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Fanfiction

Sechs Sommer - Sommer 1994

von Krabbentaucher

„Sind Tante Petunia und Dudley nicht mitgekommen?“
Harry war erst als er vor dem Bahnhof seinen Koffer und Hedwigs Käfig vom Gepäckkarren hob, aufgefallen, daß Onkel Vernon allein war. Dieser hatte sein erstes Entsetzen über Harrys Mörder-Paten überwunden und schnauzte: „Willst wohl großen Bahnhof, was? Dudley ist noch in der Schule. Smeltings ist dieses Jahr später dran als...“
Er beendete den Satz nicht und setzte seinen Weg fort. Harry hatte Mühe, ihm zu folgen, obwohl er deutlich gewachsen und kräftiger geworden war. In der Nebenstraße hielt Onkel Vernon an einem dunklen großen Auto mit rundlichem und massigem Heck, das durch ein schmales, über die ganze Breite gehendes Leuchtenband in zwei Hälften geteilt wurde. Onkel Vernon schloß dieses Auto auf, Harry wuchtete seinen Koffer hinein – so kräftig war er inzwischen schon – und stellte fest, daß Hedwigs Käfig auch hier nicht reinpaßte. Onkel Vernon schloß den Kofferraumdeckel wieder, machte eine unwirsche Handbewegung und setzte sich hinter das Lenkrad. Harry zögerte kurz, denn er wollte zuerst vorne einsteigen. Aber dann kam ihm in den Sinn, daß Onkel Vernon das sicher nicht wollte. Also setzte er sich auf die Rückbank und nahm Hedwig mit ihrem Käfig auf den Schoß.
Onkel Vernon ließ das Auto an und fuhr los. Harry sah sich um. Er saß auf dunkelgrauem Velourspolster, das Armaturenbrett war so rundlich wie das Heck des Autos, auf der Fahrerseite war so viel Holz eingelassen, daß es künstlich wirkte – was es nach Harrys Einschätzung auch war.
„Ist der neu?“ erkundigte er sich.
„Offensichtlich“, brummte Onkel Vernon, aber der Besitzerstolz führte doch dazu, daß er Harry die Einzelheiten nicht vorenthalten wollte. „Ford Scorpio. Aber das neueste Modell. Das allerneuste, den gibt es erst seit Frühjahr. Ist vorige Woche gekommen. Der neue Firmenwagen. Sechszylinder, aber jetzt 2,9 Liter. Tja, Bursche, wirtschaftlicher Erfolg zahlt sich eben aus, aber das kann diese Bande ja nicht nachvollziehen, zu der du gehörst.“
Harry sagte nichts darauf. Er mußte an die Malfoys denken, die mit wirtschaftlichem Erfolg sehr wohl etwas anfangen konnten. Dann stellte er sich vor, wie Onkel Vernon und Tante Petunia wieder einmal das Auto lauthals gelobt haben mußten, so daß auch jeder Nachbar etwas davon mitbekam. Nur dürfte Dudley gefehlt haben.
„Wann kommt Dudley denn zurück?“ fragte Harry.
„In ein paar Tagen“, lautete die kurze Antwort.
Für den Rest der Fahrt schwiegen sich beide an. Vor dem Fenster zogen die vertrauten Szenerien vorbei – zuerst die Parklandschaft Surreys, dann die Einfamilienhäuser von Little Whinging. Onkel Vernon wuchtete den Ford in weit ausholendem Bogen auf die Auffahrt, zog die Handbremse an und schaltete den Motor aus. Dann löste er seinen Sicherheitsgurt.
„Ich gehe voraus“, sagte er knapp, „schließe die Haustür auf, dann kommst du. Koffer bringe ich rein.“
„Den Koffer -“, setzte Harry an, wurde jedoch von Onkel Vernon abgewürgt.
„Keine Widerrede. Den bringe ich rein.“
Damit stieg Onkel Vernon aus, ging zur Haustür und schloß sie auf. Harry stieg mit Hedwigs Käfig in der Hand aus und lief schnell ins Haus. Von der Küche her lugte Tante Petunia in den Flur, verschwand aber wieder, bevor Harry sich überhaupt überlegen konnte, ob es sich lohnte, irgendein Wort der Begrüßung loszuwerden. Er stieg die ersten drei Stufen der Treppe hoch, dann kam auch schon Onkel Vernon mit dem Koffer rein. Harry kam ein Gedanke.
„Ich muß Hedwig leider losschicken, meinem Paten Bescheid geben, daß ich gut angekommen bin“, sagte Harry leichthin. „Tut mir echt leid, aber mein Pate besteht drauf. Weißt du, er ist ja ein bißchen, ähm, leicht reizbar.“
Onkel Vernon hielt inne und setzte den Koffer ab. Er sah Harry halb entsetzt, halb ratlos an. Harry zeigte auf den Koffer: „Der kommt doch wieder in den Schrank, oder?“
Onkel Vernon sagte erstmal nichts und räusperte sich dann.
„Ähm, muß ich noch sehen...“ Etwas resoluter setzte er hinzu: „Bring jetzt das Vieh aus meinen Augen! Und schreib meinetwegen diesen Brief.“
Harry setzte seinen Weg nach oben fort. In seinem Zimmer stellte er Hedwig auf den Schreibtisch. Dann ging er wieder hinunter. Der Koffer stand noch immer im Flur. Harry hörte Onkel Vernons und Tante Petunias Stimmen aus dem Wohnzimmer. Harry schlenderte hinein. Onkel und Tante hielten inne und sahen Harry an, als hätte er den Teppich ruiniert. Onkel Vernon brach das Schweigen: „Ich habe deiner Tante eben von deinem, na, Paten berichtet. Ähm – verurteilter Mörder, hast du also gesagt?“
„Ja, und ihr habt ihn sogar schon im Fernsehen gesehen. Im letzten Jahr“, antwortete Harry.
Onkel Vernon und Tante Petunia sahen einander ratlos an. Dann schnappte Onkel Vernon: „Red keinen Unsinn. Als ob Pack von deiner Sorte in unserem Fernsehen vorkommt!“
„Wenn ein gefährlicher Zauberer ausgebrochen ist, lassen sie ihn auch über das Mug-, ich meine, über das Fernsehen suchen“, sagte Harry kühl. „Erinnert ihr euch nicht? Sirius Black? Der Typ, der so ein bißchen wild ausgesehen hat? Kam damals im Frühstücksfernsehen.“
Er konnte an Onkel Vernons und Tante Petunias Gesicht ablesen, daß sie sich langsam erinnerten. Tante Petunia hielt sich entsetzt den Mund mit der Hand zu. Onkel Vernon posaunte: „Hast du nicht gesagt, er war der beste Freund deiner Eltern? Da sieht man mal wieder, aus was für einem Stall du kommst, Bursche! Deine Eltern haben sich mit Mördern umgehen, da sieht man doch, was von ihnen zu halten ist!“
In Harry fing es an, zu brodeln. Doch er beherrschte sich und erwiderte: „Nein, er wurde erst nach dem Tod meiner Eltern wegen des Mordes an 13 Leuten verhaftet. Die Straße war übrigens nach dem Mord aufgerissen, so als habe es eine Gasexplosion gegeben.“
„13 Leute...“, murmelte Onkel Vernon.
„Und du schreibst – hast ihm schon geschrieben?“, hakte Tante Petunia nach.
„Ich wollte ihm gleich schreiben“ sagte Harry, kam aber noch einmal auf sein Anliegen zurück. „Nebenbei: Ich brauche natürlich meine Schreibsachen aus dem Koffer, sonst glaubt er, ihr würdet mir..., na, auch egal.“
Onkel Vernon brachte zuerst ein halbersticktes Geräusch zustande und sagte dann: „Ach ja, der Koffer... Tante Petunia und ich sind der Meinung, daß er im Schrank zu viel Platz einnimmt.“ Harry wollte sich gerade bedanken, da wurde Onkel Vernons Stimme scharf und laut: „Bring das Ding gefälligst hoch in dein Zimmer!“
„Okay, Onkel Vernon“, sagte Harry so harmlos und folgsam wie möglich und wußte ein sehr breites Grinsen kaum zu bändigen.

Für Harry war es ungewohnt, das Haus nur mit Onkel und Tante zu teilen. Da er nicht wußte, ob sie sich darauf konzentrieren würden, ihn zu schikanieren, weil sie sich nicht mit Dudley beschäftigen konnten, blieb er in seinem Zimmer und erschien nur zu den Mahlzeiten, die er schweigend einnahm. Offenbar hatten Onkel Vernon und Tante Petunia kein besonderes Interesse an ihrem Neffen. Die Mitteilung, daß Harry einen verurteilten Mehrfachmörder als Paten hatte, der sogar etwas aufbrausend sein konnte, schien sie gebremst zu haben. So vergingen die ersten drei Tage nach der Ankunft ruhig und ohne besondere Vorkommnisse.
Am Morgen des vierten Tages erschien Tante Petunia so aufgedonnert zum Frühstück, als wolle sie auf einen Empfang gehen, obwohl es Montag war. Onkel Vernon trug zwar wochentags grundsätzlich einen Geschäftsanzug, jetzt aber saß er in seinem besten Sonntagsstaat am Tisch. Harry verzichtete lieber darauf, zu fragen, was denn los sei, denn das war eine eherne Grundregel im Hause Dursley: Stell keine Fragen. Onkel Vernon butterte seinen Toast, räusperte sich und sagte: „Wir müssen bald losfahren, Petunia, Liebes. Hast du gestern auch eingekauft?“
„Ja, Vernon, natürlich. Heute Abend muß alles tiptop sein. Ich habe gestern schon mal vorgekocht“, antwortete Tante Petunia.
Harry fragte sich, ob wieder einmal ein Geschäftspartner zum Essen käme, aber dann fiel ihm auf, daß Onkel Vernon und Tante Petunia sich dann nicht schon am Morgen derart herausgeputzt hätten.
„Wer kommt denn?“ fragte er so neutral und zurückhaltend wie möglich.
Onkel Vernon sah ihn nur an wie ein Schmeißfliege, die sich auf die Würstchen gesetzt hat. Tante Petunia sagte knapp: „Heute kommt Dudley zurück.“
Die Reaktion der Dursleys veranlaßte Harry, nicht weiter zu fragen. Ihm kam es immer noch merkwürdig vor, daß sie sich jetzt schon so fein zurechtgemacht hatten, nur um Dudley vom Bahnhof abzuholen. Nun – er würde es ja sehen, denn vermutlich würden die Dursleys ihn dabeihaben wollen, damit Dudley endlich auch mal ein großes Empfangskomitee bekäme.
„Bursche, du spülst ab“, kommandierte Onkel Vernon und wischte sich den Mund ab. „Petunia, wir gucken nochmal, ob alles in Ordnung ist. Ich glaube, das Geschenk ist irgendwo im Schlafzimmer.“
„Und ich muß mir auf jeden Fall noch die Haare richten“, sagte Tante Petunia, während Harry aufstand und anfing, den Tisch abzuräumen.
Er spülte und trocknete ab, wobei er sich wünschte, schon zaubern zu dürfen. Gerade als er fertig war, erschien Onkel Vernon im Türrahmen der Küche.
„Ich habe alles schon mit Mrs Figg abgesprochen – du gehst jetzt sofort zu ihr, bis wir zurück sind. Wir holen jetzt Dudley ab.“
Harry war nicht begeistert. Bei Mrs Figg war es nie besonders aufregend. Und doch war er neugierig: „Dann ist Smeltings also ganz in der Nähe? Weil ihr jetzt schon zum Bahnhof fahrt?“
Onkel Vernon prustete: „Pff – Bahnhof! Unser Dudders kommt doch nicht mit dem Zug! Smeltings ist eine erstklassige Adresse, da werden die Jungen natürlich abgeholt. Wir sind am späten Nachmittag wieder zurück. Los jetzt, Bewegung, wir wollen aufbrechen.“
Sofort war Harry klar, weshalb sich sein Onkel und seine Tante so herausgeputzt hatten. Wenn sie in der Schule ihres Sohnes auftauchten und vermutlich die Eltern der anderen Schüler trafen, wollten sie natürlich etwas darstellen. Er ging an Onkel Vernon vorbei und verließ das Haus. Draußen blieb er stehen und beobachtete, wie sein Onkel und seine Tante das Haus ebenfalls verließen und abschlossen. Sie stolzierten zu ihrem neuen Auto und öffneten die Türen. Harry fiel noch eine Frage ein: „Holt ihr dann auch diesen Piers ab?“
Tante Petunia sah Harry verständnislos an und antwortete kopfschüttelnd: „Mr und Mrs Polkiss holen ihren Sohn natürlich selbst ab. Fahrgemeinschaft – wo denkst du hin? Wir gehören doch nicht zur Arbeiterklasse. Und jetzt geh zu Mrs Figg.“
Harry ging los. Als er in den Glyzinenweg einbog, brausten Onkel Vernon und Tante Petunia in ihrem ganzen blechgewordenen Stolz vorbei.

Der Tag bei Mrs Figg war so wenig angenehm wie die in den Jahren zuvor. Harry wurde mit altbackenen Keksen versorgt, für die Mrs Figg offenbar eine Schwäche hatte, mußte sich mit der Historie ihrer zahllosen Katzen beschäftigen und wurde von den noch vorhandenen Katzen auch noch kritisch beäugt. Daher empfand er es beinahe als Erlösung, als das Telefon klingelte und Mrs Figg nach dem Auflegen sagte: „Deine Tante war dran, Harry. Sie sind wieder da. Du sollst jetzt nach Haus zurückkehren.“
Harry verabschiedete sich knapp und ging den kurzen Weg zurück zum Ligusterweg Nummer vier. Vor dem Haus stand Onkel Vernons neues Auto. Harry, der das Gefährt noch nie von vorne gesehen hatte, schlug einen Haken auf dem Weg zur Haustür und schaute nach. Das Auto erinnerte ihn von vorne an einen Frosch. Er ging zur Tür und klingelte. Onkel Vernon öffnete.
„Du hast dir Zeit gelassen“, schnappte er und schob Harry ins Haus. „Gleich ist Versammlung im Wohnzimmer.“
Harry war mit dem Procedere bei Dudleys Rückkehr von Smeltings nicht vertraut und entsprechend neugierig. Er blieb noch kurz im Flur, dann hörte er aus der Küche Tante Petunia: „Ich habe das Essen jetzt soweit im Ofen. Wir können endlich unseren Diddyspatz richtig willkommen heißen. Und wie gut er aussieht!“
Wie aufs Stichwort kam Dudley aus der Küche in den Flur gewatschelt. Er trug einen kastanienbraunen Frack, in den er kaum reinpaßte, orange Knickerbocker, in die er kaum reinpaßte und einen kreisrunden Strohhut, der nur deshalb auf den Kopf paßte, weil die Haut um die Schädelkalotte kaum Fettgewebe aufweist. In der Hand hielt er seinen Knotenstock, mit dem er Harry anknuffte.
„Da siehst du mal, was? So sieht man aus, wenn man nicht auf eine Verrücktenschule gehen muß. Da trägt man doch sicher gestreifte Klamotten. Wie hieß sie? St Brutus für...“
„Für unheilbar kriminelle Jungen“, beendete Harry den Satz. „Sicherheitszentrum. Aber da ich jetzt ja sozusagen entsichert bin...“
Weiter kam er nicht, denn Tante Petunia erschien ebenfalls und scheuchte alle ins Wohnzimmer. Sie und ihr Ehemann setzten sich auf das Sofa, Harry wurde ein Sessel zugewiesen. Dudley stand – breitbeinig, um seinen aufgeschwemmten Körper im Gleichgewicht zu halten. Onkel Vernon wurde feierlich: „Dann, Dudley, zeig mal die Früchte des vergangenen Jahres.“
Dudley stapfte aus dem Zimmer, man hörte ihn die Treppe hoch- und wieder runterrumpeln. Dann trat er mit blasierter Miene ins Wohnzimmer und überreichte Onkel Vernon einen Bogen weißen Kartonpapiers mit einem Wappen oben drauf. Onkel Vernons Gesicht fiel ein wenig in sich zusammen, als er las. Dann reichte er das Papier weiter und sagte: „Wenigstens bist du nicht so eine Streberleiche, sondern ein ganzer Kerl. Durchsetzung, das ist alles. Steht ja auch in dem Zeugnis drin.“
Tante Petunia seufzte: „Das ist eben das Problem mit den heutigen Pädagogen: Sie erkennen wahre Begabung und Geistesgröße nicht. Unser Dudders läßt sich eben nicht so ohne weiteres in ein schlichtes Notenschema pressen, dafür ist er einfach zu vielschichtig. Habe ich Recht, Dudders?“
Dudley machte „Hm?“.
Sie studierte noch einmal das Zeugnis.
„Also, wenn ich das hier schon lese: 'Dudley Dursley ist wiederholt dadurch aufgefallen, daß er Mitschüler schikaniert hat. Er hat sie seine Arbeiten für die Gemeinschaft machen lassen und ihnen den Nachtisch weggenommen.' Unser Diddyspatz kann doch keiner Fliege was zuleide tun, er ist nur ein kleiner Rabauke, aber das ist doch normal bei einem aufgeweckten Kind!“
„Sage ich doch: Kein Weichling, sondern eine Führungspersönlichkeit!“ dröhnte Onkel Vernon.
Harry erriet, daß das Zeugnis ziemlich schlecht war, und zum ersten Mal fing er an, mit der ihm unbekannten Schule Smeltings zu sympathisieren. Tante Petunias Blick verfinsterte sich, als sie das Zeugnis zum dritten Mal durchlas.
„Was soll denn das hier? Diese Bemerkung der Schulkrankenschwester? 'Dudleys Ernährungszustand ist stark adipös. Seine Eßgewohnheiten sind im höchsten Maße gesundheitsgefährdend. Schon jetzt ist er nicht mehr in der Lage, Treppe zu steigen, ohne sich zu verausgaben. Die Kreislaufwerte deuten auf beginnende Probleme hin, zudem droht eine Gelenkschädigung. Eine strenge Diät entsprechend den beigefügten Grundsätzen und viel Bewegung werden empfohlen.' Ach, unser Duddy hat doch noch Babyspeck! Er befindet sich mitten im Wachstum, sehen die das denn nicht? Er ist doch schon wieder aus den Knickerbockern und dem Frack herausgewachsen und braucht das Essen dringend. Und er hat schwere Knochen.“
Harry sah sich seinen Cousin an, der vor ihnen stand und eine Pose eingenommen hatten, als habe er seinen Eltern eben erst von seinem Doktortitel berichtet. Onkel Vernon hob die Versammlung auf: „Dann wollen wir das schöne Zeugnis mal feiern. Ist gleich alles fertig, Petunia?“

Am Abend des darauffolgenden Abends hatte sich die Stimmung deutlich abgekühlt. Dabei war für Harry der späte Nachmittag ganz gut verlaufen: Die Dursleys waren in der Stadt, um Dudley für das nächste Jahr mit neu auszustatten, und Mrs Figg war telefonisch nicht zu erreichen gewesen, so daß Harry das Haus für sich allein hatte. Er hatte ein wenig versucht, mit Dudleys PlayStation klarzukommen und ein paar Außerirdische wegzuputzen. Zwischendurch hatte er sich etwas von Dudleys Leckereien aus dem Kühlschrank stibitzt. Das waren die einzigen drei Stunden, in denen Harry seinen Aufenthalt im Ligusterweg Nummer vier jemals wirklich genossen hatte. Doch als die Dursleys sehr spät zurückgekehrt waren, erweckten sie – zumindest die Eltern – den Eindruck, als habe jemand einen Nachttopf über ihnen ausgeleert. Das Abendessen bestand aus warmgemachtem Fertigessen. Endlich brachte Onkel Vernon zur Sprache, was los war: „Also, daß keiner der Schulausstatter noch passende Knickerbocker für Dudley hat...“
„Sollen sich die Kinder denn dem Sortiment der Schulausstatter unterordnen?“ schluchzte Tante Petunia.
Dudley mümmelte mit schwabbelndem Mehrfachkinn sein Fertigessen. Onkel Vernon sah zu seinem Sohn hinüber und murmelte: „Sieht ganz so aus.“
Tante Petunia wappnete sich, holte Luft und sagte: „Die Schulkrankenschwester hat doch diesen Diätplan geschickt. Ab morgen fangen wir an.“
Dudley verschluckte sich, hustete und schrie entsetzt auf: „Was?!“
„Diddyschatz, das muß leider sein“, flötete Tante Petunia. „So schlimm ist das doch auch nicht. Sieh mal, viel Obst und... naja, das ist doch auch lecker, oder?“
„Ich will meine Schokoriegel! Ich will meine Softdrinks! Ich will -!“
Dudley versetzte dem Tisch einen Tritt. Onkel Vernon hielt den Tisch fest und fragte seine Ehefrau: „Du sagtest 'wir'...?“
Tante Petunia ruckte mit ihrem Kopf in Richtung Dudley und sagte: „Wenn, dann wir alle. Es ist sonst zu hart für unseren Kleinen.“

Harry hatte keine Zeit verschwendet. Unmittelbar nach dem Abendessen – und dem Abwasch – saß er in seinem Zimmer am Schreibtisch und schrieb drei identische Briefe, die er mit „Lieber Ron“, „Liebe Hermione“ und „Lieber Hagrid“ überschrieb:

Mein Cousin Dudley ist ja nun total verfettet, und leider haben das jetzt auch Onkel Vernon und Tante Petunia spitzgekriegt. Die Krankenschwester von seiner Schule hat einen Diätplan geschickt. Jetzt setzen sie Dudley auf Diät. Schön und gut, aber Tante Petunia will, daß wir alle mitmachen! Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie sehr ich am ersten September beim Festessen reinhauen muß, damit meine Rippen nicht mehr ganz so weit rausstehen, wie es nach der Diät der Fall sein wird. Falls ihr eine Kleinigkeit für mich habt – ich habe hier ein Geheimfach.

Er unterschrieb die drei Briefe, steckte sie Hedwig in den Schnabel und sagte: „Ich weiß, daß das jetzt ein bißchen viel ist, aber die drei Briefe hier müssen an Ron, Hermione und Hagrid gehen. Glaubst du, du schaffst das?“
Hedwig schuhute wegen der Briefe etwas gedämpft und flog durch das geöffnete Fenster davon. Harry setzte sich wieder und schrieb einen weiteren Brief:

Lieber Sirius,

hoffentlich geht es dir gut. Laß mal was von dir hören. Hier ging es eigentlich ganz gut, weil ich den Muggeln gesagt habe, daß ein verurteilter Mörder mein Pate ist. Seitdem lassen sie mich in Ruhe. Aber jetzt ist mein Cousin aus der Schule zurück. Ich weiß nicht, ob du das Haus beobachtet hast, als du vor einem Jahr hier warst. Dudley ist sehr fett. Und jetzt sollen wir alle Diät machen, damit er abnehmen kann. Da kommen jetzt magere Zeiten. Bei dir ist es hoffentlich besser.

Harry

Als Hedwig kurz vor Mitternacht zurückkehrte, bestach Harry sie mit einigen Eulenkeksen und schickte sie noch einmal auf die Reise. Er kannte Sirius' Aufenthaltsort nicht, aber er war zuversichtlich, daß Hedwig ihn trotzdem finden würde.

Dudley hatte für das Frühstück eine Galgenfrist, denn er konnte noch einmal alles essen, was zu einem englischen Frühstück gehörte. Doch als Tante Petunia am späteren Vormittag vom Einkauf zurückkehrte, wurde die Situation kritisch. Harry saß oben in seinem Zimmer, als er Dudley von unten aufschreien hörte.
„Neeiin! Nicht das! Das ist Glutinous Sugar Fruit Drink! Ich brauche es! Neeiin! Nicht den Schokopudding! Mum! Das ist Fruchtjoghurt! Das ist gesund! Der ist von Factitious! Nein, Mum! Laß mir wenigstens Dr Calory's Choco Drink!“
Dudley schrie und tobte immer lauter. Harry vermutete, daß es gerade dem Kühlschrankinhalt an den Kragen ging. Schwere Schritte kamen die Treppe hochgestürmt, dann knallte Dudleys Zimmertür zu. Wenig später hörte Harry „Roooaarr – pengpeng – broch!“ Dudley spielte Gigagemetzel III bei voller Lautstärke. Vorsichtig ging Harry hinunter in den Flur. Er spähte in die Küche und sah, wie Tante Petunia leise vor sich hinschluchzend ziemlich viel Grünzeug in den Kühlschrank lud.
Na, das kann ja noch heiter werden, dachte Harry.
Und tatsächlich gab es als Mittagessen nur ein paar gedünstete Karotten mit gekochten Kartoffeln, zum Abendessen als Zugeständnis an den menschlichen Proteinbedarf Rührei mit Spinat, allerdings in kleinen Portionen. Als Nachtisch reichte Tante Petunia jedem einen Apfel. Onkel Vernon drehte seinen in den Händen und brummte: „Kaninchenfutter.“
Wieder traten Tränen in Tante Petunias Augen.

In der Folgezeit kam es immer wieder zu häßlichen Szenen mit Dudley, der umso mehr rebellierte, je länger er alles entbehren mußte, was er nach Art und Menge früher verdrückt hatte. Für Harry hatte das den Vorteil, daß er weitgehend unbeachtet blieb. Zu sehr waren die Dursleys damit beschäftigt, ihren Sohn zu trösten. Harry duldete still, denn für ihn war es nichts unbekanntes, zu wenig zu essen zu haben. Außerdem hielt ihn die Hoffnung aufrecht, daß seine Freunde helfen würden.
Als erstes kam eine Sumpfohreule aus Hogwarts mit einem Päckchen von Hagrid. Es enthielt einen gekrakelten Brief, in dem Hagrid den Wunsch zum Ausdruck brachte, Harry mögen die selbstgebackenen Felsenkekse munden. Harry schickte die Eule mit einem Dankschreiben zurück und verstaute das Päckchen unter dem losen Dielenbrett. Er wollte es als eiserne Ration zurückbehalten, denn er hatte Angst um seine Zähne.
Mehr Genuß verspraß die große graue Eule, ein Bartkauz, die mit einem großen Paket angeflogen kam und sich danach erstmal erholen mußte. Sie labte sich am Wasser in Hedwigs Käfig, der noch immer verwaist war. Das Paket enthielt einen leckeren Früchtekuchen und einen aufmunternden Brief von Mrs Weasley. Außerdem waren mehrere Pasteten darin. Harry verspeiste sofort eine davon und versteckte den Rest unter dem Dielenbrett. Dann sah er mitleidig Errol an.
„Du bleibst am besten erstmal hier. Es dauert wahrscheinlich noch, bis Hedwig zurückkommt, außerdem kennt sie dich.“
Errol blieb. Er war schon vier Tage in Harrys Zimmer, da erschien wie ein kleines Gespenst eine weiße Eule. Harry freute sich: „Hedwig! Endlich! Was hast du denn da?“
Hedwig trug ein Päckchen in den Krallen. Harry nahm es ihr ab und ließ sie in den Käfig schlüpfen, um sich zu stärken. Errol mußte zwar aus dem Käfig ausziehen, aber dennoch verstanden sich die beiden Eulen gut. Harry öffnete das Päckchen. Es enthielt eine große Schachtel zuckerfreier Knabbereien. Die Schachtel sah eindeutig so aus, als käme sie aus der Muggelwelt. Und tatsächlich war ein Begleitschreiben von Hermione beigefügt.
Fünf Tage nach seiner Ankunft war Errol wieder so bei Kräften, daß er mit einem Dankschreiben zurück zum Fuchsbau fliegen konnte. Harry hatte erst einmal Vorräte, von denen er sich bediente und die ihn Dudleys Diät ohne weiteres ertragen ließen.

In einer der darauffolgenden Nächte näherte sich ein merkwürdiges Objekt Harrys Fenster. Er wollte gerade eben Hedwig fliegen lassen, als er es sah und seinen Zauberstab zückte. Das Etwas legte seine Flügel an, schoß durch das geöffnete Fenster und ließ einen Brief fallen, um sich dann auf Hedwigs Käfig niederzulassen. Es handelte sich um einen großen, leuchtend roten Papagai mit blauen Flügeln. Harry hob den Brief auf und öffnete ihn.
„Hedwig! Der ist von Sirius!“ sagte er und fügte hinzu: „Komm, laß den Vogel trinken, der ist bestimmt durstig.“
Hedwig klapperte mit dem Schnabel und wandte sich ab. Harry strich dem Papagai über den Kopf und sagte aufmunternd: „Laß dich nicht unterkriegen. Trink einen Schluck. Aber sei leise.“
Der Papagai verstand offenbar und tat keinen Mucks, als er trank. Hedwig starrte empört die Wand an. Harry las den Brief.

Lieber Harry,

ist es wirklich so schlimm mit Onkel und Tante, daß du ihnen mit einem Mörder drohen mußt? Nun, mir geht es ganz gut soweit, aber ich kann dir natürlich nicht sagen, wo ich bin. Ich bin ganz weit weg, und die Gegend hier ist der totale Kontrast zu Askaban – und Schottland, wenn ich ehrlich sein soll. Hier kann ich mich richtig erholen. Noch einmal vielen Dank für alles. Wenn du mich brauchst, schreib mir einfach. Ich versuche dann, zu helfen.

Sirius

Harry seufzte, als der Papagai frisch gestärkt davonflog. Hedwig steckte den Kopf unter den Flügel und schmollte noch.
Auch von dem nächsten Vogel war sie nicht angetan, der wieder einen Brief von Sirius brachte. Dieses Mal handelte es sich um einen leuchtend tiefblauen Papagai mit gelben Zeichnungen an Schnabel und Auge, der noch größer war als der Papagei vom letzten Mal. Er setzte sich flatternd auf das Fensterbrett und hüpfte dann in Harrys Zimmer, so groß war seine Spannweite. Hedwig ignorierte auch ihn nach Kräften, während er sich an ihrem Wasser gütlich tat und Harry den Brief las. Inhaltlich war er zwar nicht neu, aber Harry freute sich einfach, etwas von seinem Paten zu hören.

Am dreißigsten Juli, dem Vortag von Harrys Geburtstag, waren alle Vorräte aufgebraucht bis auf Hagrids Felsenkekse, die noch völlig unangetastet unter dem Dielenbrett lagen. Doch kurz nach Mitternacht kehrte nicht nur Hedwig mit einem großen Paket von ihrem nächtlichen Ausflug zurück, auch Errol war wieder im Anflug. Ebenso kam eine große Schleiereule aus Hogwarts. Und wieder erschien der große blaue Papagei mit einem großen Paket. In jedem Paket steckte ein großer Geburtstagskuchen.
Obwohl die Dursleys wie im letzten, vorletzen und vorvorletzten Jahr seinen Geburtstag völlig übergingen, fühlte sich Harry gut. Er hatte genug Kuchen, um nach dem kargen Diätfrühstück, das mal aus einer geviertelten Pampelmuse, mal aus einem Apfel, mal aus einer rohen Karotte bestand, ein zweites, wesentlich schmackhafteres Frühstück einzunehmen. Im Grunde, so befand Harry, hatte er alles: Seine Ruhe, die Möglichkeit, Briefe zu schreiben, seine Zaubersachen und genug zu essen. Ron hatte zwar vor den Ferien etwas von der Quidditch-Weltmeisterschaft gesagt, aber Harry freundete sich langsam mit dem Gedanken an, daß Mr Weasley vielleicht doch keine Karten bekommen hatte.

Mitte August gab es Theater. Harry hielt sich an jenem Abend wie immer in seinem Zimmer auf, als er plötzlich Geschrei von der Treppe her hörte. Neugierig schlich er aus dem Zimmer zum oberen Treppenabsatz. Unten schrie gerade Tante Petunia Dudley an, was für sich schon absoluten Sensationswert hatte: „Doughnuts! Wie kannst du es wagen! Deine Diät!“
„Mum! Das sind doch nur vier Stück! Ich habe doch schon wochenlang gehungert“, jammerte Dudley und drehte dann richtig auf. „Ich will keine Diät! Ich will meine Doughnuts! Die habe ich von meinem Taschengeld gekauft! Ich will meine Hamburger! Ich will...!“
„Was ist hier los, was ist das für ein Geschrei?“
Das war Onkel Vernon, der gerade aus dem Wohnzimmer gekommen war. Tante Petunia hielt ihm die vier Doughnuts hin und zeigte auf Dudley: „Dudders wollte die hier gerade auf sein Zimmer schmuggeln! Ich habe mich schon gewundert, daß er bei diesem Wetter mit der Jacke raus ist, und als er zurückkam, waren die Taschen so ausgebeult.“
„Dudley!“ entfuhr es Onkel Vernon. „Du – du – hast mich tief enttäuscht.“ Dann wurde auch er laut: „Meinst du, ich mache diesen ganzen Karnickelfraßkram nur aus Jux und Dollerei mit? Weil mir Karotten und Blumenkohl so gut schmecken? Blumenkohl ohne was dabei? Meinst du das? Nein, Bürschchen, ich mache das deinetwegen! Damit du nicht allein Diät halten mußt und alle anderen dir was vormampfen. Und jetzt? Doughnuts! Machst alles zunichte!“
Harry hätte es nicht für möglich gehalten, aber er pflichtete oben auf seinem Beobachtungsposten seinem Onkel in jedem Wort bei.
„Wenn du das noch einmal tust“, setzte Tante Petunia an, verlor jedoch die Courage und sah Onkel Vernon an.
„Dann kürzen wir dir dein Taschengeld!“ blökte er. „Verstanden? Damit du nichts mehr übrig hast für Doughnuts!“
„Ihr – ihr seid gemein!“ heulte Dudley auf und trat gegen den Schrank unter der Treppe. „Ihr seid so – so – so...“
Harry hielt es für das Beste, sich jetzt zurückzuziehen. Sirius als Pate oder nicht, mit einem halbverhungerten und frustrierten Dudley war nicht zu spaßen. Harry schlich zurück in sein Zimmer. Kurz darauf hörte er Dudleys schwere Schritte, die noch stampfender klangen als sonst. In seinem Zimmer gab sich Dudley einer Schimpfkanonade hin und schien Sachen umher zu werfen. Neugierig kam Harry noch einmal aus dem Zimmer. Er lugte um die Ecke und sah gerade noch, wie Dudley energisch seine nagelneue, gerade erst auf dem Markt erschienene PlayStation so herausriß, daß er beinahe den Bildschirm zu Boden geworfen hätte. Dann schleuderte er den Kasten mitsamt Joypad in hohem Bogen aus dem Fenster und schrie dabei: „Ihr seid gemein! Gemein! Gemein!“
Harry zog sich wieder in sein Zimmer zurück. Er hielt es für das Beste, vorerst so tun, als ob er nicht da wäre.
Kurz vor dem Zubettgehen hörte er, wie Tante Petunia und dann auch Onkel Vernon zu Dudley ins Zimmer kamen und beruhigend auf ihn einredeten.
„Und wenn du weiter brav deine Diät machst, kriegst du auch eine neue PlayStation“, lockte Tante Petunia.
„Und einen neuen Computer“, ergänzte Onkel Vernon.
Harry schüttelte den Kopf und zog sich für die Nacht um. Er öffnete noch schnell Hedwigs Käfigtür und das Fenster, um sie hinaus zu lassen und legte sich ins Bett.
Hoffentlich würde Dudley wenigstens in der Nacht Ruhe geben, dachte Harry, dann könnte er selbst auch viel besser schlafen.


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