von Remus Fawkes
Magie bestand aus weit mehr als Zauberstabgefuchtel und ein paar merkwürdig klingenden Worten. Dies war eine der wichtigsten Erkenntnisse, welche Harry aus seinen ersten Unterrichtsstunden in Hogwarts gezogen hatte.
Einmal pro Woche mussten alle Schüler im Fach Astronomie den Nachthimmel studieren, die Namen von Sternen lernen und Bewegungen von verschiedenen Himmelskörpern aufzeichnen.
Die etwas rundliche Professorin Sprout lernte ihnen in Kräuterkunde, was in den Gewächshäusern hinter dem Schloss unterrichtet wurde, alles über die verschiedensten Pflanzen und Pilze und wofür man sie verwenden konnte.
Wie Harry bereits erfahren hatte, wurden sie in Zauberkunst von Professor Flitwick unterrichtet und Professor Quirrel brachte ihnen die Grundlagen von Verteidigung gegen die dunklen Künste bei.
Das mit Abstand langweiligste Fach, Geschichte der Zauberei, hatte mit Professor Binns als einziges Fach einen Geist als Lehrer, welcher praktisch ununterbrochen wichtige Namen und Jahreszahlen herunterleierte.
In Verwandlungen wurden sie von Professor McGonagall unterrichtet und durften sich gleich in der ersten Stunde, nachdem viel komplizierte Theorie aufgeschrieben worden war, daran versuchen, ein Streichholz in eine Nadel zu verwandeln; eine Aufgabe, an der bis auf Hermine alle Schüler glorreich scheiterten.
Es gab so unheimlich viel zu lernen, dass auch die aus Zaubererfamilien stammenden Kinder wie Ron, Neville oder Malfoy kaum einen Vorsprung gegenüber den Muggelstämmigen hatten.
Freitag hatten die Ravenclaws schließlich ihre erste Doppelstunde Zaubertränke bei Professor Snape, gemeinsam mit den Hufflepuffs. Es sollte ein Unterricht werden, den Harry nicht so schnell vergessen würde.
Zaubertränke fand in Kerkern statt, in denen es kälter als im übrigen Schloss war. Professor Snape begann seinen Unterricht wie üblich mit dem Verlesen der Namensliste und hielt dann seine Begrüßungsrede, falls man es als eine solche bezeichnen konnte. Er flüsterte die meiste Zeit, allerdings war dies kein Problem, da niemand sich traute, in seiner Gegenwart auch nur einen Mucks von sich zu geben.
"Ich kann euch lehren, wie man Ruhm zusammenbraut, Gesundheit in Flaschen füllt und sogar wie man den Tod verkorkt - sofern ihr nicht wie üblicherweise ein großer Haufen an Dummköpfen sein solltet." Ein Teil der Klasse richtete sich bei diesen Worten auf, offenbar gewillt, Snape das Gegenteil zu beweisen, während die anderen es nach wie vor nicht wagten, sich zu rühren. Es trat eine kurze Stille ein, jeder schien darauf zu warten, dass ihr Lehrer erneut das Wort ergriff und sie wurden nicht enttäuscht.
"Potter!", rief Snape plötzlich und fixierte Harry mit seinen schwarzen Augen. "Was genau erhalte ich, wenn ich mich dazu entschließen sollte, einem Wermutaufguss geriebene Affodillwurzeln hinzuzufügen?" Hermines Hand schoss wie üblich sofort in die Luft, doch auch Harry war auf diese Situation ausreichend gut vorbereitet. Er überlegte für einen kurzen Moment und antwortete dann ruhig: "Daraus müsste sich meines Wissens nach ein äußerst starker Schlaftrank ergeben, welcher bekannt ist als der Trank des Lebendes Todes." Snapes Augen verengten sich. Es war ihm anzumerken, dass er nicht mit einer vernünftigen Antwort gerechnet hatte, geschweige denn mit der richtigen. Allerdings fing sich der Zaubertrankmeister praktisch augenblicklich wieder.
"Können Sie mir dann auch verraten, worum es sich bei einem Bezoar handelt und wo man diesen bei Bedarf finden würde?" Harry konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als er Snape abermals ganz ruhig die korrekte Antwort nannte: "Bezoare sind Steine aus dem Magen einer Ziege und dienen als wirksames Gegenmittel für die meisten Gifte." Die Augen des Professor verengten sich noch weiter. Für ein paar Sekunden herrschte völlige Ruhe in Kerkersaal, dann begann Snape wieder zu sprechen, den Blick weiterhin starr auf Harry gerichtet.
"Berühmtheit ist eben bei weitem nicht alles... Ich bin wirklich überrascht, dass Sie diese Lektion bereits in Ansätzen begriffen haben, Potter... Offenbar lag der Sprechende Hut doch nicht ganz so falsch wie ich dachte, als er sie in das Haus Ravenclaw einsortierte..."
Nach einer gefühlten Ewigkeit wandte sich Snape nun endlich von ihm ab und wählte Neville als neues Ziel aus. "Longbottom! Können Sie mir den Unterschied zwischen Eisenhut und Wolfswurz nenen?" Während Hermines Hand einmal mehr nach oben schnellte, blickte Neville nur ratlos und verängstigt auf seinen Tisch. "Ich... Ich weiß es nicht...", murmelte er und musste sich dabei selbst zwingen, kurz zu seinem Zaubertranklehrer aufzusehen.
Snapes Lippen kräuselten sich zu einem zufriedenen Grinsen. "Wie mir scheint, sind nicht alle so gut auf meinen Unterricht vorbereitet, wie sie es hätten sein sollen", sagte Snape mit kalter Stimme und Neville schrumpfte unter seinem Blick immer weiter zusammen. "Eisenhut und Wolfswurz bezeichnen im Übrigen dieselbe Pflanze. Sie ist auch bekannt unter dem Namen Aconitum. Nach Longbottoms kläglichem Scheitern an einer Frage dieser Art verwundert es mich nun umso mehr, warum es offenbar niemand von Ihnen für notwendig hält, sich die eben genannten Informationen aufzuschreiben." In Windeseile wurden Pergament und Federkiele hervorgekramt und die Erstklässler aus Ravenclaw und Hufflepuff begannen damit, sich eilig alle Fragen und Antworten zu notieren.
Im späteren Verlauf des Unterrichts wurden alle Schüler zu Paaren eingeteilt und bekamen die Aufgabe, einen einfachen Heiltrank gegen Furunkeln herzustellen. Harry bildete ein Team mit Hermine, Padma Patil arbeitete mit Lisa Turpin zusammen und Neville hatte Susan Bones als Partnerin.
Snape huschte wie eine zu groß geratene Fledermaus zwischen den einzelnen Arbeitsplätzen umher und beobachtete die Erstklässler dabei, wie sie unter anderem die getrockneten Nesseln abwogen und Giftzähne von Schlangen zerkleinerten. Merkwürdigerweise hatte er an ausnahmslos allem und jedem etwas auszusetzen, selbst an Harry und Hermine, die sich beide vollkommen sicher waren, dass sie jede Anweisung zum Brauen des Tranks einwandfrei befolgten.
Schließlich sorgte ein lautes und bedrohliches Zischen für Aufsehen. Neville war tatsächlich das Kunststück geglückt, Susans Kessel zu einem dunklen Metallklumpen zusammenzuschmelzen, was zur Folge hatte, dass der unvollendete Trank auslief und Löcher in die Schuhe der Erstklässler brannte. Der arme Neville selbst hatte bei diesem Unfall mehrere Spritzer des Gebräus abbekommen und war nun an Armen und Beinen mit roten Furunkeln übersät.
"Du Idiot!", brüllte Snape und ließ den missglückten Trank schnell mit einem Schwung seines Zauberstabs verschwinden. "Du hast wohl vergessen, den Kessel vom Feuer zu nehmen, bevor du die Stachelschweinstacheln hinzugefügt hast, nicht wahr? Na los, bringt ihn schon in den Krankenflügel." Susan ließ sich nicht lange bitten und verschwand mit dem wimmernden Neville schnellstmöglichst aus den Kerkern.
Kaum war das Paar aus Hufflepuff verschwunden, wandte sich Snape Harry zu, der mit Hermine am Arbeitsplatz nebenan gearbeitet hatte. "Potter! Wieso hast du Longbottom nicht davor gewarnt?", fauchte er. "Du hast dich sehr gut auf meinen Unterricht vorbereitet, ich bin mir ganz sicher, du wusstest haargenau, was mit Nevilles Trank passieren würde. Trotzdem hast du nicht das geringste dagegen unternommen!" Harry starrte Snape fassungslos an. Versuchte er wirklich gerade, ihm die Schuld für Nevilles Fehler zuzuschreiben? Doch Snape war noch lange nicht fertig, sondern fuhr gehässig mit seiner Version dieses Unglücks fort. "Dachstest wohl, wenn es die anderen vermasseln, stehst du selbst besser da, wie? FALSCH! So ein Verhalten toleriere ich nicht! Deinetwegen werden Ravenclaw 5 Hauspunkte abgezogen!" Hermine musste Harry zurückhalten, der bereits im Begriff war, zu protestieren und sich so noch mehr Ärger einzuhandeln. Die anderen anwesenden Ravenclaws waren ebenso außer sich, hatte Snape ihrem Haus doch gerade absolut ungerechtfertigt Hauspunkte abgezogen. Doch niemand wagte es, zu widersprechen, sondern alle widmeten sich schnell wieder ihrem eigenen Trank, um weitere Missgeschicke zu vermeiden.
Die verbliebene Unterrichtszeit verstrich ohne weitere nennenswerte Ereignisse. Als Harry im Anschluss zusammen mit Hermine die Kerkerstufen wieder hinaufstieg, war ihn eine Sache sonnenklar - Professor Snape hasste ihn! Und Harry hatte sich fest vorgenommen, so schnell wie möglich den Grund dafür herausfinden!
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel
