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Fanfiction

Die Eine - Die Eine

von Tonks21

Der erste Teil dieses Oneshots oder Twoshots. Es wird noch ein Chap geben. Ich hoffe, es gefällt euch.

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Sommer nach Sirius Tod im Garten des Fuchsbaus

Er hasste sich und er hasste die Welt. Zumindest glaubte er das. Nein, er war sich sicher, ziemlich sicher. Obwohl der Hass auf sich selbst um einiges größer war, als der Hass auf die Welt. Die Welt war unfair, die Welt war abscheulich und stellte einem unmögliche Aufgaben und Herausforderungen. Soviel zur Welt. Doch er hasste sich selbst mehr, weil er zu dumm war, die Welt zu verstehen. Die Welt hatte ihm eine Herausforderung gestellt und ihm gleich ein paar Hilfestellungen gegeben, seinen logischen Verstand, seine Intuition und - Hermine. Anscheinend hatte die Welt gedacht, dass würde reichen, damit er die Herausforderung bestand, doch die Welt hatte sich geirrt. Wie oft hatte Hermine gesagt, dass Sirius unmöglich im Ministerium sein konnte? Wie oft? Er hatte es nur nicht hören wollen. Wie oft hatte seine Intuition und sein logischer Verstand ihm gesagt, er solle auf Hermine hören? Doch auch das hatte er geflissentlich ignoriert. Fazit: Er hasste die Welt, weil sie so war, wie sie war, doch er hasste sich viel mehr, weil er zu dumm war und die Welt ihm eine Falle gestellt hatte. Sirius war tot.
Leise schniefte Harry und wischte sich über das Gesicht. Sirius war tot und das war alleine seine Schuld. Harry wünschte sich fast, dass Dumbledore ihn im Ligusterweg gelassen hätte, am liebsten für die gesamten Sommerferien. Dort war er alleine gewesen, hatte niemandem gute Laune vorspielen müssen und von Gesellschaft umgeben so tun müssen, als ginge es ihm gut. ES GING IHM NICHT GUT! Egal, was er den anderen immer wieder sagte, er fühlte sich miserabel und er wollte nichts lieber als irgendwo alleine sein, um sich seinem Selbstmitleid hingeben zu können. Vielleicht wollte er auch einfach nur trauern. Sirius war tot und es war seine Schuld und neben all dem Selbstmitleid und Selbsthass war in ihm dieser Wunsch zu weinen, einfach mal so richtig zu heulen, nicht still und heimlich und ängstlich darauf bedacht, dass ihn jemand erwischen könnte, sondern einfach mal so richtig den Kummer von der Seele heulen. Doch er wusste, dass er gleich wieder reingehen musste, denn sonst würden sich Ron und Hermine sorgen und anschließend auch Mrs Weasley und der Rest der Weasleys und der Orden und ... und ... und. Alle sorgten sich jetzt um ihn, denn jetzt war er wieder ‚der Junge, der lebte’. Und seit neuestem auch noch: der Auserwählte. Wie konnte jemand mit gesundem Menschenverstand glauben, dass er wirklich der AUSERWÄHLTE war? Ja, er war es zwar wirklich, aber jetzt mal im Ernst – er hatte gerade durch bekloppte Dummheit seinen Paten getötet und die Zauberergemeinschaft erwartete jetzt von ihm, dass er Lord Voldemort tötete. Gegen seinen Willen lachte Harry hohl auf. Vielleicht sollte er gar nicht versuchen, Voldemort zu töten, sondern einfach alles in seiner Macht stehende tun, um Lord Voldemort am Leben zu halten, dann würde er schon von selbst sterben. Sein Lachen klang so bitter, dass er es schnell verstummen ließ. Ja, definitiv, er war verrückt. Voldemort aber auch. Vermutlich waren die beiden die verrücktesten Wesen der Welt – sie und Trelawney, die durfte in dieser Auflistung nicht fehlen! Wieder musste er bei diesem Gedanken grinsen, doch schon im nächsten Moment schwappte eine erneute Welle der Trauer über Harry und machte es unmöglich an irgendetwas zu denken, irgendetwas zu fühlen, außer diesen Schmerz in seiner Brust. Er war so stark, dass Harry aufkeuchte, sich krümmte und die Hand auf sein schnell pochendes Herz drückte. Oh mein Gott, mach, dass es aufhört! Lass mich sterben! Lass mich einfach sterben! Er überlegte, ob er aufstehen und losrennen sollte. Vielleicht würde das helfen, doch er durfte nicht fort von hier. Das hatte er Dumbledore versprochen! So konnte er nichts anderes tun, als hoffen, dass dieser Schmerz, der ihm die Luft abschnürte und sein Herz vergiftete, bald vorbei sein würde, bevor ihn jemand hier so sah.
Er war so in seiner Welt gefangen, diese Welt ohne Ausweg, dass er sie nicht hörte. Erst als sie neben ihm ins nasse Gras plumpste und ihre Hand sich sanft auf seine Schulter legte, bemerkte er sie und zuckte zurück. Diese Berührung war so schön, viel zu schön um wahr zu sein, doch es sollte nicht schön sein. Es durfte einfach nicht. Er durfte jetzt nichts Schönes fühlen.
Sie sagte nichts, sondern ließ ihre Hand einfach beruhigend auf seiner Schulter. Harry wischte sich über das Gesicht und die laufende Nase, aber er konnte sie einfach nicht ansehen. Er schämte sich so.
„Verschwinde, Ginny!“, fauchte er leise und mit rauer, erstickter Stimme.
Anscheinend merkte sie, dass er ihre Nähe gerade jetzt nicht akzeptieren konnte, denn sie ließ seine Schulter los und rutsche ein Stück von ihm weg.
„Ich meine ganz, verschwinde ganz!“
„Soll ich mich in Luft auflösen?“, fragte sie und er hörte das Lächeln in ihrer Stimme. Sie schien unbeeindruckt von seiner Wut.
„Mir egal! Hauptsache, du lässt mich in Ruhe.“
„Gut, ich lass dich in Ruhe.“ Doch sie schlang nur ihre Arme um ihre angezogenen Knie und blieb, wo sie war.
„GINNY!“
„Hey“, sagte sie angriffslustig, „soll ich dir was sagen? Wir sind im Fuchsbau. Das hier ist der Garten des Fuchsbaus und ich habe jedes Recht hier zu sein. Du auch, immerhin gehörst du zur Familie. Das heißt aber, dass wir beide uns diesen Garten wohl teilen müssen, denn du kannst nicht von mir verlangen, jetzt in die Küche zu gehen.“
„Warum nicht?“, fragte er und vermied immer noch, sie anzusehen. Sie sollte nicht sehen, dass sein Gesicht glänzte.
„Schleim. Überall Schleim und Mum. Und tut mir leid, vor acht Uhr am Morgen kann ich Schleim nicht ertragen, vor allem nicht in Kombination mit meiner Mum.“
„Kann ich verstehen“, murrte er unwillig. „Kannst du dich denn nicht woanders hinsetzen?“
„Nein“, sagte sie gutgelaunt. „Ich sitze hier ziemlich gut. Wenn du da, wo du sitzt, nicht sitzen kannst, kannst du dich aber natürlich gerne woanders hinsetzen. Mum wäre bestimmt überglücklich, wenn du dich zu ihr in die Küche setzen würdest.“ Sie lachte leise. Harry schnaubte wütend.
„Danke, ich verzichte.“
„Dann werden wir es wohl hier miteinander aushalten müssen.“
Harry seufzte. „Ich will aber keine Gesellschaft!“
„Gut, ich auch nicht. Eigentlich möchte ich mich jetzt am liebsten still und heimlich und alleine in meinem Selbstmitleid suhlen, weil ich Schleim als Schwägerin bekomme. Also -ignoriere mich einfach.“
„Das kann ich nicht!“, fauchte er sie an und wischte sich erneut über das Gesicht. Es war nicht gerade fair von ihm, sie so zu reizen. Sie hatte ihm nichts getan. Ganz im Gegenteil. In den letzten Tagen und Wochen hatte sie alles daran gesetzt, seinen Schmerz zu lindern. Sie hatte mit ihm Quidditch gespielt. Sie hatte sich noch mehr als sonst über Ron lustig gemacht, was Harry manches Mal ungemein aufgeheitert hatte. Sie hatte nur für ihn Grimassen hinter Fleurs Rücken geschnitten, über die er jedes Mal lachen musste.
Vielleicht war es gerade deswegen jetzt so schwer, sie hier zu akzeptieren.
Er wollte, dass sie ging und wenn sie ihn noch einmal ansprechen würde oder ihn noch einmal berühren würde, dann würde er sie anschreien. Er würde es für einen Moment vermutlich genießen, seine Wut und seinen Frust an ihr auszulassen. Nun gut, irgendwann würde er ein schlechtes Gewissen bekommen, aber erst später, viel später.
Er wartete darauf, dass sie etwas sagte, doch sie sagte nichts. Er wartete weiter, aber es schien, als wüsste sie, dass er nur auf den kleinsten Auslöser ihrerseits wartete. Aus dem Augenwinkel sah Harry, dass sie einfach den Kopf auf ihre Knie gelegt hatte und auf einen Gnom starrte. Sie wiegte sich leicht vor und zurück, aber sie war darauf bedacht, kein Geräusch zu machen.
Als er sich sicher war, dass sie nichts sagen würde, begann er sich wieder auf sich selbst zu konzentrieren, auf den Schmerz, der ihn zu übermannen drohte, der sein Herz vergiftete und es zu zerreißen drohte. Doch der Schmerz blieb aushaltbar. Er nahm ihm immer noch den Atem, aber mit Ginny an seiner Seite blieb der Schmerz in einem Rahmen, dass Harry glauben konnte, vielleicht irgendwann diesen Ozean der Trauer hinter sich lassen zu können. Vielleicht konnte er es eines Tages überwinden, all diesen Schmerz. Er schämte sich ein bisschen und es verwunderte ihn, dass er eigentlich keine Gesellschaft ertragen konnte, aber Ginnys Anwesenheit trotzdem etwas Tröstliches hatte. Er wollte am liebsten, dass sie wieder näher zu ihm rutschte und vielleicht wollte er auch noch mal ihre Hand auf seiner Schulter spüren. Warum? Warum wollte er das? Warum fiel es ihm so schwer, Hermines gutes Zureden oder Mrs Weasleys liebevolle Umarmungen zu akzeptieren, aber von Ginny wollte er jetzt gerade genau das? Warum wünschte er sich gerade nichts sehnlicher, als dass Ginny ihn in eine feste Umarmung zog?
Wieder wischte er sich über das Gesicht, auch wenn er wusste, dass es sinnlos war. Seine Augen brannten und sie waren bestimmt rot geädert. Er glaubte sogar die Tränenbahnen auf seinem Gesicht zu spüren. Ginny rührte sich nicht, sah ihn nicht an oder reagierte sonst wie auf seine Schwäche.
Schließlich war er es, der das Schweigen brach, weil er glaubte, sich erklären zu müssen: „Ich dachte“, sagte er mit rauer, belegter Stimme, „irgendwann würde ich lernen, mit so etwas umzugehen, doch dieses Mal ist der Schmerz noch schlimmer als letztes Jahr.“
Sie sah ihn immer noch nicht an und er fragte sich, ob sie ihn überhaupt gehört hatte. Verstand sie überhaupt irgendetwas von seinem unsinnigen Geplapper?
Dann antwortete sie sehr leise, immer noch ohne ihn anzusehen. „Letztes Mal war es jemand, den du kaum kanntest. Und du wusstest, dass du alles richtig gemacht hattest. Du hast ja sogar seinen Körper mit zurück nach Hogwarts genommen. Dieses Mal glaubst du, es war vollkommen deine Schuld und darunter gelitten hat der Mann, der für dich wie ein Vater war. Selbst wenn du nicht glauben würdest, dass es deine Schuld war, wäre dieser Verlust so viel schlimmer. Wenn ich mir vorstelle, Dad zu verlieren“, sie erschauderte, „dabei hätte ich immer noch meine Mum und meine Brüder.“
Damit ihm nicht wieder Tränen über das Gesicht rannen und sie nicht merkte, welche kleinen Nadeln sie ihm gerade in Herz und Rücken gebohrt hatte, sagte er unwirsch: „Und jetzt? Sagst du mir, dass ich darüber hinwegkommen werde? Dass das Leben weitergeht? Dass Sirius nicht gewollt hätte, dass ich aufgebe? Dass es gar nicht meine Schuld war?“
Jetzt sah Ginny ihn an. „Selbst wenn ich dir sagen würde, dass es nicht deine Schuld war, würdest du dir trotzdem die Schuld geben. Ich glaube, in den letzten Wochen hat dir so ziemlich jeder immer wieder versichert, dass es nicht deine Schuld war. Geglaubt hast du es nie. Und ich hätte es auch nicht geglaubt!“
„Was?“, fragte er erstaunt.
„Du bist mit deiner Situation nicht so alleine, wie du glaubst, Harry. Auch ich bin schon auf Du-weißt-schon-wen hereingefallen. Ich habe ein Monster auf die ganze Schule losgelassen und du wärest bei meiner Rettung beinahe gestorben.“
„Du hast aber niemanden umgebracht!“
„Das war mehr Zufall und pures Glück als alles andere. Ich habe Hermine versteinert, dabei hätte sie auch sterben können. Ron hätte beinahe kein Gedächtnis mehr gehabt. Aber das, was mir immer noch Alpträume bereitet, ist die Vorstellung, wie du unten in der Kammer stirbst. Die Vorstellung, dass du bei dem Versuch, mir das Leben zu retten, umkommst. Der Gedanke, dass du überhaupt aufhörst auf dieser Welt zu existieren. Für mich ist das unerträglich, Harry.“
Er wurde rot, als er merkte, dass ihm wieder die Tränen in die Augen schossen. „Aber du hast niemanden umgebracht. Du bist nicht ins Ministerium gegangen, um den Helden zu spielen und hast dabei deinen Paten ermordet!“
„Ohh, Harry“, flüsterte Ginny und jetzt war sie bei ihm und umarmte ihn, während sein Kopf zwischen seinen Knien steckte und er leise weinte. Er spürte, wie sie ihren Kopf auf seinen Rücken legte und ihn ganz fest hielt. Und er hatte das Gefühl, dass es das Einzige war, was ihn davon abhielt, jetzt auseinanderzufallen.
„Ich will nur noch, dass es aufhört. Ich will, dass dieser Schmerz verschwindet!“
Ginny wiegte sich wieder leicht hin und her. Es hatte etwas Tröstliches. Das leise Wiegen seines Rückens.
„Er wird nicht verschwinden, aber er wird besser werden, Harry. Halte einfach durch. Du schaffst das. Wir schaffen das!“ Ihre Hand fuhr bei ihren Worten seinen Arm hinunter, über seinen Handrücken und zwischen seine Finger. Wie einen letzter Rettungsanker umschloss er ihre Hand. sie hatten die Finger fest verschränkt. Erstaunt stellte Harry fest, dass es ein schönes Gefühl war. Es fühlte sich aus irgendeinem Grund anders an, als wenn er Hermines Hand festhielt. Sein Herz begann zu rasen. Jetzt spielte sein Körper also vollkommen verrückt! Was war nur los?
Ginny ließ sich wieder neben ihn ins Gras plumpsen, ihre Hand immer noch mit seiner verschränkt. Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter und er richtete sich auf. Sie gab ihm die Kraft dazu. Mit seiner linken Hand fuhr er sich erneut über das Gesicht, wischte mit seinem Handrücken die Tränen weg, dann legte er den Arm fest um Ginnys Rücken und zog sie noch weiter an sich. Sie ließ es geschehen, ihr Kopf blieb auf seiner Schulter. Der Daumen ihrer rechten Hand fuhr kleine Kreise über seinen Handrücken. Wie oft hatte er sich solche Szenen mit Cho vorgestellt? Nie war es zu so etwas gekommen. Nie hatte Cho so für ihn da sein können. Mit Ginny war es so einfach und es fühlte sich so verdammt richtig an. Als hätte er es schon tausend Mal gemacht, legte er seinen Kopf auf ihren.
„Ich würde dir so gerne helfen, Harry. Ich würde dir so gerne diese Schmerzen abnehmen, wenn ich könnte.“
„Schon in Ordnung. Ich bin dir dankbar, dass du da bist. Dass du gerade nicht gegangen bist, obwohl ich dich angemeckert habe.“
Sie lachte leise. „Ein Hilferuf. Ich hab ihn gehört. Laut und deutlich.“ Sie nahm ihre linke Hand hinzu und legte sie auf ihre verschlungenen Hände. Seine Hand war nun von ihren beiden Händen eingeschlossen. Er fühlte sich plötzlich warm und geborgen.
„Ich wünschte“, sagte Harry leise und dieses Mal war es ihm egal, dass einzelne Tränen seine Wangen hinabliefen und in ihrem Haar landeten, „ich könnte euch das ersparen. Ich könnte euch davor beschützen, doch je näher ich bei euch bleibe, desto mehr ziehe ich euch damit rein.“
„Wir haben uns das selbst ausgesucht, Harry. Wenn du uns nicht mit reinziehen würdest, dann würden wir von alleine reinspringen. Im Moment passiert so viel mit dir. Du musst mit so viel kämpfen. Und ich weiß, dass du Angst hast mit Du-weißt-schon-wem in deinem Kopf. Wir sind für dich da. Ich werde immer für dich da sein, das verspreche ich.“
Sie sprach mit so viel Nachdruck, dass Harry es glauben musste. „Ich habe das erste Mal seit langem das Gefühl, nicht stark sein zu müssen“, sagte er. „Es ist merkwürdig. Ich versuche immer, jedem zu zeigen, dass es mir gut geht. Du bist so etwas wie meine kleine Schwester und mein Wunsch, dich zu beschützen, ist so groß, und trotzdem habe ich das Gefühl, dass du die Einzige bist, vor der ich ich selbst sein kann, der ich meine Gefühle, meine Angst und Trauer zeigen kann und die mich versteht. Das hätte ich nicht gedacht.“
Ginny seufzte auf. Harry fragte sich, was das zu bedeuten hatte. „Alles in Ordnung? Hast du genug von mir?“
„Nein, entschuldige“, sagte sie rasch und schmiegte sich für einen Augenblick noch enger an seine Seite, „nur weißt du, wie lange ich darauf gehofft habe, dass ich DIE Person für dich bin, die Eine?“
„Es tut mir leid, dass ich nie-“, hauchte er und zog sie unwillkürlich mit dem linken Arm näher an sich.
„Schon in Ordnung. Ich bin drüber weg.“
Plötzlich durchfuhr Harry ein neuer Stich, eine neue Schmerzenswelle und irgendwie hatte er das Gefühl, dass dieser Schmerz nichts mit der Trauer um Sirius zu tun hatte.
„Mum und Schleim werden gleich nach uns suchen“, flüsterte Ginny nach einem Moment des Schweigens. „Wir sollten reingehen.“ Ihre Stimme klang wehmütig. Sein Herz hüpfte.
Warum hüpfte sein Herz bei dem Gedanken, dass Ginny lieber hier draußen in seinem Arm sitzen wollte, als zu Schleim, ähh, Fleur in die Küche zu gehen? Wahrscheinlich würde sie das Gleiche auch bei Hagrid oder einem Bergtroll im Arm sagen. Für sie war so ziemlich alles besser als Fleur!
Sie nahm ihren Kopf von seiner Schulter und auch er setzte sich wieder gerader hin. Seine Hand rutschte von ihrem Rücken. Warum wollte er sie am liebsten wieder in die Arme nehmen? Warum raste sein Herz jetzt so? Warum hatte er sich für einen Moment so unbeschwert gefühlt und jetzt plötzlich so leer? Sie löste eine Hand aus der Umklammerung ihrer Hände, doch die andere ließ sie mit seiner verschränkt.
„Danke, Ginny“, hauchte Harry. „Für den Moment.“
„Gerne, Harry. Wirklich.“ Sie klang merkwürdig heiser. Er dachte schon, sie würde einfach aufstehen und gehen, doch sie sah in sein Gesicht. Ihre Gesichter waren plötzlich nur Zentimeter voneinander entfernt. Sie starrte ihn an und räusperte sich.
„Was? Sehe ich so schlimm aus?“, wollte er wissen und fuhr sich mit der freien Hand, die noch warm war, weil sie auf ihrem Rücken gelegen hatte, erneut über das Gesicht. „Lässt deine Mutter mich direkt einweisen?“
Leise kicherte Ginny. „Nein, du siehst gut aus“, hauchte sie und Harry roch ihren Duft, während sie sprach. Sie war so nah. Ein Hauch Rosa zeichnete sich auf Ginnys Wange ab und Harry fragte sich, warum plötzlich. Hatte es an dem Satz gelegen? An dem Kompliment? Warum freute es ihn, wenn sie sagte, er sähe gut aus. Es war doch nur darauf bezogen, dass er nicht mehr verheult aussah. Doch die Röte in ihren Wangen – hieß das, es hatte mehr bedeutet? Hieß das, sie fand, dass er wirklich gut aussah? Sie fand ihn ... hübsch, vielleicht sogar attraktiv? Ihn, den kleinen Jungen mit der fetten Blitznarbe im Gesicht, dem strubbeligen Haaren und den knubbeligen Knien? Konnte es denn sein, dass eines der heißesten Mädchen der Schule ihn wirklich gutaussehend fand? Nein, aber der Gedanke war berauschend.
Ginny hatte den Blick gesenkt. Ihre freie Hand fuhr über sein Bein, als wäre es ihr peinlich, zu viel gesagt zu haben.
„Ginny, ich...“, flüsterte er und fragte sich, wie dieser Satz eigentlich zu Ende gehen sollte. Sie sah auf. Ihre Augen hatten ein wunderschönes Braun. Der Duft, der von ihr ausging, war betörend. Ohne es wirklich zu wollen, löste Harry ihre umschlungenen Hände voneinander und legte seine beiden Hände an ihr Gesicht. Sie sahen sich an. Harrys Herz raste. Er wusste, dass er eigentlich irgendetwas sagen musste, um diese Situation zu überbrücken. Ginny sah ihn nur durch lange Wimpern an, ihr Kopf war leicht schräg. Ihre Lippen voll und wunderschön geschwungen. Sein Atem ging schneller, doch nicht aus Nervosität. Er war nicht nervös. Das Herzrasen, das war ihm plötzlich klar, war keine Nervosität. Zum ersten Mal seit Wochen, Monaten fühlte er sich gut, vollkommen und am richtigen Platz auf der Welt. Er hatte, während er in Ginnys Augen sah, das Gefühl, genau hier hinzugehören. Sie blinzelte. Auch sie atmete schneller. Seine Hände fuhren in ihr Haar und blieben dort. Ihr zarter Kopf zwischen seinen Händen, ihre Nase nur zwei Zentimeter vor seiner.
Er wusste nicht, wie es geschah, ob er es geplant hatte oder vielleicht sie diese letzten Zentimeter überwunden hatte, aber plötzlich war auch sein Kopf schräg, zur anderen Seite geneigt, und seine Lippen berührten ihre.
Gegen seinen Willen stöhnte er auf, weil das Gefühl so wundervoll war. Ganz sanft bewegten sich seine Lippen auf ihren. Für ihn war es wie sein erster Kuss. Das hier fühlte sich so richtig, so vollkommen an. Hatte er danach nicht sein Leben lang gesucht?
Ihre Zunge stupste gegen seine Unterlippe und nur zu gern öffnete er seinen Mund und ließ sie ein. Dieses Mal war sie es, die wohlig seufzte, als sich ihre Zungen fanden. Sein Herz raste, auf seinen Armen war eine unbeschreibliche Gänsehaut und er glaubte, diese Situation keine Sekunde länger aushalten zu können. Seine Hände zogen sie noch näher zu ihm, ihre Zungen umspielten sich, ihre Lippen bewegten sich aufeinander. Weit entfernt spürte er ihre Hände, die sich in sein Shirt krallten. Auch sie schien ihn noch näher an sich heranziehen zu wollen und Harry folgte ihren Wunsch nur zu gerne.
Nach einer viel zu kurzen Ewigkeit lösten sie sich voneinander. Beide atmeten schnell. Harry hatte noch nie etwas so Magisches erlebt. Ginny ließ ihren Kopf gegen sein Shirt sinken und Harry wusste, dass sie jetzt hören musste, wie sein Herz Samba tanzte. Er versuchte sich zu fangen. Was hatte das zu bedeuten?
Dann hörte er ein leises Schluchzen und merkte, dass Ginnys Schultern bebten. Sie weinte. Sie weinte hier an seiner Schulter. Warum, zum Teufel, weinte sie jetzt?
Dann wurde es ihm mit einem Schlag klar. „Dean“, hauchte er und Ginny sah auf. „Es tut mir leid, Ginny. Das wollte ich nicht. Tut mir leid.“
Sie sah ihn an. Ihr Blick war jetzt wieder vollkommen klar. „Was?“, sagte sie, plötzlich schroffer.
„Wir werden einfach so tun, als wäre das nie passiert. Es tut mir leid. Ich hätte nicht-“
„Was? Was meinst du? Nie passiert?“
Jetzt sah er sie verwirrt an. „Du hast Dean und ich-“ Ja, was hatte er? Ein Leben, bei dem seine geliebten Menschen starben wie die Fliegen. Plötzlich wurde ihm klar, was er gerade getan hatte. Er hatte Ginny Weasley geküsst. Ginny, die so etwas war wie seine kleine Schwester! Ron würde ausrasten. Ginny hatte eine Beziehung zu einem von Harrys Freunden! Was tat er hier? Das war nicht richtig! Und sie hatte den Kuss erwidert, weil – weil sie ihn nicht verletzen wollte. Sie war mit Dean zusammen. Sie liebte Dean. Und aufgrund seiner emotionalen Schwäche überredete er sie zum Fremdgehen!
„Wir werden das einfach vergessen. Es tut mir leid. Du bist für mich wie meine kleine Schwester. Du liebst Dean. Du-" hast etwas Besseres verdient, fügte er in Gedanken hinzu.
Ginny erhob sich. „Stimmt“, sagte sie und ihre Stimme klang eine Spur schärfer. „Ich hab Dean. Wir sind eine Familie. Wir werden wohl so tun, als hätte es diesen Moment nie gegeben. Tut mir leid, Harry.“
Er nickte und sie rannte davon zum Haus. Sie würden wieder wie Bruder und Schwester werden und diesen Moment vergessen, diesen Moment, der für Harry mit einer der schönsten seines Lebens war. Er konnte vielleicht weitermachen. Konnte so tun, als wäre Ginny nichts weiter als seine Schwester, aber er würde diesen Kuss niemals vergessen. Ein Kuss voller Verlangen und Leidenschaft. Egal, was Ginny für ihn empfand. Egal, dass es nur Einbildung war. Aber für die Dauer dieses Kusses hatte er das Gefühl gehabt, vollkommen zu sein, über alle Maßen geliebt zu werden, seine Seelenverwandte gefunden zu haben.
Er hatte für ein paar Minuten tatsächlich das Gefühl gehabt, die Eine gefunden zu haben, die sein Leben lebenswert machte.


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So, es wird noch ein Chap geben. Ich hoffe, ihr nehmt es mir nicht übel, dass es diesen Kuss, den es ja laut Buch nicht gegeben hat, in meiner FF dann doch gegeben hat. Bis zum nächsten und letzten Chap dieses kleinen Twoshots.
Ich würde mich über Kommis freuen.


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