von Serafina
Als ich aufwachte, befand ich mich halb unter Tom. Erleichtert stellte ich fest, dass ich meine Klamotten noch anhatte. Ich stand mühsam auf und trottete ins Wohnzimmer. Der Zettel lag zusammengeknüllt auf dem Dielenboden neben dem roten Teppich. Ich musste ihn im Gehen fallen gelassen haben. Ich hob ihn auf. Ich könnte ihn noch einmal lesen, aber eigentlich wusste ich, was draufstand. Es bereitete mir Kopfzerbrechen. Wie konnte das sein? Ich war eine Gryffindor, ich scheute mich nicht vor der Wahrheit, aber hier stand klar und deutlich:
In seinem Denken steckt mehr Wahrheit als in deinem. Ginny weiß das. Im Keller hast du deine Antwort längst gehabt und der heutige Tag hat sie bestätigt. Und er hat dich niemals belogen. Du hast Fred nicht die Wahrheit gesagt. Du, ich, wir sind die Bösen, Hermine. Haben unwissentlich gemordet. Wenn wir einen Funken Anstand hätten, würdest du dich umbringen.
Und ich wusste leider zu genau, was das bedeutete. Ich log mich selbst an. Ginny kannte die Wahrheit - sorry, Süße, aber das konnte nur bedeuten, dass ich Gefühle hatte. Ich meine, das schöne Bild der perfekten Eiskönigin war nach letzter Nacht eh dahin, aber ich konnte und wollte mir diese Gefühle nicht eingestehen! Und das hat viele Leben gekostet. Ich war Schuld am Krieg, denn ich war nicht aufmerksam, nicht weitsichtig genug gewesen, zu erkennen, worum es hier ging. Im Keller hatte ich meine Antwort längst gehabt. Mein Hirn ließ mich nie im Stich, nie! Außer, als ich den Liebestrank braute in dem unbewussten Wunsch nach menschlicher Nähe. Ich hatte Fred nicht die Wahrheit gesagt. Tom handelte nicht aus Stolz. Mir gegenüber hatte er seine Maske aus Eis und Stahl abgesetzt, und ich hatte ihm nicht geglaubt, was er mir zeigte! Ich war Schuld, hatte die Zettelchen weggeworfen, die immer wieder in meinem Schlafsaal auftauchten, sie waren von Tom und sie waren wichtig. "Schlaf tief ein", stand da in der Nacht Ende des dritten Schuljahres, der letzte Vollmond, Sirius Black. "Komm mit zu mir", vor der letzten Aufgabe des Trimagischen Turnieres, "Ich werde sie töten", nach dem Umbridge uns von der DA gefasst hatte, "du musst dich selbst schützen", als Dumbledore starb, "du trägst den schönsten Schmuck", nachdem ich das Medallion zum ersten Mal umgehabt hatte. Und als Letztes: "Ich kämpfe für dich", kurz vor der Schlacht Hogwarts'.
Sie waren nicht von einem dummen Mutschüler oder gar Lehrer gewesen, wie ich zuerst vermutete, nein, sie waren von Tom. Er kämpfte für mich. Für mich wollte er die Welt säubern, eine bessere Zukunft schaffen, er kämpfte aus Eifersucht, aus Verlangen, aus Wut, aus Hoffnung, aus Liebe. Aus Lebe zu mir. Es füllte mich mit Scham, der mir die Tränen in die Augen trieb, mit Freude, wie Schmetterlinge in meinem Bauch, mit Traurigkeit, die einen bitteren Geschmack auf meiner Zunge hinterließ und mit Schuld, die schwer auf mir lastete.
Ich war auf dem Küchenboden zusammengebrochen und so fand mich auch Tom. Er wiegte mich sanft in seinen Armen und flüsterte tröstende Worte in mein Haar. Ich lehnte mich an ihn, spürte seinen warmen Atem, fühlte ein Kribbeln sich einen Weg bahnen von meinen Beinen bis zu meinem Hals. Ich hatte meinen Kopf zu ihm gedreht und sanft strich er die Haare aus meinem Gesicht. "Hermine...", sagte er mit belegter Stimme, doch ich verschloss ihm den Mund mit Küssen.
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