von ChrissiTine
7. Dezember: Es ist, wie es ist
Aber es war nicht wieder alles beim Alten gewesen. Wenn sie ihn in den nächsten Tagen sah, schlug ihr Herz immer schneller. Selbst wenn sie nur einen blonden Haarschopf in der Menge erblickte und es am Ende gar nicht Scorpius gewesen war. Trafen sich zufällig ihre Blicke, erschauderte sie und das eine Mal, als er und Al sich vor Zauberkunst mit ihr unterhalten hatten, war sie fahriger als sonst gewesen und hatte kaum einen klaren Gedanken fassen können.
Das war alles andere als normal und es half auch nicht, dass sich sein Gesicht in ihre Gedanken schlich, während sie versuchte, Zaubertrankrezepte auswendig zu lernen und sie sich vorstellte, wie sich seine Küsse wohl anfühlen würden, während sie gerade mit Joseph herumknutschte.
Schließlich wurde ihr das alles zu viel und sie schob Joseph von sich weg. „Was ist denn?", fragte er genervt und verstärkte den Druck um ihre Hüfte, wo seine Hand lag. „Du hast doch gesagt, du hast mindestens eine Stunde Zeit. Es sind gerade mal zehn Minuten vergangen."
„Ich weiß", erwiderte Rose und löste sich aus seinen Armen. Gut, dass sie die dunkelste Ecke im Ravenclaw-Gemeinschaftsraum erwischt hatten und alle anderen zu sehr mit Lernen beschäftigt waren, um auf sie zu achten. „Es tut mir leid, aber ich kann das nicht mehr."
„Was kannst du nicht mehr?", fragte er verständnislos und hob die Hand, um ein paar Strähnen aus ihrem Gesicht zu streichen, die sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst hatten. „Ich hab dir doch gesagt, dass es in Ordnung ist, wenn du gerade nicht viel Zeit hast. Ich versteh das."
„Nicht wirklich", widersprach Rose und wich zurück, bevor er sie berühren konnte. Abwehrend verschränkte sie die Arme vor der Brust. „Aber darum geht es nicht. Ich kann das mit dir überhaupt nicht mehr tun. Es war eine schöne Zeit, aber ich … ich will einfach nicht mehr."
„Aber … aber es lief doch gut.", erwiderte er perplex. „Du hattest doch Spaß, oder? Wir hatten beide Spaß. Und es ist doch so unkompliziert, so einfach, oder nicht?" Er schaute sie aus großen traurigen Augen an. Sein Hundeblick war einfach unerträglich. Sie schluckte.
Es war wirklich gut gelaufen und sie hatte Spaß gehabt, aber er war einfach nicht mehr das, was sie wollte. Er konnte nichts dafür, dass ein Blick von Scorpius ihr Herz höher schlagen ließ als Josephs Lippen auf ihren oder seine Hände auf ihrem Körper.
Sie wusste, dass sie keine Chance bei Scorpius haben würde, er war mehr als glücklich mit Carolina und sie war sich ja nicht einmal sicher, ob sie das überhaupt wollte. Ihre Familiengeschichte war schließlich kompliziert genug, um einen neuen Krieg auszulösen. Aber sie konnte einfach nicht mehr ignorieren, dass da zumindest von ihrer Seite etwas war. Sie konnte Joseph nicht mehr küssen, wenn sie sich doch zeitgleich vorstellte, in Scorpius' Armen zu liegen. Sie konnte sich nicht mehr vormachen, dass das Arrangement zwischen Joseph und ihr genau das war, was sie wollte, wenn sie mittlerweile sogar schon von Scorpius träumte, der sie selbst noch viel leidenschaftlicher als Carolina hinter den Gewächshäusern küsste und ihr die Kleider vom Leib riss und sie schwer atmend aufwachte und sich wünschte, dass der verdammte Traum Wirklichkeit war. Sie hatte noch nie von Joseph geträumt.
Das mit Scorpius war wahrscheinlich nur eine vorübergehende Verwirrung, die sie mit der Zeit wieder ablegen würde, aber mit Joseph konnte es dennoch nicht mehr so weitergehen. Er sollte eine Freundin haben, die so von ihm träumte, wie sie von Scorpius, für die Joseph nicht nur lästig war und die für ihn nicht nur mühsam Zeit finden konnte und wollte. Selbst wenn sie nicht solche merkwürdigen Gefühle für Scorpius entwickelt hätte, wäre es ihm gegenüber nicht fair gewesen. Außerdem hatte sie schon vorher mit dem Gedanken gespielt, sich von ihm zu trennen.
„Joseph, ich will das einfach nicht mehr." Sie wollte ihn nicht mehr. Sie wollte Scorpius. „Es war eine schöne Zeit mit dir, ich war gerne mit dir zusammen und ich hatte auch viel Spaß, das stimmt, aber jetzt … jetzt stimmt das alles nicht mehr. Ich möchte nicht mehr mit dir zusammen sein. Es tut mir Leid."
Sie war überrascht, wie nah ihm das zu gehen schien. Sie hatte gedacht, dass er die Beziehung genauso sah wie sie, so unbedeutend, so einfach. Aber sie schien ihm doch mehr zu bedeuten als sie gedacht hatte und es tat ihr umso mehr Leid, ihm jetzt doch weh tun zu müssen, obwohl sie gedacht hatte, dass sie eines Tages ohne Probleme auseinander gehen würden. Aber sie konnte das einfach nicht mehr mitmachen, sie würde sonst nur komplett durchdrehen und sie hatte schon genug Probleme.
„Rose …", fing er mit belegter Stimme an, aber ihre Hand auf seiner Schulter stoppte ihn.
„Bitte, Joseph. Bitte akzeptier es einfach. Ich wünschte es wäre anders, es wäre so viel einfacher wenn ich …" Wenn sie was? Wenn sie sich nicht wünschen würde, dass Scorpius sie so anschaute wie er Carolina anschaute? Dass er sie so berührte wie Carolina? „Wenn ich mehr für dich empfinden würde als ich tue. Aber es ist-"
„… wie es ist, ich weiß", vervollständigte Joseph traurig lächelnd. „Das hast du ja von Anfang an gesagt. Ich hab wohl einfach nur gedacht, dass vielleicht doch noch mehr passieren könnte, dass du dich doch in mich ver-"
„Ich weiß", unterbrach sie ihn, bevor er das aussprach, vor dem sie Angst hatte. Es war für ihn ja noch viel ernster, als sie gedacht hatte. Sie hatten das hier doch beide ohne Erwartungen angefangen, was war daraus nur geworden? „Es tut mir wirklich Leid, Joseph, du bist toll und ich mag dich, aber-"
„Nicht mehr, schon klar", unterbrach er dieses Mal sie und wandte den Blick ab. „Vielleicht gehst du besser, Rose. Du bist eine wirklich gute Rednerin, aber ich glaube nicht, dass du das mit Worten irgendwie besser machen kannst."
„Wohl nicht", sagte sie traurig. Sie hatte ihm wirklich nicht wehtun wollen. Das war das letzte, was sie hatte tun wollen. Aber wahrscheinlich war es trotzdem besser, wenn sie es jetzt beendete, bevor sie ihn noch schlimmer verletzen konnte. „Es war eine wirklich schöne Zeit mit dir. Danke." Sie legte ihre Hand kurz auf seine und drückte sie leicht.
„Immer wieder gerne", sagte er mit einem Lächeln, das nicht ganz gelingen wollte und einer Leichtigkeit, die zu angestrengt war. „Das weißt du."
„Ja, das weiß ich." Auch wenn es nichts ändern würde. Sie lächelte ihn deprimiert an und stand auf. „Mach's gut. Und viel Glück bei den Prüfungen." Dieses Mal lachte er wirklich und ihr war ein kleines bisschen leichter ums Herz, als sie den Gemeinschaftsraum verließ. Das war schwieriger, als sie gedacht hatte, aber sie hatte es geschafft. Vielleicht würde ihr Leben ja jetzt wieder normaler werden. Sie konnte sich auf die Prüfungen konzentrieren und Scorpius würde bestimmt bald wieder nur der beste Freund von Al sein. Alles würde wieder normal werden. Ganz sicher.
TBC …
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A/N:
@klothilde: Schön, dass du auch dabei bist. Die Familien kommen erst kurz vor Weihnachten ins Spiel (muss ja noch ein bisschen spannend bleiben), aber davor haben sie auch noch ein paar Hürden.
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