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Aus der Asche - 31. Kapitel / Severus und Liz

von fiirvogel

Etwas verfrüht zu Severus' Geburtstag das nächste Kapitel :o)

„Was geschah dann?“, fragte Melody, die das Schweigen nicht mehr länger aushielt.
Ihr Vater starrte unverwandt auf den Boden. „Ich kam zu spät“, fuhr er endlich fort. „Sie waren alle tot, als ich zu ihrem Haus kam. Ich hätte nicht abwarten dürfen. Ich hätte sofort hingehen und sie verteidigen müssen. Stattdessen hatte ich Jonathan nur eine Warnung geschickt. Nun waren sie alle drei tot. Und ich tat das einzige, was ich noch tun konnte: ich suchte Liz und erzählte ihr, was passiert war.“

Severus wusste, wo Liz wohnte. Sie hatte mitten in Muggel-London, in der Nähe des Zaubereiministeriums, eine kleine Wohnung gemietet. Severus apparierte zum Ministerium und klingelte bald darauf an Liz’ Wohnungstüre. Liz schaute zuerst durch den Türspion und öffnete die Tür schließlich einen Spalt breit.
„Severus?“, fragte sie misstrauisch. „Was tust du hier? Was willst du von mir?“ Doch dann sah sie das Entsetzen und die Verzweiflung in seinen Augen. Sie wurde blass und trat schnell aus der Wohnung. Den Zauberstab in der Hand blickte sie rasch nach links und nach rechts. „Sev, was ist los?“, fragte sie alarmiert und zog ihn rasch in die Wohnung hinein. Hinter ihm verriegelte sie die Türe und legte die Schutzzauber wieder darüber. Severus stand im dunklen, engen Flur und brachte kein Wort heraus. Liz packte ihn an der Hand und zerrte ihn ins Wohnzimmer. „Was ist? Sag schon“, drängte sie. Er rang nach Worten. Liz wartete ungeduldig. Sie sah ihn besorgt an und kaute nervös auf ihrer Unterlippe herum.
„Es tut mir Leid, Liz“, flüsterte er tonlos. Er hielt den Kopf gesenkt und seine schwarzen Haare hingen ihm wie ein Vorhang ins Gesicht. „Es tut mir so Leid. Ich konnte – ich habe –“ Seine Stimme brach ab, seine Hände zitterten. Liz ergriff sie erschrocken und hielt sie fest.
„Deine Eltern, Liz, sie sind ... Sie wurden ermordet.“
Liz brach mit einem Schrei zusammen. Severus fing sie auf und sank mit ihr zu Boden. Sie atmete keuchend, rang nach Luft. „Und mein Bruder?“, fragte sie gepresst.
Severus antwortete nicht. Er konnte nicht mehr sprechen.
„Was ist mit Jonathan?“ Sie packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn. „Sev, antworte mir! Was ist mit ihm?“ Als er nicht antwortete, begann Liz haltlos zu schluchzen. Ihr ganzer Körper bebte. Sie hielt sich wie eine Ertrinkende an Severus fest. Er spürte durch den Umhang, wie sich ihre Fingernägel in seine Schultern bohrten.
„Liz ... Liz ... Liz“, murmelte er und wiegte sie hin und her.
„Wie konnte das passieren? Wie konnte das nur passieren?!“, fragte sie schluchzend. „Wer war das?“
Severus strich ihr behutsam über den Rücken.
„Halt mich fest. Halt mich fest“, schluchzte sie.
Severus zog sie noch etwas enger an sich. Er spürte, wie sie zitterte.
„Halt mich fest“, schluchzte sie. „Lass mich nicht los. Ich brauche dich. Sev, ich brauche dich.“
Er schloss die Augen und sog den Duft ihrer Haare ein. So knieten sie lange auf dem Boden. Liz weinte, wimmerte, schluchzte. Severus brachte keinen Ton heraus.
Endlich hob sie den tränenverschleierten Blick und sah ihm in die Augen. Sie konnte darin seinen eigenen, erdrückenden Schmerz erkennen. Sie hob die Hände, strich ihm mit zitternden Fingern über die Wangen und drückte ihm einen Kuss auf den Mund.
Severus zuckte zusammen und wandte das Gesicht ab.
„Was, Sev? Was ist? Schau mich an!“
„Ich kann nicht“, presste er mühsam hervor. Ein Beben hatte sich in seine Stimme geschlichen.
„Warum nicht? Sev, ich brauch dich jetzt. Schau mich an, bitte!“
Severus schüttelte den Kopf. „Nein, ich kann nicht, weil – Ich habe ...“ Er vergrub mit einem Ächzen das Gesicht in den Händen. „Ich bin schuld, Liz. Ich bin schuld am Tod deiner Eltern und deines Bruders. Ich wusste, dass die Todesser deinem Bruder auf der Spur waren. Ich schickte Jonathan eine Warnung ... Ich hätte sofort nach Bawburgh gehen sollen! Ich hätte nicht zögern dürfen! Liz, ich kam zu spät. Es ist meine Schuld. Meine Schuld!“
Liz sah ihn erschrocken an. Dann schüttelte sie den Kopf. „Sev, es ist doch nicht deine Schuld. Meine Mutter und mein Bruder waren hervorragende Kämpfer, das weißt du.“
„Es ist meine Schuld. Ich hätte nicht zögern dürfen. Ich hätte sofort hingehen müssen.“
„Sev, es ist nicht deine Schuld.“
Severus wich ihrem Blick aus und biss hart auf die Zähne.
„Es ist nicht deine Schuld“, wiederholte Liz eindringlich. „Hörst du? Es. Ist. Nicht. Deine. Schuld.“
Severus nickte schwach, doch Liz ließ nicht locker. Sie nahm sein Gesicht in ihre Hände. „Schau mich an, Sev“, verlangte sie, doch er schloss die Augen und presste die Kiefer aufeinander. „Es ist nicht deine Schuld, Sev. Das ist doch nicht deine Schuld!“
Er spürte, wie seine Fassade Risse bekam, und wollte sich von Liz losreißen, davonlaufen. Doch Liz hielt ihn fest.
„Es ist nicht deine Schuld, Sev“, wiederholte sie mit der Hartnäckigkeit einer Cartney.
Da verlor er die Fassung. „Natürlich ist es meine Schuld, Liz“, schrie er sie an. „Ich wusste von ihren Plänen. Ich schickte deinem Bruder eine Warnung und versuchte mir einzureden, es sei alles in Ordnung. Er packt das schon, sagte ich mir. Als ich endlich doch hinging, war es zu spät.“ Er stöhnte gequält auf und verbarg das Gesicht in den Händen. Liz erschrak: So hatte sie Severus noch nie gesehen.
„Ssssch, ganz ruhig, ist ja gut, ist ja gut“, flüsterte sie. Sie hielt sein Gesicht zwischen ihren Händen und küsste ihn: auf die Augen, auf die Wangen, auf den Mund. Mit einer Verzweiflung und einer Leidenschaft, die alle seine Mauern niederriss. Er rang nach Luft. „Liz, es tut mir Leid, es tut mir so Leid“, flüsterte er. Seine Stimme war kaum mehr als ein heiseres Flüstern. Er schlang seine Arme um sie und zog sie mit sich auf den Boden. Er fuhr ihr mit zitternden Fingern übers Gesicht, über Ohren, Nacken, Rücken und schloss die Augen.

Lange Zeit später schlief Liz in seinen Armen, sie hatte sich in den Schlaf geweint. Severus streckte den Arm, bis er die Decke auf der Couch zu fassen bekam, und deckte sich und Liz zu. Er spürte eine bleierne Erschöpfung, doch er konnte nicht schlafen. Sobald er in den Schlaf hinüber glitt, sah er die gebrochenen Augen von Liz’ Vater vor sich. Er hatte ihn im Stich gelassen! Den Mann, der ihn beeindruckt hatte wie kein anderer Muggel, der ihn ohne zu fragen, ohne Vorurteile in sein Haus aufgenommen hatte, ihn, den Sonderling, den wortkargen, misstrauischen, finsteren Zauberschüler.
Liz bewegte sich und drehte sich schlaftrunken zu ihm um. Er strich ihr die Haare aus dem Gesicht.
„Liz“, flüsterte er und blickte atemlos in die vom vielen Weinen geschwollenen, smaragdgrünen Augen.
Liz’ Finger zeichneten die Linien in seinem Gesicht nach. Sie fuhren liebevoll über seinen Hals, seine Schultern, seine Arme. Nach kurzem Zögern schob sie seinen Ärmel hoch und entblößte das Dunkle Mal. Mit sichtlicher Überwindung betrachtete sie es. Severus schaute beschämt weg. Er spürte Liz’ stechenden Blick. „Dann stimmt es doch“, flüsterte sie. „Du gehörst zu seinem engsten Kreis.“
Severus nickte. Er hatte das Gesicht schmerzhaft zusammengezogen und presste zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: „Ich habe so viele Fehler gemacht, Liz. Wenn es einen Weg gäbe, all das ungeschehen zu machen ...“
„Es ist nicht zu spät, Sev.“
„Es ist zu spät, Liz. Ich bin ein Todesser. Nichts und niemand kann ungeschehen machen, was passiert ist, was ich getan habe ...“
„Komm zurück, Sev. Du gehörst zu uns. Zu mir ... Du gehörst zu mir.“
„Ich werde zu Dumbledore gehen und mit ihm sprechen“, flüsterte er und zog sie an sich.

Severus wusste nicht, ob er eben gerade erst eingeschlafen war oder schon seit Stunden geschlafen hatte. Sein ganzer Körper fühlte sich steif an vom langen Liegen auf dem harten Boden. Seine Kehle war ausgetrocknet, seine Lippen fühlten sich aufgeraut an. Er zuckte zusammen, als es erneut klopfte. Das also hatte ihn aus dem Schlaf gerissen. Er erstarrte, tastete instinktiv nach seinem Zauberstab.
Leise schüttelte er Liz, die neben ihm zusammengerollt lag. „Liz“, flüsterte er.
Sie wollte etwas sagen, doch er presste ihr die Hand auf den Mund. „Still, Liz. Jemand ist an der Tür. Es hat geklopft“, flüsterte er ihr ins Ohr, bevor er vorsichtig die Hand zurückzog.
Liz setzte sich erschrocken auf. Da klopfte es zum dritten Mal, diesmal lauter. „Ich, ich ... Ich komme“, rief Liz mit rauer Stimme und hustete.
„Versteck dich“, flüsterte sie. Dann eilte sie aus dem Wohnzimmer und zog die Türe hinter sich zu.
„Liz, bist du da?“, rief eine Stimme. „Mach bitte auf!“
Liz drehte mit zittrigen Fingern den Schlüssel um, dann merkte sie, dass ihr Zauberstab fehlte. „Ich ... ich komme gleich. Nur einen Moment“, bat sie und eilte zurück ins Wohnzimmer.
„Mein Zauerstab“, flüsterte sie.
„Accio Zauberstab“, murmelte Severus mit seinem in der Hand und holte ihren unter der Couch hervor.
Liz rannte aus dem Wohnzimmer und entsicherte die Tür. Sie öffnete atemlos. „Remus?“
„Ich habe schlechte Nachrichten“, begann Remus, dann sah er sie erschrocken an. „Mein Gott, du weißt es schon?“
Liz nickte stumm.
Remus schloss sie schweigend in die Arme. „Ich kam sofort hierher, als ich es erfahren habe. Wie fühlst du dich?“
„Wie soll ich mich fühlen?“, antwortete sie gefasst. „Warst du beim Haus meiner Eltern?“
„Ja, Lily, James und ich apparierten sofort nach Bawburgh, als wir von dem Überfall hörten. Jemand war vor uns dort ...“
„Wie meinst du das?“
„Jemand hat deine Eltern und deinen Bruder im Garten nebeneinander gelegt und zugedeckt. Ich dachte zuerst, du warst es, aber dann wärst du bestimmt nicht einfach wieder verschwunden ... Kann ich reinkommen?“
„Nein! Entschuldige, Remus, aber ... könntest du mich bitte nach Bawburgh begleiten? Ich schaffe das nicht alleine“, erwiderte Liz. „Ich zieh noch schnell etwas anderes an, dann komme ich. Wartest du draußen?“
Remus nickte. „Ja natürlich. Klar, ich begleite dich ...“
Als Liz ins Wohnzimmer zurückkam, sah Severus sie mit zusammengekniffenen Augen misstrauisch an.
„Es ist Remus“, flüsterte sie. „Er wollte sehen, wie es mir geht. Ich geh mit ihm nach Bawburgh ... Ich muss das hinter mich bringen.“
Severus nickte finster.
„Bleib hier“, bat Liz. „Bitte! Geh nicht wieder weg. Lass mich nicht mehr alleine. “
„Das werde ich nicht“, antwortete Severus und schloss sie in die Arme. „Geh schon!“ Dann ließ er sie widerstrebend los.


„War Liz wütend auf dich?“, fragte Melody vorsichtig.
Ihr Vater antwortete nicht. Er starrte schon eine Ewigkeit vor sich hin und sagte kein Wort.
„Papa?“
„Was? ... Nein“ – er blickte sie an, als hätte er soeben erst gemerkt, dass sie da war – „Sie war nicht wütend auf mich ... Sie war verzweifelt. Sie hatte ihre ganze Familie verloren. Sie bat mich inständig, die Fronten zu wechseln. Ich ging zu Dumbledore und bat ihn um Hilfe. Er überzeugte mich davon, dass ich dem Orden am besten dienen konnte, wenn ich als Agent in den Reihen des Dunklen Lords blieb. Er bot mir eine Stelle in Hogwarts an, wenn es mir gelänge, den Dunklen Lord davon zu überzeugen, dass ich ihm von größtem Nutzen wäre, wenn ich Dumbledore glauben machen konnte, dass ich bereute und so sein Vertrauen erlangen und ihm, dem Dunklen Lord, als Agent dienen konnte. Er biss an, und fortan arbeitete ich als Doppelagent.
Liz und ich trafen uns im Geheimen und unter größter Vorsicht. Je erfolgreicher sie als Aurorin arbeitete, desto mehr rückte sie ins Visier der Todesser. Sie brachte einige ganz gefährliche Magier vor Gericht, unter anderem Lucius Malfoy und Bellatrix Lestrange. Es wurde gemunkelt, Liz Cartney hätte einen Informanten. Wir mussten vorsichtiger sein. Niemand durfte von Liz’ Verbindung zu mir wissen. Aber außer Dumbledore schien sich niemand auch nur im Entferntesten vorstellen zu können, dass Liz Cartney etwas für den finsteren Agenten, den ehemaligen Todesser“ – er spie das Wort abfällig aus – „empfinden könnte. Manchmal hielt nicht einmal ich selber es für möglich ...“
Liz war für ihn wie ein Hafen gewesen, in den er flüchtete, wenn ihm seine Aufgabe zu viel wurde. Sie konnte ihn jedes Mal wieder aufbauen, ihn darin bestärken, dass er eine wichtige Mission hatte, auch wenn die Aufgabe manchmal schier Unerträgliches von ihm abverlangte.
„Nach dem Verschwinden des Dunklen Lords herrschte Chaos in der Zauberwelt. Todesser wurden eifrig gejagt, vor Gericht gestellt, manchmal sogar ohne Verfahren eingesperrt. Andere tauchten unter oder beteuerten, dass sie nicht aus eigenem Willen gehandelt, sondern unter dem Imperius gestanden hatten. Ich kam frei, weil Dumbledore für mich bürgte.
Eines Tages brachte Liz das Thema Familie auf den Tisch. Sie sagte, sie wollte irgendwann einmal Kinder haben. Ich konnte es mir nicht vorstellen. Ich konnte kein Vater sein, nicht mit meiner Vergangenheit, nicht unter den Umständen, in denen wir lebten. Es war für mich undenkbar! Ich überzeugte Liz davon, dass das in unserer Situation zu gefährlich war.

„Und was wäre, wenn ich schwanger würde, Sev?“
„Du nimmst doch den Verhütungstrank von deiner Großtante, Liz.“
„Und wenn doch?“
„Dann müsste ich dich bitten, das Kind abzutreiben. Wir können kein Kind brauchen. Wir können ihm keine Zukunft bieten, das weißt du so gut wie ich, Liz.“


„Wir stritten uns deswegen ... Liz machte mir Vorwürfe. Sie flehte mich an, meine Mission aufzugeben, meine Tarnung abzuwerfen, für immer bei ihr zu bleiben. Sie sagte, sie brauche mich ... Wie hätte ich ahnen sollen, dass sie schwanger war?!“
„War es ein Unfall?“
„Ich weiß es nicht. Vielleicht auch ein Versuch, unsere Beziehung verbindlicher zu machen. Als ich an jenem Abend nach unserer Auseinandersetzung gehen wollte, drohte sie mir. Sie sagte, wenn ich jetzt ginge, müsste ich nicht mehr wieder kommen. Ich glaubte ihr nicht. Ich dachte, sie würde sich wieder beruhigen. Ich wollte am folgenden Tag noch einmal mit ihr in aller Ruhe darüber sprechen. Doch am nächsten Tag war sie nicht mehr da. Ich suchte überall nach ihr, so unauffällig es eben ging. Vergeblich! Sie war wie vom Erdboden verschwunden. Erst ein paar Monate später tauchte sie wieder in ihrer Wohnung auf, als wäre sie nie weg gewesen. Todesser fanden sie. Ich kam zu spät ... Ich konnte nichts mehr für sie tun ...“

Severus schwieg und blickte düster vor sich hin. Er war nicht bereit gewesen, Liz Schutz und Hilfe zu bieten, als sie ihn darum bat. Er hatte ihre Eltern und ihren Bruder nicht retten können, weil er zu feige war. Und seine Tochter hätte er auch beinahe verloren, zweimal schon, das erste Mal, bevor er überhaupt etwas von ihr gewusst hatte.
Er blickte zu ihr hinüber. Melody hatte die Arme um die Beine geschlungen, als wäre ihr trotz der Wärme der Sonne kalt. Sie hatte das Kinn auf die Knie gelegt, und ihr Blick verlor sich im Unendlichen. Severus schaute sie besorgt an. Ob es richtig gewesen war, ihr die Wahrheit zu erzählen? Was, wenn sie nicht damit umgehen konnte? Wenn sie sich nun von ihm abwandte? Er hatte sich nie verziehen; wie konnte er von ihr erwarten, dass sie es konnte?!
Melody holte plötzlich tief Luft. Sie schien sich ihrer Umgebung gerade erst wieder bewusst zu werden.
„Ich will zurück nach Hogwarts“, sagte sie. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Wispern. Sie war blass und ernst und vermied es, ihn anzusehen. Sie stand auf, stopfte die Socken in ihre Schuhe und nahm sie in die Hand. „Jetzt gleich“, fügte sie etwas lauter und fordernder an.
Severus zog es das Herz zusammen, als er seine kleine Hexe so vor sich stehen sah, verwirrt und verletzt, mit einer tiefen Sorgenfalte auf der Stirn, die so gar nicht zu ihr passte. Er nickte stumm, aber sie sah ihn nicht an. Da erhob er sich, hielt sie am Arm fest und apparierte mit ihr vor die Tore von Hogwarts.
„Ich möchte alleine sein“, sagte Melody leise, aber entschieden, als er ihren Arm losgelassen hatte. Severus antwortete nicht. Was hätte er auch sagen sollen? Er sah ihr regungslos nach, als sie, immer noch barfuss, die Schuhe in der Hand, das schmiedeiserne Tor aufstieß und hindurchschritt. Dann begann sie zu rennen und verschwand aus seinem Blickfeld.

Melody rannte ohne Ziel durch den weitläufigen Schlossgrund. Sie schluchzte. Die Tränen rannen ihr übers Gesicht, heiße Tränen der Wut, der Enttäuschung ... Das durfte nicht sein! Das durfte einfach nicht wahr sein! Ihr Vater, ein Anhänger Voldemorts, ein Todesser. Er hatte vielleicht – wahrscheinlich korrigierte eine gnadenlose Stimme in ihr – Menschen verletzt, gefoltert ... Ob er auch Menschen getötet hatte? Er trug das Mal auf dem Arm, das über ihrem Haus gestanden hatte, nachdem Tom und Hanna umgebracht worden waren.
Die Vorstellung, dass auch ihr Vater Menschen gequält hatte, vielleicht immer noch solche Dinge tun musste, schüttelte sie. Sie hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen. Ihr Kopf hämmerte und machte keinen klaren Gedanken mehr möglich. Sie setzte sich und weinte, bis sie keine Tränen mehr hatte.
Sie wusste nicht, wie lange sie so dagesessen hatte, irgendwo in einem entlegenen Winkel des Schlossgrundes, als jemand sich näherte. Es war Professor Dumbledore. Melody stand auf und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Sie musste trotzdem ziemlich schrecklich aussehen! Dumbledore musterte sie lange schweigend.
„Dein Vater hat dir aus seiner Vergangenheit erzählt?“, fragte er, und Melody fragte sich, woher der Schulleiter das wusste. Sie nickte stumm und biss auf die Unterlippe.
„Jeder Mensch macht Fehler, Melody ... Ich selber habe Dinge gemacht, die ich mein Leben lang bereuen werde.“
Melody sah ihn zweifelnd an. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Dumbledore etwas auch nur annähernd so Schreckliches getan hatte wie Menschen zu foltern und – vielleicht – zu töten. Ihr kamen wieder Tränen und sie ballte die Fäuste.
„Er war ein Todesser“, sagte sie hart. „Wie konnten Sie ihm nur vertrauen?!“
Dumbledore lächelte gütig. „Ich kenne deinen Vater schon, seit er ein Junge war und hier zur Schule ging. Ich hatte meine Gründe, ihm zu vertrauen. Entschuldige, wenn ich sie für mich behalte.“
„Aber er hat unverzeihliche Dinge getan!“
„Unverzeihlich? Wer sind wir, dass wir uns anmaßen, über die Fehler anderer zu urteilen? Haben wir das Recht dazu? Deine Mutter hat deinem Vater verziehen. Er selber wird sich wohl nie verzeihen können. Er wird die Schuld für den Rest seines Lebens mit sich herumtragen ...“ Dumbledore blickte Melody über den Rand seiner Halbmondbrille an. „Die wichtigste Frage heute ist: Kannst du ihm verzeihen? Wiegt das, was er dir heute anvertraut hat, mehr als das, was du von ihm bis jetzt an Liebe und Zuwendung erfahren hast?“
Melody antwortete nicht. Sie nickte nur zum Zeichen, dass sie verstanden hatte.
„Es ist bald Abendessenzeit“, stellte Dumbledore nach einer Weile fest. „Denken Sie darüber nach“ – er lächelte wissend – „Miss Cartney ...“
Melody sah Dumbledore nach und blieb noch lange stehen, bevor auch sie langsam zum Schloss zurückkehrte. Ihr Kopf fühlte sich wie leergefegt an. Als sie das Schloss betrat, waren alle beim Essen. Melody schlich hinauf zum Gryffindorturm, der gottlob leer war, und kroch in ihr Bett. Sie war alleine im Zimmer: Nora, Mariah und Lindsay würden erst in ein paar Tagen wieder zurückkommen.

In dieser Nacht hatte Melody seit langem zum ersten Mal wieder Albträume. Nicht einmal die Phönixfeder unter ihrem Kopfkissen konnte verhindern, dass sich die Schlange in ihr geschwächtes Hirn schlich. Lautlos bewegte sich das Tier auf Melody zu, ihre gelben Augen blitzten gefährlich. Sie zischte bedrohlich und richtete sich vor Melody auf. Dann wurde sie größer und breiter, bis schließlich ein Todesser vor ihr stand. Er lachte dröhnend und richtete den Zauberstab auf sie. Schmerz durchzuckte sie. Dann riss der Todesser seine Maske vom Gesicht: es war ihr Vater. Und Melody schrie. Sie hörte nicht mehr auf zu schreien, während sich aus dem Zauberstab ihres Vaters eine riesige, gefleckte Schlange wand ...

„Melody! Wach auf! Was ist los?“
Melody setzte sich schwer atmend auf. Sie befand sich neben ihrem Bett am Boden. Hermine kniete vor ihr. Im Hintergrund standen Parvati und Lavender, Hermines Jahrgangskolleginnen.
„Du hast geschrien wie am Spieß“, fuhr Hermine fort. „Was ist passiert?“
„Mein ... mein Ko– Kopf“, stotterte Melody und presste die Fäuste gegen die Schläfen. „Mein Kopf tut weh.“ Ein Brechreiz schüttelte sie.
„Wir sollten Madam Pomfrey holen“, schlug Lavender vor.
Melody winkte ab. „Nein, es geht schon. Es ist nur der Ko–“
Hermine legte ihr die Hand auf die Stirn. „Ich glaube, du hast Fieber“, meinte sie. „Leg dich wieder hin. Ich bleibe heute Nacht hier, wenn du willst.“
Lavender und Parvati verließen zögernd den Schlafsaal und kehrten in ihre eigenen Betten zurück.
„Was ist passiert?“, fragte Hermine noch einmal, nachdem Parvati die Türe hinter sich geschlossen hatte. „Weshalb bist du überhaupt hier? Ich dachte, du seiest bei deinem Vater. Du hast uns zu Tode erschreckt.“
Melody begann haltlos zu weinen. „Er war ein Todesser. Hermine, mein Vater war ein Todesser! Er hat mir das Dunkle Mal gezeigt. Er war einer von ihnen ...“
Hermine schien nicht sonderlich überrascht. „Dumbledore vertraut ihm“, entgegnete sie ruhig.

Es war bereits kurz vor Sonnenaufgang, als Melody und Hermine endlich einschliefen. Melody hatte die halbe Nacht erzählt und geweint, bis sie eingenickt war. Sie hatte sich zusammengerollt und Hermine versuchte, es sich neben ihr einigermaßen bequem zu machen ohne vom Bett zu fallen. Sie hatte das Gefühl, gerade erst eingeschlafen zu sein, als sie von Parvati und Lavender geweckt wurden, die nachschauen wollten, wie es Melody ging.
„Es ist bald Mittag“, sagte Parvati entschuldigend, als sie merkte, dass sie die beiden geweckt hatte. Hermine stand auf und streckte sich. Auch Melody setzte sich ächzend auf und hielt sich den Kopf.
„Du siehst krank aus“, bemerkte Parvati. „Bist du sicher, du möchtest nicht in den Krankenflügel?“
Melody schüttelte den Kopf. Sie hatte einen glühend heißen Kopf und jede Bewegung jagte Blitze durch ihr Nervensystem. Ihr Körper krampfte.
„Ich bringe dich jetzt zu Madam Pomfrey“, entschied Hermine. „Du hast Fieber und brauchst Hilfe. Komm.“
Melody wehrte ab. „Ich brauche nur Ruhe und Schlaf. Bitte! Ich kann – kann so nicht zum Krankenflügel laufen. Lasst mich einfach schlafen. Es – wird wieder besser.“
„Soll ich dir etwas vom Frühstück bringen?“
„Mittagessen, Hermine“, korrigierte Lavender. „Es ist gleich zwölf.“
„Ich will nichts essen“, antwortete Melody matt. „Geht nur. Geht! Ich brauche nur Ruhe.“ Ihre Hände zuckten.
Hermine sah sich suchend um, bis sie das Fläschchen mit dem krampflösenden Elixier sah, und half Melody, einen Löffel davon einzunehmen. Dann zog sie die Tür hinter sich zu und ließ ihre Freundin allein.

Nach dem Mittagessen fasste Hermine einen Entschluss. Snape hatte sie die ganze Zeit unverwandt angestarrt, und als er sich nun erhob und die Große Halle verließ, stand auch Hermine auf und eilte ihm hinterher.
„Professor Snape?“ Hermine rannte die Stufen zum Kerker hinunter. Snape war bereits bei seiner Bürotür und drehte sich unwillig um.
„Miss Granger?“
„Melody hat Fieber und Kopfschmerzen.“
„Dann sollte sie in den Krankenflügel.“
„Das habe ich ihr auch gesagt. Aber sie will nicht.“
Snape schien einen Augenblick nicht zu wissen, was er sagen sollte. „Warten Sie“, brummte er schließlich und verschwand in seinem Büro. Kurz darauf trat er wieder auf den Korridor heraus und drückte Hermine eine Phiole in die Hand.
„Der Trank senkt das Fieber ... Auf Wiedersehen, Miss Granger.“
Er drehte sich um und wollte in seinem Büro verschwinden, doch so leicht ließ sich Hermine nicht abspeisen, auch nicht von Snape, und schon gar nicht, wenn es ihrer Freundin so schlecht ging.
„Melody hatte in der Nacht schreckliche Albträume, sie erwachte mit Krämpfen, Fieber, Kopfschmerzen und Brechreiz ... Sie ist verzweifelt. Sir, sie braucht Sie.“
Snapes Augen bohrten sich in ihre. Hermine versuchte nicht daran zu denken, was sie in der letzten Nacht alles über ihn erfahren hatte. Auf seinem Gesicht war keine Regung abzulesen. Dann antwortete er langsam: „Vielleicht können Sie sie überzeugen herunterzukommen.“
Hermine nickte. „Ich versuche es.“
Jetzt nickte auch Snape, kaum merklich. Dann drehte er sich um und verschwand eilig im Büro.

Hermine fand Melody immer noch fiebrig in unruhigem Halbschlaf. Sie verabreichte ihr den Fiebertrank und gab ihr noch einmal einen Löffel des krampflösenden Elixiers. Sie brauchte nicht viel Überredungskunst, um Melody dazu zu bringen, mit ihr in den Kerker zu kommen. Es genügte, ihr zu sagen, ihr Vater sei sehr besorgt und würde auf sie warten, dass Melody erneut in unkontrolliertes Schluchzen ausbrach. Hermine packte sie entschieden am Arm. „Komm“, ermutigte sie Melody. „Ich begleite dich.“

Hermine hätte nicht im Traum gedacht, dass Snape sie jemals zu einem Tee einladen würde, aber da saß sie jetzt neben Melody auf der schwarzen Couch und Snape schenkte Tee ein. Keiner sprach ein Wort. Snape schien sich die Rolle des Gastgebers nicht gewohnt, und Melody schien nur halb anwesend zu sein. Ihr Vater hatte ihr wortlos eine Phiole mit einem Beruhigungstrank gegeben, den sie ohne zu fragen getrunken hatte, und nun saß sie zusammengesunken in einer Couchecke und knabberte an einem Keks – ja, Snape hatte sogar Kekse aufgetischt. Er musste schon tief erleichtert sein, dachte Hermine, dass er sie hereingelassen und ihr Tee und Kekse angeboten hatte.
Snape rührte schweigend in seinem Tee und starrte ins Feuer. Er vermied es, seine Gäste anzusehen. Hermine blickte sich unauffällig im Wohnzimmer um und suchte nach einem Gesprächsthema.
„Sie haben viele Bücher“, wagte sie einen zaghaften Versuch.
Snape hob nur eine Augenbraue.
„Haben Sie alle gelesen?“
„Die meisten.“
Mehr war Snape nicht zu entlocken. Hermine seufzte und wechselte einen Blick mit Melody, die zwar noch etwas mitgenommen aussah, aber bereits wieder lächeln konnte. Sie zuckte entschuldigend mit den Schultern.
Auch Hermine rührte in ihrem Tee und nahm einen Schluck. Sie war versucht, ihren Zauberstab zu zücken und einen Kühlungszauber über das Getränk zu sprechen, damit sie es schneller trinken konnte. Nur schnell wieder weg hier, dachte sie. Sie hatte das ungute Gefühl zu stören. Aber Hermine hatte gar nicht ablehnen können. Als Snape sie fragte, ob sie einen Tee wollte, hatte Melody ihre Hand gepackt und sie hinter sich her ins Wohnzimmer gezogen.
Hermine trank den Tee so schnell es ging, ohne sich zu verbrühen, und aß noch einen Keks. Dann endlich war ihre Tasse leer! „Ich glaube, ich sollte wieder gehen“, sagte sie und stellte die leere Tasse auf den Tisch. „Danke für den Tee, Sir.“
Snape stand sofort auf und ging zur Tür.
„Danke, Hermine“, murmelte Melody matt.
„Gern geschehen. Wenn du etwas brauchst, melde dich ruhig bei mir ... Und gute Besserung. Schönen Nachmittag, Sir.“
„Ihnen auch, Miss Granger“, antwortete Snape kühl, und Hermine war froh, als sie wieder auf dem Korridor draußen stand.

Severus schloss die Türe, ging zur Couch zurück und kniete vor seiner Tochter auf den Boden. Ihre Augen wirkten immer noch glasig, ihr Blick verloren, und ihre Unterlippe zitterte leicht, als sie ihn unsicher ansah.
„Melody“, sagte er sanft und legte ihr die Hand auf den Arm.
„Papa“, flüsterte sie und schlang ihm die Arme um den Hals. Severus hielt sie fest und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren. „Papa, ich habe dich lieb“, nuschelte seine kleine Hexe zwischen Schluchzern. Severus strich ihr beruhigend über den Rücken. Er fühlte sich, als hätte er schon seit langer Zeit nicht mehr so frei atmen können wie gerade jetzt, als ein tonnenschwerer Felsblock von seinem Herz fiel und sich in Luft auflöste.


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