von DoubleTrouble
Maggie erwachte am Sonntagmittag dadurch, dass eine ganze Horde Gryffindorerstklässler den Krankenflügel stürmte. Sie richtete sich vorsichtig auf und verzog das Gesicht, als ein schmerzhafter Stich durch ihren Rücken fuhr, genau an der Stelle, wo der Schockzauber sie getroffen hatte.
„Denen haben wir’s gezeigt!“, rief Jonathan und reckte die Faust in die Luft. Mit der anderen Hand hielt er sich ein Taschentuch vor die Nase, um sein unbändiges Nasenbluten zu stoppen. Entsetzt ließ Maggie den Blick über die Erstklässler schweifen. Alle hatten sie mehr oder weniger schwere Verletzungen – Gabriel und Millard hatten riesige Beulen an den Köpfen, Shannon hielt ihre Hand fest, als wäre sie gestaucht, Roger hatte eine aufgeplatzte Lippe und Catherine, Kendra und Patrick schien auf den ersten Blick nichts weiter zu fehlen, als dass ihre Umhänge lädiert und ihre Gryffindorbanner zerrissen waren. Und mitten unter all den Verletzten humpelte Sam, die ein prachtvolles Veilchen und ein breites Grinsen zur Schau trug.
„Sam!“, rief Maggie verwirrt. „Was ist denn mit euch passiert?“
Sam kam zu ihr herüber gehumpelt und setzte sich auf ihr Bett.
„Wir waren beim Quidditchspiel“, sagte sie grinsend. Sie hatte es sich trotz Schmerzen im Fuß partout nicht nehmen lassen, zum letzten Spiel des Schuljahres zu gehen.
„Ja, aber ihr habt doch nicht mitgespielt! Oder hat ein Klatscher eure Tribüne getroffen?“ Maggie betrachtete ihre lädierten Mitschüler.
„Ach, wir haben bloß die Slytherins vermöbelt“, sagte Roger schulterzuckend.
„Wieso…? Ach, ich will’s gar nicht wissen“, wehrte Maggie rasch ab, als alle auf einmal versuchten, ihr zu erklären, wie es durch das Verschulden der Slytherins zu einer Rauferei gekommen war. Auch Madam Pomfrey stellte keine Fragen, sondern setzte alle Schüler der Reihe nach auf zwei Betten und begann, die Beulen und Schürfwunden zu behandeln.
„Dich kann man echt keine Minute alleine lassen“, sagte Maggie kopfschüttelnd zu Sam, die es sich neben ihr bequem gemacht hatte. Sam lachte, dann setzte sie sich auf und boxte Maggie aufgeregt in die Rippen. Maggie stieß einen leisen Schmerzensschrei aus.
„Weißt du was? Gryffindor hat den Quidditchpokal gewonnen!“
„Klasse“, sagte Maggie und biss die Zähne zusammen. Bei ihrem Sturz musste sie sich mindestens eine Rippe geprellt haben, die nun wieder zu schmerzen begann.
„Geht’s dir immer noch nicht besser?“, fragte Sam mitleidig.
„Doch, schon“, sagte Maggie und lehnte sich an die hohe Rückseite des Bettes. Sie warf einen Blick zu Madam Pomfrey und ihren Mitschülern hinüber, dann fragte sie Sam leise: „Weißt du etwas neues?“
Sam schüttelte bedauernd den Kopf.
Seit sie am frühen Samstagmorgen in den Krankenflügel gebracht worden waren, waren sie mehrmals von den Lehrern ausgefragt worden, was genau passiert war. Maggie und Sam hatten alles wahrheitsgetreu berichtet, denn nachdem sie nun am eigenen Leib gespürt hatten, zu was der Vermummte fähig war, fühlten sie sich gar nicht mehr so mutig. Professor Longbottom hatte noch in der Nacht die Auroren zu Hilfe gerufen, die das Schlossgelände nach dem verschwundenen Vermummten abgesucht hatten. Als Sam und Maggie schließlich ausgeschlafen hatten, hatten sie Besuch von Harry Potter, der den Einsatz leitete, und einigen seiner Auroren bekommen. Sie waren allesamt sehr nett gewesen, hatten ihnen Fragen zu der ganzen Angelegenheit gestellt und ihnen gute Besserung gewünscht.
„Habt ihr keinen Verdacht?“, hatte Mr Potter zum Schluss gefragt.
Maggie und Sam hatten einander verlegen angesehen, bevor sie langsam mit den Köpfen schüttelten.
„Wirklich keinen?“, hatte Mr Potter nochmals nachgehakt.
Maggies Augen waren zu Professor Seaver hinübergeflattert, der abwartend im Hintergrund stand, doch sie hatte wieder den Kopf geschüttelt.
„Wir haben echt keine Ahnung“, hatte Sam schließlich beteuert (und das entsprach ja auch der Wahrheit). Daraufhin hatten sich Harry Potter und die Auroren verabschiedet und Maggie war schnell wieder eingeschlafen.
Und nun hatten sie das ganze Schlossgelände durchkämmt, aber von dem Vermummten und Eugene fehlte jede Spur.
„Ich glaube, sie wollen eine Fahndung für Eugene rausgeben“, sagte Sam und bewegte vorsichtig ihren bandagierten Fuß. „Und nach dem Vermummten, aber da haben sie kaum Hoffnung. Wir würden ihn schließlich auch nicht wiedererkennen. Schon komisch, dass er so ganz plötzlich wie vom Erdboden verschluckt war, findest du nicht?“
Maggie saß plötzlich wie vom Donner gerührt da.
„Sam“, sagte sie und ihre Stimme zitterte leicht. „Professor Seaver ist doch in dem Moment aufgetaucht, als der Vermummte verschwunden ist, oder?“
Sam überlegte, aber ihre Erinnerungen an diese Nacht waren verschwommen.
„Kann schon sein… Wieso?“
„Na, überleg doch mal!“ Maggie klang ganz aufgeregt.
„Du willst doch jetzt nicht schon wieder sagen, dass…“, stöhnte Sam auf.
„Doch!“ Maggie beugte sich vor und packte Sams Hand. „Schau, es passt doch! Als er merkt, dass er verfolgt wird, lässt er seine Verkleidung verschwinden und taucht als harmloser Professor wieder auf, der ja nur helfen will!“
Sam entzog ihr ihre Hand und kratzte sich an der Nase. „Und was sagst du dazu, dass Professor Bagley dort gar nicht erschienen ist?“
„Vielleicht hat er geschlafen und nichts gehört?“, gab Maggie zu bedenken.
Sam schnaubte. „Erinnre dich mal daran, dass wir ihn, kurz bevor wir auf dem Astronomieturm waren, gesehen haben! Und er lehrt Verwandlung, er hätte sich bestimmt einfach in einen Stein oder so verwandeln können, als die anderen Lehrer rauskamen, und abwarten können!“
Maggie wollte dagegen halten, als sich die Tür des Krankenflügels wieder öffnete und die Slytherin-Erstklässler hereinkamen. Sie sahen nicht weniger zerbeult und lädiert als die Gryffindors aus und funkelten sie zornig an.
„Na, Patterson?“, grinste Jonathan. Er näselte, seit ihm ein Wattebausch in der Nase steckte. „Hast du etwa was ins Auge bekommen? Meine Faust vielleicht?“
Lachend schlug er bei Gabriel ein.
Niven Patterson, dessen rechtes Auge ein riesiger Bluterguss umgab, blieb gelassen.
„Wer hat dir denn was auf die Nase gegeben? Dem würde ich gern mal gratulieren“, sagte er eisig und schlug sich dann vor die Stirn, als hätte er sich gerade an etwas erinnert. „Richtig – das war ja ich! Heul nicht rum, Knaggs, deine Nase sah vorher einfach nur hässlich aus… und ich mag es einfach lieber, wenn Dinge in meiner Umgebung gut aussehen.“
Jonathan fuhr auf und wollte auf Patterson losgehen, aber Madam Pomfrey trat dazwischen und zwang Jonathan mit sanfter Gewalt zurück auf sein Bett.
„In meinem Krankenflügel wird nicht geprügelt“, sagte sie und funkelte die beiden verfeindeten Parteien streng an. „Alle, die versorgt sind, verlassen jetzt die Station!“
Die Gryffindors winkten Maggie und Sam zu und gingen nach draußen, nicht ohne die Slytherins nach Möglichkeit zu schubsen und ihnen auf die Füße zu treten.
Sam war auf Maggies Bett sitzen geblieben. Schließlich wollte sie ihre beste Freundin nicht mit einer ganzen Horde Slytherins allein lassen.
Madam Pomfrey begann, die Slytherins der Reihe nach zu versorgen. Ein kleines, dunkelhaariges Mädchen mit einem mürrischen Gesichtsausdruck, dem nichts weiter zu fehlen schien, warf einen flüchtigen Blick auf ihre Freunde, dann kam sie zögernd zu Maggie und Sam herüber.
„Melanie“, sagte Sam kühl. Maggie wusste, dass die beiden früher die besten Freundinnen gewesen waren, aber nun kaum noch miteinander sprachen. Was genau vorgefallen war, wusste sie nicht – sie hatte Sam nie danach gefragt.
Melanie nickte bloß. Sie starrte eine Weile auf ihre Schuhspitzen, dann blickte sie Sam voll ins Gesicht.
„Stimmt das?“, fragte sie.
„Was?“, fragte Sam zurück.
„Das mit diesen Kapuzenmännern“, sagte Melanie genervt.
„Kapuzenmänner?“, fragte Maggie verwirrt.
Sam verdrehte die Augen und wandte sich ihr zu. „Im Schloss gehen die wildesten Gerüchte um. Angeblich haben wir gegen eine Horde Kapuzenmänner gekämpft und dabei das halbe Schloss in Trümmer gelegt. Das stimmt natürlich nicht“, fuhr sie an Melanie gewandt fort. „Es war nur ein Vermummter und wir haben weder die Treppe in Brand gesteckt noch die Große Halle einstürzen lassen.“
Melanie wollte noch etwas sagen, als die eisige Stimme Niven Pattersons rief: „Mel, kommst du?“
„Wir sehen uns“, murmelte sie Sam hastig zu, bevor sie mit gesenktem Kopf und schlurfenden Schritten zu ihren Freunden zurückkehrte.
„Die Treppe in Brand gesteckt?“, fragte Maggie ungläubig. „Glauben die das wirklich?“
Sam zuckte mit den Schultern. „Sollen sie doch.“
„Wir können froh sein, dass die Lehrer uns überhaupt geglaubt haben“, sagte Maggie nachdenklich. „Die ganze Geschichte klingt ja äußerst unglaubwürdig… außerdem ist der einzige Zeuge, der den Vermummten von nahem gesehen hat, verschwunden.“
Sie verfielen in nachdenkliches Schweigen. Wo mochte Eugene jetzt stecken? Ging es ihm gut? Hatte er es wohlbehalten aus dem Schlossgelände geschafft? Oder hatte der Vermummte ihn schon erledigen können, bevor er sie verfolgt hatte?
Die Tür des Krankenflügels öffnete sich und herein kam die Schulleiterin. Die kleine, rundliche Professorin nickte Madam Pomfrey fröhlich zu.
„Ach, das sind wohl die Veteranen der Massenprügelei?“, fragte sie augenzwinkernd. Die Slytherins senkten betreten die Köpfe. Professor Sprout kam auf Maggie und Sam zu, zog sich einen Stuhl neben ihr Bett und setzte sich, nachdem sie den Trennvorhang geschlossen hatte.
„Wie geht es euch?“, fragte sie mitfühlend.
„Besser“, murmelten die beiden verlegen.
Professor Sprout schüttelte lächelnd den Kopf. „Ihr macht vielleicht Sachen… das hätte furchtbar schief gehen können!“
Maggie und Sam schauten einander betreten an.
„Und Mr Filch ist auch ziemlich sauer wegen all der Verwüstungen, die ihr angerichtet habt … und weil er Peeves nicht rausschmeißen lassen kann“, fügte sie zwinkernd hinzu.
Maggie und Sam wagten ein schüchternes Lächeln.
„Bekommen wir jetzt Strafarbeiten?“, fragte Sam zerknirscht.
„Ach was! So kurz vor Ende des Schuljahres!“ Professor Sprout lachte und schüttelte den Kopf. Dann wurde sie wieder ernst. „Ihr habt sehr mutig gehandelt und eurem Mitschüler geholfen, als er in Not war. Ihr habt es selbstlos in Kauf genommen, verletzt zu werden und euch einem dunklen Zauberer entgegengestellt. Und deshalb kann ich nicht anders, als jeder von euch fünfzig Hauspunkte zu verleihen.“
Maggie und Sam strahlten einander an.
„Allerdings zehn Punkte Abzug für das unerlaubte Betreten des Astronomieturms“, fügte die Schulleiterin streng hinzu und Maggie und Sam stöhnten leise auf.
Professor Sprout lächelte und stand auf. „Ich bin jedenfalls froh, dass euch beiden nichts weiter passiert ist. Gute Besserung weiterhin!“
Sie zog den Vorhang zurück und wandte sich zum Gehen, als die Tür des Krankenflügels ungestüm aufgerissen wurde und Gabriel mit einem Pergament wedelnd hereinstürmte.
„Maggie, Sam!“, rief er, die Slytherins nicht beachtend, die ihn vorwurfsvoll anblickten, als er sie anrempelte. „Da ist eine Eule für euch gekommen!“
„Für uns beide?“, fragte Maggie. Sam sprang wie von der Tarantel gestochen vom Bett, landete auf ihrem verletzten Fuß und knickte stöhnend zusammen.
„Eugene“, brachte sie heraus. Maggie setzte sich auf und riss Gabriel blitzschnell den Brief aus der Hand. Professor Sprout war stehen geblieben und wartete.
Mit zitternden Fingern öffnete Maggie den Brief. Sam setzte sich neben sie und blickte ihr über die Schulter.
Liebe Maggie, liebe Sam
stand da in Eugenes Handschrift.
Es geht mir gut, macht euch keine Sorgen. Ich habe es geschafft zu fliehen und bin jetzt an einem sicheren Ort. Hoffentlich geht es euch gut?!
Vielen Dank für alles. Das werde ich euch nie vergessen.
Ich melde mich wieder,
Eugene
„Er hat’s geschafft“, flüsterte Maggie erleichtert. Sam drückte ihre Hand so fest, dass es wehtat. Vor Erleichterung kamen Maggie die Tränen und sie begann haltlos an Sams Schulter zu schluchzen. Sie spürte, wie Professor Sprout ihr sanft den Rücken tätschelte und hörte, wie sie leise sagte: „Zwanzig Punkte dafür, dass ihr Eugene wirklich geholfen habt.“
Maggie lachte unter Tränen und bekam einen Schluckauf.
Am Abend fand das große Schuljahresendbankett statt. Maggie und Sam saßen nebeneinander am Gryffindortisch, schlugen sich die Bäuche mit dem voll, was die Hauselfen in der Küche so meisterhaft fabriziert hatten und wussten vor Verlegenheit nicht, wo sie hinschauen sollten, als Professor Sprout sie in ihrer Rede lobend erwähnte. Sie freuten sich mit den anderen Gryffindors, die nicht nur den Quidditchpokal (der jetzt etwas eingedellt war, nachdem Maggie ihn auf den Vermummten hatte fallen lassen), sondern auch den Hauspokal gewonnen hatten.
Und dann war das Schuljahr vorbei. Maggie konnte es kaum fassen. Die Zeit war wie im Flug vergangen, doch wenn sie daran dachte, wie viel sie erlebt hatten, erschienen ihr die zehn Monate eher wie Jahre. Wer hätte am Anfang des Schuljahres gedacht, dass sie in solch tödliche Gefahr geraten würden? Und wer – Maggie schmunzelte leicht – wer hätte gedacht, dass sie und Sam so gute Freundinnen werden würden?
Sam steckte den Kopf durch die Tür des Schlafsaals. „Maggie, kommst du? Wir müssen zum Zug!“
„Ich bin fertig“, sagte Maggie, schloss ihren Koffer und warf einen letzten Blick ringsum. Erst in zwei Monaten würden sie wiederkommen. Sie griff nach ihrer Tasche (um das restliche Gepäck würden sich zum Glück Filch und die Hauselfen kümmern) und folgte Sam.
„Eigentlich waren wir nicht besonders erfolgreich“, stellte ihre beste Freundin nachdenklich fest, als sie schließlich im Hogwarts-Express saßen und kurz vor London waren. „Wir haben weder herausgekriegt, was es mit diesen Siegeln auf sich hat, noch, wer der Vermummte ist…“
Maggie sah von ihrem Buch auf und lächelte.
„Wir haben immerhin all unsere Prüfungen bestanden“, sagte sie. „Das ist auch etwas wert. Und wir haben Eugene geholfen. Und verlass dich drauf, wir werden ihn zwingen, uns etwas über diese Siegel zu verraten.“
Sam lächelte und lehnte sich zurück. „Nächstes Jahr…“, murmelte sie, „nächstes Jahr kriegen wir’s raus. Und bis dahin will ich einfach nur die Ferien genießen.“
Maggie blickte aus dem Fenster.
„Wir sind da“, sagte sie.
Ihre Familie war vollständig erschienen und zog sämtliche Blicke auf sich. Und auch Sams Familie schien vollzählig zu sein.
„Von euch hört man ja Sachen“, sagte Mrs Mayhew und zog Maggie in ihre Arme. „Professor Sprout hat uns geschrieben… Wir überlegen ernsthaft, ob wir dich nicht von der Schule nehmen sollen.“
„WAS?“, rief Sam empört und hängte sich fest bei Maggie ein. „Das können Sie nicht machen! Wie soll ich denn sonst in Verwandlung durchkommen?“
Maggies Eltern begannen zu lachen und winkten beruhigend ab.
„Wir vertrauen darauf, dass diese seltsame Geschichte jetzt beendet ist“, sagte Mr Mayhew. Er nahm den Gepäckwagen mit Maggies Koffer und ging voran zum Tor in die Muggelwelt. Maggies Mutter und Geschwister folgten ihm.
Sam und Maggie schauten einander an. Im Gegensatz zu Mr Mayhew ahnten sie, dass die ganze Geschichte noch nicht vorbei war. Im Gegenteil – sie hatte gerade erst begonnen.
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