von Saoirse
REMUS
Remus sprach an diesem Abend mit Harry. Irgendwie hatte er dabei das Gefühl, mit James zu sprechen. Kleines, pelziges Problem… So hatte es James damals genannt. Er war sogar in ihrer Hogwarts-Zeit noch weiter gegangen. Als jemand vermutete, Remus besäße ein unartiges Kaninchen, gab James dem nichtexistenten Kaninchen den Spitznamen „Flauschi“. Dieser Name war niedlich und hatte doch einen unglaublich ernsten Hintergrund. Remus lief ein Lachen über das Gesicht.
Er betete, dass an dem, was Harry über Snape und den unbrechbaren Schwur gesagt hatte, nichts dran war. Gleichzeitig bekam er irgendwie Mitleid mit seinem früheren Schulkameraden. Wenn Snape wirklich einen unbrechbaren Schwur mit der Gegenseite geleistet hatte, war er möglicherweise in derselben Zwickmühle, wie Remus selbst. Es war nichts, was Remus irgendjemanden wünschte. Gleichzeitig war er nicht der Einzige, dessen Loyalität angezweifelt wurde. Remus waren die misstrauischen Blicke der Weasleys nicht entgangen. Sie wussten nicht mehr, ob sie ihm trauen sollten. Außerdem war da auch noch die Trennung von Tonks, die sie nicht nachvollziehen konnten. Er hatte schon einmal getötet… Was wäre, wenn er Tonks ebenfalls etwas antun würde…?
Ihm war klar, dass Michaels Tod große Wellen schlagen würde. Irgendwann würde der Orden herausbekommen, was er schreckliches getan hatte.
Eigentlich hatte Remus nicht über Greyback reden wollen. Es war Harrys Unbefangenheit und Offenheit, die Remus dazu brachten, über Greyback zu sprechen. Diese Eigenschaften erinnerten Remus so sehr an Lily. Sie war auch immer die letzte gewesen, die ihn wegen irgendetwas verurteilt hatte. Er war allerdings froh, dass es nicht zu sehr ins Detail ging und nicht allzu detailiert über seine Zeit im Rudel gesprochen wurde. Selbst Lily und Harry hätten Ekel empfunden, wenn sie gehört hätten, was er getan hatte. Er hatte sein Leben und seine Seele für das Rudel eingetauscht.
Am nächsten Tag entschloss sich Remus noch vor dem Mittagessen, spazieren zu gehen. Er brauchte dringend etwas frische Luft. Bill begleitete ihn. Wahrscheinlich um sicher zu gehen, dass er nicht Kontakt zu Louisa suchte oder vielleicht sogar zum Rudel.
„Bist du schon nervös?“ fragte Remus, um das Gespräch ein wenig in Gang zu bringen.
„Du meinst, wegen der Hochzeit?“ fragte Bill. Remus nickte.
„Ehrlich gesagt, ja. Ich bin gespannt, ob meine Mutter Fleur nochmal irgendwann erschlägt. Die beiden kommen wirklich nicht gut miteinander aus…“, er seufzte, „Aber du hattest es ja auch nie wirklich leicht mit Tonks‘ Eltern.“
„Bei mir ist das eine andere Sache“, erklärte Remus, „Doras Eltern hatten die ganze Zeit recht… Ich bin ein Tier… ein Monster… eine Bestie… Fleur ist einfach...", er suchte nach den richtigen Worten, "...ein wenig oberflächlich. Deine Mutter kommt damit nicht klar. Aber irgendwann wird sie Fleur bestimmt akzeptieren.“
„Fleur ist nicht oberflächlich. Sie ist einfach unglaublich. Ich liebe es, wie sie lacht oder wenn sie die falschen Worte benutzt… Sie hat nicht Mums Qualitäten, was das hausfrauliche angeht, aber das muss sie auch nicht haben. Mum ist perfekt im Haushalt. Jede andere kann da einfach nicht mithalten. Mum glaubt, Fleur wollte sich nicht die Finger schmutzig machen, aber so ist sie nicht. Sie ist vor zwei Jahren im trimagischen Turnier angetreten. Und auch für den Orden hat sie unglaubliche Arbeit geleistet. Mum vergisst das immer ganz gerne“, erklärte Bill.
„Du bist das erste ihrer Kinder, das heiratet. Es fällt ihr schwer, dich gehen zu lassen“, bemerkte Remus. Er lies seinen Blick über die verschneiten Hänge gleiten. Seine Schuhe waren undicht und er spürte das kalte Wasser an seinen Füßen. Die Luft roch unglaublich frisch. Er atmete tief ein.
„Ich bin kein Kind mehr. Ich bin sechsundzwanzig. Ich lebe seit Jahren in Ägypten“, sagte Bill.
„Egal, wie alt du bist… Für deine Mutter bist du noch immer ihr Sohn“, Remus‘ Stimme wurde leiser. Trauer lag nun darin, „Meine Mutter hat mich auch noch geliebt, obwohl ich ein schreckliches Monster bin.“
„Remus… Niemand sieht dich als Monster…“, erwiderte Bill.
„Ich sehe mich so“, flüsterte Remus.
Bill seufzte, „Du weißt, dass Mum ziemlich sauer auf dich ist?“
Remus nickte, „Ich werde euch auch nicht lange zur Last fallen. Ich muss morgen wieder im Rudel sein.“
„Remus, irgendwas ist mit dir… Es sieht dir nicht ähnlich, dich von heute auf morgen von Tonks zu trennen“, sagte Bill und sah Remus eindringlich an.
Remus holte tief Luft und wollte erneut erwidern, dass er Tonks nicht gefährden wollte, da er zu gefährlich war. Bevor er aber irgendetwas in der Richtung sagen konnte, lächelte Bill Remus freundschaftlich an und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
„Geh zu ihr. Sie braucht dich“, schlug Bill vor.
„Ich werde darüber nachdenken“, murmelte Remus. Gemeinsam mit Bill kehrte er zum Fuchsbau zurück. Remus war klar, dass er für Tonks eine Gefahr war. Er durfte ihr einfach nicht nahe sein.
„Mum bringt dich um, wenn du es nicht machst“, fügte Bill hinzu, „Hier ist ihre Adresse.“ Er drückte Remus einen kleinen Zettel in die Hand, den Remus in seiner Manteltasche versenkte. Er wusste selbst, dass er den Zettel zerstören musste, bevor er zu dem Lager zurückkehrte.
Gegen Mittag hatte Molly wieder ein fantastisches Essen aufgetischt. Allerdings war das Essen mit einem großen Schock für Remus verbunden. Harry erzählte, dass sich Tonks‘ Patronus verändert hatte.
Ihm wurde schlecht, als er an das Ausmaß dieses Desasters dachte… Harry hatte gesagt, etwas Großes mit vier Beinen… Mit Sicherheit war es ein Wolf geworden… Ein Patronus änderte nicht die Gestalt für jede x-beliebige Person, in die der Erschaffer verknallt war. Es musste ewige Liebe sein, die für immer ein Teil des Patronus-Erschaffers war. Dadurch war nun klar, dass Tonks ihn noch immer aufrichtig liebte. Er fragte sich immer wieder, wie sie das nur konnte… Sie kannte ihn eigentlich überhaupt nicht… Sie wusste überhaupt nicht, wozu er in der Lage war. Liebe… Werwölfe waren dazu nicht fähig… Sie waren nur in der Lage, sich zu paaren. Sie waren Kreaturen der Nacht… Kreaturen des Hasses. Und Tonks… Sie war wirklich von ihm abhängig geworden. Er wusste, dass er mit Tonks eigentlich hätte reden müssen… Er musste ihr erklären, warum er nicht mehr mit ihr zusammen sein konnte…
Er merkte, dass er tatsächlich nicht mehr zu den Zauberern gehörte. Er wusste, dass er spätestens jetzt zu einem Tier geworden war. Es war nicht gut für Tonks, dass sie ihn liebte. Aufrichtige Liebe… Das hatte sie vielleicht empfunden, bevor er sich dem Rudel angeschlossen hatte. Jetzt hatte er sich verändert… Alle sagten es… Arthur, Molly, Mad-Eye, Kingsley… Einfach alle. Tonks liebte noch den alten Remus.
Remus erkannte, dass er dem unbrechbaren Schwur bereits zum Opfer gefallen war. Er war tot… Der Remus, der immer versucht hatte, bei den Zauberern zu leben und sich bei ihnen anzupassen, existierte nicht mehr. Er fühlte sich nicht mehr unter seinen alten Freunden wohl… Wie sie ihn ansahen… Er hasste das Gefühl, anders zu sein.
Er beobachtete, wie sich zwei Gestalten dem Fuchsbau näherten. Eine davon war Rufus Scrimgeour und bei der anderen handelte es sich um Percy Weasley.
Remus wollte den Weasleys nicht noch mit seiner Anwesenheit Schwierigkeiten bereiten. Wenn Scrimgeour herausbekam, dass die Weasleys einer gefährlichen Bestie Unterschlupf gewehrten, würde Arthur Probleme im Ministerium bekommen. Remus wusste selbst, dass es unhöflich war, einfach so zu disapparieren… Er war froh, dass die Unterhaltung mit Harry beendet war, bevor er auch noch anfing, ihn wegen Tonks zu bearbeiten. Es war seine Angelegenheit… Es ging niemanden etwas an. Er warf einen Blick auf den Zettel mit Tonks‘ Adresse, während Harry und die Weasleys aus dem Fenster starrten und zusahen, wie sich Scrimgeour und Percy dem Fuchsbau näherten. Ein bisschen freute sich Remus für Molly, dass Percy gekommen war. Ein Weihnachten zuvor hatte sie noch geglaubt, dass Percy nie wieder auftauchen würde.
Remus dachte kurz nach und apparierte schließlich zu Tonks‘ neuer Dienstwohnung.
TONKS
Tonks sah traurig von ihrem Zimmerfenster aus auf die verschneite Straße. Sie fragte sich immer wieder, warum sie so eine Angst hatte, mit Remus über ihre Gefühle zu sprechen. Jetzt war Weihnachten… Die perfekte Gelegenheit, Remus am Fuchsbau zu begegnen… Lag es an Louisa oder der Tatsache, dass sie Angst hatte, von ihm zurückgewiesen zu werden. Sie war in ihrem eigenen Gefühlschaos gefangen und wusste selbst nicht mehr, was sie denken und fühlen sollte. Sie überlegte, doch nochmals zu den Weasleys zu apparieren, um mit Remus zu sprechen. Allerdings hatte sie das Gefühl, in das Weihnachtsessen hineinzuplatzen und sie wollte sich heute nicht auch noch unerwünscht fühlen, wobei sie mittlerweile schon ein fester Bestandteil der Weasley-Familie geworden war. Sie war im gleichen Alter, wie Percy… Es war so, als ob Molly in ihr einen Ersatz für Percy gesucht und gefunden hatte. Und für Tonks war es wichtig, dass sie jemanden hatte, der sie in ihrer Liebe zu Remus bestärkte. Ihre Mutter war dafür nicht wirklich die richtige Ansprechpartnerin. Zwar war sie gegenüber Remus ein wenig aufgetaut, doch sie schien sich immer noch Sorgen zu machen, dass Remus ihre Tochter irgendwann verletzte. Außerdem war Andromeda nie darüber hinweg gekommen, dass Remus und Tonks in dem Jahr, in dem er in Hogwarts unterrichtet hatte und Tonks ihr Abschlussjahr absolvierte, eine Affäre miteinander hatten. Genau das war das Schöne bei Molly… Sie war nicht so vorurteilsbeladen, wie Andromeda. Sie sah in Remus nicht den Werwolf oder den Lehrer, der Tonks in Verteidigung gegen die dunklen Künste unterrichtet hatte… Sie sah in Remus einen Freund und ein Ordensmitglied. Vielleicht wäre es Molly auch zu weit gegangen, wenn sich eines ihrer Kinder auf einen Lehrer eingelassen hätte. Vielleicht hätte in diesem Fall ihre Toleranz auch eine Grenze gehabt. Wenn sie daran dachte, wie oft sich Molly über Fleur aufregte. Ein bisschen leid taten ihr Bill und Fleur schon. Sie mussten zwar nicht so hart kämpfen, wie Remus und sie, aber niemand hatte es verdient, dass eine Liebe einfach nicht von den Eltern akzeptiert wurde.
Tonks seufzte… Ihre Eltern waren mittlerweile ein kleineres Hindernis… Sie hörte, dass jemand an ihre Wohnungstür stand. Wahrscheinlich war es einer der Weasleys, der ihr etwas von dem Weihnachtsessen vorbeibringen wollte. Sie wusste, dass ihre Lüge mit ihren Eltern vollkommen unglaubwürdig war.
Sie wischte sich die Tränen vom Gesicht und öffnete die Tür. Als sie sah, wer vor ihr stand, konnte sie ihn nur mit großen Augen anstarren.
„Remus“, flüsterte sie. Tränen sammelten sich in ihren Augen. Sie war schockiert, dass er so abgemagert war. Sie umarmte ihn und weinte an seiner Brust.
„Es ist so schön, dich zu sehen“, flüsterte sie erleichtert.
Remus verzog das Gesicht. Gleich würde er sie verletzen…
„Tonks…“, Remus drückte sie leicht von seinem Körper weg und sah ihr ernst in die Augen. Es war noch nie ein gutes Zeichen, wenn er sie mit dem Nachnamen ansprach, „Bill hat mir heute morgen gesagt, dass du dir immer noch Hoffnungen auf eine Beziehung mit mir machst… Ich bin hier, um dir zu sagen, dass es keine Hoffnung mehr gibt. Es ist falsch, dass du mich liebst…“
Tonks sah ihn entsetzt an… „Remus…“, mehr konnte sie nicht sagen. Ihre Tränen der Erleichterung wandelten sich um in Tränen des Schmerzes, „Nein… Hör bitte auf….“
„Tonks, wir beide waren nie dazu bestimmt zusammen zu sein. Ich habe im Rudel gemerkt, dass ich wirklich zu gefährlich für dich bin… Außerdem kann ich dir nichts bieten… Ich bin arm und alt. Such dir bitte jemanden, mit dem du eine Zukunft haben könntest und häng deine Hoffnungen nicht an mich. Ich verdiene deine Hoffnungen nicht. Und dich verdiene ich genauso wenig“, Remus wandte den Blick ab. Sie sollte nicht sehen, dass es ihm genauso schwer fiel, wie ihr, „Ich muss jetzt wieder gehen…“
„Nein…“, flüsterte Tonks und hielt ihn an seinem Umhang fest, „Nein… Bleib bei mir… Bitte…“
Remus löste ihre Hände von seiner Kleidung. Das, was Tonks für ihn empfand, war keine Liebe… Es war Abhängigkeit.
„Tonks, bitte… Es funktioniert nicht… Du solltest es endlich verstehen...“, er konnte es nicht riskieren, sie in Gefahr zu bringen. Er musste daran denken, was er Michael schreckliches angetan hatte…
„Es hat letztes Jahr funktioniert…“, die Tränen flossen unaufhaltsam ihre Wangen hinunter.
„Dora, ich kann dich diesem Risiko nicht mehr aussetzen… Du verdienst jemanden, der gesund ist“, er riss sich von ihr los und disapparierte. Tonks blieb zurück. Sie sah traurig auf die Stelle, an der Remus noch vor einigen Sekunden gestanden hatte. Sie war noch nicht mal dazu gekommen, die Fragen zu stellen, die sie seit Monaten hatte stellen wollen… Sirius… Hatte er sich von ihr getrennt, weil er ihr doch die Schuld an seinem Tod gab… Louisa… Liebte er sie? Wieso hatte er eben den Kontakt zu Tonks gesucht und hielt sie gleichzeitig auf Distanz…? Wieso?
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