von ChrissiTine
1. Dezember: Wiedersehen
Somethin' in your eyes, makes me wanna lose myself
Makes me wanna lose myself, in your arms
There's somethin' in your voice, makes my heart beat fast
August 2031
Dominique Weasleys Leben wäre so viel einfacher, wenn sie lesbisch wäre. Sie hatte genug Angebote. Sie hatte sogar einen lesbischen Fanclub, den sie ein paar Mal getroffen hatte und einige von den Mitgliederinnen sahen wirklich umwerfend aus. Schärfer als die meisten Männer, denen sie je begegnet war. Mit einer von ihnen war sie sogar mehrfach ausgegangen, aber als Siobhan sie geküsst hatte, hatte sie nichts dabei empfunden. Keine Schmetterlinge, kein Bedürfnis, den Kuss zu vertiefen, ihr die Kleider vom Leib zu reißen und sie in die nächste dunkle Ecke zu zerren, die sie finden konnte, weil sie einfach nicht länger warten konnte und einfach mit ihr zusammen sein musste … aber so hatte sie nur bei einem Menschen in ihrem Leben empfunden und das hatte zu überhaupt nichts geführt.
Es war schade, dass es mit Siobhan nicht besser gelaufen war. Sie war klug und schlagfertig, ein großer Quidditchfan und ihr Lachen war unglaublich ansteckend. Es hatte Dominique wirklich Leid getan, ihr sagen zu müssen, dass aus romantischer Sicht nichts aus ihnen werden würde, aber Siobhan hatte nur mit den Schultern gezuckt.
„Das hab ich mir schon gedacht." Sie lächelte Dominique über ihr Martiniglas hinweg an und trank einen Schluck. Es war ein wunderbares Lächeln, ein strahlendes Lächeln, aber es war einfach nicht mehr.
„Es tut mir wirklich Leid, dass ich nicht-", fing Dominique an, sich zu entschuldigen, denn es tat ihr wirklich Leid. Siobhan wäre wirklich perfekt für sie (schon allein deshalb, weil ihre Mutter in Ohnmacht fallen würde), aber sie war einfach nicht das, was Dominique wollte. Auch wenn sie keine Ahnung hatte, was das eigentlich war. Sie wusste nur, was sie nicht wollte.
„Das muss dir nicht Leid tun. Du hast kein Interesse an Frauen, das ist einfach so. Ich fühl mich geschmeichelt, dass du es trotzdem versucht hast." Sie lehnte sich vor und ergriff Dominiques Hand. „Es ist fantastisch, dich kennen gelernt zu haben. Du bist wirklich so toll wie in deinen Interviews." Dominique lachte. Sonst hörte sie nur, dass sie vorlaut, rechthaberisch und viel zu kritisch und regelrecht gemein anderen Mannschaften gegenüber war. „Und es hat Spaß gemacht, mit dir zusammen sein. Vielleicht können wir uns weiterhin treffen. Freunde bleiben."
Dominique lächelte erleichtert. „Gerne. Sehr gerne." Abgesehen von ihrer Familie und ihrer Mannschaft hatte sie nicht viele Leute in ihrem Leben, mit denen sie über Quidditch diskutieren konnte. Zumindest nicht länger als zehn Minuten.
Seit diesem Gespräch vor zehn Monaten hatte Dominique sich häufiger mit Siobhan getroffen und erleichtert festgestellt, dass sie sich trotz ihrer Zurückweisung immer noch so gut verstanden wie zuvor.
Was man von all ihren anderen Verabredungen nicht sagen konnte.
Es war nicht so, als ob Dominique unbedingt einen Mann in ihrem Leben brauchte. So war es wirklich nicht. Auf keinen Fall. Sie war mit Quidditch vollauf beschäftigt und hatte Freunde genug.
Nun ja, sie hatte eine Freundin, ihre beste Freundin, Annie. Die wenigsten hielten es lange genug in ihrer Gegenwart aus, um sich an sie zu gewöhnen, und sie hatte nie jemand anderen gebraucht, weil sie Annie hatte, die sie voll und ganz verstand. Aber Annie war mit ihrem Zwillingsbruder Louis verheiratet. Und hatte mittlerweile ein Baby bekommen. Einen kleinen lauten Schreihals, der die ganze Aufmerksamkeit wollte. Und jetzt hatte Annie keine Zeit mehr für Dominique.
Und ohne Annie hatte Dominique festgestellt, wie leer ihre Wohnung war, wie einsam sie ohne Annie und auch Louis war, wie viel Zeit sie plötzlich übrig hatte, ohne zu wissen, womit sie sie füllen konnte.
Und so hatte sie schließlich nachgegeben und ihre Familie und Teamkollegen gebeten, sie zu verkuppeln. Zuerst hatte sie es ohne Hilfe versucht, aber es war nicht zu glauben, wie viele Idioten es da draußen gab. Sie konnte einfach niemanden ernst nehmen, der „Ich habe mir heute einen neuen Wecker gekauft, willst du ihn morgen früh mal klingeln hören?" für einen guten Anmachspruch hielt. Genauso wenig wie jemanden, der nur herumstotterte und die ganze Zeit ihren Busen anstarrte, vor allem weil der im Vergleich zu dem ihrer Schwester und Cousinen wirklich nicht sonderlich beeindruckend war.
Aber die Typen, die ihre Familie für sie ausgesucht hatte, waren auch nicht viel besser. Da war ein geschiedener Vater, der die ganze Zeit nur von den Haaren seiner Exfrau und den Schulnoten seiner Tochter faselte. Dann gab es einen zehn Jahre älteren Mann, der zwar ein umfassendes Wissen über Quidditch hatte, aber sich so gerne selbst reden hörte, dass er sogar dann noch sprach, während sie versuchte, etwas zu sagen und er den Mund voller Essen hatte. Als sie schließlich die Geduld verloren und ihn angeschrien hatte, hatte er sie angesehen, als ob sie verrückt war – als ob sie diejenige gewesen wäre, die zwei Stunden ununterbrochen gequatscht hatte! Einer war sogar ganz nett gewesen, hatte ihr jedoch schließlich gestanden, dass er schwul war, jedoch zu viel Angst hatte, das seinem Umfeld zu sagen und er sich lieber verkuppeln ließ, als sich damit auseinanderzusetzen.
Aber der Typ von heute hatte wirklich den Vogel abgeschossen. Erst hatte er zehn Minuten davon geschwärmt, wie gerne er an ihren Zehen nuckeln würde, dann hatte er sich eine Viertelstunde über die perfekte Form ihres linken Ohrläppchens ausgelassen und schließlich zwanzig Minuten versucht, das ideale Wort für ihre Augenfarbe zu finden (einfach nur blau, verdammt noch mal, so schwer war das doch nicht!). Wenn sie ihn das nächste Mal sehen würde, würde sie James umbringen! Sie hätte nie darauf hereinfallen sollen, dass er tatsächlich jemanden kannte, mit dem sie hätte zusammen sein können. Ihr Cousin lebte für diese Scherze. (Wobei, um fair zu sein, hätte er sie um ein Blind Date gebeten, hätte sie ihm auch die unpassendste Frau angedreht, die sie kannte.)
„Ich will den stärksten Feuerwhiskey, den Sie haben", fuhr Dominique den Kellner an, der gerade an ihr vorbeistolperte und versuchte, ein Tablett voller Gläser zu balancieren.
Bei ihren Worten zuckte der höchstens neunzehn Jahre alte (wenn man nach den ganzen Pickeln ging) Junge zusammen und nur ihren guten Quidditchreflexen war es zu verdanken, dass nicht alles auf dem Boden landete. „Oh Merlin, vielen Dank, das wäre schon das dritte Tablett heute gewesen, das ich fallen gelassen hätte und Mrs Longbottom ist sowieso schon nicht mehr gut auf mich zu sprechen, weil ich den dreißig Jahre alten Whiskey zu dem fünfundzwanzig Jahre alten Whiskey gekippt hab. Die Flaschen waren beide halb leer, ich wollte nur Platz im Regal schaffen, woher sollte ich denn wissen, dass man die getrennt aufbewahren soll!" Er zuckte erneut zusammen, als jemand in der hinteren Ecke der Kneipe lautstark nach seinem Drink verlangte und lief so hastig in die Richtung, dass er an einem Stuhlbein hängen blieb und alle Gläser über einer alten Dame ausschüttete, die einen zerfledderten Geierhut trug.
Dominique verkniff sich ein Grinsen, als sie Augusta Longbottoms verkniffene Miene sah und lehnte sich erwartungsvoll in ihrem Stuhl zurück, um die Strafpredigt von Nevilles Großmutter zu verfolgen. Leider kam es nicht soweit, denn Hannah kam aus dem Hinterzimmer gestürzt, um sowohl die Großmutter ihres Mannes zu beschwichtigen, als auch den Kellner zurechtzuweisen.
„Ich wusste nicht, dass du neuerdings auch blinde Kellner einstellst, Hannah! Ich bin ja auch dafür, dass Leute mit Behinderung ein normales Leben führen sollen, ich hab mich bei Merlin lange genug mit Mad-Eye herumgeschlagen in meinem Leben, aber so jemand hat nun wirklich nichts als Bedienung verloren!" Augusta zog ihren mottenzerfressenen Hut vom Kopf und entblößte ihre wenigen grauen Haare. „Diesen Hut habe ich schon seit über fünfzig Jahren, so eine Qualität gibt es heutzutage gar nicht mehr und jetzt ist er ruiniert! Den ganzen Alkohol krieg ich doch nie wieder raus!"
Der Kellner, knallrot unter seinen Pickeln, stammelte eine Entschuldigung, zog ein schmutziges Taschentuch aus seiner Hosentasche und begann, an der Vorderseite von Augustas Kleid herumzutupfen.
„Sind Sie von allen guten Geistern verlassen? Hat man Ihnen in Hogwarts nicht beigebracht, dass man eine Dame nicht einfach so begrapschen kann?", rief Augusta empört. Der Junge klappte nur wortlos seinen Mund auf und zu, wie ein Fisch auf dem Trockenen, und sah so aus, als würde er gleich in Ohnmacht fallen.
Hannah seufzte entnervt und drückte ihm das Tablett in die Hand. „Bring den Gästen ihre Getränke. Nicht mehr als fünf pro Tablett, das hab ich dir doch schon zehnmal gesagt. Über diesen Vorfall", sie wedelte mit dem potthässlichen Hut vor seinem Gesicht herum, um den es wirklich nicht schade war, „werden wir später sprechen!" Sie verdrehte die Augen und beobachtete, wie der Junge völlig verängstigt zur Bar stolperte. „Es tut mir so Leid, Augusta", wandte sie sich dann an die Großmutter ihres Mannes. „Er ist der Sohn einer Freundin und ich hab ihr versprochen, ihm eine Chance zu geben, nachdem er in der Aurorenabteilung abgelehnt worden ist."
Dominique schnaubte. Der Junge wäre ein miserabler Auror geworden. Wahrscheinlich hätte er sich mit einem Zauber selbst außer Gefecht gesetzt, bevor er auch nur einen Verbrecher gefasst hätte. Kein Wunder, dass Onkel Ron ihn abgelehnt hatte.
„Es ist erst sein dritter Tag, das wird schon noch", fuhr Hannah fort. „Ich hatte schon häufig tollpatschige Kellner. Wenn sie erstmal Routine haben, dann sind sie wirklich zuverlässig. Ich meine, Neville konnte den Schockzauber anfangs auch nicht, du hättest ihn bei den DA-Treffen sehen sollen, aber mit etwas Übung-"
„Aber Neville konnte geradeaus gehen, ohne hinzufallen", erwiderte Augusta kompromisslos. „Und er hat meinen Hut nicht ruiniert. Schau dir das doch nur an." Sie hielt Hannah den Hut direkt unter die Nase. Nach deren angewiderten Gesichtsausdruck zu urteilen, war sie nicht der Ansicht, dass der Hut ein großer Verlust war. Dominique war zwar auch kein großer Fan des Kleidungsstücks, aber da Mrs Longbottom ihn immer trug, sah man sie immer schon von weitem und konnte ihr wenn nötig wunderbar aus dem Weg gehen.
„Gib ihn mir, ich frag morgen bei den Zauberscherzen nach, ob sie was gegen Alkoholflecken haben. Die haben doch so ziemlich alles." Soweit Dominique sich erinnern konnte, hatten Onkel George und ihre Cousins Lucy, Hugo und Roxanne eine ganze Abteilung mit Reinigungsmitteln, die da einzusetzen waren, wo normale Haushaltssprüche versagten. James hatte Roxanne nach einer besonders feucht-fröhlichen Party in seiner Wohnung auf die Idee für das Alkoholentfernungspulver gebracht, nachdem ungefähr fünf verschiedene Vodkas und Whiskeys auf ihrem Kleid verschüttet worden waren. Ob das Pulver allerdings bei einem Hut wirkte, dessen Verfallsdatum vor dreißig Jahren gewesen war, wagte Dominique zu bezweifeln.
Der Kellner war mittlerweile allerdings so verängstigt, dass er nur noch einen Drink trug und seine Hand zitterte so sehr, dass er davon auch noch die Hälfte verschüttete. Hannah war damit beschäftigt, Augusta zu beruhigen und sonst war kein Personal zu sehen.
Und Dominique wollte unbedingt ihren verdammten Drink haben! Sie musste den Nachgeschmack von diesem unmöglichen Typen aus dem Mund waschen. Der Kerl hatte sie so hastig und überraschend geküsst, dass sie nicht schnell genug hatte reagieren können. Als sie allerdings seine Zunge in ihrem Mund gespürt hatte, hatte sie ihn so energisch weggeschubst, dass er gegen die Straßenlaterne gestolpert war. Im nächsten Moment war sie disappariert. Hoffentlich hatte er eine Gehirnerschütterung davongetragen.
Aber wie es aussah, würde sie auf den Drink noch lange warten müssen. Also stand sie auf und ging lässig um die Bar herum. Keiner hielt sie auf und so inspizierte sie in aller Ruhe Hannahs Feuerwhiskeyauswahl, suchte sich den ältesten aus und goss eine großzügige Menge in eines der letzten sauberen Gläser, die sie finden konnte.
„Gib mir auch so einen, Schätzchen."
Dominique zuckte zusammen. Ein Schauer lief ihr über den Rücken bei dem Klang seiner Stimme. Sie sah von ihrem Glas auf und hob anklagend eine Augenbraue. „Sprichst du mit allen Leuten im Dienstleistungsgewerbe so respektlos, Davies?"
Steven Davies Augen weiteten sich überrascht, als er Dominique erkannte. Er schluckte. Sekunden später erschien ein schiefes Lächeln auf seinen Lippen. Sie waren immer noch so voll und rot wie vor zwölf Jahren. „Nur mit den schlecht aussehenden, Weasley. Ich muss doch ihr Selbstvertrauen stärken, sonst bekomme ich die Drinks nicht gratis."
Dominique verdrehte die Augen. „Du bist noch genauso ein Arschloch wie früher, Davies." Sie schob ihm ihr Glas über die Theke zu und ergriff ein weiteres, um sich erneut einzuschenken.
Weiterhin lächelnd hob er sein Glas und prostete ihr zu. „Das Kompliment kann ich nur zurückgeben." Dominique schob das warme Gefühl in ihrem Bauch auf den Whiskey, den sie gerade getrunken hatte. „Aber seit wann bist du unter die Barkeeper gegangen? Hast du endlich erkannt, dass du kein Talent hast und deine ‚Quidditch-‚Karriere'"- der Idiot machte tatsächlich Gänsefüßchen in die Luft, der hatte vielleicht Nerven, sie würde ihn umbringen! – „an den Nagel gehängt und dir einen erfolgversprechenderen Beruf gesucht?"
„Du solltest nicht immer von dir auf andere schließen", stieß sie zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. „Nur weil dich kein Verein nimmt, selbst wenn du ihn bezahlen würdest, und in der Mysteriumsabteilung vor dich hinvegetierst, heißt das nicht, dass jeder so ein miserabler Sucher ist wie du. Meine Mannschaft ist dieses Jahr Vizemeister geworden und-"
„Und wärst du nicht gewesen, dann hätten sie die Meisterschaft auch gewonnen. Wieso sie dich nicht aus der Mannschaft geworfen haben-"
„Halt sofort deine blöde Klappe!", rief Dominique erbost. Die halbe Kneipe schaute sie neugierig an und als sie Hannahs wütenden Blick bemerkte, huschte sie schnell hinter der Bar hervor und eilte zurück zu ihrem Platz.
Wie konnte er es wagen! Wie konnte er es nur wagen! Sie hatte schon genug Schuldgefühle, dass sie ihre Mannschaft den sicher geglaubten Meisterschaftstitel gekostet hatte, da musste dieses Arschloch nicht auch noch darauf herumreiten! Die ganze Saison über hatten sich ihre Mannschaft, die Kenmare Kestrels, und Puddlemere United einen erbitterten Kampf um den ersten Platz in der Quidditchliga geführt, bei dem die Kestrels immer einen hauchdünnen Vorsprung gehabt hatten. Im alles entscheidenden Match hatten sie den Sieg so gut wie sicher gehabt, aber weil der gegnerische Sucher den Schnatz nur eine Zehntelsekunde vor Dominique geschnappt hatte, waren sie nur Zweite geworden. Keiner aus der Mannschaft hatte ihr einen Vorwurf gemacht, aber die Presse und die Fans hatten sie mit Kritik überhäuft. Einige hatten ihr sogar unterstellt, dass sie mit beinahe dreißig schon viel zu alt war, um überhaupt noch zu spielen.
Mittlerweile hatte das Training wieder angefangen und das erste Spiel würde nächsten Monat stattfinden und Dominique war so gut wie immer, sodass ihr das letzte Spiel nicht mehr so viel ausmachte. Sie konnte sich endlich wieder auf das Hier und Jetzt konzentrieren, und da kam Davies daher und erinnerte sie an die größte Niederlage ihrer Karriere und sagte das, was all ihre Kritiker auch die ganze Zeit behaupteten. Das musste sie sich wirklich nicht anhören von einem schleimigen Wichtigtuer, der nie über die Schulmannschaft hinausgekommen war und glaubte, nur weil sein Vater einen bedeutenden Namen in der Geschäftswelt hatte, sollte die ganze Welt ihm zu Füßen liegen, angefangen bei scharfen Zwanzigjährigen. Obwohl er nun wirklich nicht so gut ausschaute mit seinen samtbraunen Augen und seinen vollen dunklen Haaren, die seidenweich waren, wenn man mit den Händen durchfuhr. Auch wenn er mittlerweile so viel Gel hineinschmierte, dass sie eher wie ein Stahlhelm als wie Haare aussahen.
Eine Hand griff nach ihrem Arm und eine Gänsehaut breitete sich aus. „Weasley warte", sagte er leise. Sie schloss die Augen. „Ich hätte das nicht sagen sollen. Du hast fantastisch gespielt und die Kestrels wären verrückt, wenn sie dich rausschmeißen würden. Es war Pech, dass du den Schnatz verfehlt hast, mehr nicht."
Dominique schluckte schwer und drehte sich langsam zu ihm um. Sie öffnete die Augen. Sein Gesicht trug diesen Ausdruck. Diesen Ausdruck, mit dem er sie angesehen hatte, kurz bevor er sie zum ersten Mal geküsst hatte, kurz bevor sie miteinander geschlafen hatten und als er in den Weihnachtsferien bei ihr zu Hause vor der Tür stand, um sich ihren neuen Besen anzusehen und sie im ersten Moment nicht wussten, wie sie miteinander umgehen sollten.
„Ist schon gut", murmelte sie, weil sie nicht wusste, was sie sonst sagen sollte. Seine Hand lag immer noch auf ihrem Arm. Sie trank einen weiteren Schluck aus ihrem Glas. „Es war mein Fehler. Ich hätte ihn sehen müssen. Ich hätte schneller sein müssen. Vielleicht hätten sie mich wirklich raus-"
„Bestimmt nicht!", widersprach Steven vehement. Er setzte sich auf den freien Stuhl an ihrem Tisch und ließ endlich ihren Arm los. Sie wünschte, er hätte es nicht getan. Zögerlich ließ sie sich wieder auf ihren Platz sinken.
„Aber vielleicht ja doch", sagte sie kaum hörbar. Sie hatte das noch nie laut ausgesprochen. Eigentlich sollte man so harsche Kritik als Profi an sich abprallen lassen. Was zählte war das Feedback der Trainer, die Meinung der Mannschaft, nicht die Meinung einiger aufgebrachter Fans, aber bei diesem Spiel … sie hätte nicht versagen dürfen und sie hatte es dennoch getan und vielleicht bedeutete das tatschlich, dass sie sich in etwas verrannt hatte, dass sie gar nicht wirklich zur Quidditchspielerin gemacht war, dass sie dieser Tatsache lieber ins Auge sehen sollte, bevor alles noch schlimmer wurde, bevor sie die Mannschaft auch dieses Jahr die Meisterschaft kostete. Sie hatte in ihrer ganzen Karriere noch nie die Meisterschaft gewonnen, das war doch ein eindeutiges Zeichen.
„Du bist eine fantastische Spielerin", beharrte er. „Das warst du schon in Hogwarts und das bist du immer noch. Nur weil ein anderer Sucher dieses eine Mal mehr Glück hatte als du, heißt das doch nicht, dass du alles in Frage stellen musst, wofür du gearbeitet hast. Die dämlichen Kestrels können sich glücklich schätzen, dich zu haben."
Dominique lächelte schwach. „Du hast die Kestrels noch nie gemocht." Nur von den Cannons hatte er noch abschätziger gesprochen.
„Ich weiß", erwiderte er, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Der Rest stimmt trotzdem. Sobald die Saison wieder angefangen hat, interessiert sich doch kein Flubberwurm mehr dafür, dass du einmal nicht den Schnatz gefangen hast." Ihre Blicke trafen sich. Rasch wandten sie sie wieder ab.
„Wer hat dich denn mit dem Imperius-Fluch belegt?", fragte sie schließlich nervös kichernd. Sie hatten sich seit fast zwölf Jahren nicht gesehen. Das Geplänkel hinter der Bar, das war normal, damit konnte sie umgehen. Das war wie früher. Er warf ihr eine Beleidigung an den Kopf, sie sagte etwas noch gemeineres zurück, und das ging so lange so weiter bis sie von jemandem unterbrochen wurden. So war das seit ihrem ersten Treffen gewesen. In der sechsten Klasse hatten sie nicht mehr gewartet, bis sie jemand davon abhielt, dass sie sich den Hals umdrehten, sondern warfen sich gleich an den selbigen und unterbrachen ihre Beschimpfungstriaden mit stürmischen Küssen. Aber sie hatten sich selten unterhalten, oder Komplimente gemacht, oder jemals etwas so … so … so etwas gesagt, wie Steven es gerade getan hatte. Wie zum Teufel sollte sie denn damit umgehen?
„Keine Ahnung", erwiderte er schließlich. „Meine Exfreundin ist nicht gut auf mich zu sprechen, wahrscheinlich war sie es."
„Wundert mich nicht", flüsterte Dominique erleichtert und wischte sich unauffällig über ihre Augen. „Du konntest noch nie mit Frauen sprechen."
„Dann ist es ja gut, dass ich es darauf nie bei dir angelegt habe", antwortete er seufzend und trank sein Glas in einem Zug leer. Er erschauderte. „Und was treibt dich hierher? Wohnst du nicht in Schottland?"
Sie nickte. Die Kestrels trainierten im Norden, deshalb war sie schon vor Jahren hoch gezogen, um nicht ständig so weit apparieren zu müssen. Bei den frühen Trainingszeiten war sie einmal so übermüdet gewesen, dass sie sich beinahe zersplintert hatte. So war es einfacher. Einen Moment lang fragte sie sich, woher er wusste, wo sie wohnte, aber das stand oft genug in irgendwelchen Artikeln und sie hatte es auch mehr als einmal in einem Interview erwähnt. Er konnte zufällig über diese Information gestolpert sein.
„Ich war hier verabredet", erklärte sie und starrte missmutig in ihr Glas. Auch wenn sie sich das wirklich hätte sparen können.
„Ist wohl nicht so gut gelaufen, oder?", fragte er amüsiert. „Sonst würdest du dich hier doch nicht alleine betrinken."
„Von betrinken kann kaum die Rede sein", widersprach sie mit einem vielsagenden Seitenblick auf den unfähigen Kellner, der immer noch dabei war, die Ersatzgetränke zu den Gästen zu bringen. „Aber vielleicht ist es auch fantastisch gelaufen und wir wollen es nur langsam angehen lassen." Er hob zweifelnd die Augenbrauen und sie verkniff sich ein Grinsen. „Ach halt die Klappe."
Er hob abwehrend die Hände. „Ich hab doch gar nichts gesagt."
Sie stützte sich mit den Ellbogen auf dem Tisch ab und lehnte sich zu ihm. Der Feuerwhiskey war stark genug, um das rechtfertigen zu können. Warum sonst hätte Steven ihr schließlich solche Komplimente gemacht? Da konnte doch nur der Alkohol aus ihm sprechen. „Dabei sollte es heute Nacht auch bleiben." Sie blickte ihn vielsagend an. Sie hatte schon ewig keinen Sex gehabt, guten noch viel länger nicht und durch seine Berührung hatte sie sich unweigerlich daran erinnert, wie gut es zwischen ihnen immer gewesen war. Sie würde ihn nach heute Nacht nicht wiedersehen, da war es völlig in Ordnung, einmal rückfällig zu werden.
Sie sah gerade noch, wie seine Augen sich vor Überraschung weiteten, bevor sie die letzten Zentimeter überwand, die sie voneinander trennten.
Im Gegensatz zu dem Arschloch von vorhin war dieser Kuss einfach fantastisch. Zumindest was das betraf, hatte sich zwischen ihnen nichts geändert. Seine Lippen schmeckten noch genauso wie früher, und nicht nach ekligem Erdbeerlipgloss (sie fragte sich echt, was für eine Schraube bei dem Typen locker war). Seine Zunge war noch genauso bestimmend und sie spürte ein Kribbeln bis in die Zehenspitzen.
Sie krallte sich in seinem Hemd fest und erschauderte, als seine raue Hand den schmalen Streifen Haut zwischen ihrer Jeans und ihrem T-Shirt fand.
Wieso? Wieso fühlte sie sich nur bei ihm so? Wieso waren es nur seine Berührungen, die sie alle Vorsicht in den Wind schmeißen ließen, die sie „scheiß auf alles andere" sagen ließen? Jeden anderen konnte sie stehen lassen. Aber schon allein der Gedanke daran, jetzt allein nach Hause zu gehen, war unerträglich.
„Bitte sag mir, dass man keine Viertelstunde braucht, um in deine Wohnung zu apparieren", flüsterte sie, Millimeter von seinen Lippen entfernt. Sie konnte sich jetzt unmöglich gut genug konzentrieren, um in ihre eigene Wohnung zu gelangen.
„Zehn Sekunden", antwortete er und strich mit seinem Daumen unter dem Bund ihrer Jeans über ihre erhitzte Haut.
„Merlin sei Dank", sagte sie erleichtert. „Worauf warten wir dann noch?" Sie nahm gerade noch wahr, wie dem Kellner ein Glas zerbrach, bevor sie verschwunden waren.
/-/
Dominique starrte aus dem Fenster auf den kaum zu sehenden Mond, der von einigen dunklen Wolken verdreckt wurde. Steven schlief tief und fest neben ihr und sie konnte seinen gleichmäßigen Atem hören.
Sie hatte noch nie die Nacht bei einem der Männer verbracht, mit denen sie geschlafen hatte. Beim ersten Mann, mit dem sie ein paar Jahre nach Hogwarts eine Beziehung gewagt hatte, hatte sie es versucht, aber sie hatte es einfach nicht ausgehalten. Die Matratze war zu weich gewesen, die Bettdecke zu kratzig, das Kissen zu warm. Das Fenster war auf der falschen Seite und sie konnte nicht schlafen, wenn es stockfinster war. Sein schwerer Atem neben ihrem Ohr hatte sie zum Wahnsinn getrieben und so hatte sie sich immer rausgeschlichen, nachdem er eingeschlafen war. Er war ein so fester Schläfer gewesen, dass ihm nie aufgefallen war, dass sie nicht die ganze Nacht bei ihm geblieben war. Er hatte immer angenommen, dass sie einfach sehr früh aufgestanden war, um rechtzeitig zum Training zu kommen.
So würde sie es dieses Mal auch machen. Sobald sie genug Energie aufgebracht hatte, ihre Beine zu bewegen. Im Moment war sie zu erschöpft, auch nur einen einzigen Finger zu rühren, aber zu aufgekratzt, um wirklich zu schlafen, ganz im Gegensatz zu Steven, der nach der dritten Runde fast sofort auf ihr eingeschlafen war.
Sie zuckte zusammen, als er sich neben ihr auf die Seite drehte und näher an sie heranrutschte. Sein Arm legte sich über ihre Hüfte. Er war schwer, aber merkwürdig angenehm und sie erwischte sich dabei, wie sie sich gegen seinen warmen Körper lehnte. Sein Fenster war offen und es war zugig. Ihre Hand streifte seine Finger und es war zu anstrengend, sie wegzunehmen. Der Mond kam hinter den Wolken hervor und sie schloss die Augen, um nicht geblendet zu werden.
Fünf Minuten. In fünf Minuten würde sie aufstehen und ihn verlassen wie jeden anderen Mann auch und dann würde das hier nie passiert sein. Das war sowieso nur Sex zwischen zwei alten, angetrunkenen Bekannten gewesen. Es hatte nichts weiter zu bedeuten. Das wussten sie beide.
TBC …
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