von DoubleTrouble
Nach dem Nachsitzen für den Streich an Filch vergingen die Tage für Maggie und Sam ohne weitere Zwischenfälle. Aus dem feuchten und milden Februar wurde ein anfangs sehr verregneter, aber dann warmer und sonniger März. Und während sich Sam noch immer beschwerte, ihr würden die Arme vom Putzen in Filchs Büro schmerzen, und sie sich lautstark über Professor Bagley ausließ, in dessen Unterricht sie auf ein bisher unerreichtes Maß von schlechter Arbeit gerutscht war, fingen die Osterferien an. Sie kamen und gingen, ohne dass sie erwähnenswerten Spaß oder Abenteuer erlebt hätten, denn mit den Ferien waren auch die Jahresabschlussprüfungen in greifbare Nähe gerückt und Maggie brachte sie dazu, wenn auch murrend, knurrend und widerstrebend, die ganzen Ferien in der Bibliothek mit Lernen zuzubringen, um mit den Unmengen von Arbeit fertig zu werden, die die Lehrer ihnen aufgehalst hatten. So verbrachten sie fast jeden Tag zwischen alten Lederbänden und Pergamentstapeln, schrieben Aufsätze, definierten Zauber und übten Zauberstabbewegungen und auch wenn Sam klagte und jammerte, so war ihr doch bewusst, dass Maggie recht hatte und es schließlich nur gut meinte, denn sie übte jeden Abend die Verwandlungszauber mit ihr, damit sie bei Professor Bagleys Prüfung nicht durchfiel.
Der April brachte außer lauen Winden auch eilige Wetterwechsel mit sich und bald jeden Tag zeigte sich an der verzauberten Decke der Großen Halle ein anderes Bild. Mal waren es sturmgepeitschte Wolken, dann wieder blauer Himmel unter strahlendem Sonnenschein, dann regnete es wieder in Strömen, dass sie mit hochgezogenen Umhängen zu den Gewächshäusern von Professor Longbottom waten mussten, und an einigen Tagen brannte die Sonne gar so heiß zwischen den Schäfchenwolken hervor, dass sie die Umhänge ablegten und die langen Ärmel ihrer Roben hochkrempelten. Indes hatte auch der Unterricht wieder begonnen und die Schüler hatten dank ihrer Hausaufgaben und Büffelei nicht einmal mehr Zeit für eine Runde Zauberschach im Gemeinschaftsraum oder eine Partie Zauberschnippschnapp in den Pausen.
Der Gipfel der Gemeinheit war jedoch, dass Professor Bagley nun in jeder Verwandlungsstunde hinter Sams Tisch stand und sie am Ende fragte, wie sie es denn schaffen wollte, ohne Schummeln durch die Prüfung zu kommen. Das machte selbst Maggie wütend und sie schnappte Sam eines regnerischen Nachmittags ihren Verwandlungsaufsatz unter der Nase weg, um ihn zu korrigieren. Prompt bekam Sam auch dafür eine schlechte Note, weil Professor Bagley behauptete, sie hätte abgeschrieben. Das stimmte zwar, aber Sam wurde schließlich so zornig, dass sie das Weinglas, das sie in einen Kelch verwandeln sollte, in tausend Scherben zerspringen ließ, wofür ihr Bagley eine ganze Stunde Nachsitzen aufhalste.
Trotzdem, oder gerade deswegen, schwang sie sich in Zaubertränke und Verteidigung gegen die dunklen Künste zu Glanzleistungen auf, die nicht einmal Maggie übertrumpfen konnte, und bei allem, was mit Verwandlung zu tun hatte, biss sie die Zähne zusammen und ackerte so verbissen, dass Maggie sie irgendwann dazu bringen musste, auch mal Pause zu machen.
Maggie hingegen war zwar immer noch Klassenbeste in Verwandlung und Zauberkunst und ließ den Rest der Klasse weit hinter sich, doch als der Mai strahlend und heiß anbrach, wurde sie angesichts der Prüfungen immer blasser und nervöser. Sie lernte fast so viel wie Patrick, der sogar beim Essen die Nase in einem Buch stecken hatte.
Doch trotz der vielen Arbeit schwirrte den beiden Mädchen immer noch der seltsame Vermummte mit seinen Siegeln im Hinterkopf herum. Auch wenn sie ihn schon lange nicht mehr gesehen hatten, so träumten sie doch davon, oder überlegten in ihren Betten jede für sich, wer es denn sein konnte, der Eugene und seine Freundin Keila bedrohte. Auch bemerkten sie, dass Eugene mittlerweile dünn und blass aussah und dunkle Ringe unter den Augen hatte, doch schien das niemand außer ihnen sonderlich zu kümmern, denn jetzt wo die Siebtklässler ihre UTZ-Prüfungen machten, sahen die meisten von ihnen nicht unbedingt gesund aus.
Und obwohl sie beide hofften (Maggie am meisten, denn Sam wäre jede Abwechslung recht gewesen), dass sie die letzte Woche bis zu den Prüfungen ohne Zwischenfälle überstehen würden, kam wieder alles anders.
„AUTSCH!“
Sam erwachte mit einem jähen Schmerz im linken großen Zeh aus dem Tiefschlaf und sah sich benebelt blinzelnd in ihrem Bett um. Ein weiterer stechender Schmerz ließ sie erneut aufschreien und sie riss die Bettdecke von den Füßen. An ihrem linken großen Zeh hing etwas grün-grau Gepunktetes, das einem Hummer zum Verwechseln ähnlich war. Vor Schreck und Ekel entfuhr ihr ein weiterer Schrei und sie schmiss sich panisch zappelnd und fuchtelnd zurück auf ihre Matratze, um das Ding loszuwerden, während es weiterhin zwackte und kniff, und sie in einen tobsuchtsartigen Schreianfall ausbrach, der sämtliche anderen Mädchen des Schlafsaals aus ihren Träumen riss. Sie fingen verschlafen an zu murmeln, was denn los sei, als Sam noch etwas anderes hörte: ein amüsiertes Kichern.
Mit einem Zornesschrei riss sie den roten Samtvorhang um ihr Bett auf und endlich hatte sie das Getier abgeschüttelt. In hohem Bogen wurde es davon geschleudert und landete in Kendras Bett zu Sams Rechten, die ausgerechnet in diesem Moment den Vorhang öffnete und mit wild abstehendem rotem Haar heraus schielte. Das Vieh landete mitten in ihrem Gesicht und packte sie an der Nase, woraufhin sie in panisches Kreischen ausbrach.
„Was ist denn jetzt schon wieder los? Es ist mitten in der Nacht, Mädels!“, meldete sich Catherine aus dem Bett neben der Tür mit müder Stimme zu Wort. Allmählich regten sich auch Maggie und Shannon in ihren Betten. Einem jedoch schien das Geschrei und Gekreische der Mädchen überhaupt nichts auszumachen. Ein kleiner, plumper Mann mit orangenem Glockenhut und geringelten lila Schuhen hüpfte unter der Decke herum und gackerte ausgelassen.
„PEEVES!“, donnerte Sam und sprang aus dem Bett. Sie schnappte ihren Zauberstab vom Nachttisch, doch noch bevor sie überlegen konnte, ob sie überhaupt einen Zauber kannte, den sie dem Poltergeist entgegenschleudern könnte, rauschte er mit einem lauten, überdrehten „HUUUIIIIII!“ aus dem offenstehenden Fenster. Sam stapfte zornschnaubend hinterher und knallte das Fenster mit voller Wucht zu, dass die oberste quadratische Scheibe aus dem Rahmen fiel und laut klirrend auf dem Fenstersims zerschellte. Daraufhin riss sie den Verschlussriegel so heftig herum, dass er abbrach und das Fenster langsam wieder aufschwang.
„Bei Merlins stinkendstem Frottee-Schlüpfer!“, machte sie ihrem Ärger Luft und wollte zu ihrem Bett zurückkehren, wobei sie barfuß direkt in die Scherben der Scheibe trat. Auf übelste Weise fluchend, was Catherine entsetzt „Sam!“ rufen ließ, und mit Tränen in den Augen hüpfte sie auf dem linken Bein mit der schmerzenden Zehe zu ihrem Bett zurück, wo Maggie mit besorgtem Gesicht wartete, und besah sich die blutende Fußsohle. Shannon war inzwischen auch aus den Laken gestiegen und hatte sich erbarmt Kendra von dem hässlichen, großen Hummer zu befreien, der an ihrer Nase einen roten Striemen hinterlassen hatte. Shannon hielt das seltsame Tier jetzt mit ausgestreckten Armen von sich, damit es sie nicht auch noch beißen und zwicken konnte, und betrachtete es angewidert. Maggie entzündete unterdessen die Lampen an Kendras und Sams Schreibtischen, damit sie das Ausmaß des Chaos betrachten konnten, auf das der Poltergeist von Hogwarts aus gewesen war.
„Iiieh, uuuhrrg, was ist das denn?“, fragte Catherine, die endlich ihren rot-goldenen Morgenmantel übergeworfen hatte und am Ende der Himmelbetten aufgetaucht war. Kendra rieb sich noch mit tränenden Augen die Nase und starrte den Hummer argwöhnisch an, während Maggie sich jetzt interessiert vorbeugte und den grün-gefleckten grauen Panzer musterte.
„Ich glaube, so was hab ich schon mal irgendwo gesehen...“, überlegte Maggie laut und neigte nachdenklich den Kopf. Sam weigerte sich entschieden, das fiese Vieh überhaupt nur noch eines Blickes zu würdigen, und wickelte ein Taschentuch um ihren Fuß.
„Wartet mal, ich denke, ich weiß, wo ich das gelesen habe!“, sagte Maggie auf einmal und krabbelte über Sams Bett um nach ihrer Schultasche zu angeln.
„Wenn das wieder einer deiner blöden Scherze sein soll, Sam - “, setzte Catherine mit säuerlicher Miene an.
„Ich war das nicht! Das war Peeves!“, fiel Sam ihr laut ins Wort. Catherine zog ungläubig eine Augenbraue hoch. Sofort begann sie wieder zu kochen.
„Ich wäre ja wohl nicht so blöd, mir dieses hässliche Etwas selber ins Bett zu legen!“, fügte Sam noch aufgebracht hinzu und funkelte Catherine böse an.
„Aber Peeves darf überhaupt nicht in die Mädchenschlafsäle!“, empörte sich Catherine.
„Jaah, sieht aber nicht so aus, als würde ihn das interessieren, oder?“, entgegnete Shannon, den zappelnden Krebs immer noch in den Händen haltend. Sam verspürte jäh Dankbarkeit für das mürrische Mädchen in sich aufflammen.
„Aber eigentlich kann Peeves hier gar nicht reinkommen“, sagte nun Maggie, die sich mit einem rot eingebundenen Schulbuch wieder neben Sam setzte. „Die Treppen und die Wände sind verhext, damit er die Mädchen nicht belästigen kann. Das hab ich in der Geschichte Hogwarts' gelesen.“
Sam drehte sich zu Maggie um und schnitt eine Grimasse. „Na, danke auch!“
Maggie, die eben erst bemerkte, dass sie ihr damit nicht gerade aus der Patsche half, errötete leicht und sagte rasch: „Das heißt natürlich nicht, dass er nicht auch auf andere Weise reinkommen kann!“
Catherine schnaubte ungläubig. „Und wie soll das gehen?“
Maggie zuckte unbeholfen die Schultern und fing auf Shannons drängenden Blick hin an in Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind zu blättern.
„Irgendwo hier drin steht es...“, murmelte sie dabei und überflog Seite für Seite. Sam, die es für besser hielt, sich lieber aus allem rauszuhalten, damit sie keine Schwierigkeiten bekam, wickelte nun ihren Fuß wieder aus und begann, sich kleine Glassplitter aus den Schnitten zu ziehen.
„Er muss zum Fenster reingekommen sein...“, meldete sich Kendra schüchtern zu Wort. Sie näselte ein wenig dank der geschwollenen Nase.
„Das kann gar nicht sein! Ich hab das Fenster zugemacht, als wir ins Bett sind!“, erwiderte Catherine vehement. Kendra druckste und rutschte unwohl auf ihrer Matratze herum. Sam hob langsam den Kopf, gespannt wartete sie darauf, was Kendra sagen würde.
„Naja,... also, um ehrlich zu sein...“, nuschelte die kleine Rothaarige und schrumpfte unter Catherines strengem Blick zusammen. „Um ehrlich zu sein... hab ich es wieder aufgemacht, nachdem du und Maggie eingeschlafen seid...“
„Was?“, sagte Catherine scharf und stemmte die Arme in die Hüften.
„Das... das machen wir eigentlich immer... weil... weil...“, stammelte Kendra und starrte auf ihre Knie. Sam und Shannon tauschten kurze Blicke aus und es schien, als beteten sie beide, dass Kendra auf der Stelle den Mund hielt.
„Naja, weil Sam und Shannon sagen, dass ihr beide jammernde Frostbeulen seid“, schloss sie schließlich, als wollte sie es rasch hinter sich bringen. Catherine fiel der Mund auf.
„Petze!“, fauchte Shannon und rückte Kendra mit dem gräulichen Hummer gefährlich nah auf die Pelle.
„Nicht du auch noch!“, stöhnte Sam und betrachtete sie mit einem strafenden Blick, der sie, soweit überhaupt möglich, noch kleiner werden ließ.
„Wie nennt ihr uns?!“, wandte sich Catherine nun zornfunkelnd direkt an Shannon und Sam.
„Ja, stimmt doch aber!“, verteidigte sich Shannon ohne Reue zu zeigen. Doch diese Tatsache zeigte keinerlei Wirkung bei Catherine. Sie ruckte mit dem Kopf zu Maggie und zischte: „Hast du das gewusst, Maggie?!“
Maggie legte den Finger auf einen Abschnitt im Text des Lehrbuchs und antwortete mit unbeeindruckter Miene: „Klar, Sam nennt mich mindestens dreimal die Woche so!“
Catherine riss die Augen so weit auf, dass sie unweigerlich etwas heraustraten. Sie holte tief Luft, doch bevor sie zu Wort kam, sprach Maggie weiter.
„Und jetzt hört endlich auf zu streiten! Ich hab hier was über dieses Tier gefunden!“, sagte sie und legte das Buch aufgeklappt auf ihre Knie. Catherine verschränkte die Arme und hielt den Mund, wollte sich aber weder neben Shannon noch neben Sam setzen, die sich jetzt aufmerksam zu Maggie beugten.
„Der Mackelige Malaclaw ist ein Landbewohner, der vor allem auf felsigen Küstenstrichen in ganz Europa zu finden ist“, zitierte Maggie aus dem Schulbuch. „Der Malaclaw kann bis zu dreißig Zentimeter lang werden und ist hellgrau mit dunkelgrünen Tupfen.“ Maggie sah auf. „Sieht aus, als hätten wir ein ausgewachsenes Exemplar vor uns.“
„Und sind die irgendwie gefährlich?“, wollte Sam wissen. Peeves traute sie wirklich jede Gemeinheit zu. Maggie senkte noch einmal den Kopf und überflog den Text rasch.
„Nein, nur wenn man ihn isst...“, murmelte sie. Sam und Kendra atmeten erleichtert auf.
„Oh! Aber - “, entfuhr es Maggie plötzlich. Ihre Augen waren auf den letzten Abschnitt des Textes gerichtet. Sam und Kendra sahen sie erschrocken an, als sie auch noch „Oh, nein!“ stöhnte.
„Was ist?“, sagte Kendra erstickt. Maggie zuckte zusammen und klappte das Buch schnell zu.
„Ach, nichts!“, sagte sie rasch und winkte ab. Sam runzelte die Stirn und sah sie prüfend an, doch Maggie vermied es, sie anzusehen.
„Was steht da drin, Maggie?“, drängte Sam auf sie ein und versuchte, ihr das Buch aus der Hand zu schnappen.
„Gar nichts!“, sagte Maggie mit angestrengt unbeschwerter Stimme und versuchte über das Bett zu krabbeln, um das Buch wegzulegen. Sam schlang die Arme um ihren Bauch, warf sich auf sie und drückte sie auf ihre Bettdecke.
„Du bist eine miserable Lügnerin, Maggie!“, stellte sie belustigt fest und verhinderte jeden Versuch Maggies zu entkommen. Shannon und Catherine fingen an zu kichern.
„Es ist nichts Schlimmes! Wirklich nicht!“, brachte Maggie durch die Bettdecke gedämpft hervor. Sam ließ nicht locker.
„Maggie! Sag es! Was steht da noch drin!“, forderte sie.
„Sam, ich ersticke!“, keuchte Maggie zwischen den Laken. Catherine und Shannon brachen jetzt in herzhaftes Lachen aus, selbst Kendra, die sich immer noch Sorgen machte, was wohl in dem Buch stand, gluckste leise.
„Tja, das musst du wohl, wenn du nicht reden willst!“, grinste Sam.
„Okay, okay! Ich sag's ja schon! Aber geh von mir runter!“, rief Maggie erstickt. Sam ließ lachend von ihr ab und setzte sich wieder auf die Bettkante. Maggie tauchte aus dem Gewühl der Bettdecke auf und strich sich die braunen Locken aus dem Gesicht. Ihr Gesicht war leicht rosa, aber sie schmunzelte.
„Nun ja, eigentlich ist es wirklich - also, wenn ihr nicht daran glaubt, dann - es ist wirklich ausgemachter Unsinn, denke ich - denn eigentlich kann ich mir nicht vorstellen - “, sagte Maggie hastig.
„Rückst du jetzt endlich raus mit der Sprache?“, unterbrach sie Sam und piekte ihr hart in die Seite. Maggie gab ihr kichernd einen Klaps auf die Finger, doch ihr Gesicht nahm einen ernsteren Ausdruck an.
„Also, hier drin steht, dass man, wenn man von einem Malaclaw gebissen wurde, eine Woche vom Pech verfolgt wird, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das - “, erklärte Maggie rasch. Doch sie kam nicht zum Ende des Satzes. Kendra war vor Schreck von der Bettkante gerutscht und Sam hatte „Was?!“ gerufen. Maggie hob abwehrend die Hände.
„Ich glaube nicht, dass das stimmt!“, warf sie ein, während Shannon Kendra unbeholfen zurück aufs Bett zog und Sam sie ungläubig anstarrte.
„Wie?“, fragte Catherine verdutzt. „Ausgerechnet Maggie Mayhew glaubt nicht, was in einem Lehrbuch steht?“
Maggie nagte an ihrer Unterlippe und zuckte unbeholfen mit den Schultern.
„Naja, ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass das stimmt. Immerhin hab ich noch nie von einem Malaclaw gehört und wenn diese Tiere wirklich Pech bringen würden, dann würde man doch sicher einigen Unsinn mit ihnen treiben“, meinte Maggie.
„Ja, so wie Peeves!“, redete Shannon dazwischen.
„Nein, nein, das meine ich nicht!“, erwiderte Maggie. „Betrachten wir das ganze doch mal logisch. Wenn Malaclaws wirklich so viel Unglück bringen, dann würde man sie doch sicher dafür benutzen um anderen Leuten Pech zu bringen. Beispielsweise könnte man wie den Glückstrank, auch einen Pechtrank mit, sagen wir, Malaclaw-Extrakt herstellen. Oder man würde der gegnerischen Quidditch-Mannschaft einfach ein paar Malaclaws unter die Bettdecke stecken, damit sie das Spiel verlieren.“
„Gute Idee!“, rief Sam begeistert aus, fing sich aber gleich darauf einen Knuff von Maggie ein.
„Und woher willst du wissen, dass es so was nicht gibt?“, wollte Kendra, die sich ziemlich unwohl zu fühlen schien, wissen.
„Ich weiß es nicht“, sagte Maggie und hob entschuldigend die Hände. „Aber man hätte doch sicher davon gehört, wenn es so was gäbe oder nicht. Wahrscheinlich ist das alles alter Aberglaube.“
Die Mädchen beäugten Maggie misstrauisch, mussten aber zugeben, dass ihre Argumentation durchaus schlüssig klang.
„Gut, wenn das geklärt ist, dann kann ich ja endlich wieder schlafen gehen!“, sagte Catherine mit einem Anflug von Missmut in der Stimme und ging zu ihrem Bett zurück.
„Heee! Und was ist mit dem hier?“, rief Shannon und hielt den zappelnden Malaclaw in die Höhe. „Den nehme ich nicht mit in mein Bett!“
Maggie, Sam und Kendra fingen an zu lachen. Maggie krabbelte wieder über Sams Bett und fing an in ihrem Nachttisch zu kramen. Dann holte sie einen großen Karton heraus, der vor langer Zeit den Kesselkuchen beinhaltet hatte, den ihre Mutter ihr zum Geburtstag geschickt hatte, den Sam und sie am Abend ihrer Versöhnung gegessen hatten. Sie warf ihn Sam zu.
„Pack ihn da rein!“, sagte sie. „Wir können ihn morgen zu Hagrid bringen.“
Shannon steckte den widerspenstigen Krebs ohne viel Federlesens hinein und Sam umwickelte den Karton großzügig mit Zauberband, damit er sich in der Nacht nicht auf und davon machte. Nachdem er sicher verpackt war, schlüpften Shannon und Kendra wieder in ihre Betten. Sam humpelte zum Fenster um die Scherben aufzusammeln. Maggie folgte ihr mit der Kuchenschachtel und stellte sie auf dem Sims ab.
„Tut dein Fuß sehr weh?“, fragte Maggie fürsorglich, während sie Sam beim Auflesen der Glasscherben halt.
„Ich werd's überleben, schätze ich“, antwortete Sam brummig und steckte einen blutigen Finger in den Mund, den sie sich beim Saubermachen geholt hatte. „Außer das Buch hat Recht und der Malaclaw bringt wirklich Pech. Dann wird mich Bagley wahrscheinlich noch vor Ende der Woche erdrosseln...“
Maggie brach in heiteres Quieksen aus und beförderte die Scherben in einen kleinen Mülleimer neben dem Fenster. Sam betrachtete das Fenster und verzog den Mund.
„Schätze, wir müssen morgen zu Professor Longbottom und ihn nach einem neuen -“, irritiert brach sie ab. Die Ländereien des Schlosses waren in silbernes Mondlicht getaucht und dort unten, am Fuße des Schlosses, bewegte sich ein Schatten. Maggie hob eine Augenbraue und legte den Kopf schief.
„Was ist?“, wollte sie verwundert wissen. Sam öffnete leise das Fenster und zog Maggie am Arm zu sich her.
„Sieh mal, da unten!“, hauchte sie und deutete auf den großen Schatten, der sich nun rasch auf den Verbotenen Wald zubewegte. Maggie bekam große Augen.
„Ist das -?“, hauchte sie und der Mund klappte ihr auf. Sam nickte rasch und beobachtete, wie der Vermummte am Waldrand zum Stehen kam und sich augenscheinlich nach etwas umsah.
„Zu blöd nur, dass wir so weit oben sind! Ich würde zu gerne wissen, was er da treibt!“, murmelte Sam so leise, dass die anderen Mädchen sie nicht hören konnten. „Wenn wir doch nur einen Besen hätten!“
„Verflixt aber auch...“, sagte Maggie matt. Dann zog eine Bewegung am Waldrand ihre Aufmerksamkeit auf sich. Etwas wackelte in den Büschen zwischen den ersten Bäumen. Sams ganzer Körper spannte sich an vor Aufregung. Vielleicht hatte der Vermummte einen Komplizen? Vielleicht würden sie jetzt etwas sehen, das ihnen einen Hinweis auf seine Machenschaften gab?
Doch sie wurden bitter enttäuscht. Heraus kam -
„Ein Reh?“, sagte Maggie hohl und schüttelte verständnislos den Kopf. Sam murrte unüberhörbar und fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht, als könne sie nicht glauben, was sie da eben sah.
„Er geht raus, um Tiere zu streicheln? Na, klasse!“, schnaubte sie und knallte das Fenster wieder zu. Der Knall allerdings erschreckte das Reh und es verschwand wieder im Wald. Maggie sah sie tadelnd an, während das Fenster dank des abgebrochenen Riegels wieder aufschwang. Doch schließlich überkam sie die Müdigkeit und sie stiegen wieder in ihre Himmelbetten.
Als Maggie und Sam am nächsten Morgen für die erste Stunde vor dem Klassenzimmer für Zaubertränke warteten, hatte sich gezeigt, dass das Lehrbuch für magische Tierwesen durchaus glaubhaft war, denn Sam schien das Pech seit der letzten Nacht magisch anzuziehen. Auf dem Weg in die Große Halle war sie in der Trickstufe des verborgenen Treppengangs stecken geblieben, die sie sonst nie zu überspringen vergaß, Peeves hatte gleich zweimal ihren Weg gekreuzt und sie, fröhlich Max und Owen nacheifernd, mit Drachenmiststinkbomben beworfen, beim Frühstück hatte sie ihren heißen Tee umgestoßen und ihn direkt in ihren Schoß geleert und ausgerechnet auf dem Weg in die Kerker war sie über Mrs Norris gestolpert und die Hälfte der Steintreppe hinabgestürzt. Inzwischen war sie allerschlechtester Laune und stand mit verschränkten Armen neben ihrer besten Freundin, die versuchte Olivia Trengove geflissentlich zu ignorieren, weil sie ihr ständig Gemeinheiten zu zischte. Sam starrte einen dunklen Seitengang hinab und hoffte, Professor Melville würde die Tür bald aufschließen, da sie drauf und dran war, Olivia ein paar gepfefferte Ohrfeigen zu geben. Doch mit dem Unglück, das ihr heute folgte, wollte sie es nicht wagen, es wirklich darauf anzulegen.
Dann ging die Tür zum Kerker auf und Professor Melville bat sie herein. Sie nahmen an ihren Tischen Platz und begannen sofort damit ihre Kessel aufzubauen. Heute sollten sie ein Vergesslichkeitselixier brauen, das, wie Professor Melville schmunzelnd andeutete, mit ziemlicher Sicherheit in der Prüfung drankommen würde. Also holten sie ihre Zutaten heraus, begannen zu schnippeln und zu stampfen und entfachten die Feuer unter ihren Kesseln, wobei sich Sam mit einer Stichflamme die Augenbrauen an kokelte. Nicht viel besser lief es mit ihrem Zaubertrank. Nach einer halben Stunde erhob sich ein Zischen und die giftgrüne Flüssigkeit in ihrem Kessel, die eigentlich klar hätte sein sollen, kochte schäumend über.
„Oh, nein! Nein, nein, nein!“, jammerte Sam verzweifelt. Gabriel, der neben ihr arbeitete, legte ihr einen Arm um die Schultern und betrachtete mit belustigter Miene ihren Trank.
„Versuchst du heute ein eigenes Rezept?“, gluckste er und grinste sie breit an. Sam sah schmollend zu ihm auf, aber angesichts seines breiten, herzlichen Lächelns musste auch sie schmunzeln.
„Ich hab dir doch beim Frühstück erzählt, was Peeves heute Nacht angestellt hat“, murmelte sie und versuchte den See auf ihrem Tisch mit einem Lumpen aufzuwischen.
„Stimmt! Muss ich mich wohl geschmeichelt fühlen. Du hast ja ewig nicht mehr mit uns gesprochen“, meinte Gabriel, ließ sie aber immer noch nicht los. Sam zog eine Schnute.
„Maggie zwingt mich eben zum Lernen“, nuschelte sie verlegen. „Solltest du vielleicht auch mal machen. Ich hab dich nicht ein einziges Mal lernen sehen!“
„Aach, das ist doch langweilig! Ich werd's schon auch ohne schaffen!“, zwinkerte Gabriel und klopfte ihr auf den Rücken.
Professor Melville kam an ihrem Tisch vorbei und betrachtete überrascht Sams vollkommen misslungenen Ansatz. Er wandte sich ihr zu und musterte sie mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Miss Banister, das bin ich aber nicht von Ihnen gewohnt!“, sagte er enttäuscht.
„Ich weiß...“, nuschelte Sam niedergeschlagen.
„Dafür werden sie leider nicht einen Punkt bekommen“, sagte Professor Melville fast mitleidig.
„Ich weiß...“, murmelte Sam noch zerknirschter. Doch Professor Melville ging nicht weiter, wie es die meisten Lehrer getan hätten. Er beugte sich zu ihr hinunter und sah sie prüfend an.
„Ist etwas nicht in Ordnung?“, fragte er leise.
„Sie kann nichts dafür, Professor!“, schaltete sich nun Gabriel rasch ein.
„Tatsächlich?“, erwiderte Melville irritiert.
„Nein, weil, wissen Sie, sie wurde von einem Malaclaw gebissen, und nun -“, setzte Gabriel an, doch weiter kam er nicht. Plötzlich gab es einen lauten Knall und der Kessel eines Slytherinjungen explodierte. Die Schüler warfen sich schreiend auf den Boden, nur Sam war zu langsam. Sie bekam einen dicken Spritzer der heißen, gummiartigen Masse direkt ins Gesicht. Sofort fing ihre Haut an zu jucken und zu brennen und rote Bläschen breiteten sich auf ihrem ganzen Gesicht aus. Maggie sprang sofort auf, als sie Sams Gesicht sah und drückte ihr ein Taschentuch in die Hand. Auch Professor Melville hatte sich wieder erhoben und versuchte das Durcheinander zu überschauen, das der nach wie vor herumhüpfende, knallende Kessel verursachte.
„Mayhew, bringen Sie Banister in den Krankenflügel, schnell!“, ordnete er an. „Bellamy, Gregory, Knaggs, helfen Sie mir diesen Kessel einzufangen!“
Mehr bekam Sam nicht mehr mit, Maggie hatte sie schon gepackt und zur Tür gezogen.
Ein paar Minuten später saß Sam dann auf einem Bett im Krankenflügel und ihr ganzes Gesicht war mit einer gelben, nach Benzin stinkenden Paste überzogen. Maggie saß am Fußende des Betts und lächelte sie aufmunternd an.
„Ist doch gar nicht so schlimm. Madam Pomfrey sagt, in einer Stunde bist du so gut wie neu!“
Sam schnitt eine Grimasse und blickte grimmig durch den Krankensaal.
„Jaah, aber trotzdem stimmt, was in dem Buch steht! Diese blöden Malaclaws bringen wirklich Pech! Und ich weiß nicht, wie ich das eine ganze Woche lang durchhalten soll!“, stöhnte sie.
„Das wird schon! Wir müssen nur gut aufpassen!“, sagte Maggie zuversichtlich und klopfte auf ihren Fuß. Sam schnaubte ungläubig. Sie hatte schon den ganzen Morgen nichts Riskantes getan und trotzdem sah sie jetzt aus wie eine Kröte. Aber sie wollte Maggie die gute Laune nicht verderben und sagte nichts.
„Ich hoffe nur, das geht weg bis zu den Prüfungen“, überlegte Maggie laut.
„Wenn das bis dahin nicht weg ist, rassle ich überall durch!“, rief Sam entgeistert. Maggie wollte gerade etwas erwidern, als sie stockte. Ihr Blick war auf das Bett neben ihnen gerichtet, das sie eigentlich für leer gehalten hatten, doch jetzt regte sich jemand darin. Ein ziemlich pickliger Jemand.
„Das ist doch nicht -“, stammelte Maggie. Doch jetzt tauchte sein ganzer Kopf aus dem weichen Kissen auf und er spähte sie aus trüben Augen an.
„Eugene?“, rief Sam überrascht.
„Schsch!“, machte Eugene schwach und drehte sich zur Seite um die Mädchen ansehen zu können. Maggie glitt vom Bett und musterte ihn.
„Was machst du denn hier?“, fragte sie leise.
„Ah, nur ein übler Scherz“, murmelte Eugene und hielt sich die rechte Seite. Maggie und Sam tauschten bedeutungsvolle Blicke aus. Beide dachten sich sofort, wer Eugene verletzt haben musste.
„Von wem?“, fragte Sam sofort. Eugene winkte ab und schüttelte nur den Kopf.
„Du siehst aber gar nicht gut aus. Das muss ja ein schlimmer Fluch gewesen sein. Wer macht denn so was zum Spaß?“, sagte Maggie nachdenklich. Eugene wich wieder aus und hob die Schultern.
„Und du hast nicht gesehen, wer dich angegriffen hat?“, hakte Sam interessiert nach. Eugene schüttelte erneut den Kopf. Sam und Maggie tauschen wieder ein paar Blicke.
„Woher weißt du dann, dass es nur ein übler Scherz war?“, fragte Maggie und setzte einen detektivischen Gesichtsausdruck auf. Eugene seufzte und fuhr sich durchs Haar.
„Ihr beide seid viel neugieriger, als euch gut tut!“, sagte Eugene erschöpft und ließ sich auf sein Kissen zurücksinken. Die Mädchen lächelten unschuldig, doch wenn sie jetzt einmal die Gelegenheit hatten sich mit Eugene zu unterhalten, dann mussten sie sie auch nutzen.
„Es gibt doch niemanden, der dir wirklich Schaden zufügen wollte, oder?“, drängte Sam. Ein Schatten huschte über Eugenes Gesicht, der ihnen nicht entging. Er stützte sich auf die Ellbogen und sah sie mit gerunzelter Stirn an.
„Hört mal, das geht euch wirklich nichts an. Das ist allein meine Sache“, meinte Eugene misstrauisch.
„Also, ich finde, es geht jeden in Hogwarts etwas an, wenn ein Verrückter in der Schule rumläuft und Leute verflucht“, erwiderte Maggie stur. „Du solltest zu Professor Longbottom gehen, oder am besten gleich zu Professor Sprout!“
„Ich kann schon ganz gut auf mich allein aufpassen. Aber danke euch beiden, dass ihr euch um mich sorgt“, versuchte er auszuweichen.
„Na, offensichtlich nicht! Sonst wärst du ja wohl kaum hier gelandet!“, warf Sam empört ein. Während Maggie die Arme verschränkte und einfühlsam sagte: „Natürlich sorgen wir uns um dich! Selbst ein Blinder würde sehen, dass es dir nicht gut geht – und zwar schon vor diesem Angriff!“
„Ach, wirklich?“, erwiderte Eugene matt. Sam und Maggie nickten.
„Ist es wegen Keila?“, fragte Sam vorsichtig. „Sie kommt doch bald wieder, oder?“
„Nun, nein, sie – sie wird nicht mehr in die Schule kommen“, sagte Eugene betrübt.
„Wieso? Ihr geht’s doch gut? Sie wird doch wieder gesund?“, sagte Maggie bestürzt. Eugene nickte schwach.
„Sie ist schon aus dem St. Mungo entlassen worden, aber die Schule ist noch zu anstrengend für sie“, meinte er traurig.
„Also kommt sie nicht wieder? Gar nicht mehr?“, wollte Sam wissen. Eugene seufzte und starrte an die Decke.
„Nein, ich glaube nicht … aber vielleicht“, fügte er mehr zu sich selbst murmelnd hinzu, „ist es besser so. Vielleicht ist es besser, wenn wir uns gar nicht mehr sehen.“
Maggie und Sam starrten sich entsetzt an. Doch Eugene dachte offenbar, sie hätten ihm schon genug entlockt. Er drehte sich von ihnen weg und gab vor, eingeschlafen zu sein. Maggie kam wieder an Sams Bett und sie sahen sich lange an. Sie konnten einfach nicht glauben, dass Eugene sich einfach von seiner Freundin trennen wollte, wo sie doch beide von dem Vermummten angegriffen worden waren. Und auch, dass Eugene immer noch nicht zu der Schulleiterin gehen wollte, konnten sie nicht fassen. Doch eines wussten sie sicher: Der Vermummte wurde immer gefährlicher und wenn nicht bald etwas geschah, dann würde Eugene bestimmt noch etwas viel schlimmeres zustoßen.
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