von ChrissiTine
5. Dezember: Fehlende Tischmanieren
Rose konnte nicht aufhören zu lächeln. Sie hätte nicht gedacht, dass der Tag jemals kommen würde, aber nun war er da und er war noch schöner, als sie ihn sich hatte vorstellen können.
Sie strich durch Scorpius' seidenweiche blonden Haare, während seine Lippen auf ihren lagen und konnte immer noch nicht so ganz begreifen, dass sie ihn tatsächlich küsste.
„Kann ich dich was fragen?", fragte er, als sie ihre Knutscherei für ein paar Sekunden unterbrachen, um wieder nach Luft zu schnappen.
„Ich weiß nicht", erwiderte sie und küsste ihn erneut. Am liebsten wollte sie überhaupt nicht mehr reden, sondern ihn nur noch küssen. Reden war doch wirklich überbewertet.
„Rose", flüsterte er und lehnte sich etwas vor ihr weg. Hatte er ihren Namen schon immer so zärtlich ausgesprochen? Wahrscheinlich nicht, sonst hätte ihr Herz schon früher so schnell geschlagen. „Rose, was … was bedeutet das hier? Was machen wir hier? Ich meine … ist das nur eine einmalige Sache, oder ist das … ist das … du weißt schon … mehr?"
Rose schluckte und starrte ihn an. Ja, das war die große Frage, nicht wahr?
Es war ja nicht so, als ob sie noch nie darüber nachgedacht hätte, was zwischen ihnen sein könnte, seit sie in ihm nicht mehr nur Als besten Freund sah. Sie war selbst überrascht gewesen über diese Gefühle, die so plötzlich aufgetaucht waren, als sie einmal, nicht allzu lange vor den ZAG-Prüfungenm über die Ländereien spaziert und zufällig mitgekriegt hatte, wie Scorpius und Carolina Matthews hinter den Gewächshäusern herumgeknutscht hatten.
Sicher, sie hatte gewusst, dass die beiden zusammen waren, Al hatte es erst am vorigen Abend beim Essen erwähnt, als er sich zu ihnen an den Gryffindortisch gesetzt hatte ...
„Was machst du denn hier?", fragte sie überrascht, als Al neben ihr auftauchte und schaute von ihrem Eintopf auf, in dem sie gerührt hatte, während sie im Kopf das Rezept für Vielsafttrank durchgegangen war. Professor Brewer hatte angekündigt, morgen einen Test schreiben zu wollen und sie war bekannt für ihre kniffligen Zusatzfragen, die im Lehrstoff vorgriffen.
„Ich wollte nur essen, ohne dass es mir danach gleich wieder hochkommt", erwiderte Al schulterzuckend und griff nach dem Kürbissaftkrug. Rose warf einen Blick zu ihrem kleinen Bruder Hugo, der ein paar Plätze weiter saß und so viel Kartoffelbrei in sich hineinschaufelte, dass er aussah wie ein Hamster.
„Und da kommst du hierher?", fragte sie mit hochgezogenen Augenbrauen. Al folgte ihrem Blick zu Hugo und wanderte danach weiter zu seinem großen Bruder James, der Weintrauben in die Luft warf, versuchte, sie mit seinem Mund zu fangen, und dabei gegen seine Banknachbarin stieß, die sich prompt an ihrem Hackbraten verschluckte.
Al lachte. „Immer noch besser als das, was ich ertragen muss." Er deutete mit seinem Kopf auf den Slytherintisch. Rose drehte sich um und suchte stirnrunzelnd nach dem Grund, der Al von seinem Haustisch vertrieben hatte. Der Blutige Baron konnte es nicht sein, der ließ die Schüler normalerweise in Ruhe essen, was man vom Fast Kopflosen Nick nicht gerade sagen konnte. Erst gestern hatte er sich wieder bei ihr darüber beschwert, immer noch nicht zur Jagd der Kopflosen zugelassen worden zu sein.
„Was meinst du?", fragte sie verwirrt.
„Na diese Nachstellung von Szenen aus Lilys kitschigsten Groschenromanen", erwiderte er aufgebracht und deutete mit seiner Gabel auf seinen besten Freund Scorpius, der gerade von einem dunkelblonden Mädchen mit Haferbrei gefüttert wurde.
Rose unterdrückte ein Grinsen. Da schienen der Fast Kopflose Nick, Hugo und James tatschlich wie das kleinere Übel. „Füttern die sich in Groschenromanen nicht eher mit in Schokolade getunkten Erdbeeren?", fragte sie amüsiert.
Al zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, ich hab diesen Scheiß noch nie gelesen." Er legte den Kopf schief und schaute sie prüfend an. „Aber woher weißt du das?" Sie wandte den Blick wieder ihrem Eintopf zu. „Rose Weasley, liest du diesen Schwachsinn etwa auch?" Er fing an zu lachen.
„Quatsch", bestritt sie vehement. Das eine Mal, als sie für ein paar Tage bei den Eltern ihrer Mutter übernachtet und nichts anderes zu lesen gefunden hatte, zählte nicht. Außerdem, so schlecht waren diese Romane nun auch wieder nicht, ideal zum Abschalten und in der Sonne liegen, wenn man über sonst nichts nachdenken wollte. „Mir kommt nur Haferbrei nicht besonders romantisch vor."
„Ach nicht? Dann hat dich Joseph noch nie damit gefüttert? Wie einfallslos."
„Wenn du dich nur über mich lustig machen willst, dann solltest du dich besser zu James setzen", erwiderte Rose genervt. Keiner aus der Familie mochte ihren Freund Joseph Corner, was ihr nichts ausgemacht hätte, wenn sie nicht selbst mittlerweile so genervt von ihm wäre. Nicht lange vor den Weihnachtsferien war sie mit ihm zusammengekommen. Er war ein gutaussehender Ravenclaw aus ihrem Jahrgang und keiner war mehr überrascht gewesen als sie, als er sie einmal nach dem Verwandlungsunterricht gefragt hatte, ob sie nicht beim nächsten Hogsmeadewochenende mit ihm ausgehen wollte. Sie war bei weitem nicht das hübscheste Mädchen in ihrem Jahrgang, Mädchen wie Anna Bolt oder Carolina Matthews waren um einiges attraktiver, aber das war gar nicht das Problem. Sie war eine der intelligentesten in ihrem Jahrgang und ihre Zielstrebigkeit und ihr großer Lerneifer wirkten abschreckender auf Jungen als ihre buschigen Haare und ihr zu kleiner Busen.
Doch Joseph Corner schien genau das an ihr zu gefallen. Er mochte die Herausforderung, mit ihr zusammen zu sein, denn sie machte es ihm längst nicht so einfach wie andere es vielleicht getan hätten. Durch ihre Unterhaltungen hatte sie festgestellt, dass er intelligenter war, als sie gedacht hätte, und er besonders in Geschichte der Zauberei sehr gut Bescheid wusste. Es machte Spaß, sich mit ihm zu unterhalten und es machte noch mehr Spaß, mit ihm herumzuknutschen und es hatte ihr überraschend gut gefallen, dass in seinem Beisein der Stress wegen ihrer ZAG-Prüfungen längst nicht so groß oder beängstigend war wie sonst. Er war das beste Beruhigungsmittel, was sie hatte finden können.
Aber verliebt war sie nicht in ihn und soweit sie es beurteilen konnte, war er es auch nicht in sie. Aber sie waren dennoch gerne zusammen und bisher war es eine fantastische Lösung für sie gewesen.
Doch die ZAG-Prüfungen kamen immer näher und näher, ihr Lernpensum wurde immer größer und größer, sie hatte schon über tausend Karteikarten geschrieben und nicht einmal seine Gegenwart konnte sie jetzt noch beruhigen. Ständig schwirrten ihr Runen-Vokabeln, Zaubertrankrezepte, Jahreszahlen und Sternbilder im Kopf herum und sie konnte nicht verstehen, wie entspannt Joseph das alles hinnahm. Er schien kaum zu lernen und mittlerweile war er auch nicht mehr sehr verständnisvoll, wenn sie eine Verabredung absagte. Er wiederum konnte nicht verstehen, warum sie so viel lernte, obwohl sie seiner Meinung nach doch schon alles wusste, und ihn nicht mehr so küsste wie noch vor ein paar Wochen. Aber was sollte sie denn tun, wenn sie einfach nicht mehr abschalten konnte, ganz egal, wie engagiert er sie küsste?
Mittlerweile machte er auch noch Andeutungen, dass Sex ihr vielleicht dabei helfen konnte, sich zu entspannen und das, obwohl sie ihm zu Beginn ihrer „Beziehung" schon klar gemacht hatte, dass sie auf keinen Fall mit ihm schlafen würde. Küssen war schön und gut, aber Sex war ein großer Schritt, den sie nicht mit jemandem machen wollte und konnte, den sie nicht liebte.
„Du bist die Einzige aus der Familie, die anscheinend überhaupt Tischmanieren besitzt", seufzte Al und griff nach dem
Topf voller Eintopf, der noch vor Rose stand.
„Lily hat sie auch, nur ist die schon fertig", versuchte Rose ihn aufzumuntern und warf noch einen Blick über die Schulter auf Scorpius. Er hielt seinen Löffel mittlerweile wieder selbst, dafür küsste Carolina ihn aber gerade auf die Wange. Dass ihn sowas beim Essen nicht störte? Sie hätte es in den Wahnsinn getrieben, wenn Joseph jemals versucht hätte, sie zu füttern oder zu küssen, wenn sie gerade etwas kaute. „Wie lange geht das denn schon zwischen Scorpius und Carolina? Ich hab das gar nicht mitgekriegt." Sie hatte überhaupt nicht gewusst, dass er sich für Carolina Matthews interessierte. Eigentlich hatte sie angenommen, dass sein Herz noch an Enid Belby hing. Das war schon sehr überraschend. Und noch überraschender war, dass sie das so überraschte. Scorpius würde Enid doch nicht ewig nachweinen und es gab genug andere Mädchen, die sich für ihn interessierten. Allen voran Carolina. Nur dass er sich auch für sie interessierte …
„Erst seit ein paar Tagen", erwiderte Al und schlürfte den Eintopf von seinem Löffel. Rose schüttelte sich. Diese Familie hatte wirklich überhaupt keine Manieren.
„Ich wusste nicht, dass er überhaupt Interesse an ihr hatte", sagte sie laut, um Als Schlürfen zu übertönen.
„Anscheinend schon", erwiderte er schulterzuckend. „Sie hat ihn angesprochen und er war nicht abgeneigt. Und er mag sie ganz gerne, sonst hätte er ihr bestimmt nicht seinen Haferbrei überlassen." Er zog eine Grimasse. „Ich hoffe nur, dass das bald wieder aufhört. Della und ich waren nicht so bescheuert."
Rose legte den Kopf schief. Della hatte Al zwar nie gefüttert, aber er hatte sie stundenlang verliebt anhimmeln können und das war ihr manchmal noch schlimmer vorgekommen. Aber daran sollte sie ihn wohl besser nicht erinnern, Della war schließlich immer noch ein wunder Punkt für ihn. „Sowas dauert doch nie lange", sagte sie stattdessen aufmunternd. „Lass sie doch, wenn es ihnen Spaß macht. Ist doch schön, wenn sie glücklich sind." Ihr erschien es zwar auch übertrieben, aber sie konnte sich auch nicht erinnern, wann sie Scorpius jemals so hatte lächeln sehen.
Umso merkwürdiger war es, dass es sie so störte.
TBC …
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