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Fanfiction

Avada Kedavra - Das erste Gespräch

von Schlickschlupf

Ginnys braune Augen schweiften über den Garten des Klosters. Sie hatten hier Gemüsebeete angelegt, weil nicht ständig jemand die Insel verlassen konnte, um nach Nahrung zu suchen. Das war viel zu gefährlich; zumindest laut den Erwachsenen.
Ginny verdrehte innerlich die Augen, immerhin war sie längst selbst erwachsen und wurde immer noch wie ein kleines Kind behandelt, als sie endlich den braunen Haarschopf entdeckte, nach dem sie gesucht hatte. Sein Anblick war durch das Glas leicht verschwommen, doch es handelte sich zweifellos um Neville, der in einem der Gewächshäuser kniete. Mit ein paar Sprüngen setzte Ginny über die Gemüsebeete hinweg und betrat schließlich das Glashaus. Die Luft war hier viel wärmer als draußen und fühlte sich feucht an.

„Hey“, sagte Neville und blickte auf.
„Hey“, erwiderte Ginny und zweifelte kurz an ihrer Entschlossenheit.
Wollte sie wirklich der Auslöser dafür sein? Doch das Gespräch, das gestern stattgefunden hatte, hatte in ihr nur noch mehr den Wunsch geweckt, etwas zu tun. Was dort draußen passierte, war schrecklich! Und nun von dieser Hinrichtung zu erfahren...
Für einen kurzen Augenblick nagte sie an ihrer Unterlippe und schüttelte langsam den Kopf.
„Wir müssen reden!“
Neville legte die kleine Schaufel beiseite, die er in der Hand gehalten hatte und setzte sich auf den Randstein, der das Beet vom Weg abtrennte. Mit einer Handbewegung bedeutete er Ginny, dasselbe zu tun.
Ein Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus, wie sie da auf den niedrigen Steinen saßen und Neville, der nicht die geringste Ahnung hatte, worum es ging, blinzelte verwirrt.
„Du wolltest mit mir reden?“, fragte er schließlich, als Ginny keine Anstalten machte, etwas zu sagen.
„Ja, warte noch“, gab die Rothaarige zurück und drehte sich ungeduldig um.
Neville zog die Augenbrauen zusammen und musterte erst den Eingang des Gewächshauses, dann Ginny und schließlich wieder den Eingang, als dort eine zweite Gestalt auftauchte.
Das lange blonde Haar zu einem lockeren Zopf gebunden, betrat Luna das Gewächshaus und setzte sich, ganz beiläufig und verträumt, neben Ginny.
„Wieso habt ihr keine Lenkpflaumen angebaut?“, fragte sie nachdenklich und Ginny beschloss, diese Frage zu übergehen.
„Wir haben nachgedacht, Neville“, sagte sie geschäftsmäßig ernst und zog damit sogar Lunas Aufmerksamkeit in ihren Bann, „Und es wäre vielleicht keine schlechte Idee, langsam wieder damit anzufangen... Ein Zeichen von Dumbledores Armee. Ich meine, George verlässt regelmäßig die Insel und keiner weiß wirklich, was er da tut. Wieso sollten wir nicht auch versuchen, was zu unternehmen?“
Luna nickte zustimmend und Ginny, wieder voller Zweifel, kaute erneut auf ihrer Lippe. Sie wollte etwas tun, die Insel verlassen und nicht länger herum sitzen, doch wieso hatte sie ein schlechtes Gewissen, wenn sie dabei Neville um Hilfe bat? Sie hatten ein Jahr lang zusammen gegen die Todesser angekämpft, was hielt sie davon ab? Was übersah sie dabei?

Neville wirkte überrascht und schüttelte so schnell den Kopf, dass die braunen Haare nur so flogen. Ginny glaubte, in seinen Augen sogar so etwas wie Verlegenheit aufblitzen zu sehen. Doch wieso sollte er sich schuldig fühlen? Das ergab alles keinen Sinn. Sie hatte plötzlich das Gefühl, so viele Dinge nicht zu verstehen. Für einen Augenblick fühlte sich Ginny wirklich wie das Kind, das aus allem heraus gehalten wurde. Doch das wollte sie nicht sein! Diese Zeiten waren schon lange vorbei.
„Wieso nicht?“, hakte Ginny stur nach.
„Wieso braucht ihr mich dazu?“, fragte Neville misstrauisch.
„Ihr wart unsere Anführer im letzten Jahr“, ergriff Luna schließlich das Wort und musterte erst Ginny und dann Neville.
„Wir drei waren die Anführer“, korrigierte Ginny rasch, weil Luna sich wie üblich außen vor gelassen hatte, „Aber Neville mehr als wir.“
„Nein“, erwiderte Neville empört, „Ich hab nur die Vertretung gemacht, oder? Es war ne Notlage, es war sonst keiner da – die DA haben nicht wir gegründet! Harry ist der Anführer!“
Ginny hob erschrocken den Kopf. Sie wirkte, als hätte er ihr gerade eine deftige Ohrfeige verpasst.
Neville beobachtete überrumpelt, wie sie sich langsam, wie in Trance, erhob und dann, ohne ein weiteres Wort, völlig zerstreut das Gewächshaus verließ. Er starrte ihr nach, bis der rote Haarschopf durch das verschwommene Glas nicht mehr zu erkennen war und drehte sich dann verwirrt zu Luna um, die ihn schon mit einem vorwurfsvollen Blick erwartete.
„Du hättest ihn nicht erwähnen dürfen“, stellte sie beiläufig fest und blinzelte mit ihren großen Augen.
Neville spürte, wie sich ein dumpfes Gefühl in seiner Magengegend ausbreitete. Er wusste, was Luna meinte.
„Soll ich jetzt nie wieder 'Harry' sagen?“
„Du kannst schon noch 'Harry' sagen, aber Ginny mag das nicht hören“, erwiderte Luna nüchtern und nicht so, als ob sie sich gerade über die Gefühlslage ihrer Freunde unterhielten.
„Es würde zu Verwirrungen führen, wenn ich 'du-weißt-schon-wer' sage, sobald Ginny dabei ist, oder?“, gab Neville barsch zurück und Luna nickte.
„Ja, ich denke, das wäre merkwürdig.“

*


Harry saß im Dunkeln. Doch im Gegensatz zu den Wochen zuvor starrte er nicht trübsinnig an eine Wand, die er eigentlich gar nicht sah. Und im Gegensatz zu vorher drehten sich seine Gedanken nicht um Tod und Schuld. Jedenfalls nicht ausschließlich. Der Gedanke an seine Schuldgefühle war längst ein ständiger Begleiter geworden, als ob ihn sein persönlicher Grimm verfolgte.
Doch Harry dachte über den Widerstand nach und über eine Motivation, die nach den Verlusten schon beinahe in Vergessenheit geraten war.

Er erinnerte sich an das fünfte Schuljahr und an Umbridge (wobei ihm immer noch übel wurde). Damals hatten sie ihre erste Widerstandsorganisation gegründet; eine simple Lerngruppe, die DA. Und damals hatten sie nie ernsthaft vorgehabt, Umbridge zu vertreiben oder gegen das Ministerium zu kämpfen, weil sie keine Chance gehabt hatten, etwas zu ändern.
Harry fragte sich missmutig, ob sich diese Situation irgendwie auf ihre Jetzige übertragen ließ. Schön, es war ein paar Nummern größer, aber im Grunde gab es keine großen Unterschiede im Prinzip, oder?

Er wagte es kaum, seinen Gedanken zu fassen, geschweige denn Ron und Hermine gegenüber zu äußern. Es war Wahnsinn und spräche gegen sämtliche Entschlüsse, die er zuvor gefasst hatte. Niemanden mehr in Gefahr zu bringen, Ron und Hermine aus dem Schussfeld zu halten. Vielleicht sollten sie doch noch einmal darüber sprechen. Nagini und Voldemort waren so weit entfernt, so unmöglich zu erreichen, dass ihre Planungen diesbezüglich immer ins Nichts verliefen. Es hatte keinen Sinn, darüber zu reden.
Doch ein Gedanke ließ Harry nicht los: Sie konnten im Augenblick vielleicht nichts gegen das aktuelle Regime unternehmen – doch sie konnten es ihnen so schwer wie möglich machen!

Harry sprang auf und schob das Buch beiseite, das er als Alibi zu sich her gezogen hatte.
Hermine kam oft in die Bibliothek, doch wenn sie nicht hier war, gab dieses Haus einen ziemlich guten Rückzugsort ab. Hier kam selten jemand her und wenn, dann aus ähnlichen Gründen wie Harry. Um der Enge in den Wohnräumen, auf dem Gelände und im Speiseraum zu entkommen.
Den alten Stuhl, auf dem er gesessen hatte, schob er zurück an den Schreibtisch und durchquerte den Raum, um auch die Vorhänge zu öffnen. Für einen kurzen Augenblick musste er blinzeln; draußen war es Mittag und das grelle Licht, das nun in den Raum strömte, blendete ihn. Lesend im Dunkeln zu sitzen war ein Widerspruch an sich, doch darum, wie wasserdicht sein Alibi war, kümmerte sich Harry nicht weiter. Um Zeit allein zu verbringen, brauchte er mittlerweile keine Ausreden mehr.
Er wandte dem Fenster, von dem aus man den Garten und ein paar ferne Bäume sehen konnte, den Rücken zu.

Das Büchergebäude glich eher einem flachen Turm. Es bestand im Grunde pro Etage nur aus einem großen Raum und einem kleinen Treppenhaus, das sich allerdings über vier Stockwerke erstreckte. Ein Dachgeschoss und drei Stockwerke voller Bücher, die Hermine allesamt gelesen hatte. Zumindest kam es Harry manchmal so vor.
Er betrat die Holztreppe, die von hier aus nur noch unters Dach führte und machte sich auf den Weg nach unten.
Umbridge, die pinke Kröte, hatte sich fest in seinen Gedanken festgesetzt und trieb ihn weiter an. Sie und diese Idee waren etwas, woran man sich festhalten konnte. Etwas, das als Grundlage dienen konnte. Mehr, als sie in den letzten Wochen gehabt hatten. Nur, weil man keine Chancen hatte, war das noch lange kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken! Das war doch die Motivation gewesen, unter der sie die DA gegründet hatten!
Als er den Fuß gerade auf die nächste Treppe setzen wollte, hörte er aus dem Leseraum ein Geräusch und dann das Blättern von Seiten.
Überrascht wandte Harry sich von der Treppe ab und folgte seinem Gehör.
„Hermine?“, fragte er in die plötzliche Stille hinein und ging an den Regalreihen entlang.
In jede Reihe warf er einen Blick und schließlich erkannte er jemanden. Doch es war nicht Hermine, die dort an einem kleinen Tisch saß und wie versteinert auf ein Buch starrte.
„Ginny!“, stellte Harry fest und sofort fing sein Herz an zu rasen.
Die Angesprochene hob eine Hand, um sich die roten Haare aus dem Gesicht zu streichen, als sie aufblickte. Sie wirkte erschrocken und war so schön wie immer, wenn er sie sah.
„Oh, hi“, antwortete Ginny schließlich tonlos und ihr Blick verfinsterte sich.
Fast sofort spürte Harry, wie sich sein Magen verkrampfte. Doch entgegen dem Drang, zu gehen, verharrte er auf der Stelle. Hermine hatte ihm mehrmals gesagt, er solle mit Ginny sprechen und obwohl sich alles in ihm dagegen sträubte, fragte er sich, wann es ihm je schlecht getan hatte, auf Hermines Rat zu hören? Sie war immerhin, wie Ron schon früher festgestellt hatte, ein Mädchen!
„Was willst du?“, fragte sie barsch, nachdem ein paar Sekunden verstrichen waren, in denen Harry keine Anstalten gemacht hatte, überhaupt etwas zu sagen.
Der neu entdeckte Tatendrang, den er vorhin noch empfunden hatte, war nun größtenteils verflogen. Was sollte er jetzt tun? Mit Ginny reden? In Panik ausbrechen erschien ihm die bessere Alternative!
„Ähm“, sagte Harry und fuhr sich mit der Hand über die Stirn.
Okay, Konzentration.
Er atmete tief ein und wieder aus, um in einem möglichst intelligenten Satz auszudrücken, was er eigentlich sagen wollte: „Hermine sagt, ich soll mit dir reden.“
Er hatte das Gefühl, Ginny war kurz davor, den Wälzer auf dem Tisch nach ihm zu werfen. Er hätte schwören können, dass ihre Hand für einen kurzen Augenblick gezuckt hatte.
„Ach, sagt sie das?“, sagte Ginny gefährlich leise, „Ich erlöse dich von der Pflicht! Aber schön, dass du überhaupt wieder redest.“
„Das hab ich so nicht gemeint.“
„Wie sonst?“, fragte sie gereizt.
„Ich wollte dir nicht auf die Pelle rücken!“, sagte er und verzog schmerzhaft das Gesicht.
Er wollte es auch jetzt nicht tun. Ihr noch mehr Leid zufügen, als er es ohnehin schon getan hatte, denn das Ergebnis blieb dasselbe.
Harrys Stimme klang seltsam, irgendetwas schien ihm die Kehle zuzuschnüren, während er ergänzte: „Ich versteh, dass du mir die Schuld an Freds Tod gibst, darum...“.
Ginny starrte ihn schockiert an und vergaß sogar für einen Moment, so zu tun, als ob sie diese ganze Unterhaltung gar nicht interessierte.
„Tut mir Leid!“, sagte Harry schnell und wollte sich schon abwenden. Diese Reaktion bestätigte doch jede seiner Vermutungen.
Er brauchte Freds Tod nur anzusprechen und es war, als ob er ihr einen Peitschenhieb damit versetzte und alle Erinnerungen an die Schlacht beschwor, die damit einhergingen. Harry spürte wieder die Last der Schuld, die ihn seitdem beinahe täglich erdrückte.

„Wart mal“, keuchte Ginny und zog die Augenbrauen zusammen, „Du glaubst wirklich...? Bist du bescheuert?“.
Harry öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Was sollte das nun heißen? Na ja, abgesehen von dem letzten Teil mit der Frage, denn der war ja ziemlich offensichtlich.
„Du kannst nicht wirklich glauben, dass ich dir die Schuld an dem gebe, was da passiert ist, oder?“, zischte Ginny und drehte sich auf dem Stuhl zur Seite, sodass sie frontal Harry gegenüber saß, „DU IDIOT!“, ergänzte sie mit einem Schrei.
Harry starrte sie perplex an.
„Aber du hast mich danach gemieden und...“, erwiderte er und wusste schon im selben Augenblick, dass das Argument dämlich war.
„HAST DU ETWA MIT MIR GEREDET?“, schrie sie wütend, „Wir hatten alle einen Schock, oder? Manche haben jetzt noch nicht begriffen, was eigentlich passiert ist!“
Das war in etwa das, was Ron ihm schon an den Kopf geworfen hatte. Dass, nur weil er sich die Schuld an allem gab, das noch lange nicht hieß, dass jeder so dachte. Hatte Ron damit Recht gehabt? Machte Harry in Wirklichkeit niemand dafür verantwortlich, obwohl er es gewesen war, der es hätte verhindern können?
Es hätte alles so anders kommen können. Es hätte! Ein bisschen mehr Rücksicht seinerseits, ein besserer Plan – einen, der verhinderte, dass so viele andere mit in diesem Kampf gezogen wurden. Wären sie mit mehr Bedacht vorgegangen... Hätte. Wären. Können. Sinnlose Gedankenspiele.
„Ich hab alle zur Schlacht aufgerufen“, sagte Harry mit belegter Stimme und ließ sich auf den nächsten Stuhl fallen, „Wenn ich früher in den Wald gegangen wäre...“
Ginny senkte den Kopf wieder über das Buch, das auf dem Tisch vor ihr lag. Harry konnte ihr Gesicht nicht mehr sehen, weil die roten Haare wie ein Vorhang davor gefallen waren, doch als sie sprach, zitterte ihre Stimme.
„Keiner gibt dir die Schuld dran, Harry.“

Es war das erste Mal, dass sie seinen Namen wieder ausgesprochen hatte. Harry spürte, wie seine Hände zitterten.
Er nickte langsam, was Ginny natürlich nicht sehen konnte und erhob sich wieder. Er wollte alleine sein; der Gedanke an Umbridge und an Widerstand gegen die Todesser war fürs Erste erloschen. Er hatte eine völlig neue Nachricht zu verdauen.
Ron und Hermine hatten schon oft versucht, ihm das klar zu machen, doch es war etwas Anderes, wenn Ginny das sagte. Harry hatte das Gefühl, dass nun nicht nur sein Hals sondern der gesamte Oberkörper eingeschnürt wurde. Herz, Lunge, Bauch, alles schien zu schmerzen.
Er drehte sich schwer atmend um, und ging wieder an den Regalreihen vorbei in Richtung Treppenhaus. Er musste hier weg! Harry spürte ein Brennen in seinen Augen und zu all diesen Gefühlen, die so plötzlich auf ihn einströmten, dass ihm übel davon wurde, gesellte sich nun auch die Scham. Was hatte er sich eigentlich eingebildet? Welches seiner Gefühle in den letzten Monaten entsprach überhaupt noch der Wirklichkeit? Oder träumte er jetzt und blendete die Realität aus? Und stets, unter jeder seiner Entscheidungen, musste mindestens ein Mensch leiden. Selbst jetzt noch.
„Heißt das, du hast dich nur von mir fern gehalten, weil du mich nicht an Fred erinnern...?“, rief Ginny ihm mit bebender Stimme nach, die schließlich abbrach und erstarb.

*


Sie starrte noch immer dieselbe Buchseite an und stellte erschrocken fest, dass sie mit dunklen Punkten gesprenkelt war. Mit zitternder Hand ließ Ginny einen Finger über das alte Blatt gleiten. Es fühlte sich feucht an. Weitere dunkle Flecken erschienen, gesellten sich in unregelmäßigen Abständen zu den anderen und mit Panik stellte sie fest, dass sie weinte.
Wann hatte sie das letzte Mal geweint? In ihrer Kindheit?
Energisch versuchte sie, die Tränen mit dem Ärmel ihres Pullovers wegzuwischen und hasste sich selbst dafür, so schwach zu sein. Seit sie ihn damals erblickt hatte, seinen toten Körper in Hagrids Armen, war etwas in ihr zerbrochen. Das wusste sie und das spürte sie täglich.
„Ja... und wegen ihm“, ertönte plötzlich seine matte Stimme neben ihr.
Ginny drehte sich erschrocken um und starrte Harry durch einen Tränenschleier an. Sie hatte geglaubt, er sei gegangen. Völlig verdattert versuchte sie, ihr Gesicht wieder halbwegs in Ordnung zu bringen, während Harry sich wieder auf den Stuhl setzte, als sei nichts gewesen.
„Er glaubt, du bist...“, sagte Ginny und versuchte, das Schluchzen zu unterdrücken, das ihr gerade die Kehle blockierte.
„Er wird es irgendwann erfahren“, erwiderte Harry und auch seine Stimme klang belegt.
War das möglich? Ginny konnte kaum begreifen, dass jemand, der so viel Leid erduldet hatte, noch solchen Schmerz empfand, wenn es um einfache Dinge wie... Freundschaften ging. Bedeutete das, er würde sie noch lieben, wenn Voldemort nicht wäre?
Sie wagte es kaum, diese Frage zu stellen. Oder sich Gedanken darüber zu machen, was seine Andeutung bedeuten mochte, dass Voldemort irgendwann von ihm erfahren würde. Das musste er nicht. Harry könnte für immer hier bleiben! Ginny wusste, wie kindisch dieser Wunsch war, doch da sie sich gerade die Blöße gab, zu weinen, wollte sie sich auch diesen Gedanken noch gestatten. Wenigstens diesen einen.
„Es tut mir leid, ich dachte wirklich, du... du verzeihst mir nicht, was bei der Schlacht passiert ist“, murmelte Harry betreten.
Eine Sache würde sie ihm gewiss nicht verzeihen, doch das wollte Ginny nicht aussprechen. Nicht jetzt, denn schon wieder spürte sie, wie das Brennen in ihre Augen zurückkehrte. Sie würde ihm niemals verzeihen, dass er in den Wald gegangen war, ohne sich zu verabschieden. Sie hätte ihn aufgehalten! Sie hätte niemals zugelassen, dass er sich Voldemort vor die Füße warf.

Ginny schüttelte nur den Kopf, denn zu mehr war sie nicht imstande. Sie konnte sich doch selbst kaum daran erinnern, wie es eigentlich dazu gekommen war, dass sie sich aus dem Weg gingen. Eine kindische Reaktion.
Sie hatte sich in den ersten Wochen wahrscheinlich genauso wie Harry verhalten. Sie hatte um Fred getrauert, sie hatte einen Schock erlitten, sie wusste nicht, wohin mit ihren Gedanken und ihrer Verzweiflung... und irgendwann war da Harry gewesen, der schnell den Blick abgewandt hatte. Und wie hätte Ginny ihm da nicht glauben können? Dass er sie je gewollt hatte, war für sie von Anfang an kaum begreiflich gewesen. Sie, die ihren Ellbogen schon bei seinem Blick in die Butterschale gesetzt hatte und kaum fähig gewesen war, einen Ton hervor zu bringen. Rons kleine Schwester, das war sie doch, oder?
Mehr denn je fühlte sich Ginny wie ein kleines Kind, das wenig konnte und noch weniger begriff.
„Ich wollte dich hassen“, nuschelte Ginny schließlich mit rauer Stimme, „Hat aber nicht geklappt. Hat es damals schon nicht, als du nach Dumbledores Beerdigung gegangen bist.“
Sie sah, wie Harry das Gesicht verzog und wusste in diesem Augenblick, dass es ihm genauso ging. Dass er auch darunter litt. Wieso unterhielten sie sich eigentlich noch? Sie zweifelte keine Sekunde mehr an Harry und damit war nun doch alles klar, oder?
„Es geht nicht...“, sagte Harry nur kopfschüttelnd, als hätte er ihre Gedanken gelesen und stemmte die Hände auf die Lehnen seines Stuhls, um wieder aufzustehen.
„Weil es mich in Gefahr bringen würde, wenn jemand davon erfährt?“, erwiderte Ginny. Zufrieden stellte sie fest, dass ihre Stimme wieder fester klang. „Er würde jetzt jeden von uns einfach töten, wenn er uns nur in die Finger kriegen könnte!“
„Nein, es ist sicherer so.“
Harry versuchte, entschlossen zu klingen, doch in seinem Blick konnte Ginny Zweifel erkennen. Sie nickte nur, weil sie nicht mehr die Kraft hatte, zu widersprechen. Sie konzentrierte sich darauf, zu atmen. Ruhig und gleichmäßig, um gegen die Tränen anzukämpfen, die wieder in ihr aufsteigen wollten.

Das war doch eine Entscheidung, die sie schon vor Jahren akzeptiert hatte – und doch, sie würde sie kippen, wenn sie nur könnte. Welchen Sinn hatte das alles sonst? Harry wäre damals beinahe gestorben und sie wusste, dass die Karten schlecht standen, da lebend raus zu kommen. Für jeden von ihnen.
Schweigend starrte sie ihn an. Und mit einem letzten Blick verabschiedete sich Harry von ihr, doch Ginny glaubte, in seinen grünen Augen dieses Mal so etwas wie Sehnsucht erkannt zu haben. Gleichzeitig hatte sie sich schon lange nicht mehr so leer gefühlt.


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