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Fanfiction

All I Want For Christmas - Dezember: Feuer und Wasser

von ChrissiTine

9. Dezember: Feuer und Wasser

2021

"Ich warte schon ewig auf dich!" Dominique Weasley schaute ihre beste Freundin Annie Williams vorwurfsvoll an. "Warum kommst du so spät?"

Annie zog ihre dunkle Mütze von ihren blonden Haaren und schälte sich aus ihrem dicken Mantel. "Entschuldige bitte, dass ich dreimal apparieren muss, bis ich in diesem Kaff hier ankommen kann! Warum können wir uns nicht woanders treffen? Im Tropfenden Kessel zum Beispiel?"

"Weil ich morgen schon um sieben Uhr Training hab, deshalb", erwiderte Dominique und ergriff das halbleere Butterbierglas, das vor ihr stand. "Du musst doch erst um neun ins Ministerium."

"Dafür musst du dich nicht täglich mit fünfzig Leuten herumschlagen, die ganz dringend noch einen Portschlüssel bis Weihnachten haben wollen. Als ob ich noch welche übrig hätte!" Annie verdrehte die Augen und ließ sich auf einen Stuhl in der gemütlichen Kneipe sinken, in der sich Dominique unbedingt hatte treffen wollen. "Und wie war das Training?"

"Beschissen", erwiderte Dominique in ihrer typisch unverblühmten Art und fröstelte. "Es ist arschkalt hier und durch den scheiß Schnee kann ich den verdammten Schnatz kaum sehen. Der Trainer macht mir die Hölle heiß, weil ich immer so lange brauche."

"Na dann hast du es wenigstens kuschelig warm", erwiderte Annie grinsend. Dominique warf ihr einen finsteren Blick zu. "Was? Du wolltest doch unbedingt zu Pride of Portree. Du wusstest, dass die in Schottland trainieren."

"Ich hatte doch wohl kaum eine Wahl, oder? Die Mannschaft war die einzige, die mich wollte. Außerdem ist sie nicht so schlecht." Das stimmte. Pride of Portree war zwar nicht die erfolgreichste Mannschaft in der britischen Quidditichliga, aber sie hielt sich im soliden Mittelfeld und konnte immer wieder überraschende Erfolge erzielen. Dominique hatte sehr schnell von ihrer Position als Ersatzsucherin zu einem festen Mitglied im Team aufsteigen können und konnte jetzt das machen, was sie am liebsten tat: Quidditch spielen, von morgens bis abends. Und wenn sie sich auch beschwerte, im Grunde war allen klar, dass Dominique gar nicht glücklicher und zufriedener sein konnte. "Es wäre nur schön gewesen, wenn ich gewusst hätte, dass das Wetter auf dieser Insel im Winter so verdammt ungemütlich ist. Hogwarts ist doch auch in Schottland, warum hätten sie nicht dort in der Nähe trainieren können?"

Annie zuckte mit den Schultern und machte der Kellnerin klar, dass sie einen Feuerwhiskey haben wollte. Wenn Dominique so anfing, dann war es am besten, sie einfach reden zu lassen und sie zu ignorieren. Nach neun Jahren Freundschaft kannte sie ihre beste Freundin wirklich schon ziemlich gut. Fünf Minuten hatte sie jetzt mindestens Ruhe.

"Mhm", machte sie und nickte, als Dominique sich besonders ereiferte. Ihre Gedanken schweiften ab zu ihrem stressigen Arbeitstag. Eigentlich war sie in der Abteilung für Magisches Transportwesen für die Formalien des Apparierens zuständig und gab auch Abendkurse zweimal die Woche für diejenigen, die aus irgendeinem Grund nicht in der Schule das Apparieren hatten lernen können. Aber weil in der Weihnachtszeit plötzlich jeder auf die Idee kam, zu Weihnachten noch irgendwohin mit einem Portschlüssel zu reisen, wurden alle verfügbaren Kräfte zur Portschlüsselverwaltung abkommandiert. Leider hatten sie nur eine begrenzte Anzahl von Portschlüsseln zur Verfügung und die war schon seit Wochen völlig ausgeschöpft. Es war Annie ein Rätsel, warum anscheinend niemand ihre großen Anzeigen im Tagespropheten gelesen hatte, in denen sie die Leute, die einen Portschlüssel im Dezember und Januar brauchten, dazu aufforderten, sich so früh wie möglich darum zu kümmern, am besten schon zwei Monate im voraus. Es war einfach schrecklich nervig.

"... weiß Louis noch nicht, ob er kommt."

"Was?" Annie schreckte aus ihren Gedanken hoch und schaute Dominique interessiert an. "Was hast du gesagt?"

Dominique grinste. "Ich wusste, dass du darauf reagierst." Annie erwiderte nichts. Es war doch wohl normal, auf den Namen seines Exfreundes zu reagieren, oder etwa nicht? Besonders, wenn man zwei Jahre lang zusammen gewesen war. "Ich hab gesagt, dass Louis noch nicht weiß, ob er zu Mollys Hochzeit kommen wird."

"Ach nein?", fragte Annie verwundert. Sie hatte gedacht, dass Louis auf jeden Fall kommen würde. Sie waren zwar in verschiedenen Häusern gewesen, aber trotzdem hatten Louis und Molly sich gut verstanden, auch wenn zwei Jahre Altersunterschied zwischen ihnen lagen. "Wieso nicht?"

"Hat er nicht gesagt", erwiderte Dominique. "Ich glaube, er will vor Mum Ruhe haben. Wenn er zu Mollys Hochzeit herkommt, dann muss er auch über Weihnachten hierbleiben und Mum wird ein schreckliches Theater machen." Louis' Mutter freute sich immer, wenn sie alle ihre Kinder zusammen zu Hause hatte. Seit Louis vor zwei Jahren nach Frankreich gezogen war, war das nur noch sehr selten der Fall.

"Und vielleicht ..." Dominique schaute sie bedeutsam an. "Vielleicht will er dir auch nicht begegnen." Obwohl Dominique sich wirklich bemühte, war Annie der Vorwurf in ihrer Stimme deutlich bewusst. Dominique war damals nicht einverstanden gewesen, dass sie mit Louis zusammen war. Zum Teil hing das sicher auch damit zusammen, dass Louis und sie Dominique zwei Monate lang verschwiegen hatten, dass sie eine Beziehung hatten. Annie hatte normalerweise keine Geheimnisse vor ihrer besten Freundin, aber sie hatte schon geahnt, wie Dominique reagieren würde und sie hatte die Zeit mit Louis genießen wollen, bevor sie von ihr wieder in die harte Realität zurückgeholt wurde.

Annie hatte gewusst, dass Louis es nicht ganz so ernst mit Beziehungen nahm. Durch seinen Veela-Anteil sah er unheimlich gut aus und er konnte sehr charmant sein und es waren ihm viele Mädchen verfallen. Vor ihr hatte er schon eine etwas längere Beziehung mit einer etwas flüchtigeren Freundin von Dominique und ihr gehabt, also wusste sie, dass er durchaus dazu fähig war, mit jemandem fest zusammen zu sein. Und als sie mehr Zeit mit ihm verbracht und sich in ihn verliebt hatte, hatte sie keinen Zweifel daran gehabt, dass er ein guter Freund sein würde. Aber sie wusste auch, dass Dominique ihn für beziehungsunfähig hielt und versuchen würde, ihr das ganze wieder auszureden, wenn sie nicht schon so lange mit ihm zusammen war, dass sie keine andere Wahl haben würde, als es einfach zu akzeptieren. Sie hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass Dominique sie dabei erwischen würde, wie sie mit Louis auf der Weihnachtsfeier im Fuchsbau (genauer gesagt hinter dem Fuchsbau) herumknutschte. Sie hatte gedacht, dass sie es ihrer besten Freundin irgendwann selbst erzählen würde.

Dominique hatte Wochen gebraucht, bis sie wieder mit ihr gesprochen hatte und noch länger, bis sie die Beziehung von Louis und ihr auch akzeptiert hatte. Aber als sie gesehen hatte, dass Louis sie nicht einfach fallen lassen würde und dass es ihnen tatsächlich ernst war, hatte sie sich sogar für sie gefreut. Umso geschockter war sie gewesen, als Annie ihr erzählt hatte, dass Louis und sie sich vor seiner Abreise nach Frankreich getrennt hatten. Annie selbst hatte es auch sehr weh getan. Sie hatte Louis geliebt und wirklich mit ihm zusammen sein wollen, aber er wollte unbedingt nach Frankreich, weg von allem, was mit seiner berühmten Familie zu tun hatte und mal was anderes erleben. Sie konnte ihn verstehen, aber sie konnte nicht mitkommen. Sie liebte es in England und sie wusste, dass sie es in Frankreich hassen würde, wenn sie ihn begleitet hätte. Irgendwann hätten sie sich bestimmt getrennt und wahrscheinlich nicht so im Guten, wie sie es jetzt getan hatten. Trotzdem hatten sie sich seit zwei Jahren nicht gesehen. Louis hatte seiner Familie bisher noch keinen Besuch in England abgestattet, sie hatten immer ihn besucht.

"Er sollte zu Mollys Hochzeit kommen", sagte Annie entschieden. "Ich muss nicht hingehen. Ich muss auch nicht zur Weihnachtsfeier in den Fuchsbau." Es war seine Familie. Sie wollte ihn nicht daran hindern, diese wichtigen Tage mit ihr zu verbringen.

"Kommt gar nicht in Frage", sagte Dominique wütend. "Molly hat dich eingeladen, du hast zugesagt, du kommst. Du hast doch gesagt, dass ihr noch Freunde seid. Eigentlich sollte es keinen Grund geben, warum ihr nicht beide kommen solltet."

"Nicki, das ist nicht so einfach -", fing Annie vorsichtig an.

"Als das damals mit euch angefangen hat, habt ihr mir versprochen, dass unsere Freundschaft darunter nicht leiden wird, wenn ihr euch wieder trennt. Ihr habt versprochen, dass ihr euch wie zivilisierte Menschen benehmen werdet, wenn ihr euch nach der Trennung seht und nicht wie zwei idiotische Kleinkinder!" Dominique hatte große Angst gehabt, ihre beste Freundin zu verlieren, wenn Louis und sie sich trennten, weil sowas eigentlich nie problemlos verlief und einer dem anderen immer aus dem Weg gehen würde. Natürlich hatte sie damals nicht ahnen können, dass Louis sich nach Frankreich verziehen würde und er derjenige war, der Annie aus dem Weg ging, aber das Versprechen zählte trotzdem. "Außerdem dachte ich, dass ihr längst übereinander hinweg seid."

"Sind wir auch", erwiderte Annie sofort. Es war immerhin schon zwei Jahre her, dass sie sich getrennt hatten.

"Dann dürfte das auch kein Problem sein", sagte Dominique zufrieden und trank den Rest ihres Butterbiers aus. Sie rief der Kellnerin zu, dass sie noch eins haben wollte. "Außer ihr seid doch noch nicht so sehr übereinander hinweg, wie du behauptest."

"Es sind zwei Jahre, Nicki", widersprach Annie. "Natürlich sind wir übereinander hinweg. Außerdem hab ich einen Freund."

"Ach, jetzt ist er auf einmal dein Freund?", sagte Dominique überrascht. "Ich hab gedacht, dass ihr nur hin und wieder ausgeht."

Annie zuckte mit den Schultern. "Er hat gefragt." Seit ein paar Wochen traf sie sich mit dem vier Jahre älteren Habakuk Anders, der für die Flohnetzwerkregulierung zuständig war. Er sah nicht so gut aus wie Louis und war auch nicht so charmant, aber sie fühlte sich zu ihm hingezogen und er hatte sie anscheinend auch sehr gerne. Sie fühlte sich bei ihm sehr wohl. Er war der erste Mann seit der Trennung von Louis, bei dem das der Fall war. Er war etwas besonderes.

"Nimmst du ihn mit zur Hochzeit?", fragte Dominique missmutig und ergriff das Butterbier, das die Kellnerin ihr reichte.

"Ich weiß nicht." Es kam ihr zu schnell vor. So lange trafen sie sich wirklich noch nicht. Außerdem wäre das bestimmt merkwürdig, wenn sie Habakuk zur Hochzeit der Cousine ihres Exfreundes einlud, selbst wenn sie auch die Cousine ihrer besten Freundin war und Annie schon vor ihrer Beziehung mit Louis zu Familienfesten eingeladen worden war. Und Louis und Habakuk mussten sich nun wirklich nicht über den Weg laufen, wenn Louis tatsächlich zur Hochzeit kam. "Wahrscheinlich nicht."

"Hmm" Vergeblich versuchte Dominique, ihre Freude darüber zu verbergen. Annie verdrehte die Augen. Sie hatte geglaubt, dass Dominique die Hoffnung endlich aufgegeben hatte, dass aus Louis und ihr noch was werden würde.

Annie ergriff ihr kaum angerührtes Feuerwhiskeyglas und trank einen Schluck. Sie entschloss sich dazu, das Thema zu wechseln. Und sie wusste genau, welches sie wählen musste, damit Dominique nicht mehr auf Louis zu sprechen kam. "Rate mal, wen ich bei deinem letzten Quidditichspiel gesehen hab."

"Wen?", fragte sie sofort. Dominique hasste diese Ratespiele.

"Steven Davies."

Dominique stöhnte genervt. "Na und? Er ist Quidditch-Fan. Warum sollte er sich das Spiel nicht ansehen?"

"Vielleicht", erwiderte Annie grinsend. "Vielleicht wollte er aber auch gar nicht das Spiel sehen, sondern dich." Annie hatte sich bemüht, nicht auf den ehemaligen Ravenclaw zu achten, nachdem sie ihn ein paar Reihen entfernt im Fanblock von Pride of Portree erblickt hatte, aber es war unmöglich gewesen. Und sie war überzeugt davon gewesen, dass er lediglich die Sucherin beobachtet hatte und nicht den spannenden Spielverlauf.

"Ach hör auf.", widersprach Domonique zornig. "Wenn er da war, dann nur wegen dem Spiel. Das zwischen uns war nie was ernstes, das weißt du." Dominique hatte immer darauf bestanden, dass Steven Davies und sie nie ein Paar gewesen waren. Sie hatten lediglich gerne miteinander rumgeknutscht und sich Beleidigungen an den Kopf geworfen, wenn sie es nicht getan hatten. Wahrscheinlich hatten sie auch miteinander geschlafen, aber was ihre "Beziehung" mit Steven betraf, war Dominique immer sehr verschlossen gewesen. Dadurch, dass sie beide in verschiedenen Quidditchmannschaften spielten und unglaublich viel Ehrgeiz besaßen, hatten sie sich schon früh bekriegt und ihre Streitereien vom Quidditchplatz auch in der großen Halle ausgetragen. Und obwohl wenn Dominique Annie erzählt hatte, wie es dazu gekommen war, dass sie mit Steven herumgeknutscht hatte (Steven hatte sie angeblich angebaggert, weil er mit ihr schlafen wollte, sie hatte ihm das nicht geglaubt und ihn aus der Reserve locken wollen, indem sie zum Schein auf sein Angebot einging und so hatten sie angefangen, sich zu küssen) hatte Annie diese verquere Beziehung zwischen ihnen nie ganz kapiert.

Und auch Dominique ebenfalls darauf bestand, dass es ihr völlig egal war, dass Steven ein Jahr vor ihr den Abschluss gemacht hatte und sie sich nicht mehr sahen und ihre Knutschereien nicht mehr stattfanden, wusste Annie, dass ihr die Trennung dennoch nahegegangen war. Sie war weder so fröhlich noch so leidenschaftlich im Quidditch gewesen wie sonst. Trotzdem hatten Steven und sie sich nicht wieder gesehen, seit er seinen Abschluss gemacht hatte.

"Wenn du das sagst", erwiderte Annie mit leisem Lächeln. Dominique hatte sich seit Steven mit keinem anderen Mann getroffen. Sie behauptete zwar, dass sie mit ihrem Training zu beschäftigt war, um sich um etwas anderes zu kümmern, aber das war gelogen. Wenn sie gewollt hätte, hätte es durchaus Möglichkeiten für sie gewesen.

"Können wir bitte über was anderes reden?", erwiderte Dominique in einem Tonfall, den Annie nur zu gut kannte. Es war der gleiche Tonfall, den sie selbst anschlug, wenn sie nicht mehr über Louis und ihre Gefühle für ihn sprechen wollte. "Was hast du vorhin über die Portschlüssel gesagt?"

/-/

2041

"Hallo, stören wir?" Dominique kletterte aus dem Kamin und schaute sich im leeren Wohnzimmer um. Ihr Sohn Jacob klammerte sich an ihrer Hand fest. Er war zwar ein kleiner fünfjähriger Draufgänger, aber das Flohnetzwerk machte ihm schreckliche Angst, seit er gehört hatte, wie Dominiques Onkel Harry einmal den Kamin verpasst hatte und in der Knockturngasse gelandet war. Sie selbst war mit fünf schon sehr gut in der Lage gewesen, allein durch das Netzwerk zu reisen, aber Jacob bestand darauf, nur mit ihr oder einem anderen Erwachsenen zu reisen (außer Onkel Harry, ihm vertraute er nicht).

Dominiques Blick fiel auf das Hochzeitsfoto von Annie und Louis, das auf dem Kaminsims stand und auf die vielen Kinderfotos ihres elfjährigen Sohnes David. Er war ein süßer Kerl, der den Charme seines Vaters geerbt hatte. Schon im Kindergarten hatte er die Mädchen überreden können, ihm ihren Nachtisch zu überlassen, wie Annie ihr schockiert, aber auch ein bisschen stolz, erzählt hatte.

"Tante Annie?" Sobald Jake festen Boden unter den Füßen hatte, riss er sich von seiner Mutter los und stürmte laut rufend durch das Wohnzimmer. Dominique stöhnte. Das hatte er eindeutig von seinem Vater. Sie war nie so gewesen.

"Annie? Louis? David?" Sie folgte den polternden Schritten ihres Sohnes und fand sich schließlich in der riesigen Wohnküche wieder, auf die Annie bestanden hatte, als Louis und sie ein Haus gesucht hatten. Sie kochte und backte leidenschaftlich gerne und hatte die Küche zum Herzen des Hauses gemacht. Es war also kein Wunder, dass sie ihre beste Freundin auch jetzt in der Küche fand. Auf dem Tresen lagen fünf Backbleche mit verlockend riechenden Plätzchen. Annies Sohn David saß auf einem der hohen Barhocker und betrachtete sie sehnsüchtig, während Jake sich noch damit abmühte, einen der Hocker zu erklimmen. Schnell zog Dominique ihr Kind von dem Hocker weg, weil es so aussah, als würde der Hocker gleich auf ihn drauffallen. Sie hob ihn hoch, weil er sonst keine Ruhe geben würde.

"Sie sind noch zu heiß", sagte Annie warnend, während sie ein weiteres Blech in den Ofen schob. David hörte auf sie, Jake tat es nicht. Er hob trotzdem die Hand und versuchte, eines der Plätzchen zu ergreifen. Sofort stieß er einen lauten Schrei aus. "Ich hab doch gesagt, dass die zu heiß sind!", sagte Annie tadelnd. Sie schloss die Bachofentür und zog ihren Zauberstab, der in ihrer Schürze steckte. Sie richtete ihn auf Jakes Hand und die Verbrennung verschwand. Sie gab ihm einen Apfel aus der Obstschale. "Iss lieber das hier."

Jake verzog das Gesicht, verschränkte die Arme vor der Brust und weigerte sich, den Apfel zu nehmen. Er schaute zu David. "Kann ich mit deiner Playstation spielen?"

David schaute fragend zu seiner Mutter. Annie nickte. "Aber nicht zu lange. Und keine Gewalt. Nimm das Snowboardspiel."

"Okay, Mum" David ergriff den Apfel, den Annie noch in der Hand hielt, und sprang von seinem Hocker. Jake eilte ihm hinterher.

Dominique sah den beiden Jungen kopfschüttelnd nach. Sie waren wie Feuer und Wasser. Das fing schon allein bei ihrem Aussehen an. David hatte die blonden Haare von Louis und Annie geerbt, genau wie Annies blaue Augen. Der Veela-Anteil kam schon mehr als deutlich zum Vorschein durch sein glänzendes Haar und dieses Funkeln in den Augen, das nur dadurch zustande kam. Er bekam, was er wollte, wenn er nur den richtigen Hundeblick aufsetzte und lange genug bettelte. Trotzdem hörte er immer auf seine Eltern und machte kaum Ärger. Er war ruhig und nachdenklich und erstaunlich vernünftig für seine elf Jahre.

Jacob dagegen sah genau aus wie sein Vater. Er hatte dunkle Haare und braune Augen, die Dominique immer an Zartbitterschokolade erinnerten. Nach ihrem Veela-Anteil hatte sie bei ihm bisher vergeblich gesucht. Aber sie hatte schon immer vermutet, dass sie selbst bei dem Veela-Anteil viel zu kurz gekommen war und Louis, ihr Zwillingsbruder, alles abbekommen hatte. Außerdem konnte sie tun, was sie wollte, Jake hörte nie so auf sie wie David auf Annie. Deshalb hatte sie auch nichts gesagt, als er gerade nach dem Plätzchen gegriffen hatte. Er hätte sowieso nicht auf sie gehört. Es war besser, wenn er diese Dinge alleine lernte. Dass er sich verbrennen konnte, wenn er ein Backblech anfasste, dass er sich wehtun konnte, wenn er auf einen Baum kletterte, der zu hoch für ihn war, dass er Albträume bekam, wenn er einen Horrorfilm schaute, für den er zu jung war. Es war die beste Taktik und Dominique kam sich nicht immer wie ihre eigene Mutter vor, die ihrem Kind Dinge verbot, die Spaß machten.

"Du warst ja schon ziemlich fleißig", sagte Dominique schließlich anerkennend und ließ ihren Blick über die Bleche streifen. Hätte Jake sich nicht verbrannt, hätte sie sich jetzt auch ein Plätzchen genommen.

"Das ist erst der Anfang", erwiderte Annie voller Tatendrang. "Es ist Davids letztes Weihnachten, bevor er nach Hogwarts kommt und er wollte unbedingt Plätzchen backen", erklärte sie lächelnd. "Er hat jetzt zwar schon keine Lust mehr, aber ich hab noch einige Rezepte, die ich in den nächsten Tagen in Angriff nehmen werde."

"Kannst du mir ein paar Plätzchen abgeben?", fragte Dominique grinsend. Sie war eine Niete im Backen. Sie bekam den Teig nie richtig hin und für das Ausstechen fehlte ihr die Geduld.

"Ich hab dich schon eingerechnet, keine Sorge", erwiderte Annie lächelnd. "Du kriegst das Zeug nächste Woche."

"Super", sagte Dominique erleichtert. "Steven liebt die Plätzchen. Er kriegt sie aber genausowenig hin wie ich." Es hatte ihren Mann schwer enttäuscht, dass sie Annies Plätzchen nicht hatte backen können. Sie hatte das widerum so wütend gemacht, dass sie ihm gesagt hatte, wenn er unbedingt Plätzchen haben wollte, dann solle er sie gefälligst selbst backen, schließlich hatte er sie nicht wegen ihrer Backkünste geheiratet. Er hatte es versucht und war kläglich gescheitert, sehr zu Dominiques Genugtuung.

"Ihr seid schon ein merkwürdiges Paar", sagte Annie kopfschüttelnd.

"Ach halt die Klappe", erwiderte Dominique abweisend, setzte sich auf den Hocker, den Jake gerade fast umgeworfen hatte und nahm sich jetzt doch ein Plätzchen. Es war warm, aber nicht zu heiß.

Sie wusste selbst nicht, wie genau es dazu gekommen war, dass sie Steven Davies Ehefrau geworden war. Im einen Moment sahen sie sich nach Jahren wieder im Tropfenden Kessel und landeten zusammen im Bett, im nächsten Moment machte er ihr einen Heiratsantrag und sie nahm ihn an, weil sie ihn liebte und überzeugt war, nicht mehr ohne ihn leben zu wollen. Sie hatte keine Ahnung, was da passiert war. Aber sie war glücklich. Glücklich, mit ihm zusammenzuleben und seine Frau zu sein. Sie war sogar glücklich als Mutter von Jake, selbst wenn sie nie gedacht hätte, dass sie einmal eine Mutter sein würde. Kinder hatten nie in ihre Lebensplanung gehört. "Wo ist eigentlich Louis?" Ihr Bruder würde sich nie von frischgebackenen Plätzchen fernhalten.

"Im Ministerium. Der französische Zaubereiminister will kurzfristig herkommen, um irgendwas mit unserem Minister zu besprechen. Louis und Vic müssen alles organisieren. Vielleicht bekomme ich ihn heute gar nicht mehr zu Gesicht." Annie seufzte. Louis arbeitete in der französischen Abteilung für internationale magische Zusammenarbeit. Victoire beschränkte sich nicht nur auf Frankreich, aber da kannte sie sich dennoch am besten aus. Wenn Not am Mann war, waren die Geschwister die effektivsten, die die ganze Abteilung zu bieten hatte.

"Na super", seufzte Dominique. Für Politik hatte sie noch nie was übrig gehabt. Quidditch war das wichtigste im Leben, das wusste doch jeder. "Dann grüß meinen Bruder, wenn du ihn das nächste Mal sehen solltest. Und sag ihm, dass ich mich am Geschenk für Mollys Party beteilige." So kurz vor Weihnachten noch eine Party zum zwanzigsten Hochzeitstag zu feiern war totaler Schwachsinn, wenn man Dominique fragte. Aber niemand hatte sie gefragt.

"Du weißt doch gar nicht, was wir ihr und Justin schenken wollen", widersprach Annie erstaunt.

"Ist mir egal", winkte Dominique ab. "Es wird schon das richtige sein. Ihr habt da ein besseres Händchen als ich." Außer Quidditchkarten und einem Dildo fiel ihr nichts ein. Und Dominique war sich ziemlich sicher, dass Molly und Justin sich weder über das eine noch über das andere sonderlich freuen würden. Ganz zu schweigen von ihrer Mutter, wenn sie davon erfahren sollte.

"Wenn du meinst", sagte Annie unsicher. "Ich dachte an zusammenpassende Schlafanzüge. Bei Madam Malkins haben sie wirklich sehr schöne aus einem sehr guten Stoff."

Dominique verkniff sich ein Grinsen. So viel besser war diese Idee auch nicht. Aber Molly und Justin wirkten wie zwei Leute, die sowas tragen würden. Sie wollte etwas erwidern, wurde aber von lautem Krach unterbrochen.

"Um Himmels Willen!", rief Annie erschrocken. Sie stürmte an Dominique vorbei und rannte in ihr großes Wohnzimmer. Dominique folgte ihrer Freundin gemächlich. Es würde schon nichts lebensgefährliches sein.

Tatsächlich war es nur ein zerbrochenes Fenster. Jake hatte mehrfach hintereinander verloren und war so wütend geworden, dass er Davids Playstation aus dem Fenster geworfen hatte. Annie umarmte ihren Sohn David erleichtert und begutachtete dann den Schaden mit gerunzelter Stirn.

Dominique verschränkte die Arme vor der Brust und schaute Jake wütend an. "Das wird Konsequenzen haben!", drohte sie gefährlich ruhiger Stimme. Sie wusste, dass sie ihrem Sohn sehr viel mehr Angst einjagte, wenn sie nicht schrie. Zufrieden beobachtete sie, wie Jake ängstlich schluckte.

Oh ja. Jake würde auf seine Plätzchen dieses Mal wirklich lange warten.

TBC...


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