von DoubleTrouble
Durch ihren Streich erlangten Millard und Sam so etwas wie Berühmtheit in Gryffindor. Abends im Gemeinschaftsraum klopften ihnen sogar ältere Gryffindors auf die Schultern und sagten „Gut gemacht!“ oder „Weiter so!“. Und selbst Ravenclaws und Slytherins nickten den beiden anerkennend zu, wenn sie durch die Korridore gingen. Die einzigen, die sauer waren, waren Owen und Max. Zwar gaben auch sie zu, dass Sams Streich ziemlich gut gewesen war, aber da es ihre Akten waren, die angezündet worden waren, war Filchs Verdacht natürlich sofort auf die beiden Unruhestifter gefallen. Er hatte sie, ohne ihrer wortreichen Verteidigung zuzuhören, am Kragen gepackt und zu Professor Sprout geschleift. Und obwohl Professor Sprout eher geneigt schien, Max und Owen zu glauben, mussten sie trotzdem am Samstag darauf, während alle anderen faulenzten oder ihre Schularbeiten erledigten, unter Filchs Aufsicht sein Büro putzen.
Maggie verstand nicht, wie man jemanden aufgrund so fadenscheiniger Beweise verurteilen konnte. Hatte hier denn keiner Agatha Christie gelesen? Warum hatte niemand nach Fußspuren und Fingerabdrücken gesucht? Und wieso schienen die Lehrer alle taub zu sein? Sams und Millards Heldentat war schließlich in aller Munde. Hörte hier denn keiner zu, wenn die Schüler miteinander sprachen?
„Willst du etwa, dass sie rauskriegen, dass wir es waren?“, fragte Sam sie mit hochgezogenen Augenbrauen. Maggie schüttelte zögernd den Kopf.
„N-nein, es ist nur … Ich finde es bloß so ungerecht, dass Max und Owen für etwas bestraft werden, was sie überhaupt nicht getan haben“, murmelte sie und beugte sich wieder über ihren Aufsatz für Verwandlung.
„Ja, denkst du, ich find das lustig?“, fragte Sam und strich den Satz, den sie eben geschrieben hatte, mehrmals durch. „Aber mal ehrlich, irgendwann wären sie auch drauf gekommen und hätten Stinkbomben in sein Büro geworfen. Millard und ich sind ihnen bloß zuvorgekommen.“
Maggie runzelte die Stirn. Sie konnte Sams Logik manchmal nicht ganz nachvollziehen.
Sam stöhnte auf und warf ihre Feder hin. Sie lehnte sich zurück und streckte sich.
„Ich hasse Verwandlung“, murrte sie. „Ganz ehrlich, ich weiß nicht, wieso ich mich damit abquälen soll. Ich kapier’s ja doch nicht, und solange Bagley das Fach unterrichtet, werde ich auch nie gute Noten haben. Echt, wir sollten langsam mal anfangen, zu beweisen, dass er der Vermummte ist, damit er rausgeworfen und nach Askaban geschickt wird. Vielleicht kriegen wir dann ja mal einen Lehrer, der was von Fairness hält.“
Maggie schmunzelte und zog Verwandlung für Anfänger näher zu sich heran, um noch einmal den Abschnitt über die Schwierigkeiten beim Verwandeln von unbelebten Dingen zu lesen.
„Wetten, Bagley würde mir eine schlechtere Note geben, wenn ich genau dasselbe schreiben würde wie du?“, fragte Sam und schielte auf Maggies Aufsatz. Maggie warf ihr einen ihrer Wag-es-ja-nicht-Blicke zu.
„Natürlich, weil er wüsste, dass du abgeschrieben hast“, sagte sie und grinste.
„Ich kann’s doch umformulieren“, entgegnete Sam. „Komm schon, Maggie, ich helfe dir auch in Zaubertränke, wenn du willst. Bitte?“
Maggie schaute auf und sah Sam an, die sie aus großen blauen Augen bettelnd anblickte, und musste lachen.
„Mach nicht so einen Dackelblick!“, rief sie und warf einen Fetzen Pergament nach Sam.
Ein Schatten fiel über den Tisch, an dem sie arbeiteten, und jemand tippte Sam auf die Schulter. Es war Eugene.
„Kann ich dich mal kurz sprechen?“, fragte er.
„Klar“, sagte Sam, stand auf und folgte ihm ans andere Ende des Gemeinschaftsraumes. Maggie beobachtete sie hin und wieder, neugierig, was Eugene wohl von Sam wollte. Der Schulsprecher redete eindringlich auf Sam ein, die eine immer zerknirschtere Miene machte. Schließlich nickte Sam und Eugene klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter.
„Kopf hoch“, hörte Maggie ihn sagen. „Das wird schon.“
„Was hat er denn gesagt?“, fragte Maggie neugierig, als Sam an den Tisch zurückkehrte und sich auf ihren Stuhl fallen ließ.
„Dass ich Mist gebaut hab“, murmelte Sam und fuhr sich durch die langen blonden Haare.
„Klar hast du das“, sagte Maggie beiläufig und schob ihre Pergamentrolle etwas weiter nach oben. „Welchen Mist meinte er jetzt speziell?“
„Hey!“, protestierte Sam und kickte nach Maggies Schienbein. Maggie wich ihr aus und grinste sie an.
„Sag schon, worum ging’s?“, fragte sie.
Sam seufzte. „Um Filchs Büro. Er hat gesagt, es wäre, ‚eines Gryffindors nicht würdig, andere die verdiente Strafe absitzen zu lassen‘“.
„Und was sollst du da jetzt machen?“, fragte Maggie. Sie drehte ihre Schreibfeder in den Händen und schaute Sam mitleidig an.
„Dreimal darfst du raten“, sagte Sam mit düsterer Stimme.
Maggie starrte sie mit großen Augen an.
„Nee, oder?“
„Oh doch“, erwiderte Sam.
„Das ist ja grauenvoll!“
Sam stöhnte bloß auf und vergrub das Gesicht in den Händen.
„Brings am besten gleich hinter dich“, riet ihr Maggie. „Und nimm Millard mit.“
„Filchs Büro putzen! Ausgerechnet ich!“, jammerte Sam. „Und dann auch noch freiwillig! Besser, ich jag mir selbst gleich einen Todesfluch auf den Hals!“
Maggie musste schmunzeln. „Irgendwie hast du’s dir ja schon selbst eingebrockt“, sagte sie.
Sam nickte bloß schicksalsergeben und erhob sich mit einem Gesicht, als würde sie gleich zu ihrer Hinrichtung geführt.
„Dann hol ich mal Millard“, murmelte sie düster und ging hinüber zum Kamin, wo Millard, Gabriel und Jonathan auf dem Teppich fläzten und es sich gut gehen ließen. Maggie beobachtete, wie Millards behagliches Grinsen langsam einem ziemlich frustrierten und empörten Gesichtsausdruck Platz machte. Schließlich ließ er sich widerstrebend von Sam hoch ziehen und folgte ihr wie ein begossener Pudel zum Porträtloch. Sam fing Maggies Blick auf und schnitt ihr eine Grimasse, dann verschwanden sie und Millard nach draußen.
„Die ärmsten“, murmelte Maggie kopfschüttelnd und wandte sich wieder ihrem Aufsatz zu. Als sie mit den Hausaufgaben für Verwandlung fertig war, waren Sam und Millard noch nicht zurück, dabei war es draußen schon dunkel geworden. Also fing sie allein mit dem Aufsatz über den Furunkel-Heiltrank an. Sie schrieb ein paar Sätze und strich sie gleich wieder durch. Minutenlang starrte sie das Pergament an, ohne es zu sehen. Das Knallen eines explodierenden Kartenspiels und das Lachen der Viertklässler, die damit Kartenhäuser gebaut hatten, holte sie unsanft in die Gegenwart zurück. Unwirsch schüttelte Maggie den Kopf, um die Gedanken loszuwerden, die sich im Kreis drehten und sie um ihre Konzentration brachten. Sie zog noch einmal Zaubertränke und Zauberbräue zu sich heran, aber als sie feststellte, dass sie kein Wort von dem verstanden hatte, was sie da las, gab sie auf.
Sie warf ihre Feder hin und verließ den Gemeinschaftsraum. Mit entschlossenen Schritten lief sie durch das Schloss, bis sie vor Filchs Büro stand. Die Tür stand offen und Maggie konnte sehen, wie Sam auf den Knien mit einer Scheuerbürste den Boden schrubbte und Millard mit einem Tuch die Schränke abwischte, während Filch daneben stand und beide pausenlos auf immer neue Flecken und ungeputzte Stellen hinwies. Max und Owen waren natürlich nirgendwo zu sehen; sobald Sam und Millard aufgetaucht und die Schuld auf sich genommen hatten, mussten sie schneller als der Schnatz verschwunden sein. Maggie konnte es ihnen nicht verübeln.
„Ich sehe da immer noch Staub! Schön weiterputzen!“, keifte Filch. Sam fuhr sich mit dem Ärmel über die schweißnasse Stirn und biss die Zähne zusammen. Dann bückte sie sich wieder und schrubbte weiter. Maggie zog sich das Herz zusammen, als sie ihre beste Freundin so sah. Auch wenn Sam Mist gebaut hatte, das hier hatte sie nicht verdient. Und ehe Maggie wusste, was sie tat, bewegte sie sich wie ferngesteuert auf Filchs Büro zu.
Dem Hausmeister traten die ohnehin schon hervorquellenden Augen noch weiter aus den Höhlen, als er sie sah.
„Was willst du denn?“, krächzte er.
Maggie schluckte. Ja, was wollte sie eigentlich?
„Warst du etwa auch an diesem Verbrechen beteiligt und willst jetzt mein Büro putzen?“, fragte Filch weiter und verzog den Mund zu einer Grimasse, die wohl ein Lachen darstellen sollte.
„Nein, ich war nur … ich soll …“ Sie stockte und überlegte verzweifelt, was sie sagen sollte.
„Ja?“, fragte Filch und verschränkte die Arme.
Maggie warf einen Blick auf Sam, die sie erwartungsvoll und bittend ansah. Dann gab sie sich einen Ruck.
„Ich soll Millard und Sam holen“, sagte sie. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. „Professor Longbottom will ihnen auch noch eine Strafarbeit geben.“
„Professor Longbottom?“, fragte Filch misstrauisch. „Was soll das für eine Strafarbeit sein?“
„Sie sollen die Beete im Gewächshaus eins umgraben“, sagte Maggie. Sam und Millard starrten sie entsetzt an. Filch lachte gehässig.
„Oh ja, das geschieht euch recht, ihr kleinen Biester… Arbeit ist die beste Medizin! Das vertreibt die ganzen Flausen! Da merkt ihr mal, wie das ist, wenn man ständig hinter einer Horde dreckmachender Schüler herräumt!“
Er kicherte heiser.
„Schön, dann geht mal Beete umgraben, danach könnt ihr wieder kommen und mein Büro weiterputzen.“
Sam und Millard zogen lange Gesichter.
„Oh, Mr Filch …“, sagte Maggie schnell, als sie die verzweifelten Mienen der beiden sah, „ich hab gehört, dass Peeves heute Nacht das Pokalzimmer verwüsten will.“
Das gehässige Grinsen wich von Filchs Gesicht.
„Na warte … diesmal krieg ich ihn … diesmal wird er rausgeworfen“, murmelte er voller Empörung. Dann ließ er sie ohne ein weiteres Wort stehen und hastete in Richtung Pokalzimmer davon.
Maggie sah ihm zufrieden lächelnd nach.
„Na also“, murmelte sie und drehte sich zu Sam und Millard um. „Jetzt hält er garantiert die ganze Nacht im Pokalzimmer Wache. Und euch hat er vergessen.“
„Und was ist mit Professor Longbottom?“, fragte Millard mit schleppender Stimme.
Maggie zuckte mit den Schultern. „Der sitzt wahrscheinlich gemütlich in seinem Büro und pflegt seine Topfpflanzen.“
„Also gibt es die Strafarbeit gar nicht?“, vergewisserte Millard sich.
Maggie schüttelte den Kopf. „Nein, die hab ich erfunden“, sagte sie gelassen. Sam stieß einen Jubelschrei aus, fasste Maggie an den Händen und drehte sich mit ihr im Kreis.
„Du bist genial! Hab ich schon mal gesagt, dass du genial bist?“, rief sie.
„Ich glaube, ich liebe dich“, sagte Millard matt.
Maggie wurde rot und lächelte verlegen. „Ach, hört schon auf … Ihr hättet das doch auch gemacht.“
„Du bist trotzdem die Größte“, sagte Sam und hängte sich bei ihr ein.
Maggie schaute schmunzelnd zu ihr hinunter.
„Ja, offensichtlich schon“, sagte sie und fing sich einen Stoß in die Seite ein.
„Los, kommt“, sagte Millard und begann zu rennen. „Ich will so schnell wie möglich weg von hier.“
„Wer zuerst im Gemeinschaftsraum ist!“, rief Sam und jagte Millard nach. Maggie folgte ihnen so schnell sie konnte. Sie jagten die Treppen hoch, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, schwangen sich um Treppenpfosten herum und rannten den Korridor entlang. Millard bog um eine Ecke und rannte direkt in Professor Melville hinein.
„Oh, Entschuldigung, Professor!“, rief er.
„Wohin wollen Sie denn so eilig?“, fragte der Professor verdutzt.
„Ich hab ein Wettrennen zu gewinnen!“, rief Millard über die Schulter zurück.
„Das kannst du vergessen!“, schrie Sam, rempelte Professor Melville ebenfalls an und hielt sich gar nicht erst mit einer Entschuldigung auf.
Professor Melville schüttelte bloß den Kopf, aber er hatte nicht viel Zeit, um sich zu wundern, denn schon kam Maggie um die Ecke geschlittert und konnte ihm gerade noch ausweichen.
„Tschuldigung, Professor!“, keuchte sie und rannte weiter.
„Auf den Korridoren ist Rennen eigentlich nicht erlaubt!“, rief Professor Melville ihnen halbherzig nach. Aber die drei hörten es gar nicht mehr.
Drei Korridore vom Gryffindorturm entfernt hatte Sam Millard schließlich eingeholt, während Maggie weit zurück lag. Millard riss den Vorhang auf, der einen Gang verbarg, lief ein paar Schritte und blieb dann plötzlich wie angewurzelt stehen. Sam, die nicht schnell genug bremsen konnte, lief in ihn hinein.
„Aua! Was soll das denn!“, beschwerte sie sich. Millard deutete nach vorn. Am Fenster stand jemand und sah nach draußen. Sie konnten in dem spärlich beleuchteten Gang nicht erkennen, wer es war. Sam und Millard gingen weiter, bis sie Eugene erkannten. Er stützte die Ellbogen auf die steinerne Fensterbank und starrte nach draußen auf den im Dunkeln kaum zu sehenden See. In einer seiner geballten Fäuste steckte ein zerknülltes Stück Pergament.
„Hey Eugene!“, sagte Sam. „Was machst du denn hier?“
Eugene zuckte zusammen, seine Hand fuhr zu seiner Tasche, als wolle er seinen Zauberstab herausholen, doch als er Sam und Millard erkannte, entspannte er sich und fuhr sich stattdessen durch seine Haare.
„Wo kommt ihr denn her?“, fragte er.
„Na, von Filch natürlich“, sagte Sam und verdrehte die Augen. „Du hast uns doch hingeschickt.“
„Ja, richtig“, sagte Eugene und lächelte müde. „Habt ihr Max und Owen abgelöst?“
„Ja, haben wir“, sagte Millard. „Und meine Handgelenke werden mir wahrscheinlich noch in drei Wochen weh tun.“
Eugene lächelte. „Trotzdem, das war richtig von euch. Zehn Punkte für Gryffindor.“
Sam und Millard grinsten sich an. Eugene blickte auf seine Uhr.
„Ihr seid aber trotzdem recht früh wieder da… Wollte Filch euch nicht die ganze Nacht dabehalten?“
„Wollte er … aber dank Maggie hat er es nicht geschafft“, sagte Millard grinsend. Wie aufs Stichwort kam Maggie durch den Vorhang geplatzt.
„Da seid ihr ja!“, keuchte sie und kam kurz vor den dreien zum Stehen. „Oh“, machte sie, als sie den Schulsprecher sah. „Hi, Eugene.“
„Hallo Maggie“, sagte Eugene und lächelte sie an. „Du hast Millard und Sam also aus der Patsche geholfen?“
Maggie nickte verlegen. „Sie taten mir einfach so leid“, sagte sie schüchtern.
Eugene schmunzelte. „Noch mal fünf Punkte für Gryffindor.“
„Echt jetzt?“ Maggie starrte ihn erstaunt an.
Eugene lächelte und ging davon. Sam, Millard und Maggie sahen ihm nach.
„Ein Jammer, dass er so nett ist“, murmelte Sam schließlich. „Es fällt mir echt schwer, ihn dafür zu hassen, dass er uns zur Strafarbeit gezwungen hat.“
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