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Fanfiction

Amnesia - Eine undankbare Aufgabe

von rodriquez

Es wurde überraschend schnell Winter in diesem Jahr.
Anfang Dezember und aus einer grauen, tief hängenden Wolkendecke fallen die ersten Vorboten einer kommenden, weißen Pracht.
Ein langer, kalter Winter kündigte sich an, und das, obwohl vor wenigen Tagen der herbstliche Spätsommer mit einem letzten Aufbäumen die Ländereien der HOGWARTS SCHULE für Hexerei und Zauberei noch reich und warm beschenkte hatte.
Den Ländereien schien der frühe Winterbruch allerdings nichts anzuhaben, im Gegensatz zu einer Person, die alleine Richtung des schwarzen Sees marschierte. Für die schottischen Highlands ist ein langer, strenger Winter nichts Ungewöhnliches. Die Bäume hatten längst ihre Blätter verloren, und wirkten kahl und trist. Ein eisiger Wind bewegte die blätterlosen Äste, die sich ganz im Gesetz der Natur den Bedingungen anpassten. Lediglich der schwarze See blieb, anhand der Witterung überraschend friedlich mit einer vollkommen glatten, wellenlosen Oberfläche.
Offensichtlich wunderte er sich über einen Besucher, der völlig verändert daher kam, und nun an seinem Ufer ein paar Schritte tätigte.
Äußerlich erinnert nichts mehr an einen kleinen schmächtigen Jungen mit ungekämmten Haaren, einer alten, schäbigen Nickelbrille und gewöhnlicher Kleidung, und der vor fast genau vier Jahren eine ganze Stunde unter der Wasseroberfläche verbrachte, um etwas zu finden, was ihm entwendet wurde.
Die sonore Stimme des damaligen Schulleiters Professor Albus Dumbledore hallt noch immer in den Ohren des jungen Mannes.


Komm, such, wo unsere Stimmen klingen,
denn über dem Wasser können wir nicht singen.
Und während du suchst, überlege jenes:
Wir nahmen, wonach du dich schmerzlich sehnest.
In einer Stunde musst du es finden
Und es uns dann auch wieder entwinden.
Doch brauchst du länger, fehlt dir das Glück,
zu spät, `s ist fort und kommt nicht zurück.


Auch Albus Dumbledore würde verwundert die Augen reiben.
Ziemlich lässig schlenderte der junge Mann entlang des Seeufers, er schien in Gedanken vertieft, immer wieder blickte er über den See.
Sein Haupt zierte nach wie vor eine pechschwarze Mähne, die nun allerdings auf neun Millimeter Länge zusammengestutzt, ungewohnt gepflegt wirkte.
Eine randlose Giorgio Armani Brille mit Gleitsichtgläsern und wechselbaren Bügeln thronte auf seiner Nase. Sein Gesicht frisch gepflegt mit einer perfekten, glatten Rasur. Ein herb-würziger Duft mit einer Note Edelhölzern und Moschus hüllte ihn wie eine Glocke ein.
Weißes Hemd mit Krawatte, eine neue Wrangler Jeans in Stretchpassform und dazu farblich abgestimmte Echtleder Sneakers.
Die ersten Flocken des erwarteten Winters verpassen seiner Frisur eine weiße, feuchte Note.
Viel zu früh, verrät ein Blick auf seine Armbanduhr, eine sportlich elegante Casio Pro Trek mit Höhenmesser, Barometer, Temperaturanzeige und natürlich Funkgesteuert, eigentlich eine typische Muggeluhr.
Ja, sein Lebensstil hat sich seit seinem letzten Aufenthalt an eben dieser Stelle, vor etwa einem halben Jahr, gewandelt. Auch da präsentierte sich die Umgebung tief verhangen, nur war es damals der Rauch der Zerstörung und die Luft war erheblich wärmer.
Seit diesem schicksalhaften, ereignisreichen Tag war er nicht mehr zurückgekommen.
Friedlich und ruhig präsentiert sich das restaurierte Schloss.
Was wird ihn gleich erwarten, wenn er die Räumlichkeiten betritt?
Wenn er vor die Klasse tritt?

Zehn Minuten verblieben ihm noch bis die nächste Unterrichtsstunde beginnen sollte.
Zehn Minuten um die verwirrten Gedanken unter Kontrolle zu bringen, zehn Minuten um die kalte, klare Luft einzuatmen.
Es war keineswegs Nervosität, was er empfand, und das, obwohl er nicht gerne im Mittelpunkt steht, und obwohl er gleich vor einer ganzen Klasse, von denen er auch noch die Meisten kennen dürfte, einen Vortrag halten sollte.
Ein mulmiges Gefühl und ein Bauchgrummeln bereitete ihm lediglich ein weißes Kuvert mit einem Brief, den er mit sich führte, und den er im Anschluss einer bestimmten Person übergeben sollte.
Cirka neunzig Minuten später schnalzte die neue Schulleiterin Minerva McGonagall anerkennend mit der Zunge.
Aufmerksam und angeregt hatte sie dem Vortrag des Gastdozenten Harry Potter beigewohnt.
Der Junge der überlebt hat war mutig vor die Klasse getreten, trotzte allen Blicken und hielt Selbstbewusst einen Vortrag über Albträume, und wie man mit ihnen umgehen sollte.
Auslöser für diesen Vortrag war ein großer Andrang von Schülern auf der Krankenstation. Madam Pomfrey hatte für die Hilfesuchenden keinen Rat, sie verlangten Arznei, um besser schlafen zu können. Die Professoren und die Heiler des zurate gezogenen St.Mungo Hospitals diagnostizierten psychische Probleme, die nur anhand von Gesprächen und Therapien beseitigt werden könnten.
Eine entsprechende Anfrage fiel im Zaubereiministerium ausgerechnet Harry in die Hände, der den Vorschlag eines Vortrags als erste Therapie einreichte, und Zustimmung fand.
Offensichtlich zu Recht. Der Vortrag bestand größtenteils aus eigenen Erfahrungen zeigte Wirkung.
Die Blicke, denen Harry anfänglich ausweichen musste waren weit gestreut, unterschiedlichen Ursprungs und gehörten alten Wegbegleitern.
Teils staunend, teils bewundernd, aber auch desinteressiert, gelangweilt, neugierig und wissbegierig.
Harry begegnete diesen Blicken mit Ignoranz, allerdings nicht aus egoistischen, provozierenden Gründen, sondern aus reinem Eigeninteresse um sich nicht verunsichern zu lassen. Er versuchte über den Dingen zu stehen, ließ sich nicht beirren und beantwortete bereitwillig etliche Fragen, auch solche Fragen, die mit Träumen weniger zu tun hatten.
Und immer warnte er davor, mit den Träumen zu Leichtfertig umzugehen.
Die größte Aufmerksamkeit des Auroren in Ausbildung gehörten besonders einem Augenpaar, deren haselnussbraunen Pupillen elektrisierend auf ihn wirkten, und die mehrere Dinge im Wechsel gleichzeitig ausdrückten: Neugier zu Beginn. Staunen in der Mitte. Und Bewunderung, vielleicht sogar Stolz zum Ende hin.
Und jetzt, während die meisten Schüler nachdenklich den Lehrsaal verließen, und die Blicke von ihm abwandten, kam sie ihm mit Wissbegier in den Augen näher.
Zumindest bis sie unmittelbar vor ihm stehen blieb, doch sie musste sich gedulden, weil gerade die Hand ihres Begehrens kräftig geschüttelt wurde. Minerva McGonagall stand zwischen ihr und Harry, schüttelte ununaufhörlich seine Hand und ein wahrer Redefluss prasselte über ihn hernieder.
Auf Hilfe hoffend suchten seine Augen den Kontakt mit Hermine Granger, die sich aber bereits resigniert auf den Weg zur nächsten Unterrichtsstunde machte.
Minerva übergehend griff Harry spontan nach dem Arm der Freundin.
„Hermine?“, keuchte er sorgenvoll.
Für einen kurzen Moment zuckte ihr Körper unter der Berührung und sie versuchte zu antworten. „Ich werde leider bei Geschichte der Zauberei erwartet, und sicherlich kannst du dich noch daran erinnern, dass Flitwick es nicht gerne sieht, wenn man zu spät kommt.“
Recht schnell hatte Minerva die spannungsgeladene Atmosphäre erfasst. „Ich kann sie gerne bei Professor Flitwick entschuldigen, Miss Granger, wenn sie das wünschen.“
„Nein“, es war Harry, der antwortete. „Geh ruhig. Ich werde warten … nach der Stunde in der großen Halle?“
Hermine nickte dankbar, und machte sich auf den Weg.
Manche Schüler schlugen Harry anerkennend im Vorbeigehen auf die Schulter.
Er wechselte mit Einigen noch belanglose Worte, bevor er sich viel zu früh auf den Weg in die große Halle machte.
„Ich würde mir wünschen, wenn es kein einmaliges Gastspiel werden würde“, nickte Minerva, die sich selbst zu einer Unterrichtsstunde verabschiedete, was Harry ein genicktes Keuchen abverlangte. „Das war ein sehr guter, und sehr aufschlussreicher Vortrag, Potter. Ich würde es wirklich begrüßen…“
Bewaffnet mit einer Tasse Kaffee schlug sich Harry die Wartezeit mit Erinnerungen um die Ohren. Seine Gedanken kreisten durch die Vergangenheit. Vieles war noch greifbar, und fast noch real, als wäre es erst gestern gewesen.
Das Bild von Professor Albus Percival Wulfric Brian Dumbledore vor Augen, wie er den Astronomieturm herunterstürzt.
Tod.
Die Augen weit aufgerissen.
Getötet von Severus Snape, der auf den ersten Blick scheinbar emotionslos dem getöteten Schulleiter hinterher schaut Getötet auf eigenen Wunsch, wie Harry erst später erfahren sollte.
Verhasst und doch der mutigste Mann, denn er je kennengelernt hatte.
Irgendwann einmal, wenn er eine Frau gefunden hätte, wenn er mit dieser Frau ein Kind zeugen würde, dann würde dieses Kind die Namen dieser zwei großartigen Zauberer tragen.
Albus Severus.

Es sollte fast eine Stunde vergehen, bis er Gesellschaft bekommen sollte.
Harry hatte fast den Ort erreicht, an dem alles endete.
Tom Riddles Tod wiederholte sich vor seinen Augen, noch einmal konnte Harry sehen, wie der dunkle Lord getroffen vom eigenen zurückprallenden Todesfluch zu Boden sank, wie er der Länge nach, wie ein nasser Sack den kalten Boden küsste.
Seit diesem Augenblick war Harry nicht mehr an diesen Ort zurückgekehrt.
Er vermied es den Erinnerungen ausgesetzt zu werden, denn sie waren zu emotional, stimmten nachdenklich, und er verknüpfte eine weitere Begebenheit mit diesem Moment.
Der Moment, indem sie ihn als Erste erreichte, ihm als Erste erleichtert um den Hals fiel.
Die Erste und die Einzige, die keine Worte benutzen brauchte.
Die Erste und Einzige, wie hätte es auch anders sein können?
Doch dann sah er umschlossene, vereinigte Hände.
Der Sieg über den - der – nicht – genannt – werden durfte war zu kräftezehrend, zu erleichternd, als dass er sich näher mit diesem Bild beschäftigen konnte
Die Anderen hatten zu Hermine aufgeschlossen, sie beiseite gedrängt, ihn umarmt, ihn erleichtert geherzt. Und Jeder wollte ein Stück von ihm.
Alle Münder bewegten sich, doch Harry verstand kein Wort, schob sich langsam durch die Menge voran. Die Erste war aus seinen Augen verschwunden.
Erst viel später sollte er sie wiederfinden.

Doch dieses Mal konnte er diesem Ort nicht ausweichen, weil ihm eine ganz andere Aufgabe zuteil wurde. Eine Aufgabe, die er höchstpersönlich ausführen wollte, etwas, das er Jemandem schuldig geblieben war.
Er hat sich nie für die Hilfe revanchiert, nicht einmal gedankt hatte er es ihr.
Fast ein halbes Jahr ohne Kontakt war ins Land gegangen, und nachdem sie fast ihr halbes Leben als beste Freunde verbracht hatten, ein fast unmöglicher Zustand.
Heute wird sich daran etwas ändern!
Nie mehr würde er es soweit kommen lassen, außer es wäre ihr ausdrücklicher Wunsch.
Doch nicht nur zu Hermine war der Kontakt abgebrochen.
Auch Ron bekam er nur gelegentlich zu Gesicht, und das meist durch das Schaufenster von Weasleys Zauberhafte Zauberscherze.
Aber es gab noch eine Person, die Harry mit dieser, mittlerweile schon Vergangenheit verknüpft.
Erwartungsvoll beobachtete er eine Reihe Fünftklässler, die frühzeitig zur Mittagspause in die große Halle strömten. Die, die ihn kannten schauten ehrfürchtig in seine Richtung, die Anderen suchten ihre Plätze auf, ohne den Fremden, zudem er wurde, zu beachten.
Nur Sekunden später bemerkte er die ersten Schüler aus seinem ehemaligen Jahrgang. Ehemalige Ravenclaws, unter ihnen Cho Chang, aber auch Seamus, Dean oder die Parvati Zwillinge, und im Schlepptau – Ginny, die mit der Vergangenheit verknüpfte Person.
Langsam schlurfend, Blick gesenkt, nachdenklich, als wüsste sie, wessen Augen auf sie gerichtet wären.
Nach dem Vortrag war sie wortlos an ihm vorbeigegangen.
Ihre Blicke während der eineinhalb Stunden desinteressiert.
Ihre Aufmerksamkeit galt einer orientierungslosen Amsel, die mehrfach gezielt gegen die Scheibe des Unterrichtsraumes knallte, ganz so, als wäre sie irre geworden.
Harry hatte es bemerkt und zur Kenntnis genommen.
Doch dieses Mal ignorierte sie ihn nicht, und steuerte geradewegs auf ihn zu.
Allerdings hatte sie auch keine andere Möglichkeit, denn gewohnheitsmäßig hatte Harry seinen alten Platz am Gryffindortisch ausgesucht.
Langsam, immer noch schlurfend, aber nun erhobenen Hauptes schritt sie heran.
Seit dem Tag, an dem ihr Bruder zu Grabe getragen wurde, hatte er sie nicht mehr gesehen, nicht einmal etwas von ihr gehört.
Sie waren an diesem Abend im Streit auseinander gegangen, wenn man es denn Streit nennen kann, für ihn war es eine Mücke, die zum Elefanten gemacht wurde.
Das Tanzbein wollte er nicht mit ihr zusammen schwingen, stattdessen hatte er etwas zu tief ins Glas geschaut.
Dabei hatte sie sich köstlich amüsiert, so seine Empfindung, ein Anderer entpuppte sich nicht als Tanzmuffel, und Ginny nutzte fast den ganzen restlichen Abend in unmittelbarerem Körperkontakt mit Lee Jordan.
Komischerweise störte es ihn in keinsterweise. Im Gegenteil, er war sogar froh, dass, wie es zunächst den Anschein hatte, ihn aus der Schusslinie nahm, und er nicht als vollkommener Langweiler dastand.
Ein Trugschluss.
Erst als Harry in Richtung seines Bettes stolperte bemerkte sie, dass es ihn auch noch gab, und hielt ihm im Treppenhaus einen Vortrag über Vernachlässigung.
Er fühlte sich völlig überrumpelt und konterte, dass sie sich so schneller daran gewöhnen könnte, wenn er sofort die Arbeit im Ministerium aufnehmen, und nicht nach Hogwarts zurückkehren würde.
Ein kleiner, eher unbedeutender Streit, der ihn auf einen neuen Weg führte, eine Abweichung des ursprünglichen Plans.
Denn sie fand sich vor einem halben Jahr nicht damit ab, und seine Antwort war der Anfang vom Ende.

„Du bist nicht zurückgekommen“, begrüßte ihn seine einstige Liebe.
Harry schüttelte langsam in verneinender Manier seinen Kopf, und sah vor seinem geistigen Auge, wie er am Morgen nach der Feier zu Ehren Fred Weasleys vergeblich nach seiner Freundin suchte.
Hermine erklärte ihm damals, dass sie wohl auf eine Shoppingtour gegangen wäre, und so machte er sich auf den Weg in den Ligusterweg, wo die Dursleys zurückerwartet wurden.

„Und auch jetzt bist du nicht wegen mir zurückgekehrt.“
Und wieder verneinte Harry.
„Du wartest hier auch nicht auf mich“, stellte sie die nächste Vermutung auf.
„Hermine“, erwähnte Ginny, und drehte ihr Gesicht suchend Richtung Eingang. „Ich verstehe…“
Zum dritten Male verdrehte Harry sein Gesicht zu einem Nein.
„Nichts verstehst du“, erwiderte er. „Ich habe lediglich eine Botschaft zu überbringen.“
„Und das wolltest du dir natürlich nicht entgehen lassen…“
Dieses Mal nickte Harry.
„Ich denke, es ist das Mindeste was ich tun kann“, aufmerksam studierte er das Gesicht seiner ehemaligen Liebe, konnte aber keinerlei Emotionen erkennen. „Ich habe mich nie bei ihr bedankt.“
„Immer noch der edle Ritter“.
„Außerdem habe ich auch noch einen Brief deines Bruders zu übergeben.“
„Der alte Feigling kann es ihr nicht einmal ins Gesicht sagen?“
Die Augen des rothaarigen Mädchens blitzten bedrohlich.
„Und du unterstützt dieses miese Spiel?“
„Ich unterstütze gar nichts“, korrigierte Harry. „Ich habe Ron lediglich versprochen einen Brief zu überbringen“. Das nächste Kopfschütteln folgte. „Was in dem Brief steht geht mich nichts an. Es geht mich auch nichts an, ob sie ihn liest, oder was sie sonst damit anstellt. Allerdings hast du mich neugierig gemacht: Von welchem, miesen Spiel sprichst du?“
„Du tust wirklich so, als wüsstest du von nichts?“ Ginnys Unterkiefer mahlte. „Du bist ein Heuchler, dass du dich darauf einlässt.“
Harry zuckte unwissend mit der Schulter.
„Wahrscheinlich aus Eigeninteresse…“, fügte Ginny abwertend hinzu, und drehte ihm den Rücken zu.
„Moment mal, Fräulein“, keuchte Harry und packte Ginnys Handgelenk. Die erschrocken herumwirbelte. Ihre Augen funkelten vor Zorn.
„Ich habe dir nichts getan“, erwähnte er mit starrem Blick in ihr Gesicht. „Du hast die Beleidigte gespielt. Du hast mich, nicht ich dich, an diesem Abend vernachlässigt. Du warst es die am nächsten Morgen verschwunden war, nicht ich…“
„Du hast meine Bedürfnisse nicht erwidert“, konterte Ginny mit einem gleichgültigen Schulterzucken, ihre Stimme blieb überraschend ruhig, aber zitterte dennoch leicht. „Hätte ich das nicht verdient gehabt, nach so langer Zeit Abstinenz, der Enthaltsamkeit?“
Harry atmete tief durch, blickte kurzzeitig zum neuerrichteten Baldachin der großen Halle, bevor er antwortete. „Denkst du etwa nur du hattest Enthaltungen?“
Ginny reagierte mit Gleichgültigkeit, und Harry schüttelte seinen Kopf. „Nein, Ginny. Ich war noch nicht soweit, du hättest mir Zeit geben müssen, doch das wolltest du offensichtlich nicht, das war mit ein Grund, warum ich nicht zurückgekehrt bin.“
Ginny zeigte ihre trotzige Seite.
„Du hast mir dazu gar nicht die Chance gelassen. Du bist einfach gegangen, wie hätte ich dir da Zeit geben können. Offenbar wolltest du es gar nicht.“
„Ich blieb wenige Tage bei den Dursleys, danach verbrachte ich Zeit mit meinem Patenkind, und zu guter letzt habe ich das Projekt Godrics Hollow in Angriff genommen. Nicht zu vergessen, den schweren Start im Ministerium, und noch einige andere, für dich unwesentliche Dinge.“
„Und?“, zuckte Ginny.
„Und das alles, ohne meine Freunde. Seit diesem Abend habe ich weder dich, noch Hermine, noch Ron wiedergesehen.“
Ginny stutzte, und erstmals war es an dem rothaarigen Mädchen den Kopf zu schütteln.
„Dann, dann hast du wirklich keine Ahnung?“
„N-Nein?“, antwortete Harry überzeugend langsam. „Ron kam letzte Woche zu mir in Ministerium, und wollte wissen, ob ich Kontakt zu Hermine hätte. Zunächst war ich natürlich ziemlich verblüfft, dann erzählte ich ihm von meinem heutigen Vortrag, und er bat mich ihr etwas zu überbringen. Ich habe den Brief an mich genommen, und nicht gefragt, warum ich das tun soll, oder warum er ihn nicht selber überbringt, oder was eventuell darin stehen könnte.“
„Wenn es so ist, dann benutzt dich mein lieber Bruder, weil er feige den Schwanz einzieht“, antwortete Ginny, „hätte er das nur mal vorher getan…“
„Ich verstehe nicht?“, wunderte sich Harry.
„Der schwanzgesteuerte Idiot hat Lavender geschwängert.“
Ihre letzten Worte in seiner Gegenwart, Harry fragte noch: „Und woher weißt du das schon wieder?“, doch seine Hand hatte er längst von ihrem Handgelenk gelöst, und starrte längst nachdenklich zu der braunhaarigen jungen Frau, die gerade in die große Halle gelaufen kam.
Vergessen war Ginny, vergessen was er eigentlich hier wollte, vergessen, dass gerade eben noch Ginny vor ihm stand.
Auf einen Schlag wusste Harry, dass er doch etwas vermisst hatte, und dass das was er vermisste geradewegs auf ihn zusteuerte.
Die Umgebung verschwamm vor seinen Augen. Sie wurde zu Kulisse und Statisten. Realität war nur das, was sich auf ihn zu bewegte.
Sie hatte sich umgezogen. Ihre Hogwartskleidung gegen hautenge Jeans und einen offenstehenden Parka getauscht, in ihren Händen hielt sie eine Mütze und Wollhandschuhe.
„Ich nehme an“, begann sie, „du möchtest lieber mit mir nach draußen in die Kälte, als hier…“, dabei tätigte sie einen ziellosen Rundumblick.
Zunächst folgten Harrys Augen ihren rudernden Armen, ihren Fingern, dabei erblickte Ginny, die längst einige Meter entfernt neben Dean Platz genommen hatte, dann nickte er mit einem Lächeln auf den Lippen, stand auf und hakte sich an Hermines aufnahmebereiten Arm ein.
Gemeinsam marschierten sie nach draußen, ungeachtet der Blicke, die eigentlich in ihren Rücken brennen müssten.
„Schick“, murmelte Harry beim Verlassen des Portals. „Du hast dich umgezogen?“
„Danke schön“, antwortete Hermine und wirkte leicht verlegen.
„Steht dir gut“, lächelte Harry still vor sich hin. „Figurbetont“.
„Das Kompliment hätte eigentlich ich machen müssen“, überging Hermine die aufreizende Anspielung. „Du hast dich sehr zum Vorteil verändert, Harry.“
„Aber nur äußerlich“, reagierte er ebenso verlegen.
Unterdessen hatten sie den Innenhof der Schule erreicht. Ein kalter Wind pfiff um ihre Nasen, und jeder schien zu erkunden, ob das rote Gesicht des jeweils Anderen mit der plötzlichen Kälte, oder mit Verlegenheit in Verbindung stand.
Vorsorglich zog Hermine ihre Mütze auf, und die Handschuhe über ihre Hände.
„Das will ich doch hoffen“, erwiderte sie. „Ich hoffe da drin bist du immer noch der Gleiche“. Hermine hatte sich von ihm gelöst, ihm gegenüber aufgestellt und mit der Faust gegen sein Herz gepocht.
Harry mied den direkten Augenkontakt.
„Es war nicht schön von dir, einfach so zu verschwinden, und dich nicht einmal zu melden.“
„Tut mir Leid“, antwortete Harry. „Ich dachte du hättest Besseres zu tun…“
„…als was?“, unterbrach Hermine energisch. „Als gelegentlich von einem sehr guten Freund zu hören, dass es ihm gut geht?“
„Es geht mir gut“, antwortete Harry, und sein Blick näherte sich langsam ihrem Gesicht. „Und jetzt bin ich ja hier.“
„Ach, komm her“, keuchte Hermine und zog Harry in eine innige Umarmung. „Du Idiot hast dich nicht ein einziges Mal gemeldet.“
„Wo gehen wir hin?“, fragend schaute sich Harry um, nachdem Hermine von ihm abließ.
„Keine Idee?“
„Egal“, zuckte Harry mit der Schulter. „Irgendwohin. Nur weg von den obskuren Augen und den Langziehohren der Schule.“
„Madam Puddifoot?“
„Du gehst aber ganz schon ran“, hinterfragte Harry provokativ mit spitzer Zunge, was ihm einen empörten Hieb gegen seinen Oberarm einbrachte.
„Da war ich ein einziges Mal“, konterte Harry, „und das war der Reinfall des Jahrzehnts.“
„Die arme Cho“, lachte Hermine herzerweichend.
„Und Schuld warst du“, keuchte Harry. „Also streng dich an, damit du das wieder gutmachen kannst.“
„Also ist es abgemacht, gehen wir in das kleine, versteckte Café der Verliebten und bringen die Gerüchteküche zum brodeln“, nickte Hermine zustimmend.
„Zum Wiedergutmachen?“, erkundigte sich Harry mit spitzer Zunge und grinsendem Gesicht.
„Soll ich Cho fragen, ob sie mitkommen möchte?“, antwortete Hermine schlagfertig.
Harry schüttelte seinen Kopf, „ne – lass mal“, und verstaute seine Hände in den Taschen seiner Jacke.
Während sich die Beiden mit schnellen Schritten durch den dichter werdenden Schneefall und über den gefrorenen Boden kämpften, erkundigte sich Harry nach Hermines Zeitplan.
„Minerva hat mir für den Rest des Tages frei gegeben“, keuchte sie vor Anstrengung. „Mach dir darüber keine Sorgen.“
„Großzügig“, bemerkte Harry.
„Tja, sie hatte schon immer irgendwie ein Faible für dich.“
„Für mich?“, staunte Harry. „Mir brauchte sie nicht freizugeben … Du warst nochmals bei ihr?“
„Der Anstand gebietet es, sich abzumelden“, schmunzelte Hermine, und Harry erkannte einen direkten Bezug, doch zunächst überging er die Bemerkung.
„Vielleicht wirst du nach dem heutigen Tag weitere freie Zeit beantragen müssen“, griff er stattdessen dem Gespräch vor.
„Wie meinst du das?“, keuchte Hermine. „Boarrrh, kaum bist du wieder da, verspüre ich schon wieder Stress.“
„Ach komm“, grinste Harry. „Gib’s zu. Insgeheim vermisst du das doch Alles.“
„Ich bin diese Hektik wohl nicht mehr gewohnt“, erwiderte Hermine schnippisch.
Mittlerweile hatten sie ihren Zielort Hogsmeade, und das kleine Café Madam Puddifoots erreicht.
Ganz im Stile eines Gentlemans half Harry seiner Freundin aus dem Mantel und rückte ihr einen Stuhl zurecht. Sie schienen zu dieser frühen Nachmittagsstunde die einzigen Gäste zu sein.
„Ich habe dich vermisst“, antwortete Hermine, nachdem Harry seinen Platz – ihr gegenüber, eingenommen hatte. „Wo warst du die ganze Zeit, und warum hast du dich nie gemeldet?“
„Nach meiner Abreise…“, begann Harry, wurde aber direkt unterbrochen.
„…die mir allerdings sehr überhastet vorkam…“
„…blieb ich die ersten Tage bei den Dursleys“, redete Harry unbeirrt weiter. „Kingsley nannte mir Datum und Uhrzeit, und ich wollte dabei sein, wenn meine einzigen Verwandten zurückkehren. Aber…“
„Aber?“
Bevor Harry weiterreden konnte, kam die nächste Unterbrechung in Form einer Bedienung. Madam Puddifoot, höchstpersönlich.
Die Beiden gaben ihre Bestellung auf, jeweils einen wärmenden Earl Grey.
„Erst sollte ich meiner eigentlichen Aufgabe nachkommen“, nahm Harry das Gespräch wieder auf.
„Unser Treffen ist also offiziell?“, keuchte Hermine mit weit aufgerissenen Augen.
„Der offizielle Teil ist eher ein Vorwand“, korrigierte Harry mit einem gequälten Lächeln, und schob ein kleines, weißes Pergament über den Tisch, aber noch hielt er schützend seine Hand darüber.
„Mir tut es Leid, dass ich mich nicht gemeldet habe, und am meisten tut es mir Leid, dass ich mich nie bei dir bedankt habe.“
„Bedankt?“ wunderte sich Hermine. „Wofür?“
„Dafür, dass du immer an meiner Seite warst.“
„In guten, wie in schlechten Zeiten“, lächelte Hermine. „Da gibt es nichts zu danken. Ich habe nie uneigennützig gehandelt.“
„Ohne dich hätte ich es nicht geschafft.“
„Ohne dich hätten wir es nicht geschafft!“, korrigierte Hermine mit Betonung auf das „wir“, und verdrehte ihre Augen. „Was hast du da?“
Mit ihrem Kinn deutete sie auf das Pergament, das nach wie vor verborgen unter Harrys Hand ruhte.
„Eine freudige Neuigkeit, die gestern hereingekommen ist…“
„Und die du dir nicht nehmen lassen wolltest, sie persönlich zu überbringen?“
Harry nickte zustimmend. „Unbedingt“.
Langsam lockerte er seine Hand, und schob das Papier näher zu Hermine.
Eine Reihe noch undefinierbarer Zahlen- und Buchstabenfolgen erfassten ihre Augen:
BA7311: 16.10 SYD – 06.35 LHR FRI 15
Amüsiert verfolgte Harry die Ratlosigkeit seiner Freundin.
„Immer wenn du ratlos bist, bildet sich hier ein Fältchen“, grinste er, und deutete auf eine bestimmte Stelle an ihrer Stirn. „Und habe ich je erwähnt, dass du dann zum anbeißen aussiehst.“
„Willst du mir etwa schmeicheln, oder mich nur dumm von der Seite anmachen?“
„Zum Anknabbern wenn du die Palme hochkletterst.“
„Aber wehe ich komme wieder zurück auf die Erde!“, fauchte Hermine, lächelte aber dabei. „Warum gelingt es dir immer wieder, mich zum Lachen zu bringen?“
„Vielleicht, weil deine Ansprüche sehr niedrig angesiedelt sind?“
„Harry?“, polterte Hermine ungeduldig. „Was um Himmels Willen ist das, und was soll ich damit?“
„Dieser Hinweis ist, wie schon gesagt, gestern im Ministerium eingetroffen“, erklärte Harry. „Glaub mir, ich habe zunächst genauso geschaut, wie du. Und Kingsley hatte auch keinen Plan, was bedeuten könnte. Ich hatte nur eine Vermutung…“.
„Und die wäre?“
„Diese Notiz steht im Zusammenhang mit deinen Eltern.“
„Mit … mit“, stammelte Hermine. „Eltern … Aber was bedeutet sie?“
Noch einmal hielt sich Hermine die Notiz vor Augen, doch sie kam keinen Schritt vorwärts.
„Initialen?“, überlegte sie. „BA … SYD … LHR …FRI?“
Planlos schüttelte sie ihren Kopf. „Hat nicht mit Susan und Paul Granger, oder Monika und Wendell Willkins zu tun…“
„Es war Dudley der sie entschlüsseln konnte“, erklärte Harry. „Wir konnten nichts damit anfangen, also könnte es vielleicht ein Muggel, so meine Überlegung.“
„Aber eigentlich sind wir Beide Muggel“, wunderte sich Hermine. „Wir sind beide unter Muggel aufgewachsen. Ich bin ein Schlammblut, hast du das vergessen?“
„Nein, habe ich nicht“, erwiderte Harry und berührte vorsichtig eine schlimme Erinnerung an Hermines Unterarm. Das grausam eingeritzte Wort „Schlammblut“.
Das Mädchen revanchierte sich, indem sie das unfreiwillige Tattoo ihres Freundes berührte: „Ich soll keine Lügen erzählen“
„Big D?“, hakte sie nach einigen schweigsamen Augenblicken nach.
„Ich erzähle dir bei Gelegenheit vom eigentlichen Wiedersehen“, winkte Harry ab. „Also, jedenfalls brauchte er nur wenige Augenblicke und einen Computer zur Bestätigung.“
„Harry!“, mahnte Hermine.
„BA7311 entspricht einem Flug mit British Airways Nummer 7311, Abflug 16.10 Uhr Sydney. Ankunft 06.35 Uhr London Heathrow am Freitag, den Fünfzehnten.“
„Freitag, der Fünfzehnte?“, wiederholte Hermine mit großen, zitternden Augen, gedanklich zählte sie mit ihren Fingern.
„Nächste Woche, Freitag“, unterbrach Harry. „Minerva hat bereits das Okay für ein freies Wochenende signalisiert, damit du deine Eltern in Empfang nehmen, und gleich etwas Zeit mit ihnen verbringen kannst.“
„Harry…“, Hermines Stimme zitterte. „Freitag … meine Eltern … so bald … ich … o mein Gott … was …. Wie … soll ich.“
„Wenn du es möchtest, werde ich dir zur Seite stehen…“
„Ob ich es möchte?“, wiederholte Hermine. „Ob ich es möchte. Ich bestehe darauf. O mein Gott, das stehe ich alleine nicht durch.“
„Du schaffst das“, sprach Harry ihr Mut zu, und umfasste besänftigend ihre feuchten Hände. „Wenn es Jemand schafft, dann du. Ich habe da keine Zweifel.“
„Aber es sind meine Eltern!“
„Alles wird gut. Du schaffst das“
Eine ganze Weile starrte Hermine ins Leere.
Harry gab ihr die Zeit, die sie benötigte, um wieder einigermaßen klar zu denken.
„Stehen noch Arbeiten in deinem Elternhaus an?“, fragte Harry nachdem die Zeit des Schweigens sehr lange wurde.
Langsam und in Gedanken vertieft schüttelte die junge Frau ihren Kopf.
„Habe ich alles letzten Sommer schon getan…“
Wieder starrte Harry in ihr Gesicht. Ihre Pupillen flatterten im schwachen Kerzenlicht.
Angeregt beobachtete Harry das Spiel der Pupillen, sah wie sie größer und im nächsten Augenblick kleiner, schmaler wurden.
„Ein kurzer Schwenk meines Zauberstabes sollte genügen, um den neuen Staub zu entfernen“, erwähnte sie und wirkte geistig abwesend.
Doch dann kehrte sie langsam und unverkennbar von einer gedanklichen Hausbesichtigung zurück. Das Flattern ihrer Augen fand ein Ende. Ihr Gesicht ging wieder nach oben.
„Das ist sie also“, erwähnte sie beiläufig, während sie leicht verträumt an ihrer Tasse Tee nippte, „die berühmte Höhle der Verliebten.“
Harry antwortete nicht, sondern blickte seinerseits nachdenklich, aber leicht verlegen durch die Räumlichkeit. Sie waren allein auf weiter Flur.
„Bist du es?“
„W-Was?“ fragte Harry überrascht, als hätte man ihn aus einem Traum gerissen.
„Verliebt?“ ergänzte Hermine. „Gibt es Jemand in deinem Leben?“
„Nein“, antwortete Harry und schüttelte seinen Kopf. „Seit dem Sommer glücklicher Single.“
„Glücklich?“, wiederholte Hermine fragend.
„Ich kann nicht behaupten, dass ich mich unglücklich fühle“.
„Aber fühlst du dich nicht Allein?“
„Allein, bin ich gelegentlich, wenn ich nach Hause komme, die meiste Zeit aber bin ich im Ministerium, und nicht selten treffe ich mich im Anschluss noch mit Kollegen in einem Irish Pub auf der Tottenham Court road.“
„Kollegen?“, wiederholte Hermine neugierig. „Oder Kolleg – in?“
Harry schenkte ihr einen herausfordernden Blick, und antwortete: „Beides - Warum?“
„Ach, nur so“, winkte Hermine ab, doch Harry lächelte heimlich.
„Willst du mir etwas andichten, oder bist du eifersüchtig?“
„Dazu habe ich kein Recht“.
Nach einem neuerlichen intensiven Blick, unter dem Hermines Augen abgesenkt blieben, wühlte er plötzlich in seiner Tasche und schob den Brief ihres eigentlichen Freundes über den Tisch.
„Das soll ich dir außerdem überbringen.“
Emotionslos starrte Hermine auf den weißen Umschlag.
„Bist – du – es?“, fragte Harry unterdessen.
„Vielleicht war ich es“, antwortete Hermine überraschend schnell.
„Vielleicht?“, wiederholte Harry. „Du weißt es nicht?“
Zu seiner Überraschung kramte Hermine ihren Zauberstab hervor und binnen weniger Sekunden entflammte der Umschlag und zerfiel zu Asche.
„Ich habe nicht nur von dir, seit dem Sommer nichts mehr gehört“, erklärte Hermine. „Und damit meine ich nicht den Tag meiner Rückkehr nach Hogwarts.“
Harry zeigte äußerliche Ruhe, aber in seinem Körper brodelte ein Vulkan.
„Wenn er mir etwas zu sagen hat, dann soll er es mir ins Gesicht sagen“. Auffordernd starrte sie dabei in Harrys Augen, und in seinem Kopf brannten Ginny Worte: Und du unterstützt dieses miese Spiel? Versuchte Hermine etwa genau diese Vermutung zu ergründen?
Hoffentlich würde sie die richtigen Schlüsse ziehen!
„Mich interessiert nicht, was in diesem Brief steht. Das hat für mich keine Bedeutung.“
Ihre Augen verharrten, und es war offensichtlich, dass noch ein weiteres Bedürfnis auf ihrer Seele lastete. „Übrigens danke ich dir, dass auch du mir so regelmäßig geschrieben hast.“
„Hermine, ich…“
Sie winkte ab.
„Du bist einfach verschwunden, und das nach so vielen Jahren. Von heute auf Morgen hast du alles vergessen, auch mich – vergessen?“
„Der Klügere gibt nach“, konterte Harry. „Es ist so gewesen, und ich kann das auch nicht rückgängig machen, doch … Warum hast du nicht einfach Papier und Feder in die Hand genommen?“
„Aus Enttäuschung?“, zuckte Hermine mit dem Oberkörper. „Was hast du seit dem Sommer getan, Harry? Wo bist du gewesen? Wie ist es dir ergangen?“
„Ich habe dich nicht vergessen“, schluckte Harry und zeigte ehrliche Traurigkeit. „Nie. Niemals. Aber du und Ron, zumindest dachte ich, ihr wärt glücklich. Das fünfte Rad darauf hatte ich keine Lust. Und zu alledem noch meine Trennung von Ginny, von der du sicher erfahren hast.“
„Inoffiziell“, erklärte Hermine. „Ich musste mir die Dinge zusammenreimen.“
„Ginny hat nie…?“
„Nein“, schüttelte Hermine ihren Kopf. „Sie hat nie etwas erwähnt. Es war mehr oder minder naheliegend … auch sie bekam nie Post.“ Erwartungsvoll schaute sie ihrem Freund ins Gesicht. „Und von dir konnte ich es nicht erfahren. Du warst verschwunden.“
Hermine hielt ihren Blick aufrecht. Ein Blick, den Harry nur zu gut kannte.
Gib mir Details, drückte er aus.
„Nichts dramatisches“, zuckte Harry leicht nervös, „…eigentlich nur eine Anreihung von belanglosen Dingen, die schließlich in Frust und der Beendigung unserer Beziehung mündete.“
„Ginny hat solange um dich gekämpft?“, wunderte sich Hermine. „Sie hat solange auf dich gewartet.“
„Vielleicht war genau das, der springende Punkt“, ergänzte Harry. „Sie wollte alles gleich und sofort, und ich wollte nicht tanzen, ich wollte zu den Dursleys, ich ging nicht zurück nach Hogwarts…“
„Verstehe“, unterbrach Hermine. „Die Zeit war abgelaufen. Du bist zu spät gekommen.“
„Ich bin eher daran vorbeigefahren und habe nie die Bremse betätigt. So habe ich mich immer weiter entfernt.“
Mit einem identischen Blick revanchierte er sich bei Hermine.
„Und du? Wann bist du gegangen?“
„Am Morgen danach“.
Harry fiel vor Schreck fast vom Stuhl.
„In der Nacht nach Freds Beisetzung wollte Ron etwas von mir, zu dem ich noch nicht bereit war. Er war beleidigt, gekränkt, oder was auch immer, und als er am nächsten Morgen nicht einmal mehr mit mir reden wollte, habe ich ihm in die Augen geschaut, mich umgedreht, ihn der Küche stehen lassen und bin disapariert. Im Gegensatz zu ihm, während der Horkruxjagd habe ich keine Schritte hinter mir gehört“
„Nimm das Flohnetzwerk“, sagte Harry nach einer weiteren schweigsamen Pause.
Fragend blickte Hermine auf.
„Nächsten Donnerstag“, erklärte Harry. „Godrics Hollow.“
„Du lebst im Haus deiner Eltern?“
„Ich habe zwar noch nicht alles restauriert, aber immerhin habe ich ein Dach über dem Kopf. Du solltest die Möglichkeit die ich dir anbiete nutzen.“
„Welche Möglichkeit meinst du?“
„Die letzte, sicherlich sehr lang werdenden Nacht nicht alleine verbringen zu müssen. Ich könnte dir Gesellschaft leisten, auch wenn ich diese Ehre nicht verdient habe.“
„Rede keinen Unsinn, Harry“
„Ich mein das ernst“, erwiderte Harry. „Ich bin für dich da. Ich werde immer für dich da sein.“
„Dein Vortrag vorhin war sehr beeindruckend, weißt du das?“, überging sie die letzte Bemerkung.
„Es war nur die Wahrheit“.
„Wie hast du wirklich gelernt mit den Träumen umzugehen?“, fragte Hermine vorsichtig.
„Im Großen und Ganzen sind es immer die gleichen Träume. Du lernst oder kennst den Verlauf. Somit kannst du ihn beeinflussen. Bei einem neuen oder unbekannten Traum ist das aber anders.“
„Das hast du vorhin schon erklärt, und das habe ich auch verstanden, aber du hast auch gesagt, dass man sich ablenken muss, nur wie tut man das? Wie hast du dich abgelenkt?“
„Man konzentriert sich auf ein Ziel, oder eine Person.“
„Während eines Traumes?“
„Nicht während, sondern danach“, erklärte Harry. „Der Traum an sich ist schon schlimm, doch er ist noch lange nicht vorbei, auch wenn du glaubst wach zu sein. Er verfolgt dich in deinen Gedanken, wird zu Tagträumen. Diese Zeit musst du zur Ablenkung nutzen.“
Mit unergründlichen Augen verfolgte Hermine seine Schilderung, den Grundsatz schien sie zu verstehen, doch sie war längst ein Schritt weiter, als Harry vermutete.
„Hast du sie auch?“, fragte Harry, bevor er bemerkte, auf was seine Freundin hinaus wollte. „Diese Träume?“
Hermines unveränderter Blick brachte die Erleuchtung, und so atmete er tief durch. Die Frage war also nicht nach dem Wie, sondern durch was er sich Ablenkung verschaffte. „Ich suchte deine Nähe.“
„M … m … meine Nähe“, stammelte Hermine.
„Dich zu sehen. Mit dir zu reden, egal über was. Da war immer das Vertrauen, das ich benötigte, und das seit dem ersten Tag.“
„Da hattest du schon die Träume?“, unterbrach Hermine überrascht.
Ja“, bestätigte Harry. „Doch in diesen Träumen spielten andere Dinge eine Hauptrolle: Seltsame Wesen, Schlangen, Blitze, grelle, bunte, blitzende Lichter, oder Dudley. Voldemort kam erst viel später – Dich zu sehen half mir zu vergessen. Zumindest bis zum nächsten Traum. Und daran hat sich bis heute nichts verändert.“
„Dann hast du sie also immer noch?“
„Ja“, bestätigte Harry erneut. „Nicht mehr so intensiv, wie früher. Aber sie kommen immer wieder. Manchmal zeigen sie mir, was hätte geschehen können, wenn ich versagt hätte. Ein anderes Mal stellen sie mich vor ein noch größeres Problem. In ihnen verliere ich euch alle. Vor allem Dich.“
Harry lächelte gequält. „Doch kommen wir zu etwas Anderem. Ginny hat nie über mich gesprochen?“
„Nein“, bestätigte Hermine. „Nie. Nicht ein Wort.“
„Auch nicht über Ron?“
Hermine schüttelte den Kopf. „Gelegentlich, bei Dingen, die unweigerlich mit dir in Verbindung stehen, hatte ich das Gefühl, dass sie schon gerne über dich gesprochen hätte, doch dann sah sie mich sehr seltsam an. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich behaupten, sie…“
„…würde in dir eine Konkurrentin sehen?“, ergänzte Harry. „Sie hat auch mir gegenüber eine solche Andeutung gemacht.“
Hermine blickte auf.
„Vorhin, in der großen Halle“, erklärte Harry. „Nach meinem Vortrag ging sie mir noch aus dem Weg, aber an unserem Tisch war es unvermeidbar. Sie ist verbittert, und es kam mir vor, als würde sie nur eine Bestätigung dafür wollen, dass wir Beide…“, Harrys Finger wanderten zwischen ihm und Hermine hin und her.
„Liebst du sie noch?“, fragte Hermine ungeniert.
Harry schluckte. „Es ist nicht die Liebe, die ich empfinden müsste, um behaupten zu können: Sie ist die Frau, mit der ich mir vorstellen könnte, alt zu werden. Die Zeit der Trennung brachte mir diese Erkenntnis. Mir fehlt das Vertrauen.“
„Ginny war immer für dich da“, verteidigte Hermine ihre Freundin. „Sie hätte, und hat alles für dich getan, sie war immer auf deiner Seite…“
„…im Gegensatz zu dir, meinst du?“, unterbrach Harry. „Warum vergleichst du dich mit ihr?“
„So, wie du gerade Ginny beschrieben hast, müsstest du auch mich lieben.“
„Ich habe nie behauptet, dass ich das nicht tue?“, antwortete Harry, sehr zu Hermines Überraschung.
„Aber ich war nicht immer auf deiner Seite?“
„Bist du dir da sicher?“
„Ich … denke schon?“, antwortete Hermine vorsichtig.
„Du warst auf meiner Seite“, erwiderte Harry. „Glaub mir. Immer! Auch wenn du dir das selber nicht eingestehst, und vielleicht war es genau das, was ich an dir schätzen gelernt habe. Du hast mich geführt, und du hast mir gezeigt, dass ich noch viel lernen muss. Du hast immer offen deine Meinung geäußert, auch wenn sie mit der Meinigen im Widerspruch stand. Nur der Halbblutprinz ließ dich eigene Interessen verfolgen.“
„Ich bin verwirrt, Harry“, wisperte Hermine. „Ich bin sogar sehr verwirrt. Lass uns daher an dieser Stelle abbrechen, und irgendwann fortsetzen, wenn sich die Verwirrung in Erkenntnis wandelt.“
Auf dem Rückweg zum Schloss traute sich Hermine eine weitere Frage zu stellen. „Du hast mir von Ron lediglich den Brief gegeben, aber nichts von ihm erzählt. Ist das ehrenhaft, weil du mich vor etwas schützen willst, oder…?“
„Ich kann nicht über etwas sprechen, von dem ich nur eine Andeutung gehört habe…“, unterbrach Harry.
„Also um mich zu schützen“, nickte Hermine, bevor Harry den Satz zu Ende bringen konnte.
„Ron kam vor wenigen Tagen zu mir ins Ministerium. Es war das erste Mal seit dem Sommer, dass wir uns gegenüberstanden, seither hatte ich nichts mehr gehört, und auch dieses Mal fielen nur sehr wenige Worte, er hat mir nicht gesagt, warum, und ich habe nicht nachgefragt. Lediglich Ginny hat vorhin eine Bemerkung fallen lassen, über die ich aber nicht urteilen möchte, weil ich nur Ginnys Version kenne.“
„Danke Harry für deine Ehrlichkeit“, nickte Hermine. „Ich weiß jetzt, was ich als Erstes tun muss.“
„Du wirst mit Ginny reden“.
Eine Erkenntnis, keine Frage.
„Über Ron“, nickte Hermine. „Aber auch über dich.“


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