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Fanfiction

Der Geier und das Festmahl - Der Geier und das Festmahl

von >Rumtreiberin<

Die Wochen, Tage und Stunden waren zu einer einzigen, dimensionslosen Einheit verschwommen und im Laufe dieser Zeit war die anfangs so undurchdringliche Schwärze in seiner Zelle einem matten Grau gewichen, das er manchmal fast noch schlimmer fand. Er fokussierte seinen Blick, versuchte zu erkennen, was ihn aus dem Zustand gerissen hatte, in den er von Tag zu Tag mehr abzudriften drohte, in dem Wirklichkeit und Traum ebenso verschmolzen wie die Zeit, die er hier verbrachte. Dann erkannte er, dass seine Augen einem tanzenden Lichtpunkt an der Gittertür gefolgt waren. Seine Gedanken waren langsam, träge; das Licht fast schon hypnotisch. Oder war es gar kein Licht?
Er kniff die Augen zusammen, streckte die Hand nach etwas aus, das lächerlich weit von ihm entfernt war. Der helle Fleck schien zu verschwimmen, tanzte höher, als ein kalter Luftzug, der von einer der Risse im Mauerwerk kam, ihn ergriff und drohte, ihn aus der Zelle zu tragen. „Nein“, hörte er sich krächzen, aber vielleicht war das auch nur in seinem Kopf, er war sich nicht sicher. Mühsam, wie ein alter Mann, hob er seinen Rücken von der Wand, an der er gelehnt hatte, rollte sich auf die Seite, stützte sich auf die schwächlichen Arme, versuchte aufzustehen, doch seine Knie brachen immer wieder unter seinem Gewicht weg. Er gab auf und kroch auf Händen und Füßen auf die Zellentür zu. Würde war das Erste, was man abgab, wenn man hierher kam.
Als hätte es auf ihn gewartet, sank das Licht zu Boden, sobald er es erreicht hatte. Er griff danach wie ein Blinder und seine Finger schlossen sich um ein Stück Papier. Ein kleiner Fetzen Zeitungspapier, auf dem nicht viel mehr zu erkennen war als die Schlagzeile und das Datum.
Das Datum…sein Herz schlug schneller, als er es näher an seine Augen hielt, und der Wächter draußen witterte seine Aufregung sofort. Er schwebte näher an das Gitter heran, beugte sich zu ihm herab und wandte ihm seine gesichtslose Kapuze zu. Einen Moment lang verharrten beide wie erstarrt, dann rutschte der Gefangene von ihm weg an die hinterste Wand der Zelle, wobei er sich die Hand blutig scheuerte, die den Papierfetzen wie einen Schatz umschlossen hielt. Plötzlich waren seine Gedanken so klar wie der Himmel, von dem ein Sturm alle Wolken gefegt hatte. In der dunklen Ecke war es schwieriger, die Schrift zu lesen, aber er musste sich wieder und wieder davon überzeugen. 25. Dezember 1981. War er wirklich schon fast zwei Monate hier? War er wirklich erst zwei Monate hier? Sein Herzschlag pochte ihm in den Ohren. Zwei Monate. Sie mussten inzwischen gemerkt haben, dass er unschuldig war. Sie mussten Peter gefunden haben…Remus hatte ihnen gesagt, dass er ein Animagus war, Remus hatte ihnen gesagt, was wirklich passiert war. Zwei Monate. Es konnte nur noch eine Frage der Zeit sein, bis er ihn hier herausholte…in einem absurden Anflug wilder Hoffnung hob er den Kopf, als erwartete er, ihn durch den dunklen Gang auf sich zukommen zu sehen. Aber das war kein Ort, an dem Hoffnung länger als für einen Moment überleben konnte. Sie starb sofort und wich einer matten Trostlosigkeit. Er wusste nicht einmal, wie alt diese Zeitung war. Plötzlich wieder müde hob er das Papier ein weiteres Mal an die Augen. Heftiger Schneesturm und Gewitter über der Nordsee…
Gewissheit durchzuckte ihn wie ein Stromschlag, oder wie das, was er sich unter einem Stromschlag vorstellte. Der Sturm, das war letzte Nacht gewesen. Er wusste, welches Datum heute war, er könnte sich eine Markierung an die Wand machen, bei jedem Sonnenaufgang eine, und die Zeit würde wieder eine Ordnung bekommen, eine Struktur. Er würde die Tage zählen können, bis Remus ihn hier rausholte, er wiederholte den Gedanken trotzig, wie eine Herausforderung an den Wächter. Noch lebte er, noch hatten sie ihn nicht gebrochen.
„Ich bin Sirius Black“, schrie er. „Ich bin unschuldig!“ Das Kratzen der Stimme in seinem wunden Hals fühlte sich gut an. „Heute ist Weihnachten!“
Stille.
Er hörte ein paar Stimmen murmeln, jemand schrie, und die Frau in der Zelle neben ihm lachte gackernd, bevor wieder das Schleifgeräusch einsetzte, das sich durch die Mauer fraß und ihm durch Mark und Bein ging. Er wusste nicht, was sie tat, aber in einigen Minuten würde ihr heiseres Kreischen einsetzen, und er konnte nur denken, dass sie vermutlich wollte, dass es irgendwie aufhörte. Das war der einzige Wunsch, der diesen Ort überleben konnte.
Ein leises Quietschen ertönte, als der Wächter seine dünnen Finger um das rostige Gitter schloss. Er hatte ihn die ganze Zeit über beobachtet, verwirrt von diesen Gefühlen, und sich zurückgehalten. Nun atmete er langsam ein.
Kälte kroch durch die dunkle Gefängniszelle auf ihn zu, und er schloss die Augen, plötzlich unfähig zu reagieren, voller Angst, was ihn erwartete. Er wollte die Bilder nicht noch mal sehen, nicht wieder vor dem zerstörten Haus stehen, nicht wieder die Schuld spüren…
Und als wollte ihm sein Kopf den Schmerz ersparen, zog er ihn in eine Erinnerung.

Es klopfte an der Zimmertür, und Sirius drehte sich unwillig zur Seite. Er warf einen Blick auf die Armbanduhr, die auf seinem Nachttisch lag. Halb eins. Er hatte gedacht, dass sie schon längst angefangen hatten und war erleichtert gewesen, dass er so leicht davongekommen war. Ein bisschen enttäuscht vielleicht, aber es war nicht so, als ob er noch der Illusion erläge, dass sich seine Familie um ihn scheren würde. Betont langsam stand er auf, streckte sich und schlenderte dann zur Tür, wobei er die Zeitschrift, die er gelesen hatte, extra auf dem Bett liegen ließ. Natürlich hätte er die Tür auch magisch öffnen können, doch er hatte während der Ferien festgestellt, wie viel Spaß es machte, die Dinge auf Muggelart zu tun. Besonders, wenn ein Mitglied der Familie Black zuschaute.
Er drehte den Schlüssel im Schloss und zog die Tür langsam auf. Im nächsten Moment fiel sein ganzes lässiges Gehabe von ihm ab: Draußen im Flur stand sein Onkel Alphard, zwar im Festumhang, doch mit dem üblichen verschmitzten Lächeln.
„Darf ich reinkommen?“
Dann saß er auf seinem Schreibtischstuhl, die Arme auf den Knien abgestützt, und musterte ihn mit einem Blick, in dem eine Spur Besorgnis lag. „Wie geht es dir?“
„Oh, fantastisch“, sagte Sirius. „Weißt du, ich glaube, Walburga hält mich für ein neues Möbelstück, das geliefert wurde. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viel Spaß ich schon die ganze Woche habe, hier oben, in meinem Zimmer.“
Alphard antwortete nicht, sondern betrachtete nachdenklich das Foto, das er gestern erst mit einem Dauerklebefluch an der Wand über dem Schreibtisch befestigt hatte. Krone, Moony, Wurmschwanz und er, im letzten Sommer…

…sein Kopf schmerzte, er musste das Bewusstsein verloren haben und auf den Boden gesackt sein, und immer noch hörte er das rasselnde Atmen hinter sich. Oder über sich? Es schien von allen Seiten zu kommen, schnürte ihm selbst die Luft ab. Das Foto musste immer noch in seinem Zimmer hängen, er hatte es nie entfernt. Und Krone war tot, und es war seine Schuld, seine Schuld, seine Schuld…er wusste, dass er es verdiente, hier zu sein, er hätte nie geboren werden dürfen, denn niemand konnte mit dieser Schuld leben, es fraß ihn von innen auf wie Maden in seinem Fleisch, er war Schuld, sie waren beide tot, und Moony hielt ihn für den Verräter…
Er konnte sich nicht bewegen, blieb einfach liegen. Langsam ebbte der Gedankenstrom ab und wich einer angenehmen Leere. Der Wächter hielt inne.
Er schloss die Augen und versuchte, in die Erinnerung zurückzukehren.

„Deine Eltern und dein Bruder warten auf dich. Komm mit mir runter“, bat Alphard. Sirius lachte. „Ach komm, du kannst zugeben, dass sie noch nicht mal gemerkt haben, dass ich nicht am Tisch sitze.“
„Es ist Weihnachten“, beharrte sein Onkel. „Alle sind da und du solltest nicht fehlen.“
„Weil wir uns alle so gern haben? Ehrlich, Al, hat Walburga Angst vor euren Eltern oder warum hat sie dich hergeschickt?“
Alphard erlaubte sich ein kurzes Grinsen. „Das mag seine Rolle gespielt haben, aber vielleicht will sie auch einfach für einen Tag über euren Streit hinwegsehen und ein harmonisches Familienfest erleben.“
„Ein harmonisches Familienfest?“, wiederholte Sirius mit hochgezogenen Augenbrauen. „Wir wissen doch beide, wie das da unten enden wird. Großmutter und Druella werden sich anzicken, Andromeda wird totgeschwiegen, Rodolphus…“
„…und dazu gibt es gutes Essen und Geschenke“, unterbrach Alphard ihn. „Reicht dir das nicht als Argument? Ich finde es eigentlich immer ganz amüsant, wie sich alle gegeneinander ausspielen wollen.“
Sirius zuckte mit den Schultern. „Warum feiern sie überhaupt Weihnachten?“, fragte er lustlos. „Das Fest der Liebe ist es ja wohl kaum, und Christi Geburt auch eher nicht, obwohl, vielleicht war er ja der erste reinblütige Zauberer und hat den Muggeln gezeigt, wo's langgeht. Tut mir leid“, fügte er hinzu, als er sah, dass Alphard die Stirn runzelte. Er hatte ganz vergessen gehabt, dass er in die Kirche ging.
„Magie und Religion sind zwei Dinge, die in erster Linie nichts miteinander zu tun haben“, sagte Alphard streng. „Es stimmt vielleicht, dass die meisten von uns Blacks mit der Zweiteren nicht viel am Hut haben, aber dafür um so mehr mit Traditionen, und die verlangen von uns, dass wir uns in unsere Festumhänge schmeißen, uns gegenseitig Schnupftabakdosen schenken und Truthahn essen. Also kommst du?“

Der Steinboden war kühl und glatt. „Ich komme“, murmelte er vor sich hin und tastete mit den Händen, die Augen geschlossen, blind. Der Wächter hatte sich zurückgezogen, er spürte es. Ob er wiederkommen würde? Er brauchte etwas Spitzes, mit dem er den ersten Strich würde ziehen können. Er durfte nicht wieder vergessen, welcher Tag war. Warum erinnerte er sich nur ständig an dieses Gespräch mit Alphard?
Weihnachten. Heute war Weihnachten, der 25. Dezember 1981. Er hatte das Stück Zeitung mit dem Datum gefunden, vorhin. Wo war es jetzt? War es verschwunden? Nein, da lag es, direkt neben ihm. Er schloss die Hand fest darum, schob es unter seinen Kittel, um es nicht zu verlieren, überlegte es sich dann anders und kroch zu der Decke, auf der er schlief. In der Mauerritze daneben würde es sicher sein. Weihnachten. Vielleicht war es deshalb so kalt. Hatte nicht in der Zeitung gestanden, dass es geschneit hatte? Weihnachten und Schnee, das gehörte doch zusammen. Es dauerte eine Weile, bis ihm einfiel, warum.
Hogwarts.
In Hogwarts hatte es immer geschneit, meterhoch. Schneeballschlachten. Sein erstes Weihnachten in Hogwarts, er hatte zum ersten Mal erlebt, wie unbeschwert das Fest sein konnte…
Ein glücklicher Gedanke in diesen Mauern war wie ein Schmetterling, der sich unbeschwert in die Höhe schwang und dann leblos zu Boden fiel, weil ihn schlagartig die Kraft verließ. Er entglitt ihm einfach, wurde weggespült von dem Strom an Gedankenfetzen, den er nur mühsam unterdrücken konnte. Der Tag, an dem Alphard gestorben war. Der Tag, an dem sein Bruder gestorben war. Der Tag, an dem seine Eltern in die Schule gekommen waren, nachdem er in das falsche Haus eingeteilt worden war… der Tag, an dem er von zu Hause weggelaufen war.
Plötzlich wusste er, warum diese Erinnerung überleben konnte.

Sirius stocherte in seinem Essen herum, schob den Rosenkohl von der einen auf die andere Seite. Dreiundzwanzig Leute an einer Tafel, das war bestimmt ein schlechtes Omen für irgendwas. Vielleicht würde der Erste, der aufstand, von dem überdimensionalen Weihnachtsbaum erschlagen werden, der den Salon bis fast zur Decke ausfüllte. Wurmschwanz würde es wissen, er war unersättlich mit magischem Aberglauben, den ihm seine Mutter eingetrichtert hatte.

Sein Magen krampfte sich bei diesem Gedanken zusammen, aber er erlaubte sich nicht, darüber nachzudenken.

Orion hatte ihm zugenickt, als er zusammen mit Onkel Al den Raum betreten hatte, unmerklich zwar, aber es lag eine gewisse Anerkennung darin; zumindest redete er sich das ein. Im Gegensatz zu Walburga und Regulus, die ihn beide ignoriert hatten, Walburga aus Überzeugung, Regulus aus Verlegenheit. Es musste schrecklich sein, einen Bruder wie ihn zu haben.
„…keinen Funken Anstand im Leib“, hörte er wie auf Kommando seine Großtante Cassiopeia sagen. Er drehte den Kopf nicht, sie wusste auch so, dass er sie hören konnte. „Orion ist viel zu gutmütig, ich hätte ihn schon vor Jahren rausgeworfen. Wenn er wüsste, was sich gehört, würde er von selbst gehen, bei der Schande, die er uns bringt.“
Seine andere Großtante Dorea murmelte etwas Zustimmendes. Es ärgerte ihn jedes Mal, dass ihr Mann Potter geheißen hatte.

Der rasselnde Atem des Wächters rauschte über die Festtafel wie der Sturm draußen, durchwirbelte die sorgfältig gedrehten Locken, die über beginnende Glatzen gekämmte Scheitel, und ein Geruch nach Verwesung legte sich über die Szenerie, über seinen müden Körper in der Zelle. Warum bemerkte niemand der anderen etwas? Sie redeten einfach weiter, als ob nichts geschehen wäre. Alphard zwinkerte ihm von der anderen Seite des Tisches zu, er unterhielt sich gerade mit Sirius' Großmutter Melania, die so laut sprach, als ob nicht nur sie, sondern die gesamte Gesellschaft ein Hörrohr benötigte.
„Was für eine Schande, dass Suzanne verhindert war!“, sagte sie gerade, und Sirius stellte überrascht fest, dass sie offensichtlich der Ironie fähig war.
„Suzanne und ich haben uns leider vor ein paar Monaten getrennt“, antwortete Alphard höflich.
„Nun, ich kann nicht sagen, dass es ein Verlust wäre“, sagte Melania schroff, „aber in deinem Alter wäre vielleicht ein anderer Lebensstil angemessen.“
„Vielleicht ziehe ich ja ein unverheiratetes Leben vor wie meine liebe Tante Cassiopeia“, bemerkte Alphard unschuldig, erzielte jedoch genau den Effekt, den er vorhergesehen hatte: Cassiopeia hatte ihren Namen gehört und stürzte sich auf das neue Gesprächsthema: „Was ist mit mir, Alphard?“
„Oh, Melania meinte nur gerade, was für eine Schande es doch sei, in meinem Alter noch nicht verheiratet zu sein…“
Sirius grinste in sich hinein, als Cassiopeia und Melania sich angifteten, bereute es aber sofort, als sein Großvater Pollux, der neben Alphard saß, ihn anfuhr: „Was gibt es zu lachen, Junge?“
Er hatte schon immer Angst vor Pollux gehabt, auch, wenn er es nicht gerne zugab; schon als kleiner Junge hatte er gezittert, wenn er ihn mit seinen tief liegenden Augen musterte; der Inbegriff eines strengen Großvaters mit steifer Haltung und ordentlich getrimmtem Schnurrbart. Regulus hatte er immer gemocht, ihn dagegen kritisch beäugt, aber vielleicht bildete er sich das auch nur ein, jetzt, wo es wirklich so war. War nicht alles Einbildung, was er noch sah? Du bist auch nur Einbildung, wollte er zu ihm sagen, doch zu spät, Pollux sprach bereits.
„Wie läuft es in der Schule?“
Das war eine Fangfrage, Sirius wusste es. „Gut“, antwortete er vorsichtig. Pollux nickte langsam. Falsche Antwort. Aber was hatte er erwartet?
„Siehst du deinen Bruder oft?“
„Ab und zu.“
„Viel zu tun, nehme ich an.“
Dann schwieg er. Sirius hoffte, dass das Gespräch damit beendet war, und lud sich ein paar Bratkartoffeln auf, nicht aus Hunger, sondern aus Verlegenheit. Der Hunger war schon nach ein paar Wochen verschwunden, zumindest das permanente Nagen, das konnte er ausblenden, solange er die Nahrung, die man ihm gab, in sich hineinzwängen konnte, sobald es unerträglich wurde.
„Freunde hat er ja gefunden, nach dem, was man so hört“, sagte seine Großmutter Irma verächtlich. „Rennt immer noch mit diesem Potter und den beiden Muggeln herum, nach dem, was Regulus uns erzählt hat.“
Sein Brustkorb brannte, ein Stöhnen entwich seinen Lippen, nur nicht das, nicht die Schuld. Er warf einen Blick zu seinem Bruder hinüber, der neben seiner Mutter saß, den Kopf gesenkt, und sein Stück Truthahn zerschnitt, ordentlich, mit Messer und Gabel, ohne einen einzigen Fleck auf der blütenweißen Tischdecke natürlich, und natürlich stützte er auch nicht die Ellbogen auf dem Tisch ab. Sein Verrat schmerzte mehr als alles andere. Was er wohl heute Morgen in seinem Strumpf gefunden hatte, als Dank dafür, dass er immer so lieb und brav zu allen war und überhaupt der perfekte Erbe für den Namen seiner Familie?
Bevor er wusste, was er tat, hatte er seinen Stuhl zurückgeschoben, den wunderbar alten Stuhl mit dem grünen Samtbezug, auf man als Black seinen hochwohlgeborenen Hintern betten konnte, und war aufgestanden. „Entschuldigt mich“, sagte er schroff und marschierte an der Tafel vorbei, den ganzen zweiundzwanzig Verwandten und den silbernen Kerzenhaltern und den Porzellanschüsseln vorbei bis zur Tür, die in die Eingangshalle führte. Dann stand er draußen und versuchte sich zu beruhigen. Er hatte seine Freunde noch nicht mal verteidigt, feige, wie er war, feige, wie er immer wurde, sobald man versuchte, ihn zurück in seine Familie zu zwängen. Der Festumhang schien ihm die Luft abzuschnüren, und vielleicht tat er das wirklich, wann hatte er ihn bekommen? Er zog ihn über den Kopf, schmiss ihn auf den Marmorboden, knöpfte den obersten Knopf seines Hemdes auf. Atmete.
Die Tür hinter ihm wurde vorsichtig geöffnet. Für einen Moment dachte er, es wäre vielleicht Regulus, aber er erkannte die energischen Schritte sofort. Er erwartete Schreien, doch die Stimme seiner Mutter war ungewohnt leise. „Musst du mir immer Schande machen, Sirius?“
Wenn er einen Funken Anstand im Leib hätte, würde er von selbst gehen. Erst jetzt begriff er, dass diese Worte tatsächlich wahr waren. Wenn er seiner Familie nur Schande brachte, musste er eben an einen Ort gehen, an dem man ihn nicht als Schande ansah.
Er hatte Schreien erwartet, aber als er sich zu ihr umdrehte, wussten sie beide, dass zwischen ihnen alles gesagt war.
„Du gehst?“
„Ich gehe.“
Er hoffte, dass sie sich ein wenig vor sich selbst schämte, als er die Erleichterung in ihrem Blick sah.
Dann stand er draußen auf dem verschneiten Platz mit seinem Koffer in der Hand und dem eisigen Wind, der ihm die Schneeflocken wie Nadeln in sein Gesicht peitschte. Er fror, zitterte, riss die Augen weit auf, um etwas sehen zu können, doch um ihn herum war nur Dunkelheit. „Das ist keine glückliche Erinnerung…die kannst du mir nicht nehmen“, brachte er mühsam hervor, seine Zunge war wie gelähmt, doch er wusste, dass das eine Lüge war. Sein Wächter hatte lange genug gewartet, ihn die alte Verzweiflung durchleben lassen, weil sie ihm vor Augen führte, wie glücklich er in dieser kurzen Zeit gewesen war, um ihm dann dieses Glück wieder und wieder aus seinem Herzen zu reißen, bis er daran zerbrechen würde. Er spürte kaum, dass er weinte, schlug den Kopf gegen die Wand hinter ihm, damit es aufhörte, es sollte aufhören, nur aufhören.
Wie ein schwarzer Schatten türmte sich der Dementor über ihm auf und atmete tief ein, fraß seine Verzweiflung, nährte sich von ihr wie von einem Festmahl; dem einzigen Weihnachtsmahl, das es in diesen Mauern geben würde.


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Die Arbeit mit Steve Kloves war ein Genuss. Er ist fantastisch.
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