von DoubleTrouble
„Wir werden heute die Fangzähnigen Geranien düngen!“, sagte Professor Longbottom lächelnd und wies auf einige Bottiche voll dampfenden schwarzen Dungs, die vor den Beeten im Gewächshaus aufgestellt waren. Die Gryffindors und Hufflepuffs sahen den jungen Professor mit angeekelten Mienen an.
„Na, kein Wunder müffelt es hier so!“, sagte Sam zu ihrer Cousine Serena.
„Nein, das, was du riechst, ist Angus!“, kicherte Serena und zeigte auf einen dicken blonden Jungen neben ihnen, der einem Schwein ähnlich sah. Die beiden Mädchen sahen sich an und Sam musste sich die Hand auf den Mund pressen, um ihren Kicheranfall zu ersticken.
„Ich weiß, die Arbeit mit Drachenmist ist nicht sehr angenehm!“, sagte Professor Longbottom mit entschuldigender Miene. „Deshalb zieht bitte eure Drachenlederhandschuhe an und seht zu, dass ihr nichts auf eure Haut bekommt. Drachenmist hinterlässt einen sehr penetranten Geruch, der sich nur schwer abwaschen lässt.“
Sofort stellten alle Schüler ihre Taschen ab und fingen an ihre Drachenlederhandschuhe heraus zu kramen, um sie gleich über die Finger zu ziehen.
„Ich bin der Meinung, die eingeschworenen Gruppen sollten heute einmal nicht zusammen arbeiten“, sagte Professor Longbottom, während sie sich vorbereiteten. „Daher werde ich die Einteilung für Sie übernehmen. Sie gehen jeweils zu viert an ein Geranienbeet. Bellamy, Knaggs, Brassington und Jenkins, Sie nehmen sich das Erste vor. Reilly, Smythe-Fletcher, Ethanson und Tucker, Sie gehen an das zweite Beet. Arthurson, Moors, Banister und Mayhew, Sie vier arbeiten an Beet drei...“
„Was?“, sagte Sam entsetzt und starrte den jungen Professor entgeistert an.
„Sie arbeiten an Beet drei“, wiederholte Professor Longbottom milde lächelnd. Sam warf sofort einen giftigen Blick zu Maggie hinüber, die nicht weniger geschockt war als sie. Dann packte sie Serena rüde am Arm und zerrte sie mit sich zu Beet drei hinüber, wo sie ihre Tasche geräuschvoll zu Boden warf, die Arme verschränkte und Maggie grimmig ansah.
Das durfte ja wohl nicht wahr sein! Jetzt wurde sie auch noch dazu gezwungen, mit Maggie zusammenzuarbeiten!
Rosalind und Serena gingen sofort in die Knie und fingen fröhlich an, große Händevoll Drachenmist unter den pinkfarbenen Pflanzen zu verteilen. Maggie stand ihr noch unschlüssig gegenüber und zupfte an ihren Handschuhen herum, bis Rosalind sie am Umhang zog und sie sich auch neben dem Beet niederließ.
Sam schnaubte und tat es ihr gleich.
Während sie den Mist verteilten, fingen Maggie und Rosalind an sich leise zu unterhalten. Die beiden kannten sich offenbar schon von irgendwoher und hatten sich einiges zu erzählen. Serena warf ab und an einen neugierigen Blick auf Maggie. Sam war am Wochenende mit ihr auf den Ländereien spazieren gewesen und hatte ihr von ihrem Streit mit Melanie erzählt und schließlich auch von dem Streit mit Maggie. Ersteres hatte Serena furchtbar schlimm gefunden, doch da sie Maggie nicht kannte, glaubte sie Sam schlichtweg alles, was sie ihr erzählte, und stand nun vollkommen auf ihrer Seite.
Sam schaffte es eine ganze Weile lang, Maggie vollkommen zu ignorieren. Auch wenn sie über den Umstand, dass sie miteinander arbeiten mussten, mehr als wütend war. Sie mochte sie nicht und wollte sie auch nicht in ihrer Nähe haben. Hin und wieder warf sie einen zornigen Blick zu Professor Longbottom, bei dem sie das Gefühl hatte, dass er sie mehr als die anderen Gruppen beobachtete. Allmählich beschlich sie das Gefühl, dass er von ihrem Streit erfahren hatte und die Gruppen deshalb anders zusammengestellt hatte. Erneut warf sie einen giftigen Blick zu Maggie hinüber, die unwillkürlich zusammenzuckte, als sich ihre Blicke trafen.
Wenn diese blöde Kuh zu Professor Longbottom gerannt war und gepetzt hatte, dann würde sie ihr blaues Wunder erleben!
Maggie spürte, dass Samara schon wieder ihr die Schuld gab, dass Professor Longbottom sie zusammen arbeiten ließ. Dabei konnte sie diesmal wirklich nichts dafür. Es wäre ihr auch viel lieber gewesen, sie hätte wie sonst mit Catherine oder Rosalind zusammen arbeiten können, aber nun waren sie und Samara eben dazu gezwungen. Sie war froh, dass wenigstens Rosalind dabei war, denn Samaras Cousine war sicher auch gegen sie.
Rosalind schwatzte fröhlich über ihre Freunde aus Hufflepuff und mit einem Mal erfasste Maggie heftiger Neid. Hätte der Sprechende Hut sie doch bloß nach Hufflepuff gesteckt! Dort waren alle nett und freundlich und sie hätte sich nie mit Samara gestritten. Die Hufflepuffs würden sie beschützen und sie würden alle zusammenhalten.
Sie hätten alle zusammen ihren zwölften Geburtstag vor ein paar Tagen gefeiert. Maggie hätte die Schokolade aus dem Geburtstagspäckchen im ganzen Schlafsaal verteilt und sie nicht aus lauter Frust und Heimweh ganz allein gegessen. Die Bücher, die sie bekommen hatte, hatte sie natürlich auch schon durchgelesen und die vielen Bilder und gebastelten Karten ihrer Geschwister hatte sie sich übers Bett gehängt. Catherine war die einzige gewesen, die ihr mit einem Tag Verspätung gratuliert hatte...
„Und unser Hauslehrer ist auch total nett!“, erzählte Rosalind. „Er ist jeden Abend im Gemeinschaftsraum und spricht mit uns, wenn wir Probleme haben. Max und Owen finden das natürlich nicht so toll, aber...“
„Professor Seaver?“, fragte Maggie überrascht. „Aber er ist doch immer so knurrig!“
Rosalind lächelte wissend. „Ja, aber nicht zu uns Hufflepuffs!“
Es war schon kurz vor dem Ende der Stunde, Sam hatte kein Wort mit Maggie gewechselt, da schnappte eine der Geranien nach Rosalinds Hand. Die Blonde quiekte erschrocken auf und zog ihre Hände schnell aus dem Beet.
„Pass auf, dass sie dich nicht erwischt! Das kann ziemlich weh tun!“, sagte Maggie lächelnd.
Sam schnaubte missbilligend und sah zu ihr hinüber. Sie konnte sehen, wie ihr Lächeln augenblicklich von ihrem Gesicht tröpfelte.
„Rede doch keinen Mist, Maggie! Mit den kleinen Zähnchen kommen die Geranien nie durch die Handschuhe!“, sagte Sam überheblich und spielte mit ihrem Finger direkt vor einem der Blütenköpfe herum, um es sogleich zu demonstrieren.
„Ja, rede keinen Mist, Maggie!“, bestärkte Serena und fing an zu kichern. Maggie bekam einen leichten rosa Schimmer auf den Wangen und wandte den Kopf ab. Sam zwinkerte Serena zu und flüsterte: „Ich hab ja gesagt, sie traut sich nichts!“
Gerade nahm sie ein weiteres Häufchen Drachenmist aus dem Eimer, um ihre letzte Geranie zu düngen, da schien Maggie doch Mut zu fassen.
„Sind deine Schmerzen, wenn du gebissen wirst!“, sagte sie und zuckte mit den Schultern. „Mir kann es ja egal sein!“
Sam war so überrascht über diese plötzliche Gegenwehr, dass ihr der Drachenmist einfach aus der Hand fiel und die letzte Geranie unter sich begrub. Sie starrte Maggie unverwandt an, doch die hatte den Blick auf den Düngerhaufen gerichtet, aus dem sich jetzt die Blüte der fangzähnigen Geranie herauskämpfte.
„Hey, du überdüngst sie ja!“, sagte Maggie vorwurfsvoll. Sam sah auf die Pflanze hinunter, sah langsam wieder auf und knurrte: „Wenn du meinst, du kannst es besser, warum machst du es nicht einfach selbst?“
„Es ist doch deine Geranie! Und wenn wir es nicht richtig machen, bekommen wir keine Punkte von Professor Longbottom!“, warf Maggie ein.
„Boah, Maggie Mayhew, du gehst mir so auf den Geist! Kannst du an nichts anderes als Hauspunkte denken?“, sagte Sam wütend und matschte mit dem Handschuh tief in den Düngerhaufen, wobei sie die Geranie einfach zerdrückte.
„Vorsicht! Was machst du denn?“, rief Maggie erschrocken.
An den Beeten um sie herum wurde es still und die Hufflepuffs und Gryffindors drehten die Köpfe zu ihnen.
„Vielleicht sollte man dich ein bisschen düngen, damit du über dich hinauswächst!“, rief Sam, nahm einen Klumpen Drachenmist in die Hand und ohne zu überlegen, noch bevor sich's jemand versah, schleuderte sie ihn Maggie ins Gesicht.
Für einen Augenblick herrschte vollkommene Stille und alles war wie erstarrt. Dann prustete Serena los. Und es war nicht nur Serena, die lachte. Hier und dort stimmten auch noch ein paar andere Schüler mit ein. Maggie sah Sam völlig verstört an, doch sie grinste nur boshaft. Sie konnte sehen, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. Dann sprang Maggie auf und rannte aus dem Gewächshaus. Im selben Moment ertönte Professor Longbottoms entgeisterter Schrei: „Miss Banister! Zehn Punkte Abzug für Gryffindor! Bei Merlins Bart, sind Sie verrückt geworden?!“
Sam erhob sich aus dem Beet und sah den jungen Kräuterkundeprofessor mit unlesbarer Miene an. Im Gewächshaus war es so still, dass man die Pflanzen wachsen hören konnte. Ein paar Schüler starrten auf die offene Tür, durch die Maggie eben verschwunden war. Einige andere grinsten und zwinkerten Sam zu. Die meisten allerdings starrten auf den Professor, der um Fassung rang und versuchte, einige Worte für die Situation zu finden.
„Sind Sie denn von allen guten Geistern verlassen?! Was glauben Sie, was Sie hier tun?“, rief Professor Longbottom. Seine Stimme wurde immer höher, während er sprach. Sam sah langsam zu ihm auf und meinte dann arglos: „Ich habe gedüngt, Sir!“
Die Klasse lachte auf.
„Sie haben Ihre Mitschülerin mit Drachenmist beworfen! Hielten Sie es etwa für nötig, sie zu düngen?!“, rief der junge Professor entrüstet.
„Ja, eigentlich schon, Sir!“, sagte Sam, seinem Blick standhaltend. Professor Longbottom klappte den Mund ein paar Mal auf und zu, wusste zu dieser bodenlosen Frechheit aber für einen Augenblick nichts zu sagen.
„Sie bereuen das nicht?“, sagte er nach einer kurzen Pause.
„Sie hat mich provoziert!“, erwiderte Sam stur.
„Magdalene Mayhew soll Sie provoziert haben, sie mit Mist zu bewerfen?“, sagte Professor Longbottom ungläubig blinzelnd. „Das glaube ich Ihnen nicht!“
„Glauben Sie doch, was Sie wollen!“, sagte Sam trotzig. Als sie sah, wie sich Professor Longbottoms Augenbrauen zusammenzogen, biss sie sich auf die Lippe. Jetzt war sie eindeutig zu weit gegangen. Sie machte sich schon darauf gefasst, dass der junge Professor gleich losbrüllen würde, doch er seufzte nur resigniert und rieb sich nachdenklich die Stirn.
„Miss Banister, dafür muss ich sie bestrafen. Sie werden nachsitzen“, sagte er müde. Dann wehte das Glockengeläut vom Schloss zu ihnen herüber und er wandte sich an die Klasse. „Packen Sie zusammen! Der Unterricht ist beendet!“
Sofort sprangen alle auf, rissen sich die stinkenden Handschuhe von den Händen und klopften sich einige Krümel Mist von den Umhängen. Dann machten sich alle schnell auf den Weg nach draußen, um der stickigen Luft des Gewächshauses zu entkommen. Sam drehte sich um und hob ihre Tasche auf.
„Sie nicht, Miss Banister!“, rief Professor Longbottom. Sam seufzte tief und drehte sich mit zerknirschtem Blick um. Sie schlurfte zu ihrem Hauslehrer hinüber, der mit verschränkten Armen hinter einem Tisch mit Salbeisetzlingen stand.
„Ich hätte gerne eine Erklärung. Was für ein Problem haben Sie und Miss Mayhew?“, wollte er wissen. Sam sah zu ihm auf, blieb aber stumm.
„Miss Banister, wenn Sie mit mir reden, kann ich vielleicht dazu beitragen, ihre Streitigkeiten beizulegen!“, redete der junge Professor auf sie ein. Doch Sam antwortete nicht.
Professor Longbottom seufzte erneut auf und fuhr sich über das Gesicht. Dann sah er Sam prüfend an, doch sie sagte noch immer keinen Ton.
„Also, schön. Sie erhalten meine Eule mit Termin und Ort ihrer Strafe Anfang nächster Woche“, sagte er in bemüht strengem Ton. „Sie können gehen!“
„Auf Wiedersehen, Professor!“, murmelte Sam und verließ mit grimmiger Miene das Gewächshaus.
Der Morgen hatte ja schon wieder großartig begonnen! Jetzt hatte sie sich dank dieser blöden Schnepfe auch noch Nachsitzen eingebrockt!
Sie schnaubte, aber dann schlich sich ein Lächeln auf ihre Lippen. Dafür hatte Maggie ein grandioses Bild mit dem Mist im Gesicht abgegeben. Und bis der Gestank des Drachenmists weg war, würde es auch eine ganze Weile dauern.
Gerade schloss sie die Tür zum Gewächshaus Nummer eins, da wurde sie mit einem lauten Jauchzen angesprungen und jemand nahm sie in den Schwitzkasten. Sam versuchte sich los zu winden und hörte lautes Lachen um sich herum. Sie verpasste ihrem Angreifer einen harten Knuff in die Rippen, schaffte es freizukommen und richtete sich auf. Das Erste, was sie erkannte, waren Gabriel und Millards lachende Gesichter. Dann kam Serena auf sie zu gehüpft und schlug wiehernd bei ihr ein. Und dann fiel ihr Blick auf eine kleine Gruppe Hufflepuffs, die wohl mit Serena auf sie gewartet hatten.
„Was war das denn für eine heiße Aktion?“, sagte ein kleiner rothaariger Junge mit schelmisch blitzenden braunen Augen.
„Ganz große Klasse!“, pflichtete ihm ein stämmiger, dunkelhäutiger Hufflepuff zu.
„Mann, Sam! Damit hast du wahrscheinlich den größten Mist gebaut, seit das Schuljahr angefangen hat!“, grinste Millard und strubbelte ihr durchs Haar.
„Die hatte es ja auch nicht anders verdient, oder?“, stand Serena ihr sofort zur Seite und strahlte in die Runde. „Leute, wenn ich euch meine Freunde vorstellen darf: Owen und Max kennt ihr ja bereits!“
Sie wies zu den beiden Jungen, die Sam gerade noch für ihre Aktion bewundert hatten.
„Und das ist Mindy!“
Ein großes, dunkelhäutiges Mädchen mit langen Dreads trat mit breitem Lächeln zwischen den Jungen hervor.
„Hey!“, grüßten Sam, Gabriel, Millard und Jonathan im Chor.
„Und? Hat dir Professor Longbottom Strafarbeiten aufgebrummt?“, wollte Mindy wissen.
„Kam nicht drum rum“, antwortete Sam schulterzuckend.
Sie machten sich gemütlich auf den Weg zum Schloss. Während sie über die Wiese liefen, brachen sie immer wieder in Gelächter aus, weil die Hufflepuffs ständig die Situation im Gewächshaus wiederholten.
„Junge, Junge, dass du dich das getraut hast!“, meinte Serena bewundernd.
„Vielleicht sollten wir Bomben aus Drachenmist bauen!“, sagte der dunkelhäutige Owen belustigt zu seinem Freund Max, der ihm heftig nickend zustimmte.
„Was hat sie dir eigentlich getan?“, fragte Mindy neugierig.
„Och, eigentlich geht sie mir einfach nur auf die Nerven“, meinte Sam gelassen und trat mit unschuldigem Blick und einem Schulterzucken durch das Schlossportal. Die Hufflepuffs fingen wieder an zu lachen. In der Eingangshalle trennten sich ihre Wege, da die Hufflepuffs zum Zaubertränkeunterricht in die Kerker mussten. Sie verabschiedeten sich rasch voneinander und Sam und die blonden Jungen stiegen die Marmortreppe hinauf. Sie waren schon fast oben angelangt, als von der Kerkertreppe her noch einmal Fußgetrappel ertönte und Serena rief: „Hey ihr! Wir wollen heute Mittag an den See! Kommt ihr mit?“
Sam, Millard, Jonathan und Gabriel tauschten kurz Blicke aus, dann streckten sie die Daumen in die Höhe und Millard rief: „Wir treffen uns nach dem Mittagessen!“
Serena verschwand mit einem Jauchzen und sie setzten ihren Weg ins Klassenzimmer zu Verteidigung gegen die dunklen Künste fort. Sam folgte Millard, der wie immer voraus ging, durch die Korridore und bemerkte den Blick, mit dem Jonathan sie betrachtete, schon seit sie aus dem Gewächshaus gekommen war. Kurz vor dem Klassenzimmer, vor einer großen Ritterrüstung, blieb sie schließlich stehen und schaute ihn fragend an.
„Spuck's schon aus! Was passt dir nicht?“, fragte sie schroff.
„Findest du nicht, dass das mit Maggie ein bisschen überzogen war?“, erwiderte Jonathan zweifelnd. Gabriel und Millard, die ebenfalls angehalten hatten, sahen ihn mit gehobenen Augenbrauen an. Sam verdrehte genervt die Augen.
„Echt jetzt?“, stöhnte sie. „Ganz im Ernst, Jonathan?“
„Du hättest ihr den Drachenmist doch nicht gleich ins Gesicht werfen müssen...“, meinte Jonathan kritisch und steckte die Hände in die Taschen seines Umhangs.
„Wieso setzt du dich jetzt plötzlich für die doofe Kuh ein?“, wollte Sam argwöhnisch wissen.
„Tu ich gar nicht...“, murmelte Jonathan. „Ich mein ja nur... Sie hat geweint, als sie rausgerannt ist.“
„Bei Merlin, dann hat sie eben geheult! Muss ich mich darum scheren?“, entgegnete Sam genervt. Jonathan sah unschlüssig zu ihr und dann zu den anderen Blonden.
„Meine Güte, dann renn ihr eben hinterher, wenn du deinen Moralischen hast!“, sagte Sam händeringend. „Aber komm nachher nicht angekrochen, wenn Professor Sprout dich im Mädchenklo erwischt!“
Mit diesen Worten drehte sie sich um und setzte ihren Weg fort.
„Du könntest dich ja bei ihr entschuldigen?“, sagte Jonathan hilflos. Sam wirbelte herum und stemmte die Arme in die Hüften.
„Darauf kannst du lange warten!“, fauchte sie. „Und jetzt lass mich damit in Ruhe! Mir dir will ich mich nicht streiten!“
Es dämmerte bereits, als Sam, Gabriel, Millard und die Erstklässler aus Hufflepuff vom See ins Schloss zurückkehrten. Jonathan war auch mitgekommen, nachdem Sam ihm versprochen hatte, nicht mehr von der Sache am Morgen zu sprechen. Sie waren überrascht gewesen, den ganzen Jahrgang der Hufflepuffs am Ufer anzutreffen. Doch das Gerücht unter den Erstklässlern, dass man nie einen Hufflepuff allein traf, stimmte offenbar. Ab dem Mittag waren nach und nach alle bei ihnen eingetrudelt und schließlich hatten sie so lange zusammen mit Owens fangzähnigem Frisbee gespielt, dass sie vollkommen ausgelaugt waren. Erst als Max schließlich in hohem Bogen im kalten Flachwasser des Sees gelandet war, hatten sie beschlossen aufzuhören und ins Schloss zurückzugehen, da das Halloween-Festessen bald beginnen würde. Und hungrig waren sie alle.
Auf der Schlosstreppe kam ihnen dann Rosalind Arthurson entgegen, das blonde Hufflepuff-Mädchen, das mit Sam, Serena und Maggie am Morgen in Kräuterkunde am selben Beet gearbeitet hatte.
„Du meine Güte, was habt ihr denn gemacht?“, bemerkte Rosalind verdutzt, als sie dem patschnassen Max gagenüberstand.
„Frisbee gespielt!“, grinste Max nur und zog sich die klebenden Kleider mit einem Schmatzen von der Brust. „Und wo kommst du her? Wir haben dich schon vermisst!“
„Ich war bei Maggie...“, sagte Rosalind mit einem unsicheren Seitenblick auf Sam und Serena.
„Wie geht es ihr denn?“, wollte Jonathan sofort wissen. Rosalind zuckte unbeholfen mit den Schultern.
„Sie hat sich in Myrtes Klo versteckt und versucht, den Gestank abzuwaschen...“, sagte Rosalind betrübt. „Und sie kann nicht aufhören zu weinen...“
Sam schnaubte nur und drängelte sich an ihr vorbei in die Eingangshalle. Diese Geschichte wollte sie sich auf keinen Fall anhören. Sie betrat die Große Halle und ihr klappte sofort der Mund auf. Die Halle war beeindruckend für Halloween geschmückt worden. Echte Fledermäuse flogen in Wolken unter der Decke herum. Auf den Tischen und an den Wänden standen gewaltige Kürbisse, die zu Laternen ausgeschnitzt waren. Zwischen den Dachbalken spannten sich eindrucksvolle Spinnenweben und es roch nach Süßigkeiten. Sam setzte sich mit den Jungen zu Roger und Patrick ganz vorn an den Haustisch der Gryffindors. Auch Kendra und Catherine setzten sich zu ihnen, auch wenn Catherine dreinsah, als würde sie Sam am liebsten erwürgen.
„Wo ist Maggie?“, fragte Kendra vorsichtig.
„Hockt im Klo der maulenden Myrte und heult“, brummte Sam.
Dann erschien auch schon das Essen auf den goldenen Tellern. Mit knurrendem Magen lud sie sich eine Kürbispastete auf den Teller und wollte gerade die Gabel hineinstecken, als sich ein Schatten über ihren Teller legte. Irritiert sah sie auf und blickte in Professor Longbottoms Gesicht.
„Miss Banister, können Sie mir etwas zum Verbleib von Miss Mayhew erzählen?“, fragte er mit strengem Blick.
„Könnte ich schon...“, meinte Sam frech. „Warum wollen Sie das wissen?“
„Weil sie weder in Professor Seavers, noch in Professor Bagleys Unterricht aufgetaucht ist!“, sagte er erbost. „Also?“
„Im Klo der maulenden Myrte...“, seufzte Sam.
„Gut, dann werden Sie sie dort abholen. Ich möchte, dass Miss Mayhew am Festessen teilnimmt“, verlangte der Professor. „Und kommen Sie nicht ohne sie zurück!“
„Aber - aber - ich -!“, stammelte Sam und sah wehleidig auf ihre Kürbispastete.
„Das war keine Bitte, Miss Banister!“, sagte Professor Longbottom unnachgiebig und nickte ihr auffordernd zu. Sam presste die Lippen aufeinander und erhob sich mit einer Grimasse, die Melanies sonst in nichts nachstand. Grummelnd verließ sie die Halle und lief hinauf zur Mädchentoilette im zweiten Stock.
„Blöde... dämliche Maggie...“, murrte sie und hätte der Katze des Hausmeisters am liebsten einen saftigen Tritt verpasst, als sie maunzend um eine Ecke kam und sie anblickte, als würde sie etwas Verbotenes tun.
Sie öffnete leise die Tür zum Mädchenklo und schlich sich hinein. Sofort drang ein leises Schluchzen an ihr Ohr. Sam ging an den Toiletten vorbei und lehnte sich am Eingang zum Waschraum mit verschränkten Armen an eine Kabinentür. Maggie stand an einem der Waschbecken und schrubbte sich kräftig die Hände.
„Meine Güte, flennst du immer noch?“, sagte Sam laut. Maggie schreckte auf, wischte sich schnell die Tränen aus dem Gesicht und blickte in den Spiegel, wo sie sie sehen konnte.
„Was willst du hier?“, fragte Maggie mit belegter Stimme.
„Longbottom schickt mich. Du sollst zum Festessen kommen“, sagte Sam augenrollend.
„Ich will nichts!“, schniefte Maggie.
„Doch - du - willst!“, knurrte Sam. Sie stampfte auf sie zu und drehte das Wasser ab. „Komm jetzt!“
„Wieso willst du unbedingt, dass ich mit dir komme?“, schmollte Maggie.
„Ist nichts Persönliches!“, grummelte Sam. „Ich krieg nichts zu essen, wenn du nicht mitkommst, und ich hab 'nen Mordshunger! Also beweg dich endlich!“
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