von JulesBlack
*** 2 ***
Verzweifelt aufstöhnend schloss Sirius die Türe hinter sich, lehnte sich mit dem Rücken dagegen und schloss für einen Moment die Augen. Jahrelang war er unschuldig in Askaban gesessen und jetzt hatte er in einer Nacht nicht nur einen der unverzeihlichen Flüche benutzt, sondern auch noch gegen eine Muggel, die er zuvor entführt hatte. So schnell konnte man also vom Unschuldigen zum Schuldigen werden. Im Bruchteil einer Sekunde. Bei Merlin, wenn Dumbledore hiervon erfuhr, oder gar Harry.
Es war ja nicht gerade so, als ob man ihm nicht geraten hätte, im Haus zu bleiben um ihn von Schwierigkeiten fern zu halten, oder von einer weiteren Verhaftung. Und es war ja auch nicht gerade so, dass die anderen auch ohne ihn schon genug Probleme hatten, immerhin war Voldemort zurückgekehrt. Schon gar nicht war es jedoch so, dass er nach wie vor verzweifelt einen Weg suchte, seine Unschuld zu beweisen um endlich ein normales Leben führen zu können. Mit Harry, immerhin war er dessen Patenonkel.
Eine Woge von Selbstmitleid überrollte Sirius, vermischt mit einer unbändigen Wut auf Peter Pettigrew, das Zaubereiministerium, Bellatrix, die Muggel und auch auf sich selbst. Er hätte einfach auf alle hören und im Haus bleiben sollen. Aber er hatte schon früher auf niemanden gehört und auch damals schon hatte er oft genug die Quittung dafür bekommen. Warum also sollte sich daran etwas geändert haben?
„Sirius? Wo steckst Du denn?“
„Hier! Oben! Ich meine hier oben!“, rief Sirius zurück, fluchte jedoch erneut, als im einfiel, dass es keine gute Idee war, Remus nach oben kommen zu lassen und hastete die Treppe nach unten. „Warte, ich komme zu Dir!“
„Bei Merlin, ich dachte schon, Du wärst aus dem Haus gegangen!“ Remus blieb am obersten Treppenabsatz im ersten Stock stehen und sah zu seinem alten Schulfreund hoch, als dieser ihm entgegen kam. „Du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt.“
„Wo sollte ich denn hingehen?“, fragte Sirius und lachte auf. Seiner Stimme fehlte jedoch die übliche Bitterkeit, dass fiel ihm selbst auf, dazu bedarf es nicht Remus fragend gehobenen Augenbrauen. Deshalb wechselte Sirius schnell das Thema und ging die Treppe nach unten in die Küche. Zum Glück folgte ihm Remus sofort und entfernte sich so weiter von Sirius Opfer. „Ich habe nur nach Seidenschnabel gesehen. Die Enge behagt ihm nicht.“
„Nun ja, er hat lange im verbotenen Wald gelebt.“
„Was Du nicht sagst.“ Als ob Sirius das nicht wüsste, doch selbst der Sarkasmus fehlte ihm heute Abend und so ließ er sich in der Küche in einen Lehnstuhl fallen, zauberte Wein und Gläser herbei und trank einen großen Schluck. „Also, was führt Dich her.“
„Das übliche. Ich wollte Dir Gesellschaft leisten. Ich habe heute Nacht keine Aufgaben mehr und kann bis Morgen bleiben.“
„Bis Morgen?“ Sirius verschluckte sich an seinem Wein und starrte seinen Freund an. Es war völlig unmöglich, dass Remus über Nacht hier im Haus blieb. „Was… äh ist mit dem Orden? Hast Du nichts zu tun? Etwas wichtiges oder so?“
„Nein, ich sagte doch, ich habe…“ Remus unterbrach sich, beugte sich etwas nach vorne und musterte seinen alten Freund eindringlich. „Ist alles in Ordnung?“
„Ja, ja, natürlich. Alles in Ordnung.“
„Wirklich? Du wirkst etwas… durcheinander.“
„Ich habe einfach nicht mit Dir gerechnet.“
„Sirius, wir versuchen so oft wie möglich zu kommen, um Dir Gesellschaft zu leisten.“ So versuchte der Orden Sirius die Einsamkeit zu nehmen und auch zu verhindern, dass er irgendwelche Dummheiten machte. Und das mittlerweile seit mehreren Wochen, seit Sirius dem Orden sein Haus als Hauptquartier zur Verfügung gestellt hatte. Dazu kam, dass sie sich seit Jahren kannten und bereits seit ihrer Schulzeit befreundet waren. Ihre Schulzeit. Remus kannte diesen Blick von früher und wusste, dass er absolut nichts Gutes bedeutete. Misstrauisch sah er Sirius an. „Was ist los?“
„Nichts, wirklich nicht. Gibt es irgendwelche Neuigkeiten?“
„Nein, leider. Das heißt, es gab einen weiteren Zwischenfall, an dem Todesser beteiligt waren.“
„Todesser?“ Erneut verschluckte Sirius sich an seinem Wein, doch dieses Mal hustete er so sehr, dass er wohl nicht darauf hoffen konnte, dass Remus es nicht bemerkte. Und er behielt Recht.
„Bei Merlin, Sirius! Was ist denn los mit Dir? Seit Wochen schon agieren die Todesser wieder, es gibt wieder Übergriffe auf Muggel und…“
„Auf Muggel?“ Himmel, es konnte doch nicht sein, dass der Orden schon Wind von dem Zwischenfall in Godric’s Hollow bekommen hatte, oder etwa doch? Sirius bemühte sich um eine möglichst unbeteiligte Mine und fragte möglichst beiläufig, „Wo denn?“
„Im Norden, es waren nur…“ Remus brach ab und starrte seinen Freund an, als dieser etwas vor sich hin murmelte. „Hast Du eben Merlin sei Dank gesagt?“
„Wer, ich? Nein.“
„Doch, ich bin mir sicher. Ich habe Dich genau gehört.“
„Ich sagte… Bei Merlin. Immerhin ist das eine schlimme Sache. Also mit den Todessern. Und den Muggeln. Vor allem mit denen. Schlimm, wirklich.“ Sirius fluchte innerlich. Er musste Remus unbedingt loswerden, bevor er sich hier noch um Kopf und Kragen redete. Erst seinen Freund und dann die Muggel. Vielleicht brachte er sie doch nach Hogwarts, er würde ihr Gedächtnis verändern und dann…
„Sirius!“
„Was?“
„Irgendetwas stimmt doch mit Dir nicht.“
„Es ist wirklich… Remus! Nimm den Zauberstab runter!“ Sirius zuckte zusammen und rutschte soweit er konnte auf seinem Stuhl zurück. „Was soll denn das?“
„Was taten Sirius, Remus und James in der ersten Nacht, als Sirius von zu Hause abgehauen war?“
„Was?“
„Antworte!“
„Ich… wir…“ Sirius starrte seinen besten Freund an, dann senkte er den Blick auf die Spitze des Zauberstabes, während er fieberhaft nachdachte. Bei Merlin, das war so lange her, woher sollte er… „Wir haben Butterbier und Feuerwhiskey gekauft und uns betrunken.“
„Und dann?“
„Und dann?“ Woher sollte er das wissen, immerhin war er reichlich betrunken gewesen und das war Jahre her. Dann fiel es Sirius jedoch wieder ein und erleichtert atmete er auf. „Wir haben uns die Muggelfrauen in den Zeitungen angesehen, die ich besorgt hatte, während James immer nur von Lily gesprochen hat. Dir gefiel so eine dunkelhaarige im Bikini.“
„Du hast mich zu Tode erschreckt, Sirius.“
„Ich habe Dich zu Tode erschreckt? Du hast doch plötzlich Deinen Zauberstab auf mich gerichtet!“
„Mir kam plötzlich der Verdacht, dass Du nicht Du bist. Du bist so seltsam heute Abend.“
„Das ich nicht… Oh. Vielsafttrank“, fiel es Sirius wie Schuppen von den Augen. Deshalb also diese komische Frage. Selbst wenn sich jemand in ihn verwandelt hatte, konnte er unmöglich von diesem jugendlichen Trinkgelage wissen. „Was muss ich tun um Dich zu beruhigen? Es ist wirklich alles in Ordnung.“
„Sei wieder Du selbst.“
„Wie bin ich denn?“
„Frustriert und verzweifelt, weil Du hier eingesperrt bist, mürrisch, schlecht gelaunt und reizbar.“
„Ich bin nicht reizbar!“, protestierte Sirius sofort, obwohl er wusste, dass Remus recht hatte und die Beschreibung ziemlich zutreffend war. Was Remus jedoch nicht wusste, war, dass Sirius nicht nur all das war, sondern inzwischen auch ein Entführer. Deshalb hob er beschwichtigend eine Hand. „Gut, ich bin reizbar. Ist ja auch kein Wunder, dieses Haus ist nicht gerade ein Traum um darin eingesperrt zu sein.“
„Wir werden Deine Unschuld beweisen, Sirius, dann bist Du frei.“
„Ja, sicher, meine Unschuld.“ Wenn er doch nur immer noch unschuldig wäre. Inzwischen war er das schließlich nicht mehr so wirklich und selbst wenn er von den Vorwürfen frei gesprochen wurde, stand immer noch die Sache mit der Muggel im Raum. Auch wenn er das Ministerium überzeugen konnte, dass er kein Todesser und nicht für den Tod der vielen Muggel verantwortlich war, hatte er doch einen der unverzeihlichen Flüche gegen eine Muggel eingesetzt und sie entführt. Wenn das heraus kam, würde er schneller wieder in Askaban landen, als er Askaban überhaupt sagen konnte. Er musste die Frau unbedingt wieder loswerden. Dringend. Sirius stellte sein Glas auf den Tisch, erhob sich und klatschte in die Hände. „Tja, also danke für den Besuch, Remus, es war schön, dass Du hier warst.“
„Ich sagte doch, ich bleibe über Nacht.“
„Das musst Du nicht.“
„Aber…“
„Wirklich, das ist nicht nötig.“ Bei Merlin, wie brachte man Remus Lupin dazu zu verschwinden? Sirius kannte die Antwort darauf. In diesem Fall, gar nicht. Seufzend ließ er sich wieder in seinen Stuhl sinken, schenkte ihnen beiden Wein nach und trank einen großen Schluck, bevor er seinen ältesten Freund ansah. Seinen ältesten und einzigen. „Ich fürchte, ich habe da ein klitzekleines Problem.“
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.