ihm Genugtuung, zu tief saß der Schmerz um die Geliebte. Die Ablenkung durch Neville, der es irgendwie geschafft hatte, seinen Kessel zu sprengen, lenkte ihn ab und verhalf ihm zu einem erleichternden Wutausbruch. Sein Blick fiel auf Harry, der mit Unschuldsmiene zusah, wie er Neville beschimpfte. Der Junge schien das Chaos zu genießen, er war genauso ein Unruhestifter wie James. Ein weiterer Punkt wurde Gryffindor abgezogen, das geschah ihm Recht. Harry sollte wissen, dass er ihn durchschaut hatte. Und nun sah er auch nicht mehr so arrogant und zufrieden aus. Also wirkten die Maßnahmen, die Severus schon seit 10 Jahren gegen freche Schüler anwendete, auch hier. Dieser Junge würde bei ihm, Professor Severus Snape, nichts zu Lachen haben, das schwor er sich, während er mit gebauschtem Umhang den Kerker verließ und die Tür hinter sich laut zuschlug.
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