Forum | Chat | Galerie
 
Startseite | Favoriten
Harry Potter Xperts
Harry Potter Xperts
Startseite
Newsarchiv
Link us
Sitemap
Specials
Shop
Buch 7
Buch 6
Buch 5
Buch 4
Buch 3
Buch 2
Buch 1
Lexikon
Lustige Zitate
Gurkensalat
Hörbücher
Harry, A History
Steckbrief
Biographie
Werke
Erfolgsgeschichte
Interviews
Bilder
Harry Potter & Ich
JKRowling.com
Film 7, Teil 1 & 2
Film 6
Film 5
Film 4
Film 3
Film 2
Film 1
Schauspieler
Autogramme
Galerie
Musik
Videospiele
Downloads
Lesetipps
eBay-Auktionen
Webmaster
RSS-Feed
Geburtstage
Gewinnspiele
Twitter
Fanart
Fanfiction
User-CP
Quiz
Währungsrechner
Forum
F.A.Q.
Ãœber uns
Geschichte
Impressum

Fanfiction

Alles was wir geben mussten - Warmer Asphalt

von Jausti

Auch im Ligusterweg herrschte flirrende Hitze. Der graue Asphaltboden brannte unter Harrys nackten Füßen. Es wehte keine noch so laue Brise, die die Bewohner Little Whingings an diesem heißen Sommertag erfrischen konnte. Die Nachbarn von Nummer sechs, die Tante Petunia hinter ihrem Rücken gehässig Öko-Futzis nannte, wuschen gerade in weiten Batikshirts und mit großen dreckigen Sandalen an den Füßen ihren brandneuen Audi. Wie sehr Onkel Vernon sich darüber aufgeregt hatte, dass nun nicht mehr er derjenige mit dem neuesten Wagen war! Harry hatte es am eigenen Leibe zu spüren bekommen. Das Geräusch des plätschernden Wassers weckte in ihm den Wunsch, in einen großen kalten Pool zu springen – wenn es denn einen gäbe.

Stattdessen wanderte Harry mit den Händen in den Taschen seiner verschlissenen Jeansshorts durch die leeren Straßen und dachte nach. Der letzte Sommer hatte den jungen Zauberer verändert. Zwar lag sein Haar immer noch genauso zerzaust über der alten blitzförmigen Narbe und seine smaragdgrünen Augen blitzen hinter den runden Gläsern seiner mehrfach gebrochenen Brille hervor, doch hatte er die Unschuld und Naivität verloren, die in ihnen gelegen hatte. Sein Gesicht war kantiger geworden. Die Haut spannte sich nun straff über die Haut, weil er den ganzen Sommer über kaum Appetit gehabt hatte – nicht, dass es die Dursleys gestört hätte.

Die Dinge, die Harry Potter auf einem düsteren Friedhof in Little Hangleton gesehen hatte, hätten auch jemand Mutigeren als ihn aus der Bahn geworfen. Die Auferstehung seines Erzfeindes zu einem schlangenartigen Monster mit glutroten Augen und der anschließende Kampf, dem er nur knapp und mit sehr viel Glück entkommen war, aufgrund einiger erstaunlicher Zufälle und der Hilfe seiner längst verstorbenen Eltern, hatten ihn geprägt. Sein bislang ungebrochener Glaube daran, dass sie ihn mit vereinter Kraft schlagen würden, war seit jener Nacht gebrochen. Vor seinen Augen war sein Mitschüler und Konkurrent im Kampf um den Trimagischen Pokal, Cedric Diggory aus Hufflepuff, grausam von Voldemorts getreuem Diener Wurmschwanz ermordet worden. Einfach so. Harry hatte nichts dagegen tun können. Und das raubte ihm schier den Verstand. Zum allerersten Mal war ihm wirklich bewusst geworden, wie schwach er eigentlich wirklich war. Und wie hilflos. Und was für ein großes Glück er bislang gehabt hatte.

Nacht für Nacht verfolgten ihn Alpträume. Kaum legte sich die Dunkelheit über den kleinen Vorort Little Whinging, fürchtete Harry schon wieder die heran kriechende Dämmerung. Er zwang sich so lange auf wie möglich aufzubleiben, um nicht schon wieder in seinen Träumen an den Grabstein Tom Riddle Seniors gefesselt zu sein. Immer wieder durchlebte er, wie die Knochen von Voldemorts Vater, dann Wurmschwanz Hand und zuletzt sein eigenes Blut den Weg in einen brodelnden Kessel fanden. Wieder sah er das bleiche Baby, das Wurmschwanz in die kochende Flüssigkeit legte, hörte noch dessen schrilles Geschrei in den Ohren. Und dann – seine Auferstehung. Rote, vor lauter Hass blitzende Augen, eine Nase, nur bestehend aus zwei Schlitzen, wie bei einer Schlange, und seine Haut, so bleich wie die eines Vampirs.

Harry hielt die Finger an die Schläfen, um die ungeliebten Gedanken zu vertreiben. Wenn die Ereignisse des Sommers ihn schon in seine Träume verfolgten, brauchten sie ihn nicht auch noch tagsüber zu quälen! Gefrustet kickte er eine leere Coca-Cola-Dose auf die verlassene Straße. Es roch nach Benzin und verbranntem Grillfleisch. Harry musste sich ein Grinsen verkneifen. Wenn die Nachbarn von Nummer zwei heute schon wieder grillen würden, dann hätte Tante Petunia wohl genug Gesprächsstoff für die nächsten zwei Tage und würde ihre immerzu schlechte Laune nicht an ihm auslassen. Eine Schweißperle lief von seiner Stirn zu seinem Kinn hinab. Schnell wischte er sie weg.

Er fragte sich, wann er wohl wieder ersten Kontakt zur Zauberwelt haben würde. Es war doch hirnrissig. Den Großteil seines Lebens verbrachte er unter Zauberern inmitten von Magie in Hogwarts, nur um im Sommer zu seinen ungeliebten Verwandten nach Surrey in die klischeehafte Kleinstadtidylle zurückzukehren. Dabei wollten Tante Petunia und Onkel Vernon ihn nicht einmal hier haben. Beide hassten ihn aus tiefster Seele. Früher hatte das Harry, der um jeden Preis ein Vorbild und eine Bezugsperson haben wollte, sehr verletzt, doch mittlerweile gab es so viele liebe Menschen um ihn herum, die es wert waren, dass er zu ihnen aufschaute und sie bewunderte, dass es ihm nichts mehr ausmachte.

Sofort erschien vor seinem inneren Auge das Antlitz seines Paten Sirius Black. Lange hatte Harry nicht einmal von seiner Existenz gewusst, und als er dann von ihm erfahren hatte, hatte man ihn in dem Glauben gelassen, dass er der Mörder seiner Eltern sei. Das alles hatte sich letztendlich jedoch als eine große, von Wurmschwanz eingefädelte Intrige herausgestellt. Sirius war unschuldig und Wurmschwanz der Verräter. Mittlerweile hatten er und Harry ein sehr gutes Verhältnis zueinander. Letztes Jahr hatte er an seinem Bett im Krankenflügel gesessen, zwar in der Gestalt eines großen schwarzen Hundes, doch er war für Harry da gewesen. Das hatte ihm gut getan.

Harry knirschte mit den Zähnen. In letzter Zeit bekam er kaum noch Briefe von seinem Paten. Zu Beginn der Sommerferien hatten sie einen regen Briefwechsel betrieben, in dem Sirius Harry viel Mut gemacht hatte und erheblich zu seiner seelischen Erholung beigetragen hatte. Doch während die Wochen im Ligusterweg zäh wie rosa Kaugummi vorbeizogen, wurden Sirius Briefe immer seltener, immer kürzer und immer oberflächlicher. Seit einer Woche hatte Harry nun schon keine Antwort mehr erhalten. Normalerweise schrieb Sirius ihm in Abständen von zwei Tagen. Das ungewöhnliche Verhalten seines Paten bereitete Harry Kopfzerbrechen und trug zu seinem Überdruss bei.

Der junge Zauberer fragte sich, ob sein Pate vielleicht wieder in den Norden gegangen war, so wie zu der Zeit, als er gerade überall im ganzen Land von dem Zaubereiministerium gesucht worden war. Vielleicht war das der Grund, warum seine Briefe so lange brauchten.

Harry schlurfte den kleinen Kiesweg entlang, der zu dem verlassenen Parkplatz hinter dem Haus der Nachbarn von Nummer acht lag. Tante Petunia sagte ständig, dass dieses Haus die schlechteste Lage der gesamten Nachbarschaft hätte. Wie für eine Nachbarschaft wie die ihre üblich, sahen alle Garagen gleich aus. Keine verschiedenen Farben, keine lustigen Aufzeichnungen, nein. Nur das triste Weißgrau, das Harry so sehr an die Farbe von Albus Dumbledores langen Bart erinnerte. Dennoch bedeutete dieses grau so viel mehr als nur trübselige Melancholie, es vermittelte Hoffnung und Mut.

Harry ließ sich auf den Asphaltboden vor einer besonders sauberen Garagentür fallen und reckte die Beine von sich weg.

Wieder dachte er an den Beginn des Sommers, doch ausnahmsweise ging es nicht um die Auferstehung Voldemorts, sondern um das, was danach geschehen war. Im Nachhinein war Harry sich bewusst geworden, dass das, was Dumbledore mit Fudge und den Leuten aus dem Krankenzimmer besprochen hatte, beinahe genauso wichtig war, wie das, was er ihm über Mad-Eye Moody und Bartemius Crouch Junior erzählt hatte.

Das Gespräch mit Cornelius Fudge war ziemlich aufschlussreich gewesen. Der Minister und Dumbledore hatten miteinander gebrochen, weil Fudge Harry nicht glauben wollte, dass Voldemort wieder auferstanden war. Harry konnte das nicht nachvollziehen. Warum glaubten sie ihm nur nicht? Ron hatte Harry geschrieben, dass Fudge das Ministerium innerhalb weniger Wochen vollkommen umgewandelt hatte.

Es gab nun eine kleine Auswahl aus vertrauensvollen Ministeriumsarbeitern, die im Stande waren, jene Mitarbeiter, die ihnen suspekt vorkamen, hinter verborgener Hand anzuklagen und sie somit einer Befragung zu unterziehen. Zudem war eine neue, kuriose Abteilung eingerichtet worden. Ihr Name war Abteilung zur Erhaltung der Grundsätze. Harry hatte einen großen Artikel darüber im Tagespropheten gelesen.

Diese neue Abteilung bestand ausschließlich aus auserlesenen Psychiatern. Einen solchen Berufszweig hatte es bisher in England unter den Zauberern kaum gegeben. Harry war sich sicher, dass Fudge die Idee von den Muggeln aufgeschnappt hatte. Diese Psychiater sollten vorerst eine große Untersuchung im gesamten Ministerium vornehmen, um die Ministeriumsarbeiter auf mögliche Meinungsunterschiede zu prüfen. Für Harry waren sie nichts weiter als Spione, versteckt hinter einer öffentlichen Fassade der Rechtschaffenheit.

Harry vermutete, dass Cornelius Fudge durch diese Maßnahmen versuchte all jene zu finden, die Dumbledore mehr vertrauten als ihm selber um sie dann in hohem Bogen aus dem Ministerium zu schmeißen. Alles versteckt unter dem formellen Grund Unüberbrückbare Differenzen der Grundprinzipien oder Schutz des Ministeriumsgeistes gefährdet. Harry schüttelte darüber nur den Kopf.

Aus der Hosentasche seiner ausgeblichenen Jeansshorts zog er einen zusammengefalteten Artikel des Tagespropheten hervor. Mit spitzen Fingern faltete er diesen auseinander und betrachtete das Bild, welches vor einer Woche groß und breit auf der ersten Seite des Tagespropheten geprangt hatte.

Das Bild zeigte den Zaubereiminister Cornelius Fudge, der wie üblich seinen Nadelstreifenanzug und die allseits bekannte grüne Melone trug, wie er mit einem selbstzufriedenen Grinsen auf dem Lippen die Hand von Lucius Malfoys schüttelte. Beim Anblick des großen Mannes mit dem überheblichen Gesichtsausdruck kam Harry die Galle hoch. Er widerstand dem Drang, den Fetzen Zeitung einfach zu zerreißen und las stattdessen wieder einmal den Schriftzug, der, natürlich von Rita Kimmkorn, darunter gesetzt worden war.

Der Zaubereiminister Cornelius Fudge ist froh, den neuen Vorstandsvorsitzenden des Aufsichtsrats, Lucius Malfoy, im Team begrüßen zu dürfen.

Harry ballte die Hände zu Fäusten. Dieser alte Schleimbeutel hatte sich also mal wieder in einen Posten eingekauft! Vor lauter Wut zerquetschte er eine wehrlose Ameise unter seinem Schuh. Vorstandsvorsitzender des Aufsichtsrats. Harry musste nicht viel über das Ministerium wissen, um zu erkennen, dass Lucius Malfoy nun die uneingeschränkte Macht hatte, jeden zu feuern, der ihm auch nur einen schrägen Blick zuwarf. Er musste an die Weasleys denken. Was würden sie machen, wenn Arthur seinen Job verlieren würde? Als er mit Ron darüber geschrieben hatte, hatte dieser betont fröhlich und unbeschwert geantwortet. Harry spürte, dass auch Ron wusste, wie es um seine Familie stand. Harry nahm sich fest vor, Draco Malfoy in diesem Schuljahr im Quidditch so vernichtend zu schlagen, sodass damit die ganze Schmach der Weasleys getilgt war.

Doch das war nicht das einzige auffällige an diesem Artikel. Der Name Rita Kimmkorn stach Harry wie ein Dorn ins Auge. Es kam ihm wie gestern vor, als Hermine ihm im Hogwarts Express von Rita Kimmkorns Geheimnis erzählt hatte. Die neugierige Reporterin war nämlich ein Animagus, das war der Grund, warum sie an Informationen gekommen war, die nicht für fremde Ohren bestimmt gewesen waren. Doch Hermine war ihr auf die Schlichte gekommen und hatte sie in einem Marmeladeglas gefangen genommen. Es war kaum vier Wochen her, dass Harry die kleine Wanze gesehen hatte. Und nun das. Natürlich hatte Harry Hermine sofort einen aufgeregten Brief zukommen lassen, nachdem er entdeckt hatte, dass die Reporterin wieder auf freiem Fuß war. Hermine hatte ihm geantwortet, dass sie entwischt war.

Harry fand, dass das zu der listigen Frau passte. Es schien, als könne sie sich aus allen irgendwie noch rauswinden. Harry hasste sie aus tiefster Seele. Wie viel Schwierigkeiten sie ihm im allein im letzten Jahr beschert hatte!

So hing Harry noch ein wenig seinen Gedanken nach, während die pralle Sonne seine Schweißdrüsen auf Hochtouren laufen ließ. Erst als er spürte, dass seine Wangen heiß wurden und seine Gedanken wirr, stand er auf und machte sich auf den Weg zum Haus Nummer vier. Innerhalb von kürzester Zeit ging die Sonne unter und eine erfrischende Kühle legte sich über den Ligusterweg. Harry genoss die seltenen lauen Windbrisen.

Er erreichte gerade die Ecke, an der er zu den Häusern Nummer eins bis 15 einbiegen musste, als ihm etwas Merkwürdiges ins Auge sprang. Rechts neben ihm auf der roten Backsteinmauer, die den Garten der Callinghams vor neugierigen Blicken schützte, saß ein auffällig roter Vogel. Fast hätte Harry gedacht es wäre Fawkes, der Phönix seines Schulleiters Albus Dumbledore, doch dessen Gefieder war rotgold, wohingegen dieser Vogel hier wie ein glühender Feuerball leuchtete. Er sah exotisch aus und erinnerte Harry ein wenig an die Vögel, die ihm früher Briefe von Sirius gebracht hatten, als dieser ihm noch geschrieben hatte. Harry seufzte. Und dann war der Vogel weg.

Das alles kam Harry verwirrend vor, doch er hatte kaum Zeit, groß darüber nachzudenken, denn Arabella Figg, die irre alte Nachbarin, bei der er früher immer Dudleys Geburtstage verbracht hatte, lief, so schnell ihr hinkendes Bein es ihr erlaubte, auf ihn zu. Harry wandte sich hastig ab, doch schon ertönte ihre kreischend schrille Stimme hinter ihm.

„Harry, Junge! Warte, doch! Warte!“, rief sie und Harry hatte keine andere Wahl als stehen zu bleiben. Er erwartete schon die übliche Standpauke, mit der sie ihm seit Beginn der Sommerferien auf die Nerven ging und senkte reumütig den Kopf.

Es war schon seltsam. Früher war Arabella Figg für Harry der Inbegriff einer alten verkorksten Schachtel gewesen, die nichts mit ihrem Leben anzufangen wusste. Doch dieses Bild hatte sich für ihn seit wenigen Wochen geändert. Erstmals hatte er ihren Namen gehört, als Dumbledore Sirius und Remus die Aufgabe übertragen hatte, die alten Kämpfer zusammenzutrommeln. Harry wollte es sich nicht eingestehen, aber wahrscheinlich schrieb Sirius ihm deswegen so selten – er war zu beschäftigt. Den Gedanken, dass ihm auf seiner Mission etwas passiert sein könnte, verwarf er ganz schnell wieder. Jedenfalls hatte Dumbledore in diesem Zusammenhang auch den Namen Arabella Figg genannt.

Zuerst war Harry sich überhaupt nicht bewusst gewesen, dass damit die alte Schachtel ein paar Häuser weiter gemeint war, doch seit sie ihm an Anfang der Ferien offenbart hatte, dass sie eine Hexe war und ihr Leben dem Ziel widmete, Harry während der Sommerferien zu beschützen, war alles anders.

Es war ja nicht so, dass die Dursleys Harry viel erlaubten, doch immerhin ließen sie ihm seine Freiheit. Diese Mrs Figg allerdings hatte Tag für Tag nichts Besseres zu tun, als in der Nachbarschaft umherzustreifen und nach ihm Ausschau zu halten. Jetzt wo er über alles Bescheid wüsste, pflegte sie zu sagen, könne er ihr auch ein wenig unter die Arme greifen, indem er sich nicht in allzu große Gefahr begab.

Harry konnte darüber nur lachen. Wo war Mrs Figg bitte gewesen, als er im zweiten Schuljahr von dem Hauselfen Dobby heimgesucht worden war? Oder als der damals berüchtigte Mörder Sirius Black ihm in Form einer Hundegestalt begegnet war? Harry spürte, dass der einzige Grund für Mrs Figgs raschen Umschwung ein Befehl von oben sein konnte. Er wettete, Dumbledore hatte sie angewiesen, noch mehr als sonst auf ihn aufzupassen.

Aber warum? War er etwa in großer Gefahr? Würde nun das passieren, was ihn seit Jahren beschäftigte? Würde Voldemort im Ligusterweg auftauchen und ihn endlich umbringen? Die Vorstellung brachte Harry unwillkürlich zum Grinsen. Er stellte sich vor, wie die Nachbarn gucken würden, wenn eine Reihe Verrückter mit langen schwarzen Kutten, Masken und brüchigen Holzstäben in den Händen in ihr Haus einmarschieren würde. Tante Petunia und Onkel Vernon würden sich wahrscheinlich einzig und allein darüber Sorgen machen, dass nun alle Nachbarn dachten, sie wären Satanisten und würden sektiererische Handlungen durchführen. Und Dudley? Harry musste schon wieder grinsen. Der würde sich bestimmt in irgendeiner Ecke des Hauses verstecken, vor lauter Angst, dass ihm ein weiterer Schweineschwanz verpasst werden könnte.

Mrs Figg schien sich über das versonnene Lächeln auf Harrys Gesicht zu pikieren und ihr Gesicht wurde augenblicklich scharlachrot: „Was denkst du dir eigentlich, mein Junge? Ich tu hier alles, nur damit du in Sicherheit bist und was machst du? Marschierst mir nichts, dir nichts mitten durch die Nachbarschaft!“

Harry stellte die Ohren auf Durchzug. Mrs Figg sagte immer das Gleiche und mittlerweile langweilte es ihn. Was erwartete sie denn? Dass er den ganzen Tag in seinem dunklen Zimmer hockte? Das kam gar nicht in Frage. Dort würde Harry nur noch öfter an Voldemort und die Geschehnisse des letzten Sommers denken müssen.


Drei Tage waren vergangen, seit Phina das erste Mal wieder über ihr größtes Geheimnis gebrütet hatte. Drei Tage, in denen ihre Gedanken von Schmerz und Furcht dominiert worden waren. Heute jedoch sollte alles anders werden.

Bereits der Morgen begann prächtig. Es war mild und sie Sonne knallte nicht so stark wie in den letzten Tagen. Beste Voraussetzungen also für einen langen Fußmarsch. Gegen Vormittag kamen sie an einem kleinen Bauernhof vorbei. Mia, die viel mutiger war als Phina, brach tapfer in das kleine Holzhaus ein und kam wenig später erfolgreich zurück. Ihre Ausbeute war reich. Sie hatten nun warme Brötchen, Käse, Wurst, etwas Milch und – das allerbeste: Zwei Schokoladenriegel. Phina konnte sich nicht einmal mehr daran erinnern, wann sie das letzte Mal einen echten Schokoladenriegel gegessen hatte. Die beiden Mädchen zelebrierten ihren Beutezug daher angemessen.

Sie setzten sich gegen Mittag auf einen kleinen Hügel, den sie soeben erklommen hatten, tranken aus der gläsernen Milchflasche und aßen genüsslich ihre Schokolade. Beide ließen sie sich auf der Zunge zergehen, wer wüsste, wann sie jemals wieder Schokolade essen würden? Langsam verteilte sich das ungewohnt nussige Aroma in ihren Mündern, verteilte sich der Duft nach Zartbitter und Nougat unter ihrer Nase. Wer jemals behauptet hatte, Ambrosia sei die Speise der Götter, hatte noch niemals Schokolade gegessen.

Wie seit langem nicht mehr unterhielten sie sich ausgiebig. Sie redeten zwar nur über belanglose Dinge, doch Phina spürte, dass das große Loch, das sich wegen der Strapazen ihres Weges zwischen ihnen aufgetan hatte, verschwunden war. Es war der beste Tag seit langem.

Gegen Abend dann, als sie ihr Lager aufschlugen, passierte es. Mia war gerade dabei, sich ihren blau braun gestreiften Pyjama anzuziehen, den sie noch aus Zeiten hatte, in denen es ihr an nichts gefehlt hatte. (Phina fand immer, dass Mia den Luxus vermisste, den sie einst gewohnt gewesen war. Ihr selbst hingegen kam es nur zugute, dass sie nicht mehr so verhätschelt wurde.) Sie selbst bereitete gerade ihre Schlafsäcke und Decken aus, als über ihnen eine große Schleiereule mit kräftigen Flügelschlägen ihre Kreise zog.

Zuerst erwarteten die beiden Mädchen das Schlimmste. Beide zückten ihre Zauberstäbe und waren bereit jeden Angriff abzuwenden, der ihnen entgegenkommen würde. War die Eule nur ein Vorbote der Anderen? Oder war sie geschickt worden, um sie auszukundschaften? Phina zweifelte keinen Moment lang daran, dass sie die Eule töten würde, wenn sie von den anderen geschickt worden war. Und auch Mia stellte sich in ihre Kampfposition: Sie ging leicht in die Knie, fixierte ihre Umgebung mit aufmerksamen Blick und reckte die Linke von sich weg, um mögliche Angriffe von ihrer Zauberhand abzuhalten.

Doch nichts passierte. Sie vernahmen weder lautes Fußgetrappel noch das Rauschen von Besen. Keine Stimmen ertönten, die wütend ihre Namen riefen. Nach mehreren Minuten streiften sich ihre angespannten Blicke. Dann nickte Phina Mia stumm zu.

Das junge Mädchen ging vorsichtig auf die Eule zu, die sie mit schrägem Kopf beobachtete. „Sie hat einen Brief!“, rief Mia aufgeregt, nachdem sie den grauen Vogel kurz inspiziert hatte. Mit spitzen Fingern entfernte sie den gelblichen Briefumschlag, immer die Eule im Augenwinkel. Kaum knisterte das raue Pergament, wurde Mia hektisch. Mit flinken Fingern riss sie den Umschlag auf und nestelte ein dickes, zusammengerolltes Pergament heraus.

Nachdem Phina auch ganz sicher war, dass niemand ihnen folgen würde, kam auch sie näher. Mia hatte das Pergament inzwischen aufgerollt und las es mit zittrigen Fingern. Sie verzog keine Miene. Die Eule jedoch hatte aufgehört die beiden aufmerksam zu beobachten und putzte ihr Gefieder. Als Phina sich hinter Mia stellte, um den Brief auch lesen zu können, flog sie weg.

„Sehr geehrte Miss Shepard und Miss Lepore“, las Phina laut und musste ein Aufkreischen unterdrücken. Sie fasste Mias Rechte mit ihrer Linken und drückte sie so fest sie konnte. „Wir haben ihren Brief erhalten und sind nach gründlicher Überlegung zu dem Entschluss gekommen, sie an der Hogwarts Schule für Hexerei und Zauberei in die fünfte Klasse aufzunehmen. Die Liste mit den zu besorgenden Sachen und ein Ticket für den Hogwarts Express liegen bei. Wir bitten sie außerdem, nach ihrer Ankunft mit der stellvertretenden Schulleiterin Minerva McGonagall in Kontakt zu treten. Sie wird ihnen dann mit ihnen alles Weitere klären. Wir wünschen Ihnen schöne Ferien und einen angenehmen Schuljahresbeginn. Mit freundlichen Grüßen, Albus Dumbledore, Schulleiter!“ Die letzten Worte kreischte Phina begeistert aus.

Die beiden Mädchen wurden von einer Welle der Begeisterung erfasst. Wie verrückt sprangen sie hin und her, auf und ab. Ihre langen Haare wippten im Wind, als sie vor lauter Glück umher tanzten. Sie hielten sich die Hände, ihre Augen strahlten vor Erleichterung. Sie kreischten und sangen minutenlang.

Schließlich jedoch waren beide von ihrem überschwänglichen Ausbruch so geschafft, dass sie nicht mehr konnten. Mia atmete tief ein und aus und stemmte sich die Hände in die breiten Hüften. Phina ließ sich gedankenlos auf die Wiese plumpsen und musste immer noch lachen. Dann jedoch wurde ihr Gesichtsausdruck ernst.

„Meinst du, sie werden unangenehme Fragen stellen?“, fragte sie besorgt.

„Wie kommst du darauf?“

„Sie wird dann mit ihnen alles Weitere klären.“, zitierte Phina unheilvoll den Brief, „Ich wette, sie geben sich mit dem bisschen, was wir ihnen von uns geschrieben haben, nicht zufrieden. Vielleicht wollen sie sogar mit unseren Eltern reden!“ Angstschweiß breitete sich unter ihren Achseln aus und sie spürte, wie sich ihr Herz schmerzvoll zusammenzog.

„Ach Quatsch!“, winkte Mia ab, die optimistischer veranlagt war als Phina, „Ich wette, sie wollen nur die Formalitäten klären. Welche Fächer wir wählen und so weiter… Ansonsten hätten sie uns auch schon ausfragen können, bevor sie uns überhaupt annehmen.“

Die beiden Mädchen schwiegen. Mias Freude war nun von Phinas Befürchtungen getrübt und Phina versuchte, Mias Zuversicht auf sich abfärben zulassen, was ihr jedoch nur teilweise gelang. Schweigsam zogen sie sich ihre Schlafanzüge an und legten sich in ihre Schlafsäcke. Phina hatte Gänsehaut, obwohl es draußen warm und schwül war. Nach wenigen Minuten war Mia neben ihr eingeschlafen und schnarchte leise. Phina hatte sich schon lange daran gewöhnt. Mittlerweile war es ein vertrautes Geräusch, sie konnte es sich kaum vorstellen, vor dem Einschlafen nicht Mias leises Schnarchen zu hören.

Trotzdem konnte sie heute nicht schnell einschlafen. Der Brief hatte sie nachdenklich gemacht. Aus ihrer Sicht hatte Mia recht. Sie hatten alles perfekt geregelt. Ihre Lügen waren glaubwürdig und nachprüfbar. Niemand würde auf die Idee kommen, dass ihre Geschichte nicht stimmte. Und nach dem, was sie bisher über Albus Dumbledore, den Schulleiter von Hogwarts, gehört hatte, zweifelte sie auch nicht daran, dass er etwas dagegen haben könnte, sie an seiner Schule aufzunehmen. Dennoch… Dieser kleine Satz spukte ihr im Kopf herum.

Es gab etwas das Mia nicht wusste. Etwas, was sie niemals erfahren würde, denn sonst würde sie Phina nie wieder in die Augen schauen können. Phina hatte riesige Angst, dass es genau das war, was Dumbledore wusste. Aber hätte er sie dann überhaupt angenommen? Sich überhaupt die Mühe gemacht, ihnen eine Antwort zu schicken? Phina rauchte der Kopf. In ihrer Brustgegend brannte es. Erinnerungen. Es gab keine stärkere Waffe, um einen Feind zu erlegen. Vielleicht würde ihr Feind sogar genau deshalb siegen…

~*~

Vielen Dank für alle Reviews und Kommentare :)


Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.

Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel

Twitter
HPXperts-Shop
DVD: Der Hobbit 3
[DVD] [Blu-ray]
Top-News
Suche
Updates
Samstag, 01.07.
Neue FF von SarahGranger
Freitag, 02.06.
Neue FF von Laurien87
Mittwoch, 24.05.
Neue FF von Lily Potter
Zitat
Wenn man wie ich über Böses schreibt und wenn einer der beschriebenen Figuren im Grunde ein Psychopath ist, hat man die Pflicht, das wirklich Böse zu zeigen, nämlich, dass Menschen getötet werden.
Joanne K. Rowling