von DoubleTrouble
Zaubertränke fand unten in den Kerkern statt.
„Damit es sich lohnt, wenn wir das Schloss in die Luft sprengen“, flachste Jonathan und warf seine Tasche auf den Platz neben Millard.
Maggie suchte sich einen Platz in der Mitte des Raumes und stellte ihren Kessel auf die Feuerstelle. Dann setzte sie sich und sah sich um. Samara, Gabriel, Millard und Jonathan hatten sich die letzte Reihe gesichert und lachten sich über irgendetwas kaputt. Shannon, das kurzhaarige sportliche Mädchen mit dem mürrischen Gesichtsausdruck, saß schweigend an ihrem Tisch vorn in der ersten Ecke und starrte mit verschränkten Armen vor sich hin. Roger und Patrick saßen hinter ihr.
„Dürfen wir?“
Maggie schreckte auf und sah in Catherines strahlendes Gesicht. Neben ihr stand Kendra und lächelte verschämt.
„Natürlich“, murmelte Maggie und rutschte ein wenig zur Seite.
Catherine setzte sich neben sie und begann über die Probleme zu sprechen, die sie in Verwandlung gehabt hatte.
„Professor Bagley kann echt einschüchternd sein“, sagte sie. „Er hat mich ganz nervös gemacht mit seinem Starren und diesem abschätzenden Blick. Habt ihr gesehen, wie er sich direkt hinter mich gestellt hat?“
Kendra nickte. „Ich konnte mich gar nicht konzentrieren“, sagte sie mit leiser Stimme. „Aber du schon, oder, Maggie?“
Maggie zuckte verlegen mit den Schultern. „Es hat mir Spaß gemacht“, sagte sie.
Kendra verzog das Gesicht. „Mir nicht. Ich weiß gar nicht, wie ich die nächsten Jahre mit diesem Professor überstehen soll…“
Maggie musterte sie überrascht. Mit ihrer kurzen roten Strubbelfrisur und den Sommersprossen auf der Stupsnase sah Kendra entschieden frecher aus als sie tatsächlich war.
Die Kerkertür klappte wieder auf und unwillkürlich drehte sich Maggie um, in der Erwartung, ihren Lehrer zu sehen. Stattdessen kamen die Slytherins herein und setzten sich schwatzend und die Gryffindors ignorierend.
„Was machen die denn hier?“, knurrte Jonathan unüberhörbar.
Einer der Slytherins, ein relativ kleiner Junge mit schwarzen Locken und sehr heller Haut, unterbrach seine Unterhaltung mit einem Mädchen, das aussah, als könnte es seine Schwester sein und die noch mürrischer als Shannon schaute, und drehte sich um.
„Was wir hier machen?“, hauchte er. Maggie zuckte zusammen. Für einen Elfjährigen klang seine Stimme ziemlich beeindruckend. „Ich sollte wohl eher fragen, was ihr hier macht!“
„Lass schon, Niven“, murmelte das Mädchen und zupfte an seinem Ärmel.
Die Kerkertür fiel wieder ins Schloss und Professor Melville kam mit großen Schritten in den Kerker gestürmt.
„Bitte setzen Sie sich!“, rief er und stellte seine Tasche auf dem Lehrertisch ab. Niven setzte sich langsam hin, nicht ohne Jonathan noch einen eisigen Blick zugeworfen zu haben.
Professor Melville, ein noch ziemlich junger Mann mit blasser Haut und Augenringen, begann seine Stunde mit der Verlesung der Namensliste und sah sich jedes Gesicht genau an. Dann erklärte er einiges über die Kunst des Zaubertrankbrauens und ließ sie schließlich einen einfachen Heiltrank für Furunkel brauen.
Eigentlich war es ein wenig wie beim Kochen, fand Maggie. Sobald man eine falsche Zutat dazugab, wurde nichts aus dem Zaubertrank. Allerdings kam es beim Kochen nicht unbedingt darauf an, in welcher Reihenfolge man die Zutaten in den Kessel warf, beim Brauen eines Zaubertranks aber konnte das aber über Gelingen und Nicht-Gelingen entscheiden.
Maggie schwitzte über ihrem Zaubertrank. Eigentlich hatte sie alles richtig hinzugefügt, dennoch sah der Zaubertrank einfach nicht aus wie im Buch beschrieben.
Professor Melville stellte sich neben sie und beobachtete sie dabei, wie sie immer wieder nach der Ursache suchte, warum ihr Furunkelheiltrank so geleeartig war.
Schließlich fragte er: „Haben Sie die Wellhornschnecken auch heiß genug geschmort?“
Er hatte einen leichten Akzent, bemerkte Maggie.
„Ich weiß es nicht“, sagte Maggie zerknirscht. „Wahrscheinlich nicht.“
Professor Melville richtete sich auf und tätschelte ihr leicht die Schulter.
„Für’s nächste Mal wissen Sie’s“, sagte er und ging hinüber zu Roger, aus dessen Kessel unheilvoller grüner Rauch aufstieg.
Eigentlich war Maggie ganz zufrieden mit diesem ersten Tag. Sie hatte sich den Unterricht wesentlich schwieriger vorgestellt, auch wenn es sicher nicht so einfach bleiben würde. Mit den anderen Gryffindors würde sie sicher auch gut auskommen, auch wenn sie mit den meisten noch kein Wort gewechselt hatte. Sie ließ den Blick durch den Gemeinschaftsraum schweifen. Samara saß mit den drei blonden Jungen am Feuer und kugelte sich vor Lachen über eine Geschichte, die Gabriel erzählte. Maggie überlegte, ob sie einfach hinübergehen und sich dazusetzen sollte, aber ehe sie sich entschließen konnte, waren ihr Catherine und Kendra zuvorgekommen und besetzten die letzten beiden freien Plätze am Feuer. Also blieb Maggie mit ihrem Buch auf ihrem Platz neben dem Fenster.
Am nächsten Tag hatten sie zum ersten Mal Verteidigung gegen die Dunklen Künste. Das war ein Fach, auf das sie alle gespannt waren. Diesmal setzte sich Shannon neben Maggie, allerdings schwieg sie. Maggie überlegte, ob sie jemals lächelte.
Catherine und Kendra hatten sich zu Samara gesetzt und schwatzten fröhlich mit ihr.
Maggie rückte ihre Bücher gerade und hörte Roger und Jonathan zu, die Millard über die Mannschaften der Britischen und irischen Quidditchliga aufklärten.
Shannon neben ihr schnipste gelangweilt kleine Pergamentkügelchen durch die Luft und blickte mit einem Stöhnen auf ihre Uhr.
„Professor Seaver kommt auch zu spät“, sagte sie, doch in diesem Moment flog die Tür mit einem Krachen auf und der Professor kam herein.
Er war eine beeindruckende Gestalt. Obwohl er nicht besonders groß und bereits etwas beleibt war, strahlte er eine Aura von unbedingter Willenskraft und eiserner Stärke aus. Narben zeugten von vergangenen Kämpfen, und er zog das linke Bein ein wenig nach, aber er bewegte sich mit einer außerordentlichen Gewandtheit, die Maggie einem Mann von seiner Statur nie zugetraut hätte.
Professor Seaver blieb nicht vorn am Pult stehen, sondern ging vor der Klasse auf und ab, die Arme hinter dem Rücken verschränkt und ein grimmiges Lächeln im Gesicht.
„He du!“ Ohne Vorwarnung sprach er Catherine an, die zusammenzuckte, ihre Feder auf den Boden fallen ließ und eingeschüchtert zu ihm aufsah.
„J-ja, Professor?“, stammelte sie.
„Name?“, fragte Professor Seaver barsch.
„C-c-catherine Underwood, Sir“, stotterte Catherine.
Professor Seaver nickte bloß, ging weiter auf und ab und ließ den Blick durch die Klasse schweifen.
Maggie sank immer tiefer in ihren Sitz.
Guck mich nicht an, flehte sie innerlich. Geh vorbei. Bitte nicht ich.
„Du da!“ Alle zuckten wieder zusammen und entspannten, als Professor Seavers Zeigefinger auf Shannon deutete.
„Name!“
„Wozu wollen Sie das wissen, Professor?“, fragte Shannon schnippisch. „Steht doch alles auf Ihrer Liste.“
Die ganze Klasse schien nach Luft zu schnappen. Professor Seaver kam auf den Tisch zu, an dem Shannon und Maggie saßen, und stützte sich auf die Tischplatte.
Gleich explodiert er, dachte Maggie und versuchte sich so klein zu machen wie möglich.
Professor Seaver starrte Shannon prüfend ins Gesicht, doch sie hielt seinem Blick stand. Und dann grinste er, drehte sich um und klatschte in die Hände.
„Wunderbar!“, rief er. „Erste Lektion gelernt! Immer wachsam, wie mein alter Freund Mad-Eye Moody, Gott hab ihn selig, immer sagte, immer misstrauisch und bloß nicht verunsichern lassen!“
Er zückte seinen Zauberstab und schwang ihn. An der Tafel erschienen diese drei Grundsätze.
Alle griffen nach Pergament und Feder, um sich alles zu notieren.
„So, meine Lieben, dann lasst uns mal ein paar Grundregeln klären“, sagte Professor Seaver. „Erstens: Wenn ich eines nicht leiden kann, dann sind es lange Aufsätze. Leider verlangt die Schulordnung, dass Sie über verschiedene Themen Aufsätze schreiben müssen, also komme ich leider nicht darum herum, mir das Gekritzel von hunderten untalentierten Schülern durchlesen zu müssen. Also, je kürzer der Aufsatz, desto besser die Note, klar?“
„Damit hab ich absolut kein Problem“, murmelte Jonathan Millard und Gabriel zu.
„Zweitens“, sagte Professor Seaver und fixierte Jonathan, „halte ich den Unterricht und möchte nicht unterbrochen werden, es sei denn, ich habe einen Schüler ausdrücklich dazu aufgefordert, seinen Senf von sich zu geben. Ansonsten“, er kam langsam auf Jonathan zu, der tiefer in seinen Stuhl sank, „kann ich sehr ungemütlich werden.“
Jonathan atmete erleichtert auf, als Professor Seaver sich umdrehte und wieder hinter sein Pult zurückkehrte.
„Drittens“, sagte er, „kann ich langen theoretischen Abhandlungen nichts abgewinnen. Aber bevor Sie hier richtig zaubern dürfen, müssen Sie die Grundlagen beherrschen. Ich hab keine Lust, ständig Erstklässler in den Krankenflügel zu schicken, die ihre Ohren auf ihr Hinterteil verpflanzt haben, bloß weil sie statt ‚auris asinus‘ ‚auris asinum‘ gesagt haben.“
Professor Seaver sah sich in der Klasse um.
„Noch Fragen?“
Keiner meldete sich.
„Wunderbar!“, rief Professor Seaver aus. „Dann besteht ja doch noch Hoffnung, dass aus Ihnen mal ganz annehmbare Zauberer und Hexen werden! Und jetzt schlagen Sie bitte das erste Kapitel in Ihren Büchern auf!“
Maggie wusste nicht warum, aber irgendetwas an Professor Seaver schüchterte sie noch mehr ein als Professor Bagley. Jetzt war sie doch recht froh, nach Gryffindor gekommen zu sein, denn in Hufflepuff wäre Professor Seaver ihr Hauslehrer gewesen. Professor Longbottom war ganz anders. Es war noch nicht lange her, dass er selbst Schüler in Hogwarts gewesen war. Er unterrichtete Kräuterkunde in den Gewächshäusern. Dieses Fach hatten sie zusammen mit den Hufflepuffs. Aus der ersten Stunde machte Professor Longbottom eine Fragestunde. Die Schüler bombardierten ihn mit Fragen zu seiner Vergangenheit, zu der Rolle, die er während des Widerstands in Hogwarts gespielt hatte, und zu seiner Freundschaft mit Harry Potter. Er beantwortete alles mit einer freundlichen Gelassenheit und ließ sogar eine Galleone herumgehen, mit deren Hilfe sich die Mitglieder der Untergrundorganisation „Dumbledores Armee“ Nachrichten geschickt hatten. Später hielt Professor Longbottom dann einen Vortrag über verschiedene magische Pflanzen, die sie in diesem Jahr behandeln würden, dann stellte er sie zu Paaren zusammen und wies sie an, die Fangzähnigen Geranien reichlich mit Drachendünger zu versorgen. Wenn dieser Dünger nicht so stinken würde, überlegte Maggie, würde Kräuterkunde sicher viel Spaß machen.
Am Donnerstagnachmittag hatten die Erstklässler keinen Unterricht und Maggie nutzte die freie Zeit, um die Bibliothek zu erkunden. Sobald sie diese große Halle betrat und die Regalreihen erblickte, die mit Abermillionen von Büchern vollgestopft waren, war es um sie geschehen. Ob sieben Jahre auf Hogwarts ausreichen würden, um auch nur einen Überblick über all die Bücher zu bekommen? Eine Weile wanderte Maggie durch die Bibliothek, strich ehrfürchtig über die Buchrücken, blieb hier und da stehen, um einen Titel zu entziffern, bis sie schließlich vorsichtig Eine Geschichte von Hogwarts aus dem Regal zog und es aufklappte. Dann setzte sie sich an einen der Tische, die überall in der Bibliothek verteilt waren und begann zu lesen. Schließlich kam die Bibliothekarin Madam Pince, die Maggie seltsamerweise an einen unterernährten Geier erinnerte, und sagte: „Es ist Zeit für’s Abendessen, und achte darauf, dass du das Buch wieder an die richtige Stelle zurückstellst.“
Maggie tauchte nur langsam aus der Welt aus Wörtern und Papier wieder auf. Beinah benommen ging sie hinunter in die große Halle und setzte sich neben Jonathan zum Abendessen.
„Wo warst du denn?“, fragte er sie.
„In der Bibliothek“, antwortete Maggie.
Jonathan verzog das Gesicht. „Freiwillig? Wir waren unten am See. Wusstest du, dass dort ein Krake wohnt?“
Maggie musste schmunzeln.
„Seit 1867“, sagte sie. „Die Schulleiterin, Araminta Emilia Cynebald, hat ihn von einer ihrer Reisen mitgebracht. Damals war er natürlich winzig klein, nicht so riesig wie heute.“
Sie sah von ihrem Teller auf und blickte in die verblüfften Gesichter von Jonathan, Samara, Catherine, Gabriel und Millard.
„Woher weißt du das?“, fragte Catherine verwundert.
Maggie wurde rot und sie sah rasch wieder auf ihren Teller.
„Ach, das hab ich gelesen“, murmelte sie.
Nach dem Abendessen machten sie sich auf den Weg zu Astronomie. Dieses Fach wurde oben auf dem höchsten Turm gelehrt. Schon, als sie die Wendeltreppe hoch stiegen, verspürte Maggie ein flaues Gefühl im Magen, das ständig zunahm, je höher sie kamen. Schließlich hatten sie die Plattform erreicht und traten hinaus ins Freie.
„Wow, wie cool!“, rief Samara und lief zur Brüstung hinüber. Die anderen folgten ihr, doch Maggie blieb in der Mitte stehen und versuchte, tief durchzuatmen.
„Verdammter Mist“, flüsterte sie.
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