Forum | Chat | Galerie
 
Startseite | Favoriten
Harry Potter Xperts
Harry Potter Xperts
Startseite
Newsarchiv
Link us
Sitemap
Specials
Shop
Buch 7
Buch 6
Buch 5
Buch 4
Buch 3
Buch 2
Buch 1
Lexikon
Lustige Zitate
Gurkensalat
Hörbücher
Harry, A History
Steckbrief
Biographie
Werke
Erfolgsgeschichte
Interviews
Bilder
Harry Potter & Ich
JKRowling.com
Film 7, Teil 1 & 2
Film 6
Film 5
Film 4
Film 3
Film 2
Film 1
Schauspieler
Autogramme
Galerie
Musik
Videospiele
Downloads
Lesetipps
eBay-Auktionen
Webmaster
RSS-Feed
Geburtstage
Gewinnspiele
Twitter
Fanart
Fanfiction
User-CP
Quiz
Währungsrechner
Forum
F.A.Q.
Ãœber uns
Geschichte
Impressum

Fanfiction

The Trial II – Avenger - Unexpected Reunion

von Dante

Der Himmel war blutrot, als ich meine Augen öffnete. Er war das erste, was ich sah; diese irgendwie unwirkliche und doch so furchteinflößende Färbung, die mir das Gefühl vermittelte, überall eine Gänsehaut zu haben, durchzogen von schwarzen, geisterhaften Schlieren, welche am fernen Horizont hingen wie ein in Cumuli materialisierter Pesthauch. Dann sprang mir der einzige andere Teil der Umgebung ins Auge, den es weit und breit zu geben schien, abgesehen vom schwarzen, strukturlosen Boden, der sich unter meinen Füßen kilometerweit in alle Himmelsrichtungen dahinstreckte wie ein eintöniger Ozean aus harter Erde: Ein gewaltiges, klobiges schwarzes Schloss mit zwei breiten Türmen und großen Fenstern, die mir entgegenstarrten wie kalte, tote Augen, hinter denen kein Licht brannte.
Es wirkte unecht und auf gewisse Weise falsch, bildhaft, irgendwie, als hätte es irgendjemand in der Absicht einer genialen Täuschung einfach in die Landschaft gepinselt, der man jedoch anmerkte, dass sie nicht ganz perfekt war. Etwas daran stimmte nicht, und mochte es auch ein noch so kleines Detail sein …
Doch als ich darauf zumarschierte und näherkam – und ich hatte keine andere Wahl, als das zu tun, ich spürte einfach, dass ich es tun musste – registrierte ich, dass dieser Eindruck täuschte (und die Täuschung an sich vielleicht doch perfekt war; ein Gedanke, der mich faszinierte und gleichermaßen verwirrte) und es sich um ein massives Objekt handelte, wovon ich mich überzeugen konnte, als ich das gigantische Tor erreicht hatte, das abweisend vor mir aufragte, und eine Hand auf den schwarzen, vulkanischen Stein der Mauern legte.
Es war der Moment, als meine Hand von ebenjenem Stein auf das schwarze, scheinbar verbrannte Holz des Tores glitt, als die Flügel desjenigen sich in Bewegung setzten und unter einem dumpfen, dröhenden Laut langsam nach innen aufschwangen, der die Erde erbeben ließ. Dahinter lag eine verwüstete, mit Geröllbrocken übersäte Vorhalle, von deren Decke eiserne Ketten hingen, deren Zweck sich mir nicht erschloss – aber ich hatte andererseits auch keine Gelegenheit, genauer darüber nachzudenken. Auf der rechten Seite bemerkte ich einen Durchgang, hinter dem sich eine Wendeltreppe in die Tiefe wand; Stimmen schienen von dort zu kommen, Stimmen, die in jenem Augenblick an meine Ohren gedrungen waren.
Ohne zu zögern wandte ich mich dorthin und schritt die enge Treppe hinab, um schließlich in einer geräumigen, länglichen Halle anzukommen, an deren Seitenwänden sich mehrere herabgelassene Eisentore befanden und in deren Fußboden ein ebenso längliches Gitter eingelassen war. Am anderen Ende der Halle kauerte eine Gestalt am Boden, die ich nur aufgrund der knochenbleichen Farbe ihrer Haut als solche erkannte; sie kniete dort und verbarg sich mit ihren Händen das Gesicht.
Indes ich mich in Bewegung setzte, vernahm ich das schluchzende Wehklagen, das offenbar von ihr ausging, ein undeutliches, ersticktes Wimmern, das nur unmerklich lauter zu werden schien, als ich näherkam – das jedoch in einem unterdrückten, erschrockenen Kreischen gipfelte, welches mich ebenso zurückprallen ließ, kaum, dass ich die Gestalt erreicht hatte. Noch in derselben Sekunde fuhr die Gestalt hoch und nahm die Hände von ihrem Gesicht, und es war, als wäre sie plötzlich von einem gespenstischen blauen Schimmer illuminiert, der von überall und nirgends zugleich zu kommen schien und ihre Züge deutlich von der Dunkelheit abzeichnete, als sie mich ansah – ihre Züge; die Züge meiner Mutter.
Ich spürte, wie ich zu zittern begann und einen weiteren Schritt zurücktaumelte, unfähig, mehr zu tun, als meinen Mund immer wieder zu öffnen und zu schließen, ohne jedoch ein Wort hervorzubringen. Ich hätte auch nicht gewusst, was ich hätte sagen sollen … ich war erfüllt von unermesslichem Grauen, von einem Schrecken, von dem ich glaubte, dass er jeden Moment mein Herz stehen bleiben lassen müsste.
Da war meine Mutter, ja … sie stand vor mir leibhaftig, die Arme schlaff an den Seiten ihres Körpers hängen lassend und auf seltsame Weise zu mir vorgebeugt; eine Haltung, die zu sehen in mir beinahe Übelkeit auslöste. Sie hatte den Mund ebenfalls geöffnet, aber nicht zu einem Schrei, der ihr aus demselben Grund nicht entweichen wollte, aus dem das Gestammel, das ich auf den Lippen hatte, meinen Mund nicht verließ, sondern auf eine stumpfsinnige Art und Weise, wie jemand, der soeben gestorben ist und nicht begreift, dass er schon tot ist und eigentlich umfallen müsste.
Ihre Augen starrten mich an; zwei breite Spuren aus blutigen Tränen führten daraus hervor und ihre Wangen hinab, wobei sie einen schaurigen Kontrast zu ihrer makellosen, milchig-weißen Haut und den samtig schwarzen Haaren bildeten, die wie seidene Vorhänge zu beiden Seiten ihres Gesichts herabhingen und im seltsamen Schein, der sie umgab, bläulich glänzten. Als ich mich dazu zwang, mich ihr wieder ein Stück zu nähern, bemerkte ich, dass die Tränen noch nicht versiegt waren, sondern das Blut in einer unregelmäßig pulsierenden, krampfhaften Bewegung dickflüssig unter ihren Lidern hervorquoll, und spürte, wie sich mir der Magen umdrehte.
Jetzt erst begann meine Mutter, ihre Lippen zu bewegen, zitternd und bebend vor einer Angst, deren Ursache ich nicht sehen konnte. Sie nannte mehrmals meinen Namen, wobei sie nun an mir vorbei zu blicken schien, doch als ich mich dorthin drehte, war nichts und niemand zu sehen, nur die halbdunkle Leere der Halle.
»Drake … Drake, verschwinde … du … du musst gehen … wir können dich nicht beschützen, und du uns nicht. Es geht nicht … du kannst nichts für uns tun, und wir werden nie mehr für dich da sein können. Du hast uns verloren, an ihn, und du wirst nichts daran ändern … jetzt nicht, und auch in Zukunft nicht. Du bist machtlos in dieser Geschichte … und du musst allein damit klarkommen, weil wir dich jetzt alleinlassen werden. Du wirst nie wieder Nähe und Liebe von mir erfahren, Drake … nie mehr. Ich verlasse dich … für immer …« Das sagte sie, und dann verlagerte sie ihr Gewicht plötzlich nach hinten, streckte den Oberkörper in einer anmutigen und gleichsam gruseligen Bewegung nach vorn und ich sah zu, wie ihre Brust mit einem widerlichen Geräusch – jenem, das ertönt, wenn man Stoff auseinanderreißt – der Länge nach aufriss und eine gewaltige Blutfontäne daraus hervorspritzte. Ich schrie und stürzte nach vorn, kam jedoch zu spät, um meine Mutter an den Armen zu packen, denn sie war bereits zu Boden gestürzt und wand sich zuckend auf dem Metallgitter, durch das ihr Blut in die Tiefe sickerte.
Unsicher und von eisiger Kälte erfüllt, ließ ich mich neben ihr nieder, versuchte, die gewaltige Wunde zu verarzten, die in ihren Oberkörper geschlagen worden war, doch ich stellte fest, dass ich gar keinen Zauberstab bei mir hatte, um das zu tun. Immer mehr Blut ergoss sich aus dem Riss in ihrer zarten Haut, grelle, dunkle Lebensessenz auf Alabasterhaut, ein Farbenspiel, das schöner nicht hätte sein können … und es war schön, das empfand ich in dieser Sekunde, obwohl es schrecklich war, meine Mutter so zu sehen … schrecklich, furchteinflößend und lähmend.
Ich hatte das Gefühl – nein, ich wusste! –, dass all ihre Worte stimmten, dass alles wahr war, was sie gesagt hatte, und zuzusehen, wie sie mir entglitt, wie sie vor meinen Augen in Agonie zuckte und das Blut aus ihrem Körper sprudelte wie aus einem Springbrunnen, war grausam und machte mich beinah wahnsinnig. Längst hatte sich mein Magen noch weiter zusammengezogen, war meine Brust zerquetscht von Beklemmung, spürte ich Stiche seelischer Pein im Herzen; längst strömten Tränen meine Wangen hinab, Tränen der Hilflosigkeit und des Schmerzes, die immer verzweifelter wurden, als der Blutstrom aus der Wunde meiner Mutter schließlich versiegte und ich mich zu ihr hinabbeugen konnte. Sie keuchte, als hätte es ihr eine gewaltige Anstrengung bereitet, alles Blut aus ihrem Körper zu drücken, und als sie zu mir sprach, tat sie es mühsam und abgehackt.
»Du kannst nichts tun … Drake … du bist … hilflos. Und ich … ich werde nie mehr … bei dir sein. Nie … mehr …« Es tat unglaublich weh, sie zu sehen und diese Worte aus ihrem Mund zu hören, wie diese wunderschöne Frau etwas so Niederschmetterndes, etwas so Schmerzvolles sagte – zu hören, wie diese Frau, die ich so sehr liebte, mir willentlich alle Hoffnung nahm.
»Nein … nein, Mutter, das ist nicht wahr … ich bin nicht hilflos … ich kann euch rächen … ich kann ihn bezahlen lassen. Und du … du wirst trotzdem bei mir bleiben … in meinen Träumen … du … du wirst in mir weiterleben …« Noch während ich sprach fiel ein grünlicher Schein auf meine Mutter, die soeben langsam ihre Lider senkte, und als ich mich erschrocken umwandte, sah ich, dass dieses grüne Licht den gesamten hinteren Teil der Halle ausfüllte und rasend schnell näherkam, drohend, uns beide zu verschlucken.
»Nein!«, rief ich panisch aus und packte meine Mutter an den Schultern, um sie zu schütteln. »Nein, Mutter, nein! Ich –«
»Du hast mich verloren … ich komme nie wieder«, sagte sie und lächelte, während das grüne Licht wie Tentakel über meine Schulter kroch und nach ihr tastete – und es war ein hämisches, bösartiges und grausames Lächeln, das sich mehr noch in meine Netzhäute einbrannte als das immer heller werdende Gleißen, das mich umhüllte. Wieder und wieder schüttelte ich an meiner Mutter, sprach sie an und fasste an ihre kalten Wangen, doch ihre Augen waren bereits geschlossen, ihr Kopf pendelte leblos hin- und her und nur dieses schreckliche Lächeln blieb noch auf ihren geschlossenen, schwarzen Lippen zurück.
»NEIN!«, schrie ich verzweifelt – und dann verschluckte mich das grüne Licht.


Ich erwachte mit dem Schrei, der noch einige weitere Sekunden in meinen Ohren widerhallte, ehe er verstummte, wobei ich mir nicht sicher war, ob ich ihn tatsächlich ausgestoßen hatte oder nur die Erinnerung an den Traum noch so lebendig war, dass ich ihn zu hören glaubte. Ich keuchte, als wäre ich durch irgendeine große Anstrengung völlig erschöpft, meine Arme waren voller Gänsehaut, mir war eiskalt und ich zitterte am ganzen Körper. Meine Hände waren in das Bettlaken gekrallt und verkrampft. Ich hatte mich mit dem Erwachen aus dem Traum nicht in eine sitzende Position aufgerichtet – das tat ich erst nach ein, zwei Minuten, als ich mich wieder halbwegs beruhigt hatte –, aber das machte nichts besser. Noch immer hatte ich die Bilder, die ich im Traum gesehen hatte, lebhaft vor meinen Augen, allen voran dieses grauenhafte Lächeln, und noch immer wollte ich es um jeden Preis loswerden. Ich schloss die Augen und rieb sie mir, wobei ich feststellte, dass sowohl sie, als auch meine Wangen leicht feucht waren, stellte jedoch sofort fest, dass das keine gute Idee war, da ich in der Schwärze hinter meinen Lidern alles nur umso deutlicher sah.
Leise ausatmend, warf ich einen Blick auf die Digitaluhr auf meinem Nachtkästchen. Sie zeigte vier Uhr vierunddreißig an. Mit einem Seufzen ließ ich mich behutsam wieder in die Kissen sinken und rieb mir mit zitternder Hand erneut die Augen.
Es war lange her, dass ich das letzte Mal einen solchen Traum gehabt hatte; ganze zwei Jahre, um genau zu sein. Es hatte begonnen, als ich vierzehn gewesen war, die Inkarnation all der Dinge, deretwegen ich Voldemort hasste, und selbstredend war ich jedes Mal nach dem Erwachen umso hasserfüllter und wütender auf diesen Mann gewesen, der für alles verantwortlich war. Und wenn zuerst noch Entschlossenheit dabei gewesen war und ich mir geschworen hatte, es Voldemorts Todesser noch ärger büßen zu lassen, so war später nichts als Verzweiflung daraus geworden – Verzweiflung, die ich, zusammen mit der betäubenden Wut, durch Ruhe und Abgeschiedenheit in der Natur und hartes, unablässiges Training zu kompensieren versucht hatte, was mir irgendwie wohl auch gelungen war.
Aber ich hatte gedacht, dass diese Zeit vorüber war, dass diese Träume vorüber waren … sie hatten – abgesehen von wenigen Ausnahmen – aufgehört, kurz, nachdem ich nach Hogwarts gekommen war, so plötzlich, wie sie angefangen hatten, und ich konnte mir nicht erklären, weshalb mich soeben erneut einer heimgesucht hatte. Ich hatte seither keinen einzigen derartigen Traum gehabt … ich hatte das doch längst überwunden, hatte das alles längst überwunden. Aber wieso kam es dann wieder? Meine Eltern fehlten mir lange nicht mehr so wie früher, ich hatte Verständnis bei meinen Freunden und die Möglichkeit, jederzeit mit ihnen über meine Probleme zu reden, hatte Geborgenheit … ich konnte nur hoffen, dass das ein einmaliges Erlebnis gewesen war.
Mit einem schalen Geschmack im Mund wickelte ich mich enger in die Decke und krümmte mich zusammen, noch immer durch und durch von dieser Kälte erfüllt. Als ich die Augen schloss, tat ich es voller Widerwillen und Angst, das schreckliche Lächeln meiner Mutter wieder sehen zu müssen, wie es, einem Fluch gleich, aus der Dunkelheit auftauchte … doch das tat es nicht. Ich sah es in dieser Nacht nicht mehr und schlief bis zum Morgen ohne Unterbrechung und weitere Träume.
Nachdem ich kurz vor dem Läuten des Weckers aufgestanden war, fühlte ich mich noch etwas beklommen, was sich jedoch im Laufe des Tages und in der Anwesenheit meiner Kollegen legte. In der Mittagspause setzte ich eine Nachricht an Alan auf, in der ich ihn bat, mir oder einem der anderen beiden mitzuteilen, wie es bei ihm bezüglich regelmäßiger Treffen aussah und was er vom Donnerstag hielte, und während ich beim Schreiben des Briefes noch einmal kurzzeitig an meinen Traum zurückdenken musste, so war das Thema am Abend, als ich mich von Darius und Damian vor dem Seiteneingang des Ministeriums verabschiedete und anschließend zum Grimmauld Place zurückkehrte, gänzlich vergessen. Matt und die anderen hatten die Zeit mit ihrem Humor ein weiteres Mal schnell verstreichen lassen, und die Aussicht auf einen ruhigen Abend, eventuell im Beisein Freds und Georges, tat ihr Übriges.
Es war ein angenehmer, lauer Sommerabend, die Sonne war noch weit davon entfernt, unterzugehen, als ich die Vortreppe zum Haus der Blacks hochschritt, und eine leichte Brise mir durchs Haar strich. Ich blieb noch einen Moment auf der Schwelle stehen und schloss die Augen, um das Gefühl zu genießen, dann öffnete ich die Tür und trat in die Vorhalle, durch deren Fenster ein breiter Streifen des orangen Sonnenlichts fiel. Als erstes begab ich mich nach oben in den dritten Stock zu meinem Zimmer, um meinen Mantel abzulegen, anschließend stieg ich hinunter in die Küche, um Hallo zu sagen, traf dort jedoch niemanden an – abgesehen vom Hauselfen Kreacher, der mich feindselig anblickte und irgendwelche Beschimpfungen in sich hineinmurmelte, die ich wohlweislich ignorierte.
Ein wenig ratlos begab ich mich wieder zurück nach oben und bemerkte gerade noch, wie Sirius an mir vorbei zu der Tür huschte, die der Eingangstür gegenüberlag, und sie öffnete.
»Sirius!«, rief ich und sprintete die letzten Stufen nach oben, um mich dann selbst nach rechts zu wenden, wo der Hausherr sich erschrocken umgedreht hatte und mir entgegenblickte; in seinen Augen standen Ernst und Wachsamkeit.
»Psst!«, machte er eindringlich und winkte mich näher heran; eine Aufforderung, der ich mit zusammengezogenen Augenbrauen nachkam. Als ich bei ihm war und mich mit einem fragenden Blick zu ihm beugte, grinste er jedoch wieder.
»Sei besser leise, wenn du hier in der Halle bist, sonst könnte es sein, dass du meine Mutter aufweckst.«
»Deine Mutter«, wiederholte ich tonlos, nicht ganz sicher, ob der Hausherr das gerade wirklich gesagt hatte. Hatte es nicht geheißen, seine gesamte direkte Verwandtschaft – abgesehen von dieser Cousine, die ich unbedingt noch kennenlernen sollte – sei tot?
»Ja. Da drüben«, sagte er und deutete auf das große Porträt, das unmittelbar rechts vom Stiegenaufgang ins Obergeschoß hing. Es war von schwarzen, zerrissenen Vorhängen verhangen und hatte bis dato keine besondere Aufmerksamkeit meinerseits auf sich gezogen.
»Ihr Gemälde«, stellte ich fest und wandte den Blick wieder Sirius zu, der nickte.
»Wie das eben so ist; Magier leben in ihren Porträts weiter. Sie hat nichts von ihrem alten Charme verloren, und wenn sie aufwacht, schreit sie meistens das ganze Haus zusammen. Braucht dann immer ein paar Schocker, sie wieder ruhig zu stellen.«
»Ah … verstehe«, meinte ich, nun etwas weniger verwirrt, und unbewusst bereits die Stimme senkend. »Ähnliches Zeugs wie dein liebenswerter Hauself?«, fügte ich mit ironischem Tonfall hinzu, woraufhin Sirius schief grinste.
»Du hast es erfasst. Beschwert sich über all das unwerte Gesindel in ihrem Haus … du weißt ja, dass Hermine von Muggeln abstammt, mit Remus haben wir einen Werwolf, und außerdem ist da noch meine Cousine, die Tochter einer Blutsverräterin, ganz abgesehen natürlich von ihrem eigenen unartigen Kind. Sollte sie mal in Gegenwart einiger anderer Ordensmitglieder aufwachen, wird sie ihre Parolen wohl erweitern.« Er zuckte mit den Achseln. Dann klärte sich sein Gesichtsausdruck etwas, und er schien sich daran zu erinnern, was er eigentlich vorgehabt hatte.
»Lass uns erstmal hochgehen, hier unten ist schlecht reden. Ich muss eben noch Seidenschnabel füttern«, sagte er und beugte sich noch einmal in den Raum hinter der Tür, um eine kleine, mit einem Deckel verschlossene Kiste daraus zu entnehmen. Abermals runzelte ich die Stirn.
»Seidenschnabel?«
»Mein Hippogreif«, erwiderte er lächelnd. Ah, das wird ja immer besser, dachte ich sarkastisch.
»Wusste nicht, dass du einen hast.« Ich folgte ihm bis in den zweiten Stock, wo er vor einer Tür im Korridor rechts Halt machte, die Kiste am Boden platzierte und den Fuß darauf stellte. Er wies mit der Hand auf das Zimmer, das hinter ihm lag.
»War ursprünglich aus Hagrids Herde. Der arme Kerl hat ziemlich viel Probleme bekommen, weil Seidenschnabel einen Schüler gebissen hat. Hätte hingerichtet werden sollen, aber Harry hat‘s geschafft ihn zu befreien … und mich gleich mit.« Er lächelte verträumt, als er das sagte; offenbar war es eine schöne Erinnerung.
»Ja, ich hab‘s mitbekommen«, meinte ich und erinnerte mich an den Aufruhr, den es bezüglich der Hippogreifenattacke auf Malfoy im vorletzten Schuljahr gegeben hatte. Die Sache hatte mich nicht sonderlich interessiert – Malfoy hatte mich nicht sonderlich interessiert, und als ich gehört hatte, dass sein Arm vom Schnabel der Kreatur in Mitleidenschaft gezogen worden war, hatte ich, wie auch meine Freunde, eher soetwas wie Schadenfreude empfunden –; ich hatte anderes zu tun gehabt, wenn ich auch mit der Entscheidung, das Tier umzubringen, keineswegs einverstanden gewesen war. Das hatte auch auf Darius, Damian und Alan zugetroffen – übrigens als annähernd einzige unter den Slytherins. Dass es der Hippogreif letztendlich doch geschafft hatte, zu entkommen, empfand ich als durchaus gute Neuigkeit.
»Ich halte ihn jetzt im Zimmer meiner Mutter; ihn scheint das nicht zu stören, solange er genug Mäuse zu essen bekommt.« Sirius seufzte und schüttelte kurz den Kopf, dann sah er mich direkt an.
»Ich kann nicht gerade stolz auf meine Familie sein … sie ist eine der ältesten und reinsten, und natürlich auch eine der treuesten gegenüber Voldemort gewesen. Das ist der Grund für all den düsteren Kram hier, für das Porträt und diesen vertrottelten Hauselfen – nur für den Fall, dass du dich gewundert hast.« Ich winkte ab.
»Dumbledore hat erwähnt, welche Einstellung deine Familie vertreten hat, daher kam das keineswegs überraschend. Die Einrichtung und das alles stört mich auch überhaupt nicht, ganz im Gegenteil gefällt‘s mir hier … vor allem die schwarzen Vorhänge sind cool.« Sirius grinste, als ich das sagte. »Soweit ich weiß, bist du mit den Malfoys verwandt, oder?«
»Ja … diese Idiotenfamilien sind alle irgendwie miteinander verwandt … abgesehen von den Weasleys natürlich. Ich kann dir den Stammbaum später zeigen, wenn wir im Salon sind. Für mich war schnell klar, dass ich mit all diesen schrecklichen Leuten nichts zu tun haben wollte, dass ich mit Voldemort nichts zu tun haben wollte. Ich war während meiner Schulzeit mit Remus und Harrys Dad befreundet, und auch die waren absolut gegen ihn und seine Ideale … ich bin von zuhause weggelaufen, als ich sechzehn war; man hat mich wohl gleich danach aus dem Stammbaum entfernt. Ich bin dann bei James untergekommen, bis … bis es passiert ist.«
Ich nickte stumm, da ich nicht wusste, was ich darauf sagen sollte – es war mir schon immer schwergefallen, angemessen zu reagieren, wenn ich von den Tragödien anderer Leute Leben hörte, und das war auch der Grund, warum ich vermied, derartige Dinge allzu oft zu erwähnen: Ich hatte sowieso nicht das Bedürfnis, dass irgendjemand einen Kommentar dazu abgab. Aber auch Sirius schien nicht zu erwarten, dass ich etwas erwiderte, denn er sprach gleich weiter, mit einem Ausdruck auf dem Gesicht, den ich am ehesten als Bedauern beschreiben würde.
»Ich möchte nur nicht, dass du einen falschen Eindruck gewinnst … das kann leicht passieren, wenn man hier das erste Mal reinkommt und den Hintergrund nicht kennt, und da ich nicht weiß, was Dumbledore dir alles erzählt hat …« Lächelnd winkte ich ab.
»Erstens beurteile ich Leute nicht nach ihrer Abstammung, zweitens gehe ich nicht davon aus, dass du im Orden wärst oder Dumbledore dir vertrauen würde, wenn du irgendwas mit Voldemort zu schaffen hättest. Ich hab schon kapiert, was Sache ist, keine Sorge. Und außerdem bist du mir verdammt sympathisch.« Das ließ auch Sirius lächeln.
»Gut … das ist gut. Diese alte Bande von Sabberhexen und Vollidioten hat schon genug Schaden angerichtet. Wenigstens taugt diese Bruchbude, die sie mir hinterlassen haben, noch zu etwas … auch wenn‘s leider das einzige ist, das ich beitragen kann. Wenn du mich jetzt erstmal entschuldigst, ich glaube, Seidenschnabel wird ungeduldig.«
»Kein Problem«, entgegnete ich und machte eine dementsprechende Handbewegung, die anzeigte, dass er nur machen solle. Ehe er sich jedoch ganz umgedreht hatte, fiel mir noch etwas ein und ich hielt ihn zurück. »Weißt du, wo die anderen sind?«
»Molly ist einkaufen, soweit ich weiß â€¦ meine Vorratskammer ist nicht mehr sonderlich gut bestückt, glaube ich. Arthur sollte bald kommen, und die Jungs und Mädels sind in der Winkelgasse, wenn ich das richtig mitbekommen habe.«
»Alles klar«, meinte ich und hob kurz die Hand zum Gruß, woraufhin er sich umwandte und den Raum hinter sich betrat, in dem sein Hippogreif wartete, während ich in mein Zimmer einen Stock höher zurückkehrte und mich mit einem Seufzen auf das Doppelbett fallen ließ. Ich atmete einmal tief ein und aus, schlug die Beine übereinander und verschränkte die Arme hinter dem Kopf, um die Decke zu betrachten, wie ich es gerne tat.
Meine Gedanken kreisten um den Orden und die noch ausstehende Versammlung, um Potter und den Angriff der Dementoren, um Voldemort und schlussendlich auch um die Schriftrolle, über die ich unbedingt mehr herausfinden wollte, und das so bald wie möglich … ich dachte auch an Alan, fragte mich, wie es ihm bei den Bats ergehen mochte, ob zwischen ihm und den anderen in der Mannschaft alles stimmte und er schon einen Stammplatz hatte, und hoffte, dass er mir bald schreiben würde …
Und inmitten dieser Gedanken musste ich eingeschlafen sein, denn das nächste, was ich wusste, war, dass ich erschrocken hochfuhr, als es laut an meiner Tür pochte und Sirius‘ Stimme dahinter ertönte, die nach mir fragte – womöglich bereits zum wiederholten Male. Es war bereits dunkel in meinem Zimmer; fahles Zwielicht herrschte, wenn auch die Sonne nicht vor allzu langer Zeit untergegangen sein konnte. Noch ein wenig verwirrt und verschlafen fuhr ich mir durchs Haar und rieb mir die vom Schlaf schweren Augen, die beinahe schon wieder zugefallen wären, was jedoch nicht sonderlich viel zu helfen schien. Dann fiel mir ein, dass ich noch nicht auf das Klopfen an der Tür geantwortet hatte (mein Geist war noch recht träge vom unfreiwilligen Nickerchen, das ich gehalten hatte), und tat es, wobei sich meine Worte im ersten Moment seltsam und irgendwie undeutlich in meinen Ohren anhörten, als wäre ich teilweise noch nicht aus besagtem Nickerchen zurückgekehrt. Sirius schien sie jedoch zu verstehen und gab zurück:
»Die Ordensversammlung beginnt gleich, Dumbledore ist da. Komm runter in die Küche.«
»Geht klar«, erwiderte ich, diesmal schon etwas weniger nuschelnd, und vernahm, wie Schritte sich auf dem Korridor draußen langsam entfernten und schließlich verstummten. Da meine Lider noch immer unsäglich schwer waren und erneut zuzufallen drohten, zwang ich mich dazu, aufzustehen und ein paar Schritte im Raum auf und ab zu gehen, was die Sache um einiges besser machte und sowohl der Trägheit meiner Augen als auch der meines Geistes entgegenwirkte. Mit einem – dennoch nicht zu vermeidenden – Gähnen verließ ich schließlich mein Zimmer und machte mich auf den Weg nach unten, nicht ohne jedoch zuvor im Bad vorbeizuschauen und meine Frisur einigermaßen in Ordnung zu bringen. Als meine zerzausten Strähnen wieder geglättet waren, begab ich mich in die Eingangshalle, bereits gespannt, was bei der Versammlung alles besprochen würde.
Noch ehe ich jedoch im Erdgeschoß angekommen war, vernahm ich aus ebenjener Richtung einen dumpfen Knall, gefolgt von einem unterdrückten Schmerzensschrei. Angesichts der Information, die Sirius mir früher an diesem Abend bezüglich des Bildes seiner Mutter gegeben hatte, erwartete ich, sogleich lautstarkes Geschrei zu vernehmen, welches das Haus durchdringen würde – doch nichts dergleichen geschah. Vielleicht hatte die betreffende Person, was immer sie angestellt hatte, Glück gehabt?
Mit gerunzelter Stirn legte ich den Rest des Weges zurück, sprang die letzten paar Stufen hinab in die Eingangshalle, die ebenso dunkel war, wie mein Zimmer, und sah mich um. Links, kaum zwei Meter von der Eingangstür entfernt, entdeckte ich, wer offenkundig für den Knall verantwortlich zeichnete: Eine Gestalt kauerte dort am Boden und rieb sich mit einem schmerzerfüllten Zischen das Schienbein, darin begriffen, sich eben wieder aufzurichten. Als ich näherkam, erkannte ich, dass es sich um eine junge Hexe handelte, die da im durch die aufflackernden Öllampen langsam weichenden Zwielicht stand. Sie hatte violette, halblange Haare, trug einen schwarzen, knielangen Mantel über einer ebenfalls schwarzen Glockenjeans, und ihre Füße steckten in schwarzen Springerstiefeln.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte ich, während sich die Hexe, nun wieder stehend, allerdings nach unten gebeugt, sodass ihre Haare ihr Gesicht verhängten, erneut das Schienbein rieb, wobei sie allerdings kurz aufblickte und mir zulächelte.
»Ja, es geht schon; bin über diesen elenden Trollschirmständer da gefallen … ich werd‘ Sirius sagen müssen, dass er –« Doch in dem Moment, als sie sich schließlich vollständig aufrichtete und sich mir gänzlich zuwandte, brach sie ab und musterte mich mit einem seltsamen Gesichtsausdruck. »Drake?! Bist du das?«, fragte die Hexe ungläubig und starrte mich unverhohlen an. Sie hatte dunkelviolette, funkelnde Augen und ein blasses, herzförmiges Gesicht mit hübschen Zügen, das mir sehr bekannt vorkam. Und das, sowie die Tatsache, dass sie mich zu kennen schien, ließ nur eine wirklich plausible Möglichkeit zu …
»Nymphadora?«, fragte ich fassungslos. Die Violetthaarige verzog unwillig die Mundwinkel, als ich sie beim Vornamen nannte.
»Mich so zu nennen, kannst du dir gleich wieder abgewöhnen«, grummelte sie, trat dann jedoch näher an mich heran, und ehe ich mich versah, hatte sie sich auf die Zehenspitzen gestellt und schlang die Arme um mich. »Himmel, bist du aber groß geworden!«, bemerkte sie gleich darauf mit einem überraschten Lächeln.
Ich stellte – wie aus weiter Ferne, zugegebenermaßen – anhand dieser Umarmung fest, dass sie Recht haben mochte: Sie war etwas kleiner als Fleur, nicht wirklich klein zwar, aber zumindest ein gutes Stück kleiner als ich; ihr Kopf reichte ziemlich genau an mein Kinn heran … ihr Geruch drang mir in die Nase und war mir sofort wieder vertraut, dieser unverwechselbare, angenehme Duft, der jetzt noch markanter und stärker war als früher …
Und noch immer unfähig, zu glauben, dass das tatsächlich gerade passierte, dass ich meine beste Freundin von früher nach … nach wieviel Jahren eigentlich? Vier … es mussten vier sein … dass ich sie nach vier langen Jahren gerade hier wiedertraf … Noch immer erstaunt darüber, starrte ich sie mehrere Augenblicke lang einfach nur an, nachdem wir uns wieder voneinander gelöst hatten, gebannt von dem ungewohnten, neuen Anblick, den sie bot – abgesehen von den Haaren natürlich. Die waren im Grunde genau wie damals schon. Nur eine andere Farbe hatten sie.
»Du hast dich verändert …«, sagte ich schließlich, woraufhin sie mit den Schultern zuckte und grinste.
»Du dich auch.«
»Nicht so offensichtlich«, hielt ich dagegen, war ihr äußeres Erscheinungsbild doch so völlig anders im Gegensatz zu dem, das ich in Erinnerung behalten hatte.
»Einfach zu sagen für dich«, erwiderte sie und lächelte herausfordernd; ein Lächeln, das so unwiderstehlich war, dass ich darauf eingehen musste. Dann machte ich eine Geste mit der Hand, von der ich selbst nicht ganz sicher war, was sie ausdrücken sollte. Es war ein seltsamer Moment, so stellte ich fest, fast so verschwommen, wie ein Traum, und es fiel mir schwer, mich angesichts meiner zahlreichen Gedanken auf die Wirklichkeit zu konzentrieren.
»Du bist im Orden?«
»Ja, klar. Aurorin, weißt du ja.« Mir entging nicht, dass ein gewisser Stolz in dieser Aussage mitschwang, und ich hob anerkennend die Augenbrauen.
»Ja … nicht schlecht.«
»Und du?«
»Mysteriumsabteilung.«
»Oh, wow. Wie hat‘s dich denn dorthin verschlagen?«, fragte sie erstaunt. Ich machte eine ausladende Geste mit beiden Händen.
»Das ist eine längere Geschichte.« Einen Moment lang sah ich sie einfach nur wortlos an – dann erinnerte ich mich daran, was Sirius gesagt hatte und wies in Richtung Küchentreppe. »Wir … sollten jetzt vielleicht runter zur Versammlung, sonst kriegen wir noch Ärger …«
»Oh«, machte Nymphadora und kratzte sich schuldbewusst am Kopf. »Ja, klar, du hast Recht. Aber du musst mir nachher alles erzählen, versprochen?« Ich nickte wortlos, noch immer ein wenig aus der Bahn geworfen – ich hatte diesen Gedanken in den letzten Minuten schon mindestens zehn Mal gedacht, aber es blieb eben dabei: Ich hätte alles erwartet, nur nicht das.
»Okay«, sagte Nymphadora und strahlte. »Ich häng‘ nur schnell meinen Mantel auf.« Rasch schlüpfte die Aurorin aus dem Mantel und schritt damit zum Kleiderständer, der neben dem Tisch mit dem schlangenförmigen Kandelaber stand, wobei sie leise vor sich hinmurmelte und Wortfetzen wie »Wie cool ist das denn?« und »Hab‘ ihn ewig nicht gesehen, und dann das hier …« zu mir herüberwehten.
Nachdem sie das Kleidungsstück aufgehängt hatte und sich lächelnd wieder zu mir drehte, war der Blick auf ihr schwarzes Oberteil frei, auf dem irgendein verschnörkelter Schriftzug in grellem Lila zu sehen war, den ich vorerst nicht entziffern konnte. Gemeinsam durchquerten wir die Halle, ich öffnete die Tür, die zur Küchentreppe führte, und ließ ihr höflich den Vortritt, worauf sie mit einem Lächeln voran in die Tiefe schritt. Ich folgte auf dem Fuß, und kurz darauf erreichten wir das untere Ende der Treppe und traten in die Küche, wo alle anderen Mitglieder offenbar schon anwesend waren.
Sirius lächelte uns entgegen, als wir uns dem Tisch näherten, und Nymphadora begab sich, offenbar auf eine Geste seinerseits hin, direkt zu ihm, worauf die beiden einander kurz etwas zuflüsterten, das ich nicht verstand. Ich ließ mich indes auf einem freien Platz etwa in der Mitte des Tisches nieder und blickte interessiert zum anderen Ende, wo ich Dumbledore bereits entdeckt hatte, der mir mit funkelnden Augen und – so schien es – einem Lächeln begegnet war.
Meine Aufmerksamkeit galt jedoch eher den anderen Hexen und Zauberern, die auf den Plätzen in seiner unmittelbaren Umgebung saßen. Neben Remus Lupin, Mad-Eye Moody, einem missmutig dreinblickenden Severus Snape (den ich ehrlich gesagt nicht hier erwartet hätte), Arthur, Molly und Bill Weasley waren da nämlich noch einige unbekannte Gesichter am Tisch: Ein älterer Zauberer, der einen schalkhaften Zug um den Mund hatte, ein noch älterer, kleiner Zauberer mit silbrigem Haar, eine Hexe mittleren Alters mit halblangem, dunkelbraunem Schopf und grünem Halstuch, eine junge schwarzhaarige Frau mit rosaroten Wangen, ein strohblonder Mann, von dem unmöglich zu sagen war, wie alt er war, sowie ein großer, schwarzer Zauberer mit Glatze und goldenem Ohrring.
Nymphadora, die ihr kurzes Gespräch mit Sirius auf einen recht eindeutigen Blick Dumbledores hin beendet hatte, schritt hinter mir vorbei und setzte sich wie selbstverständlich links neben mich, wobei sie mir lächelnd zuzwinkerte, als ich sie ansah. Sie lehnte sich mit einem erleichterten Seufzen – offenbar über die Tatsache, endlich sitzen zu können – zurück, schlug die Beine übereinander und blickte Dumbledore mit demselben Lächeln entgegen, welches dieser sofort erwiderte.
»Vielen Dank, Nymphadora. Sofern mich meine Augen nicht trügen, sind wir vollzählig, ein äußerst angenehmer Umstand – es wird hier sicher niemand eine Schmälerung in meinen Worten finden, wenn ich sage, dass wir heute auf Mundungus verzichten können. Weniger angenehm sind allerdings die Ereignisse, die kürzlich stattgefunden haben und deretwegen ich euch hergebeten habe. Ich muss gestehen, dass mir bedauerlicherweise die Zeit fehlt, den Belang anzusprechen, über den ich euch beim letzten Mal informiert habe, aber im Grunde ist das hier ein eher unplanmäßiges Treffen, für das ich mich spontan entscheiden musste. Doch bevor wir dazu kommen, eine erfreulichere Sache: Ich darf unser neuestes Mitglied vorstellen.« Er wies mit dem Arm in meine Richtung. »Drake Valentine. Er hat zu Beginn dieses Sommers einen bemerkenswerten Abschluss auf Hogwarts absolviert und ist dem Orden vor kurzem beigetreten. Drake, wenn du erlaubst, werde ich dir kurz all jene Gesichter vorstellen, die du noch nicht kennen dürftest …« Ich nickte und machte eine Handbewegung, die Nur zu bedeuten sollte.
»Hier zu meiner Rechten sitzt Elphias Doge, ein alter und langjähriger Freund«, er wies auf den silberhaarigen Zauberer, der seinen Hut vor mir zog und mich freundlich begrüßte, »und neben ihm Emmeline Vance.« Die Frau mit dem grünen Halstuch lächelte mich matt an. Dumbledore deutete auf den älteren Zauberer, der neben Snape saß. »Das sind Dädalus Diggel«, der Zauberer nickte mir mit verschränkten Armen zu, während Dumbledores Hand zu der jungen, schwarzhaarigen Hexe wanderte, »Hestia Jones«, sie salutierte mit Zeige- und Mittelfinger als Gruß, »Sturgis Podmore«, Dumbledore wies auf den blonden Magier, der nur kurz die Hand hob, »und schließlich Kingsley Shacklebolt.« Das war natürlich der große, schwarze Zauberer, der mir genau gegenübersaß und mir nun über den Tisch hinweg die Hand entgegenstreckte.
»Freut mich, dass du dabei bist. Auf gute Zusammenarbeit«, sagte er mit einer sehr tiefen, ruhigen Stimme, während ich ihm die Hand schüttelte. Er war mir auf Anhieb sympathisch.
»Nymphadora Tonks‘ Bekanntschaft scheinst du ja schon gemacht zu haben«, schmunzelte Dumbledore, woraufhin Nymphadora zu grinsen begann, »und mit den restlichen Anwesenden solltest du auch einigermaßen vertraut sein. Möchtest du vielleicht noch etwas sagen?«
Ich schüttelte den Kopf und machte eine minimalistische auffordernde Bewegung mit der Rechten. »Fahren Sie fort.«
»Gut, dann wäre das geklärt. Jetzt zu der anderen Angelegenheit, die unsere Aufmerksamkeit erfordert: Harry wurde gestern Abend in Little Whinging von zwei Dementoren angegriffen.« Ich vernahm zischendes Einatmen und einen unterdrückten Schrei von Molly, und die umsitzenden Ordensmitglieder tauschten besorgte Blicke und runzelten die Stirn.
»Er hat sich und seinen Cousin mit einem Patronus verteidigt, und selbstverständlich hat das Ministerium den Zauber als unerlaubte Magie Minderjähriger registriert und ihn zu einer Anhörung zitiert. Ich habe mich gestern Abend unverzüglich dorthin begeben, um das Schlimmste zu verhindern, was in diesem Falle die Zerstörung von Harrys Zauberstab gewesen wäre, und nur hier vorbeigeschaut, um Arthur zu bitten, Harry eine Nachricht zukommen zu lassen – das ist der Grund, warum die Versammlung erst jetzt stattfindet. Ich konnte zumindest verhindern, dass besagter, schlimmstmöglicher Fall tatsächlich eingetreten ist, aber unglücklicherweise bleibt der Minister seiner bisherigen Linie und seiner Sturheit, was Voldemorts Rückkehr betrifft, treu, was bedeutet, dass er auf die Anhörung bestanden hat. Wenn man bedenkt, was der Daily Prophet in letzter Zeit über Harry geschrieben hat, ist das, so bedauerlich es auch sein mag, kein Wunder.« Er machte eine kurze Pause und blickte in die Runde. Ich beobachtete, dass fast alle ihm ihre volle Aufmerksamkeit schenkten, manche mehr, manche weniger offensichtlich. Molly und der Zauberer, den Dumbledore als Elphias Doge vorgestellt hatte, hingen ihm förmlich an den Lippen, während Snape, quasi als gegenteiliges Extrem, nur ausdruckslos auf die Tischplatte starrte.
Unwillkürlich fiel mein Blick auch auf Nymphadora, die zwar lässig in ihrem Sessel lehnte, deutlich sichtbar Kaugummi kaute und von Zeit zu Zeit eine große, rosa Blase damit erzeugte, die sie plakativ platzen ließ, die aber gleichzeitig jedem Wort des Schulleiters von Hogwarts zu folgen schien und offensichtlich mit den Gedanken nirgends anders als bei der Sache war. Ich nutzte die Gelegenheit, sie ein wenig genauer zu betrachten, und so erkannte ich, dass sie kleine schwarze Knöpfe als Ohrringe trug (oder zumindest einen auf der Seite, die sie mir zugewandt hatte) und ein Knopfpiercing in der Nase hatte. Darüber hinaus verfügte sie über ein Piercing in ihren Lippen, die ungewöhnlich dunkel waren, obwohl sie nicht geschminkt aussahen. An den Handgelenken trug sie mehrere unterschiedliche Armbänder, die meisten schwarz, violett und rosa, und die Fingernägel ihrer schlanken, filligran wirkenden Hände waren dunkelviolett lackiert. Sie sah viel auffälliger aus als bei ihrem Abgang von Hogwarts … nicht mehr nur ihre Haare, oder ihre schrille Kleidung, sondern sie an sich war jetzt der Hingucker.
Am deutlichsten war allerdings trotz allem die Veränderung, die das Alter ihr verliehen hatte: Sie war noch ein Stück gewachsen, musste sicher eins siebzig groß sein, und dazu trugen wohl nicht unwesentlich ihre Beine bei, deren Länge ich erst jetzt, als sie sie übereinandergeschlagen hatte, gewahr wurde. Sie mochten nicht so lang sein wie die Fleurs, aber dennoch …
Außerdem waren ihre Züge markanter geworden, einzigartiger, charakteristischer … von dem Antlitz der Siebzehnjährigen, als die ich sie in Erinnerung behalten hatte, hatte sie sich weit entfernt, wenn auch ihr Gesicht selbstverständlich noch daran gemahnte. Ihre Nase war auffällig geschwungen, ihr Mund schmal, ihr Kinn sanft und ihr Hals schlank und ein wenig länger, kam mir vor.
Doch noch während ich abermals darüber staunte, wie sehr die Jahre sie gewandelt hatten, fiel mir ein, dass es vielleicht keinen guten Eindruck auf sie – oder irgendwen, allen voran den etwaigen anderen Auroren, die neben ihr und Mad-Eye noch anwesend waren – gemacht hätte, wenn ich unaufmerksam gewesen wäre und mich, statt Dumbledore zuzuhören, lieber mit ihr beschäftigt hätte.
»â€¦ also hierher bringen, damit er zur Anhörung erscheinen kann. Sie findet am zwölften August statt, demnach haben wir noch genug Zeit, die ich aber nicht unbedingt großzügig verstreichen lassen möchte. Mein Plan ist es, Harry bereits diesen Freitag von seinen Verwandten abzuholen, und zu diesem Zweck ist eine Vorhut vonnöten, die mit ihm zusammen hierherreist – auf das Flohnetzwerk können wir aus offensichtlichen Gründen ja nicht zugreifen. Meine Frage ist, wer es einrichten könnte, am Freitag Abend an dieser Aktion teilzunehmen.« Sofort schnellten einige Hände in die Höhe, darunter auch die von Tonks. Ich überlegte noch, ob ich mich selbst melden sollte und wog ab, wie hoch die Chance war, am Freitag spontan etwas unternehmen zu wollen, doch Dumbledore setzte bereits fort.
»Gut, das sollte eine ausreichende Anzahl sein. Dann werden Alastor, Remus, Kingsley, Hestia, Emmeline, Dädalus, Elphias und Nymphadora an besagtem Freitag nach Sonnenuntergang zum Ligusterweg reisen. Um Komplikationen zu vermeiden, ist es notwendig, die Familie der Dursleys zuvor unter einem Vorwand aus dem Haus zu locken …«, setzte Dumbledore an, und ich spürte, dass die Pause, die darauf folgte, bewusst gewählt war, doch sie hielt nicht lange vor: Nymphadora meldete sich sogleich zu Wort.
»Das kann ich übernehmen«, sagte sie eifrig. »Ich habe und hatte immer viel zu tun in der Muggelwelt, ich leb‘ auch selbst halb wie eine, also kenne ich mich aus. Ich kann ihnen irgendeinen Brief schicken, der sie mit Sicherheit außer Haus bringt; alles, was ich brauche, sind Informationen über die Familie … wie die so sind, ihre Vorlieben und so weiter.«
»Die wirst du bekommen«, sagte Dumbledore. »Gibt es sonst noch irgendwelche Fragen? Ansonsten werde ich nämlich leider wieder weitermüssen … die Zeit drängt einen alten Mann wie mich, und es gibt noch einiges zu tun. Wie bereits gesagt, werde ich den anderen Belang zwangsläufig vertagen, und zwar auf ebenjenen Freitag, an dem Harry dieses Haus betreten wird. Die Versammlung findet gleich nach der Rückkehr der Vorhut statt, und möglichst alle sollten den Weg hierher nicht scheuen. Es ist wichtig, dass vor allem du hier bist, Drake«, bei diesen Worten wurde ich hellhörig, »denn in deinem Falle bedarf es noch einer kleinen Einführung ins aktuelle Ordensgeschehen. Wobei du bis zum Freitag vermutlich schon einiges erfahren wirst – wenn nicht von Nymphadora, so sicherlich von Sirius, der dir all deine Fragen, die noch haben magst, beantworten wird.« Ich nickte zum Zeichen, dass ich verstanden hatte.
»Damit wäre also auch das geklärt. Einen angenehmen Abend euch allen, meine Freunde, und möge er ein wenig ruhiger sein, als der meine es wird«, schloss Dumbledore seine Rede, woraufhin einige Ordensmitglieder sich sofort erhoben, darunter Severus Snape, der nach einem kurzen Wortaustausch mit dem Schulleiter Hogwarts‘ als Erster die Küche verließ, sowie Emmeline Vance und Sturgis Podmore, die sich ebenfalls nach einer kurzen Verabschiedung auf den Weg machten. Dumbledore folgte letzteren in Begleitung von Elphias Doge und Dädalus Diggel, und kurz darauf waren ihrer aller Schritte verklungen.
»Zeit fürs Abendessen«, konstatierte Molly und stand auf, um hinüber zum Herd zu marschieren. »Auf diese Nachricht hin brauchen wir erst einmal etwas Warmes.« Es war völlig klar, dass das für kaum jemanden so sehr galt wie für sie, und sie war es auch, die vor sich hinflüsterte, indes sie zwei Herdplatten mit ihrem Zauberstab erwärmte. »Ich hoffe, es geht ihm gut … bei Merlin, lass es ihm gut gehen«, schnappte ich noch auf, ehe sie sich in die Vorratskammer begab, wohl, um die Zutaten für das Essen zu holen.
Aus meiner aufrechten Position ließ ich mich wieder zurück in die Lehne meines Sessels fallen, meinen Blick den Tisch entlang schweifen lassend. Sirius war in ein Gespräch mit dem besorgt aussehenden Remus Lupin vertieft, Bill unterhielt sich mit seinem Vater, und der mir gegenübersitzende, ehrfurchtgebietende Kingsley Shacklebolt hatte den Kopf seiner Nachbarin zugeneigt, die, wenn ich mich recht entsann, als Hestia Jones vorgestellt worden war.
Ich war nicht verwundert, als ich mitten in meiner Observierung von Nymphadora angesprochen wurde. »Ich kann‘s immer noch kaum glauben«, sagte sie, und als ich mich ihr zuwandte, bemerkte ich, dass sie lächelte. »Es muss … Ewigkeiten her sein, seit wir uns zum letzten Mal gesehen haben!«
»Vier Jahre«, meinte ich ohne zu zögern, woraufhin die Aurorin nachdenklich nickte.
»Ja, du hast Recht. Mensch, ich hätte nie gedacht, dich ausgerechnet hier treffen. Diese Bruchbude ist nicht gerade ein Haus der Begegnung, wenn du mich fragst.«
»Stimmt. Für mich war es … auch eine ganz schöne Überraschung.« Ich betrachtete einen Punkt irgendwo rechts neben Nymphadoras linker Schulter. Sie hob die Augenbrauen; ihre Pupillen funkelten.
»Hättest wohl nicht gedacht, mich jemals wiederzusehen, hm?« Ich zuckte mit den Schultern.
»Ich weiß nicht.« Das stimmte sogar. Vielleicht konnte ich selbst nicht genau sagen, was es gewesen war … Zeit? Vergessen? Womöglich beides. Ob ich sie je wiedersehen würde … darüber hatte ich nie wirklich nachgedacht. Irgendwann war das unbedeutend geworden. Ich hatte neue Freunde gefunden, und wenn das geschah, dann wurden – so bedauerlich ich das gerade in diesem Moment auch fand – die alten meistens unwichtig.
Nymphadora klang entschuldigend bei ihren nächsten Worten.
»Ich hab‘ eigentlich vorgehabt, dich zu besuchen, um ehrlich zu sein. Mit der Arbeit ist dann alles ein wenig stressig geworden und ich hab das leider immer wieder vergessen oder vernachlässigt«, sagte sie. Dann trat wieder ein verhaltenes Lächeln auf ihre Lippen. »Aber es ist schön … dich wiederzusehen.« Es war süß, dieses Lächeln. Bezaubernd. Es war noch genau wie damals … und für einen Moment schlug es mich auch genau wie damals in seinen Bann. Es war immer unmöglich gewesen, ihr Widerstand entgegenzubringen, wenn sie so gelächelt hatte … das war ihre Geheimwaffe gewesen.
Ich beeilte mich, den Blick abzuwenden und machte eine Geste mit beiden Armen, um meine folgenden Worte zu untermalen. »Ist es auch«, sagte ich, wobei ich selbst fand, dass ich ein wenig unüberzeugend klang.
»Jetzt sehen wir uns ja zwangsläufig öfters im Orden und im Ministerium, falls sich privat nichts ausgeht; das ist cool … ah, und apropos Ministerium, du schuldest mir noch die Geschichte, wie es dich in die Mysteriumsabteilung verschlagen hat.« Ihre Augen funkelten bei diesen Worten, mit denen sie mich aus meinen Gedanken riss. Ich machte eine undefinierbare Handbewegung und betrachtete die Tischplatte.
»Vielleicht ein andermal. Ich müsste da … etwas weiter ausholen«, sagte ich leise und blickte die Aurorin unvermittelt an.
»Achso, ja, klar, kein Problem. Es gibt ja noch genug andere Sachen, die du erzählen kannst; ich will nämlich sowieso alles hören.« Ich schüttelte den Kopf, wie um anzuzeigen, dass sie mich nicht ganz verstanden hatte.
»Alles?« Ich sah sie unsicher an.
»Alles, was du in den letzten vier Jahren so getrieben hast, ja.« Sie grinste.
»Auch dafür müsste ich länger ausholen. Außerdem muss das nicht unbedingt jeder an diesem Tisch hören.«
»Hm. Wir sollten wohl einfach einen Abend dafür drauf gehen lassen … es sei denn, du hast spontan irgendwelche Episoden parat, die jugendfrei sind.« Sie zwinkerte.
»Nicht wirklich«, sagte ich und stieg auf ihren Scherz ein.
»Dachte ich mir. Dann nehmen wir am besten diesen Freitag, nachdem ich mit den anderen Harry hierher gebracht habe. Davor kommt uns bei meinem Glück sicher noch was dazwischen.«
»Geht in Ordnung«, meinte ich. Nymphadora lächelte.
»Da fällt mir ein, falls es länger werden sollte, wär‘s wohl besser, ich würde hier übernachten … beim Runtergehen stoß ich nur wieder dieses Scheißteil um …« Sie wandte sich an Sirius.
»Sirius? Ich stör‘ deine Unterhaltung nur ungern und auch nur kurz, aber welches Zimmer war nochmal das, das du für mich reserviert hast?« Sirius hob kurz die Hand, um Remus anzudeuten, dass er sich merken solle, was er gerade hatte sagen wollen, und blickte dann der Metamorphmaga entgegen.
»Zweiter Stock, Korridor links. Ist auch halbwegs bewohnbar.«
»Ah, danke«, meinte Nymphadora, halb aufrichtig, halb säuerlich. Sirius grinste.
»Für dich doch immer, Cousinchen«, sagte er, bevor er sich wieder Remus widmete – und mit einem Mal begriff ich und hätte mir am liebsten mit der Hand gegen die Stirn geschlagen.
»Dann bist du die Cousine, von der er mir erzählt hat …« Nymphadora hob interessiert eine Augenbraue und lächelte schief.
»Ich weiß zwar nicht, was er erzählt hat, aber ja, ich bin seine Cousine. Auch, wenn du das eigentlich weißt. Ich hab dir doch erzählt, dass ich mit den Malfoys und den Blacks verwandt bin.«
»Ja … der Zusammenhang war mir bloß nie bewusst.« Ich schüttelte kurz den Kopf über meine eigene Kurzsichtigkeit, dann lächelte ich verschmitzt. »Er meinte nur, dass ich dich unbedingt kennenlernen sollte, und dass wir uns sicher gut verstehen würden.« Auf Nymphadoras Gesicht bildete sich ein Grinsen.
»Wenn der wüsste …«, sagte sie und zwinkerte verschwörerisch.
»Ja, sowas Ähnliches ist mir auch gerade durch den Kopf gegangen …« Nymphadoras Grinsen schien daraufhin noch ein wenig breiter zu werden.
Fünf Minuten später schickte Molly Bill nach oben, um die Zwillinge, Ron, Ginny und Hermine darüber zu informieren, dass das Abendessen fertig war, welche daraufhin zusammen mit dem ältesten der Weasleykinder zurückkehrten und ihre Plätze am Tisch einnahmen. Fred und George begrüßten sowohl mich, als auch Nymphadora herzlich und ließen sich daraufhin neben letzterer nieder. Anhand des lockeren Gesprächs, das sie anschließend mit der Metamorphmaga führten, gewann ich den Eindruck, dass sie mit ihr bereits Freundschaft geschlossen hatten – etwas, worüber ich nicht wirklich verwundert war.
»Na, wie war‘s in der Arbeit?«, fragte Fred, kaum dass er saß.
»Anstrengend?«, fügte George noch in derselben Sekunde hinzu. Nymphadora zuckte mit den Schultern.
»Ach, wisst ihr, wie immer eigentlich. Nicht wirklich viel los, obwohl man erwarten würde, dass was passiert, jetzt, wo er wieder da ist. Aber keine besonderen Vorkommnisse, nur langweilige Patrouillen. Und bei euch?«
»Oh, wir genießen unsere Freizeit«, meinte George mit einem breiten Grinsen und streckte demonstrativ seine Arme aus, wobei er ausgiebig gähnte. »So wie Drake vor noch gar nicht allzu langer Zeit.«
»Ich habe sie nicht genossen«, erwiderte ich leise. »Nichts zu tun zu haben, hat mich angeödet, genauso wie die Tatsache, keine Leute um mich herum zu haben.«
»Ah, na gut … aber wir genießen unsere Freizeit jedenfalls«, räumte Fred ein, worauf ich, nachdem ich einen ausgiebigen Schluck Kürbissaft getan und das Glas wieder am Tisch abgestellt hatte, schief lächelte.
»Jetzt tue ich es auch.«
»Na bitte«, meinte George, als bestätigte diese Aussage, dass alles in bester Ordnung sei. Nymphadora jedoch runzelte die Stirn.
»Wieso hast du nichts mit deinen Freunden unternommen, wenn dir so langweilig war?«
»Weil sie keine Zeit hatten. Einer macht die Aurorenausbildung, der andere musste um ein Praktikum in der Mysteriumsabteilung kämpfen und der dritte spielt Quidditch.«
»Und auf die Idee, sich bei uns zu melden, kommt er natürlich nicht«, sagte Fred mit hoffnungsloser Miene und einem vielsagenden Schulterzucken. Als er, George und Nymphadora mich daraufhin erwartungsvoll ansahen, tat ich es ihm gleich.
»Stimmt schon …«, meinte ich, selbst nicht ganz sicher, weshalb ich auf diese Möglichkeit nicht zurückgegriffen hatte … vielleicht, weil mir die Aussicht darauf, die Zwillinge ohnehin in Bälde wiederzusehen, ausgereicht hatte? Oder vielmehr, weil ich mit den beiden eher weniger über meine Gefühle reden wollte? Wohl eher letzteres …
»Ich weiß nicht, wieso … tut mir Leid. Nymphie, gibst du mir den Salat?«, fügte ich hinzu, um die Situation rasch zu quittieren; ohnehin herrschte Chaos hinter meiner Stirn, und ich hatte nicht den Nerv, mir auch dazu Gedanken zu machen. Das Vorhaben glückte auch – allerdings anders, als ursprünglich vorgesehen. Die Aurorin reichte mir die Salatschüssel, welche ich dankend entgegennahm, wenn auch mit einem vernichtenden, düsteren Blick.
»Das brauchst du dir gar nicht erst angewöhnen, mein Lieber. Meine Prinzipien gelten heute wie damals«, sagte sie, woraufhin ich leise Worte der Entschuldigung murmelte. Daraufhin wurden ihre Züge schon etwas weicher – jedoch nur für etwa eine Sekunde, in der Fred und George einander mit einem breiter werdenden Grinsen ansahen und sich dann an die Aurorin wandten.
»Nymphie?«, fragten sie wie aus einem Munde, als wären sie nicht ganz sicher, richtig gehört zu haben.
»Wenn ihr beiden auch nur auf die Idee kommt, mich so zu nennen, war das zwischen uns eine sehr kurzlebige Freundschaft, meine Lieben«, erwiderte die Aurorin mit zornfunkelnden Augen knurrend, wobei ihre Haare scharlachrot aufflammten. Die Zwillinge grinsten nur.
»Selbstverständlich, Nymphie«, meinte Fred.
»Geht klar, Nymphie«, sagte George. Im folgenden entbrannte eine hitzige Diskussion zwischen den beiden und der Metamorphmaga, der ich mehr oder weniger schuldbewusst folgte, zumindest, bis Kingsley Shacklebolt, der Auror mit der tiefen Stimme, mich über den Tisch hinweg ansprach.
»Drake?«
Ich hob den Kopf und blickte ihm entgegen. »Ja?« Er lächelte.
»Ich hab‘ gehört, du bist recht begabt, was das Duellieren anbelangt. Dumbledore hat da sowas erwähnt …« Ich verzog die Lippen zu einem schiefen Grinsen. Wie nett vom Schulleiter …, dachte ich bei mir.
»Ja, so kann man es ausdrücken. Ich hab ziemlich viel Zeit damit verbracht … war lange ein großes Hobby von mir.« Ich wusste selbst nicht ganz, wieso ich eine derart ausführliche Antwort gab, hätte doch ein einfaches Ja genügt … vermutlich war es Kingsleys erwartungsvoller Blick und sein Schweigen nach jedem meiner Sätze, die mir das Gefühl gaben, noch etwas hinzufügen zu müssen. Als ich es schließlich kein drittes Mal mehr tat, lächelte der Auror wieder.
»Klingt gut. Entschuldige, wenn ich dich damit überrumpele – ich frage, weil ich mich nach seiner Beschreibung wundere, weshalb du kein Auror geworden bist. Das machen zwar nicht alle, die ein Talent für Zauberkunst haben, aber man hat gute Chancen … und das wird einem bei der Berufsberatung auch meistens gesagt.«
»Es wurde mir gesagt, aber ich hab nie ernsthaft drüber nachgedacht. Die erste Jobaussicht, die ich hatte, war in der Mysteriumsabteilung, und dabei ist es geblieben.«
»Verstehe. Recht ungewöhnlich, muss ich sagen.«
»Ja … es war eine halbernste Idee, als ich fünfzehn war. Ich habe einen Brief geschrieben, wie die Aufnahmekriterien aussehen, und sie meinten, wenn ich keine besondere Spezifikation anstrebe, bräuchte ich überall nur mindestens ein Erwartungen übertroffen und ein Ohnegleichen in Arithmantik. Ich war immer gut in Arithmantik, also hat das gut gepasst. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich bei den Auroren sonderlich gut zurechtkommen würde«, merkte ich zögerlich an, woraufhin der Schwarze eine Augenbraue hob.
»Ah, wieso das?«
»Soweit ich das mitbekommen habe, gehört da nicht nur Duellieren dazu, sondern auch Tarnung, und was das angeht, kann ich nicht wirklich etwas bieten. Außerdem glaube ich nicht, dass ich dort hineinpassen würde. Ich … bekomme nicht sonderlich gerne gesagt, was ich zu tun habe.« Auf die letzten Worte hin lachte der Auror leise auf und deutete bestätigend mit dem Finger auf mich.
»Oh, dann hättest du wirklich Probleme. Mit Mad-Eye auszukommen, ist schon manchmal nicht einfach, aber so, wie‘s derzeit in der Aurorenzentrale zugeht, wäre das der Alptraum für dich. Aber dass wir im Orden auf dich zählen können, ist angesichts des momentanen Kurses im Ministerium ohnehin wichtiger.«
»Ja … ja, ich geb‘ mein Bestes«, sagte ich mit einem unsicheren Lächeln, weil ich nicht so recht wusste, was ich darauf sagen sollte. Die Begeisterung, mit der sowohl Sirius, als auch Kingsley meinen Beitritt beim Orden aufnahmen, sowie die Zuversicht, dass aus der Zusammenarbeit mit mir etwas Gutes entstehen würde, schmeichelten mir. Es war … ungewohnt, derartig freundlich aufgenommen zu werden … aber gleichzeitig gefiel es mir auch. Die Fragerei wäre mir in jeder anderen Situation und mit fast jedem anderen Gesprächspartner auf die Nerven gegangen, aber Kingsley war mir mit jeder Sekunde sympathischer, und das lag nicht nur an dem beruhigenden Ton seiner Stimme. Er war ein freundlicher Kerl, und wenn ich mir die Zusammenarbeit mit ihm ausmalte, verspürte ich fast soetwas wie Vorfreude.
»Davon bin ich überzeugt.« Er lächelte, wobei seine Augen kurz aufzuleuchten schienen, dann wandte er sich wieder ab, erst seinem Teller und danach Hestia Jones zu.
Nach dem Essen verabschiedeten diese, Kingsley und Nymphadora sich bei der Tischgesellschaft, nicht, ohne sich bei Molly ausgiebig für Speis und Trunk zu bedanken, und auch ich schickte mich, entgegen der Beteuerungen Freds und Georges, doch noch ein Weilchen zu bleiben, an, mich in mein Zimmer zu begeben. Ich konnte selbst nicht sagen, wie es kam, doch ich hatte in letzter Zeit die Gewohnheit entwickelt, früh zu Bett zu gehen, und ich befand, dass es nicht sonderlich klug wäre, mit dieser ausgerechnet unter der Woche zu brechen, wenn am nächsten Tag die Arbeit auf mich wartete.
Mit einem knappen Winken in die Runde begab ich mich also zur Küchentreppe, wurde jedoch zum Warten auf Nymphadora gezwungen: Die Aurorin hatte im Aufstehen noch zwei Gläser und ihren eigenen sowie Freds Teller hinuntergeworfen und ließ es sich nicht nehmen, die von ihr verursachte Unordnung auch selbst wieder zu beseitigen, was ein paar Minuten in Anspruch nahm. Wir fanden die Eingangshalle leer vor, als wir gemeinsam nach oben stiegen; Kingsley und Hestia waren offensichtlich also bereits nach Hause disappariert.
Die Metamorphmaga nahm ihren Mantel vom Kleiderständer (nicht, ohne dass ich sie mit bereits wachsamem Blick dabei beobachtete, um eine mögliche Gefahr frühzeitig zu erkennen und Mrs. Blacks Porträt unter Umständen vor dem Aufwachen bewahren zu können), schlüpfte hinein und drehte sich dann noch einmal zu mir, um sich zu verabschieden.
»Wir sehen uns am Freitag«, sagte sie mit einem Zwinkern und winkte. Dann wandte sie sich um und schritt zur Eingangstür. Sie stolperte über die Türschwelle, als sie nach draußen trat, fiel jedoch glücklicherweise nicht zu Boden; ich sah noch zu, wie sie die Tür hinter sich schloss, dann begab ich mich kopfschüttelnd nach oben.
Mein Kopf war voller Gedanken, als ich mein im Dunkeln gelegenes Zimmer betrat und mich aufs Bett fallen ließ, das dabei hörbar knarrte – noch immer, mit dem einzigen Unterschied, dass es nun nichts mehr gab, das mich davon ablenkte. Ich musste an Nymphadora denken, an die violetthaarige, gutaussehende junge Hexe, die auch jetzt noch kein Missgeschick auszulassen schien … natürlich an sie … ich konnte es noch immer kaum glauben, dass ich sie nach vier im Grunde gar nicht so langen Jahren, die mir wie eine Ewigkeit (und ein simpler Augenblick gleichermaßen) vorkamen, hier, im Hauptquartier des Phönixordens wiedertraf. Ausgerechnet hier! Und noch dazu völlig überraschend, ohne jegliche Vorwarnung … dabei hätte ich das in Betracht ziehen können, hatte ich doch gewusst, dass sie Aurorin hatte werden wollen. Doch da ich ja schon vor einiger Zeit aufgehört hatte, an sie zu denken, hätte es, da war ich mir sicher, fast nichts geben können, mit dem ich in dieser Situation weniger gerechnet hätte, worüber ich mehr erstaunt gewesen wäre, als darüber. Als über sie.
Wieder einmal.
Ich erinnerte mich zurück an die Sommertage, die wir miteinander verbracht hatten, an unsere Gespräche, wie sie mich auf die für sie so typische Art zum Lachen gebracht hatte … an die Abende, an denen wir mit ihren Eltern gegessen hatten. Ich erinnerte mich, wie wir später im Gras gelegen waren und die Sterne betrachtet hatten, stundenlang gesprochen hatten, über sie, über mich, über das Leben; manchmal über Liebe … und an unsere Zeit auf Hogwarts, auf das gemeinsame Sitzen in der Bibliothek am Abend, wenn sowohl sie, als auch ich Hausaufgaben hatten machen müssen, auf unsere Spaziergänge um den See und die Plaudereien unter der Buche und auf dem Weg zum Unterricht.
Es war die beste Zeit meiner Kindheit gewesen, ohne jeden Zweifel. Nymphadora war eine Mischung aus guter Freundin und großer Schwester gewesen: Sie hatte mir Gesellschaft geleistet, mich zum Lachen gebracht, mir zugehört und die Geborgenheit gegeben, die nur ein Freund einem geben kann. Für eine gewisse Zeit hatte ich in ihrer Gegenwart vergessen, wie es war, keine Eltern zu haben.
All diese Dinge waren nicht einmal so lange her, und dennoch fühlten sich diese Jahre in der Retrospektive wahnsinnig lang an. Die Bilder, die ich fragmentarisch vor meinem geistigen Auge sah, kamen mir vor wie Szenen aus einem Abschnitt meines Lebens, der schon ewig her war und an den ich mich kaum noch erinnern konnte … und im Grunde waren sie auch nichts weiter als Kindheitserinnerungen, ein Teil meines Daseins, der hinter mir lag … aber das alles war keine Vergangenheit, die unzählige Jahre zurückliegt und die man aus verschwommenen Bildern Stück für Stück rekonstruiert; es waren lediglich vier Jahre und beinahe war es so, als wäre es erst gestern gewesen.
Ich bewegte meinen Kopf auf dem Kissen gedankenverloren von einer Seite auf die andere. Fast mutete es wie ein Wink des Schicksals an, dass wir uns wiedergetroffen hatten, schließlich hätten wir beide ausreichend Gelegenheit gehabt, einander aus eigenem Antrieb heraus zu treffen. Aber wir hatten andere Dinge zu tun gehabt, sie und ich … hatten jeder einen eigenen Weg verfolgt und nicht aneinander gedacht.
Und jetzt war sie wieder hier … und sie war noch genauso, wie ich mich von ihr verabschiedet hatte, so tollpatschig und eloquent, so lebhaft und lustig … scheinbar hatte sie sich nicht verändert. Und doch andererseits wieder vollkommen, sodass ich kaum glauben konnte, dass die erwachsene Frau, mit der ich heute am Tisch gesessen war, die außergewöhnliche Teenagerin von damals sein sollte. War das, weil sie erwachsen geworden war und irgendwie ungewohnt aussah?
Ich sah Nymphadoras schmales, lächelndes Gesicht vor meinem geistigen Auge. Ihre Züge waren femininer, und deutlicher definiert … reifer. Die vier Jahre hatten eine fast schon ungewöhnlich starke Veränderung auf ihr hinterlassen – wenn auch eine durchaus positive, wie ich fand …
Fakt war, dass in den letzten anderthalb Stunden alles wahnsinnig schnell gegangen war, sodass ich kaum Zeit gehabt hatte, ausreichend über dieses Wiedersehen nachzudenken, das mich aufwühlte wie ein Wind, der ohne jegliche Vorwarnung aufkommt.
Mit einem Seufzen verschränkte ich die Arme hinter dem Kopf und schloss meine müden Augen. Dabei gab es eigentlich genug andere Dinge zu tun; das Archiv aufzusuchen zum Beispiel. Oder mich vielleicht endlich einmal bei Fleur melden. Das wurde immer mehr zu einer dringlichen Notwendigkeit, wie ich nur allzu gut wusste. Ich wusste auch, dass nichts besser würde, wenn ich sie mied … aber dennoch war da irgendwas, das mich hemmte, das es mich immer wieder vertagen ließ â€¦
Ich seufzte erneut.


Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.

Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel

Twitter
HPXperts-Shop
Buch: The World of Ice & Fire: The Untold History of Westeros and the Game of Thrones
Top-News
Suche
Updates
Samstag, 01.07.
Neue FF von SarahGranger
Freitag, 02.06.
Neue FF von Laurien87
Mittwoch, 24.05.
Neue FF von Lily Potter
Zitat
Mein Vater lebt in Irland, und nun fahren Autos langsam um sein Haus, weil alle sagen, dass Harry Potters Großvater dort lebt. Er ist ganz und gar verwirrt durch diese Tatsache.
Fiona Shaw