von ChrissiTine
20. Dezember: Ein lieber Junge
„Haaaaaatschi!" Rose musste so heftig niesen, dass sie den Karton mit Weihnachtsbaumschmuck beinahe auf den Boden hatte fallen lassen. „Wieso stehen die Kisten ganz hinten?", fragte sie genervt und fuchtelte mit der Hand, um das Spinnennetz über ihrem Kopf kaputt zu machen.
„Dein Vater hat im Frühjahr etwas ausgemistet und dabei den ganzen Dachboden umgeräumt", erwiderte ihre Mutter und zerrte vergeblich an einer Kiste. „Dass wir den Schmuck irgendwann brauchen werden, ist ihm nicht eingefallen." Ron hatte die alte große Abstellkammer im Erdgeschoss in ein Fernsehzimmer umgewandelt, als er zufällig einen riesigen Flachbildfernseher in 3D in einem Muggelgeschäft gesehen hatte und er begeistert von der Idee war, Quidditch in 3D zu sehen, da der Zaubererkanal immer mehr Spiele live übertrug. Zu diesem Zweck hatte er den ganzen Kram aus der Abstellkammer auf den Dachboden verfrachtet, doch bevor er dazu gekommen war, alles auch noch einzusortieren, hatte ihn eine große Spinne so sehr erschreckt, dass er sich weigerte, den Dachboden noch einmal zu betreten.
Deshalb waren Hermine und Rose jetzt auch hier oben, während Hugo und Ron nach einem geeigneten Baum suchten (Hugo hatte genauso wenig übrig für Spinnen wie sein Vater).
„Wenn das hier oben nicht so vollgestopft wäre, könnten wir einen Aufrufezauber nehmen", seufzte Rose genervt. Sie mochte es, weihnachtlichen Schmuck aufzuhängen, aber sie hasste es, nach ihm auf einem verstaubten Dachboden zu suchen. Und das nur, weil die Männer Angst vor Spinnen hatten.
„Ich weiß, ich weiß", erwiderte ihre Mutter. „Nach Weihnachten stell ich das Zeug direkt neben die Tür." Sie zog erneut an der Kiste, aber sie steckte fest. „Hilf mir mal bitte." Rose kletterte über ein altes Fahrrad und zerrte mit ihrer Mutter an dem Karton, der endlich nachgab. Das löste eine Kettenreaktion aus und leere Kartons regneten auf die beiden Frauen herab.
„Vielleicht sollten wir einfach neuen Schmuck kaufen", schlug schließlich Rose vor und trat wütend gegen die Pappe.
„Du wärst die erste, die sich darüber beschwert, dass ihr dreibeiniges Rentier nicht mehr am Baum hängt", konterte ihre Mutter lächelnd.
„Das ist doch was anderes", verteidigte sich Rose sofort. „Ich hab im Kindergarten eine Woche daran gebastelt. Ohne Howie ist nicht Weihnachten." Sie hatte ewig gebraucht, bis sie die Pappe ausgeschnitten hatte. Sie hatte dabei zwar ausversehen ein Bein mitabgeschnitten, aber da es so lange gedauert hatte, hatte sie nicht noch einmal von vorne anfangen wollen. Und seit ihr Dad den Aufhänger stolz an den Baum gehängt hatte, wollte sie nicht mehr auf ihn verzichten.
Aber zumindest die goldenen Kugeln könnten sie doch neu kaufen.
„Na siehst du. Und die Kugeln haben dein Vater und ich zu unserem ersten gemeinsamen Weihnachten als Ehepaar gekauft, ohne die ist auch nicht Weihnachten."
„Das wusste ich nicht." Dann würden sie den Schmuck wohl doch zur Tür schleifen müssen. Denn die selbstgebastelten Teile waren zu delikat um sie kleinzaubern zu können.
Sie machten sich daran, die leeren Kartons ineinander zu stapeln und zur Seite zu räumen, damit sie den Rest des Schmucks erreichen konnten.
„Und wie läuft es bisher in der Schule?", erkundigte sich ihre Mutter nach einer Weile, in der sie schweigsam gearbeitet hatten. „Kommst du gut mit im Unterricht? Die lautlosen Zaubersprüche sind nicht gerade einfach."
„So schwierig find ich die eigentlich nicht", erwiderte Rose schulterzuckend. Tatsächlich hatte sie mit diesen Zaubersprüchen relativ wenige Probleme gehabt. „Zaubertränke ist viel anspruchsvoller."
„Wem sagst du das", seufzte Hermine. „Besonders wenn man kein Buch hat, das einem beim Schummeln hilft."
„Wirklich?", fragte Rose neugierig. „Sowas gibt es?" Wieso hatte sie davon noch nie gehört?
Ihre Mutter schüttelte den Kopf. „Jetzt nicht mehr. Aber man sollte sowieso nicht schummeln. Wenn man in einem Fortgeschrittenenkurs ist, dann sollte man die Anforderungen auch alleine bewältigen können. Schließlich kann man später im Leben auch nicht schummeln." Rose nickte. Wenn sie als Heilerin einen Fehler machen würde, dann könnte das unter Umständen Leben kosten. „Aber du kommst klar, oder? Du hast keine gravierenden Probleme? Ich bin mir sicher, dass Teddy dir helfen könnte." Ted Lupin arbeitete in der Zaubertränkeabteilung des Mungos und kannte so ziemlich jeden Trank, der existierte. Professor Brewer in Hogwarts schwärmte immer noch von ihm, obwohl er Hogwarts schon vor sieben Jahren verlassen hatte.
Rose schüttelte den Kopf und musste erneut niesen, weil sie so viel Staub aufwirbelte. „Nein, nein, das geht schon."
„Gut", sagte ihre Mutter erleichtert. „Und sonst? Gibt es da jemanden, an dem du Interesse hast? Oder versuchen Joseph und du es noch einmal miteinander?"
Rose schluckte. „Um ehrlich zu sein …" Ihre Mutter war die Vernünftige. Es war wahrscheinlich besser, wenn sie vor ihrem Dad Bescheid wusste, dann konnte sie ihn besser beruhigen. „Ja, da gibt es jemanden. Nicht Joseph. Aber er ist nett und intelligent und ich hab ihn wirklich sehr gern."
„Na das klingt doch gut. Mag er dich auch?"
Rose nickte zögerlich. „Ja. Sehr." Er liebte sie sogar, was sie wirklich unglaublich fand. So lange hatte sie geglaubt, dass er sie nie so sehen würde, dass er ihre Gefühle nie erwidern würde, und jetzt liebte er sie.
„Seid ihr schon lange zusammen?", wollte ihre Mutter dann wissen.
„Fast drei Monate", gestand sie noch zögerlicher.
„Und du hast nichts gesagt in deinen Briefen?", fragte ihre Mutter verletzt. So wie Rose klang, war der Junge sehr wichtig für sie. Und wichtige Dinge hatte sie ihren Eltern immer gesagt.
„Ich wollte es euch persönlich sagen. Es ist … naja, es ist kompliziert." Und das war sehr untertrieben.
„Wieso?", fragte Hermine erschrocken. „Ist er älter als du? Kennst du ihn aus Hogsmeade? Oder ist es etwa ein Lehrer?"
„Merlin nein!", widersprach Rose sofort. In ganz Hogwarts gab es keinen Lehrer, mit dem sie etwas hätte anfangen wollen. Die meisten waren schon viel zu alt und Neville war fast wie ein Onkel für sie. Lily hatte mal für ihn geschwärmt, aber Rose wäre nie auch nur auf die Idee gekommen. „Nein, es ist … es ist Scorpius."
Ihre Mutter schaute sie mit großen Augen an. „Oh oh." Sie schluckte. „Na Ron wird sich freuen."
„Und du?" Die Reaktion ihres Vaters konnte sie sich ohne Probleme vorstellen. Aber ihre Mutter stand auf einem anderen Blatt. Sie war zu beschäftigt mit Gedanken an ihren Vater gewesen, um sich zu überlegen, wie ihre Mutter reagieren würde.
„Er ist ein netter Junge", sagte Hermine nach einer Weile. „Ein sehr netter Junge. Bist du glücklich, wenn du mit ihm zusammen bist?" Rose nickte. „Und seine Familie? Was halten die davon?"
„Er hat's ihnen noch nicht gesagt. Wir wollten bis zu den Ferien warten. Es ist doch einfacher, wenn wir es euch allen persönlich sagen." Wobei sie langsam glaubte, dass es besser gewesen wäre, es ihnen doch schriftlich zu sagen. Dann hätten sie Wochen oder sogar Monate gehabt, um sich aufzuregen und an den Gedanken zu gewöhnen.
„Die Malfoys sind keine einfache Familie", gab ihre Mutter zu bedenken. „Viele ihrer Ansichten-"
„Ich weiß", unterbrach Rose sie. Sie wusste, wie die Malfoys waren. Sie hatte oft genug gehört, wie ihr Dad sich darüber aufgeregt hatte, dass sie Muggel für Dreck hielten und auf die Weasleys herabsahen. Ganz zu schweigen davon, dass Lucius Malfoy ihrer Tante Ginny ein Tagebuch untergejubelt hat, das sie fast umgebracht hatte und dass Draco Malfoy ihren Vater aus Versehen vergiftet hatte. „Aber Scorpius ist nicht so. Er hat Muggelkunde belegt. Und er ist Als bester Freund."
„Das weiß ich doch alles, Rose. Wir haben uns schon das eine oder andere Mal unterhalten, wenn er im Fuchsbau war. Aber seine Familie ist etwas anderes und wenn es euch ernst ist, dann wirst du nicht nur mit Scorpius zu tun haben, das ist dir doch klar, oder?"
„Natürlich. Aber ich bin nicht mit seiner Familie zusammen, sondern mit ihm." Hermine lachte. Rose schaute sie mit gerunzelter Stirn an. „Was?"
„Ach nichts. Nur wenn ich mit deinem Vater zusammen bin, dann bin ich definitiv auch mit seiner Familie zusammen. So wie Scorpius mit unserer."
„Aber auch nur, weil er Als bester Freund ist."
„Mach dir nichts vor, jeder, der mit einem von uns zusammen ist, ist mit allen Weasleys zusammen. Ob man will oder nicht."
„Aber er ist nicht gerade gut auf seinen Großvater zu sprechen. Und seine Eltern klingen gar nicht mal so übel." An seinem Großvater ließ Scorpius kein gutes Haar, aber von seinen Eltern sprach er immer sehr respektvoll.
„Das mag schon sein, aber du solltest dir trotzdem darüber im Klaren sein, dass du höchstwahrscheinlich nicht mit offenen Armen empfangen wirst."
Sie nickte. „Ich weiß." Aber sie wollte so sehr mit ihm zusammen sein, dass ihr das scheißegal war. Sie liebte ihn, ganz egal, wie bescheuert seine Familie sein konnte oder was sie in der Vergangenheit verbrochen hatte.
„Dann ist ja gut", erwiderte ihre Mutter zufrieden und strich ihr eine Spinnwebe aus dem Haar.
„Außerdem kannst du auch nicht behaupten, dass Dad ihn mit offenen Armen empfangen wird."
„Bestimmt nicht. Aber das ist doch nur heiße Luft. Wenn dein Vater sich erst beruhigt hat, dann wird er auch sehen, dass Scorpius ein lieber Junge ist, der es hoffentlich nur gut mit dir meint."
Rose schaute sie zweifelnd an. „Meinst du wirklich? Er sieht ihn schon seit Jahren und mag ihn nicht."
„Da war er auch noch nicht dein Freund."
„Und das macht es besser?"
„Anfangs vielleicht nicht. Aber sieh es doch mal positiv. Wenn Scorpius deinen Dad überlebt, dann liebt er dich wirklich. Und Ron wird es schon akzeptieren, wenn er merkt, dass er keine andere Wahl hat."
„Meinst du?"
Hermine nickte. „Dein Vater will nur das Beste für dich. Es wird vielleicht eine Weile dauern, bis er Scorpius so sieht, aber wenn das mit euch wirklich etwas Ernstes ist, dann wird er schon irgendwann damit klar kommen. Dafür sorge ich schon."
Rose umarmte ihre Mutter erleichtert. Wenigstens sie war auf seiner Seite. „Danke. Ich hab dich lieb, Mummy."
„Ich dich auch, Rosie, ich dich auch. Und mach dir um deinen Dad keine Sorgen. Du wirst schon sehen, am Ende mag er Scorpius wahrscheinlich lieber als du."
TBC…
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A/N:
@Schwesterherz: Ja, Hugo ist irgendwie nicht so interessant wie Albus oder James oder Teddy und Victoire (aber Molly und Lucy werden glaub ich auch eher vernachlässigt). Aber meine längste FF dreht sich um ihn, also hab ich meinen Teil getan. Und er ist einer meiner Lieblinge, deshalb ist er auch hier zu Wort gekommen.
Und wenn du eine gute Idee und Zeit hast, dann schreib über ihn. Es kann gar nicht genug Hugo-FFs geben ;).
@Leni-04: Über Hugo hat man wirklich wenig im Epilog erfahren und sein Name ist auch nicht so der Renner, das stimmt. Es freut mich aber sehr, dass meine FF deine Meinung geändert hat. Ich liebe "meinen" Hugo.
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