von Hauself
Als Harry am nächsten Morgen zum Frühstück erschien, saßen Ron und Hermine bereits am Gryffindortisch. „Die neuen Stundenpläne sind da“, begrüßte Ron ihn ziemlich missmutig. Harry nahm den Zettel entgegen und nach einem kurzen Blick auf den heutigen Tag stöhnte er unterdrückt auf. „Eine Doppelstunde Zaubertränke und danach eine Doppelstunde Verteidigung gegen die Dunkeln Künste. Vier Stunden Snape und vier Stunden Slytherin! Was kann grauenvoller sein?“ Selbst Hermine war nicht erbaut von ihrem neuen Stundenplan. „Am Freitag ist es auch nicht besser. Allerdings haben wir zwischen Zaubertränke und Verteidigung gegen die Dunklen Künste zwei Stunden Verwandlung.“ „Das bedeutet nur einen kurzen Aufschub der Quälerei“, murrte Ron und schob seinen noch fast vollen Teller beiseite. „Bei solchen Stunden kann einem echt der Appetit vergehen.“ Doch dann hellte sich sein Gesicht auf. „Hey, ich habe ja auf deinen Plan geschaut, Harry! Ich hab doch Zaubertränke abgewählt.“ Und als ob ihn plötzlich der Hunger wieder gepackt hatte, häufte er sich seinen Teller noch voller und begann zu essen. Harry und Hermine sahen sich indes schlecht gelaunt an.
Zaubertränke war an sich schon ein grausames Fach, wenn jemand wie Snape es unterrichtete, aber ohne Ron schien alles überhaupt nicht mal annähernd erträglich.
Nach und nach leerte sich die Große Halle, so machten sich auch Harry und Hermine auf den Weg. Sie ließen einen gut gelaunten Ron zurück, der nun die ersten beiden Stunden keinen Unterricht hatte. Wie üblich suchten sich Harry und Hermine Plätze, die so weit wie möglich von Snape entfernt waren. Harry blickte sich im Klassenraum um. Es schien so, als ob einige Schüler es genutzt hätten, dass man Zaubertränke im letzten Schuljahr abwählen konnte. Selbst Neville, der von Snape immer besonders schikaniert worden war, war nicht mehr dort und Harry beneidete ihn heimlich. Vier Stunden in der Woche, die er Snape nicht hätte ertragen müssen. Aber als Auror musste man sich mit Zaubertränken auskennen. Warum jedoch Hermine weiterhin Zaubertränke auf ihrem Stundenplan stehen hatte, war ihm schleierhaft. Doch andererseits hatte sie weder ihn noch Ron in ihre Pläne nach der Schule eingeweiht. Vielleicht brauchte auch sie dieses Fach für den Beruf, für den sie sich entschieden hatte.
In diesem Moment betrat Snape den Raum, schlug die Tür zu und ging mit großen Schritten auf sein Pult zu. Wie jeder andere Lehrer es in den ersten Stunden eines neuen Schuljahres tat, hielt auch Snape einen Vortrag darüber, dass sie sich dieses Jahr ganz besonders anstrengen mussten, gerade weil es ihr letztes war. Er sprach darüber, was er von ihnen erwartete und betonte, dass er keine andere Note tolerierte als „Ohnegleichen“. Harry war erleichtert, dass Snape ihn kein einziges Mal mit seinem stechenden Blick ansah. „Vielleicht zieht er es dieses Jahr vor, mich vollkommen zu ignorieren“, wünschte sich Harry still. Doch als sie zehn Minuten später dabei waren, einen komplizierten Trank zu brauen, erwischte Snape Harry dabei, wie er eine Zutat in seinen Kessel warf, die erst viel später dazukommen sollte. Wie nicht anders erwartet, zog Snape Gryffindor fünf Punkte ab. Harrys Mitschüler stöhnten leise, doch die Slytherins grinsten hämisch. Malfoy warf ihm einen gehässigen Blick zu, doch Hermine drückte unter dem Tisch verstohlen Harrys Hand, sodass er sich schweigend seinem Trank zuwendete.
Nachdem die beiden zwei furchtbar lange Stunden Snape hinter sich gebracht hatten, trafen sie wieder auf Ron, um sich gemeinsam zu Verteidigung gegen die Dunklen Künste aufzumachen. Harry bemerkte, wie Ron Hermine des öfteren verstohlene Blicke zuwarf und wenn er mal nicht hinschaute, sah Hermine ihn aus den Augenwinkeln heraus an. Harry schüttelte den Kopf. Was sollte das nun schon wieder? Absichtlich setzte Harry sich im Klassenzimmer so, dass Ron und Hermine nebeneinander sitzen mussten. Während Snape anfing darüber zu reden, welche Themen sie in ihrem letzten Jahr durchnehmen mussten, schielte Harry zu seinen beiden Freunden hinüber. Ron zappelte auf seinem Stuhl hin und her. Jedes Mal, wenn er dabei Hermine am Arm oder an der Hand berührte, zuckten beide unwillkürlich zurück und lächelten sich verlegen an. Harry musste grinsen. „Nun, Mr. Potter, was habe ich gerade eben gesagt?“ Snape stand vor ihm und schlug mit seinem Zauberstab in seine offene Hand, um seine Ungeduld zu unterstreichen. „Tut mir leid, Sir. Ich weiß es nicht. Ich habe nicht zugehört.“ Harrys Stimme klang weit weniger gefestigt, als sie es hätte sein sollen. „Anscheinend scheint es für Sie weitaus interessanter zu sein, Mr. Weasleys und Miss Grangers geturtel zuzuschauen, als meinem Unterricht zu folgen“, zischte Snape. Die Slytherins brachen in Gelächter aus, Ron und Hermine wurden rot. Die übrigen Schüler stöhnten auf, als Snape Harry weitere fünf Punkte abzog.
Nach einer Stunde Pflege magischer Geschöpfe, in der Hagrid die drei Freunde freudestrahlend begrüßte, war Mittagspause. Ginny hatte sich zu den dreien gesellt und plauderte munter drauf los. Harry war genervt von seinen ersten Schulstunden, ließ sich vor seiner Freundin aber nichts anmerken. Ron und Hermine bekamen anscheinend gar nichts mit. Sie waren zu sehr damit beschäftigt, sich heimlich anzustarren und schnell wieder wegzusehen, wenn der andere es bemerkte. Das Mittagessen war schnell vorbei. Harry sah auf seinen Stundenplan. Am Nachmittag hatte er noch zwei Stunden Verwandlung und Zaubereigeschichte. Nicht allzu schlimm, aber erst Ginny heiterte ihn auf, als sie ihm zuflüsterte, man könne sich ja nach dem Abendessen noch kurz am See treffen.
Es war fast elf, als Harry am Abend in den Gemeinschaftsraum gestürmt kam. Auch Siebtklässler durften sich nur bis zehn Uhr abends auf den Gängen aufhalten und er hatte sich beeilen müssen, um überhaupt ungesehen vor elf Uhr ins Schloss zurückzukommen. „Wo warst du?“, empfing ihn Ron, der alleine am Kaminfeuer saß. Hermine war, so wie es aussah, schon schlafen gegangen. Doch bevor Harry antworten konnte, huschte Ginny atemlos durch das Loch, zwinkerte den beiden zu und verschwand die Treppe rauf. Ron blickte seiner Schwester nach, sein Gehirn arbeitete fieberhaft. Dann wanderte sein Blick zurück zu Harry. „Moment mal. Du und Ginny...“ Skeptisch zog er die Augenbrauen zusammen. Harry setzte sich neben ihn in einen Sessel. „Wir waren am See“, erklärte er und versuchte sein zerzauste Haar zu bändigen. Eine Zeitlang starrte Ron ihn an. „Du... ihr habt doch nicht? ... Oder habt ihr doch?“ Ungläubig sah er Harry an. Dieser lächelte leicht. Er hatte mit Ron noch nicht über dieses Thema gesprochen. „Hör mal, Ron. Ich bin seit fast einem Jahr mit Ginny zusammen. Wir sind fast erwachsen. Natürlich haben wir schon...“ Ron unterbrach ihn zornig. „Ach komm, dass sagst du doch jetzt nur so. Ginny ist nicht so Eine!“ „Was soll das heißen, ‚Ginny ist nicht so eine’? Ron, das ist doch ganz normal. Ich bin siebzehn und Ginny ist nur ein Jahr jünger.“ „Schon. Aber Ginny ist meine Schwester und du mein bester Freund. Du... ihr könnt doch nicht...“ „... miteinander schlafen?“, half Harry nach. Rons Ohren wurden rot. „Sprech’ das nicht aus, das ertrag ich nicht!“ Harry lachte. „Ach komm schon, Ron. Sei nicht so verklemmt. Irgendwann wirst du auch Spaß daran haben und wirst nichts mehr dagegen sagen. Ich geh jetzt ins Bett. Gute Nacht.“ Und damit verschwand er in Richtung Schlafsaal.
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