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Aus der Asche - 24. Kapitel / Okklumentik

von fiirvogel

Er musste Melody dringend in Okklumentik unterrichten, dachte Severus Snape, während er die Erstklässler beim Brauen des Stärkungstranks beobachtete. Melody hatte gerade von ihrem Kessel aufgeblickt und ihn angeschaut, und man brauchte wahrlich kein Legilimentiker zu sein, um in ihren Augen wie in einem Buch zu lesen. Das durfte nicht sein. Sie hatte zwar eben erst den Krankenflügel verlassen und den Unterricht wieder aufgenommen, doch Okklumentikstunden waren dringend nötig.
„Miss Rohan, ich möchte Sie nach der Stunde sprechen“, sagte er deshalb, und es klang so barsch und kühl wie immer.

Nach Ende der Stunde trat Melody ans Lehrerpult.
„Sir?“
„Miss Rohan ...“ Ihr Vater blickte von seinen Unterlagen auf. „Sie haben in den letzten zehn Tagen einiges verpasst. Wie gedenken Sie das aufzuarbeiten?“
„Ich ...“ Melody wusste wirklich nicht, was sie darauf antworten sollte. Diese Frage hatte sie nicht erwartet.
Da mischte sich Mariah ein. „Professor Snape, wir haben Melody über den Unterrichtsstoff informiert. Sie kann auch –“
„Miss Duncan“, schnaubte dieser ärgerlich. „Verschwinden Sie! Miss Rohan kann für sich selber sprechen.“
Mariah beeilte sich, das Klassenzimmer zu verlassen, und auf einen Wink von Severus’ Zauberstab fiel die Tür hinter ihr krachend ins Schloss.
„Melody!“ Melody blickte rasch von der Türe zu ihrem Vater zurück. Seine Stimme klang streng, als er sagte: „Deine Gedanken und Gefühle stehen dir in Leuchtbuchstaben auf die Stirn geschrieben. Du musst lernen, deinen Geist zu verschließen. Unbedingt. Wir beginnen morgen Abend mit den Okklumentikstunden. Ich möchte dich nach dem Abendessen in meinem Büro sehen. Falls jemand fragt, was du bei mir machst: Ich gebe dir Nachhilfe, weil du so viele Stunden verpasst hast. Verstanden?“
„Ja, Sir.“
„Gut.“ Ihr Vater sah sie nachdenklich an, dann zeichnete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht ab. Er drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. „Verschwinde“, knurrte er. „Bevor Miss Duncan zu McGonagall rennt und ihr erzählt, ich hätte dich wieder eingesperrt.“

Melody hatte gut angefangen mit dem Unterricht. Sie war am Montagabend zwar so erschöpft, dass sie die dringend anstehenden Hausaufgaben auf einen späteren Zeitpunkt verschob und früh zu Bett ging, doch ansonsten fühlte sie sich bis auf ein gelegentliches Taubheitsgefühl in der rechten Hand wieder gesund. Am Morgen stand sie, nachdem sie dank Pomfreys Schlaftrunk gut geschlafen hatte, erholt auf. Sie zog sich schnell an, und als sie sah, dass die anderen noch schliefen, eilte sie in den Gemeinschaftsraum hinunter, um vor dem Frühstück Mariahs Notizen über die Platzierungszauber durchzulesen und, wenn die Zeit reichte, mit dem Aufsatz für Geschichte der Zauberei zu beginnen, da sie am Abend wegen der Okklumentikstunde keine Zeit für Hausarbeiten haben würde.
Sie hatte kaum mit dem Lesen von Mariahs Notizen begonnen, als sie spürte, wie ein Blitz durch ihren Kopf fuhr. Es war so schnell vorbei, wie es gekommen war. Melody schüttelte ärgerlich den Kopf, las den Satz noch einmal und fuhr dann fort. Kurz darauf folgte ein nächster Blitz. Melody zuckte zusammen, ihr Atem stockte kurz. Sie versuchte, das sonderbare Gebaren ihres Hirns zu ignorieren, doch je länger sie sich zwang, den Text zu lesen, umso heftiger schienen die Blackouts in ihrem Kopf zu werden. Sie konnte sich nicht konzentrieren, die Gedanken entglitten ihr. Schließlich zuckten ihr krampfhaft die Hände und die Blätter fielen zu Boden. Melody lehnte sich im Sessel zurück und schloss die Augen. Was war mit ihrem Kopf los? Funktionierte etwas in ihrem Hirn nicht mehr? Für einen kurzen Augenblick hatte sie sogar ihre Hände nicht mehr unter Kontrolle gehabt. Sie wollte die Notizen wieder aufheben, doch allein der Gedanke jagte ihr einen erneuten Lichtblitz durch den Kopf.
Jetzt nur nicht in Panik geraten! Melody machte es sich im Sessel bequem, versuchte, ruhig zu atmen und sich zu entspannen. Sie dachte an Matthews Lieder und lauschte der Musik in ihrem Inneren, bis allmählich Leben in den Gemeinschaftsraum kam. Dann setzte sie sich langsam wieder auf, sammelte die Notizblätter am Boden zusammen und ging frühstücken, als wäre nichts geschehen. Zurück blieb eine leichte Verunsicherung, aber die war bald vergessen, als Melody zu ihrer ersten Unterrichtsstunde in die Gewächshäuser hinunterstiefelte.

Der Spuk meldete sich zurück, als Melody vor dem Abendessen versuchte, sich im lärmigen Gemeinschaftsraum auf ihr Essay für Geschichte der Zauberei zu konzentrieren. Der Kopf versagte ihr. Ein Blitz. Ein Blackout. Sie konnte ihre Gedanken nicht fassen. Forcieren nützte nichts, nun begann auch ihre Hand beim Schreiben zu zucken.
Genervt raffte Melody ihre Bücher zusammen und stieg die Treppe zu den Schlafsälen hinauf, um in ihrem Bett zu arbeiten. Da würde sie nicht von soviel Lärm abgelenkt. Kurz bevor sie oben war, zuckte ein Blitz durch ihren Kopf, der ihre Hände krampfhaft zusammenzog. Die Bücher fielen zu Boden. Melody setzte sich mit zitternden Knien auf die Treppe und sammelte innerlich fluchend ihre Bücher wieder zusammen. Dann eben nicht, dachte sie wütend. Sie würde sich noch für eine halbe Stunde hinlegen.
Melody schaffte es bis ins Schlafzimmer, wo ihr die Bücher erneut aus der Hand rutschten, und sank zerknirscht aufs Bett. War sie nicht mehr ganz dicht? Sie war müde, das stimmte, aber dass deswegen gleich das Hirn aussetzen musste? Sie lag ruhig da und spürte, wie sich ihre Nerven im ganzen Körper für einen Sekundenbruchteil krampfhaft zusammenzogen, danach entspannten sich ihre Glieder wieder. Es gelang ihr, sich trotz der Angst zu beruhigen. Und nach einer halben Stunde stand sie vorsichtig wieder auf und ging mit den anderen zum Abendessen in die Große Halle. Sie war entschlossen, sich nichts anmerken zu lassen. Niemand, gar niemand sollte merken, dass etwas mit ihr nicht mehr in Ordnung war. Es war ihr peinlich ...

Melody wartete am Tisch, bis ihr Vater seinen Platz am Großen Tisch verließ, dann folgte sie ihm in den Kerker hinunter. Als sie im Wohnzimmer auf der Couch nebeneinander saßen, sah er sie misstrauisch an.
„Was ist?“, fragte er.
„Nichts.“ Melody blickte ihn so unschuldig an, wie sie konnte.
„Stimmt etwas nicht?“
„Ich bin etwas müde, das ist alles.“
„Nun gut, dann wenden wir uns der Okklumentik zu ... Zuerst aber ein Wort zur Legilimentik. Das ist die Kunst, in die Gedanken- und Gefühlswelt des Gegenübers einzubrechen. Sie ist sehr nützlich, um Informationen aus anderen herauszuholen.“
„Gedanken lesen?“
„Mehr als das! Gedanken, Erinnerungen, damit verbundene Gefühle. Die Legilimentik kann alles zu Tage fördern, was in deinem Kopf steckt.“
„Und die Okklumentik?“
„Mit der Okklumentik kannst du deinen Geist verschließen und dein Gegenüber daran hindern, in deine Gedankenwelt einzubrechen.“
„Ist Legilimentik legal?“
Severus grinste. „Sie liegt in einer Grauzone. Es kommt auf die Absichten an. Allerdings ist die Legilimentik oft nur schwer nachweisbar, da sie keine Spuren und Schäden hinterlässt. Wenn ich zum Beispiel herausfinden will, ob mich jemand anlügt, genügt es meist, ihm kurz in die Augen zu schauen. Er spürt allenfalls einen stechenden Blick, mehr nicht, da die meisten Menschen die Tore zu ihrer Gedankenwelt weit offen stehen haben ... Schwieriger wird es, wenn jemand Okklumentik beherrscht. Dann ist es ein Kräftemessen.“ Er erhob sich. „Ich will, dass du lernst, deinen Geist zu verschließen, damit dir niemand mehr auf der Stirn ablesen kann, was du denkst. Steh auf.“
„Was muss ich machen?“
„Atme tief durch. Leere deinen Kopf. Versuch, einfach an nichts zu denken. Schon gar nicht an das, was du vor mir verbergen willst.“
Melody schaute ihren Vater perplex an. Natürlich kamen ihr jetzt gerade alle die Dinge in den Sinn, bei denen es ihr äußerst peinlich wäre, wenn sie jemand sehen würde. Logisch!
Ihr Vater grinste süffisant, als hätte er ihre Gedanken erraten.
„Das ist nicht fair“, protestierte Melody. „Warte!“
Sie versuchte, an nichts zu denken, aber es gelang ihr nicht. Sie war aufgeregt, gespannt, was geschehen würde. Schließlich entschied sie sich, an etwas Unverfängliches zu denken. Es schien ihr einfacher, sich auf etwas Belangloses zu konzentrieren, als nichts zu denken, zumal sie sich das Nichts nicht vorstellen konnte. Sie suchte nach einer harmlosen Erinnerung und musste an den Sonntagmorgen denken, als sie hier auf der Couch saß und Gitarre spielte. Das war gut. Einfach. Unverfänglich. Sie konzentrierte sich fest auf diese Erinnerung.
„Fertig?“, fragte ihr Vater.
„Ja, fertig.“
Ihr Vater nahm ihr Kinn in eine Hand und sah ihr in die Augen. „Legilimens!“
Melody spürte einen leichten Schwindel, nicht mehr, und dann war das Bild da, das sie vorher heraufbeschworen hatte: sie saß mit unterschlagenen Beinen auf der Couch und spielte auf der Gitarre. Nur – sie konnte das Bild nicht festhalten, es entglitt ihr und machte einem weiteren Bild Platz, einem ganzen Fluss von Bildern ...

Matthew und sie, wie sie als Kinder auf der Couch der Shanleys herumjucken und „We will rock you!“ schreien – Hanna und sie (auf einem Hocker stehend) nebeneinander in der Küche am Herd beim Kartoffelnschälen – Tom, wie er sie als Kleinkind lachend an einem Arm und einem Bein im Kreis herum wirbelt, während sie begeistert „Ich kann fliegen, ich kann fliegen!“ jauchzt – wieder Tom, mit vor Wut verzerrtem Gesicht, wie er mit einem Gürtel auf die Neunjährige einschlägt, während sie, die Hände über dem Kopf, zu entwischen versucht – Hanna, die sich schützend zwischen Tom und sie stellt, während sie sich schluchzend hinter ihren Beinen versteckt – noch einmal Hanna, wie sie flehend und weinend in der Luft hängt, und der Todesser, der sich umdreht und sie, Melody, die starr vor Schreck auf der Treppe kauert, aus blassblauen Augen anblickt – derselbe Todesser, der den Zauberstab gegen sie richtet und „Crucio“ schreit ...

Plötzlich nahm Melody ihren Vater wieder wahr. Er stand dicht vor ihr und hielt sie an den Schultern fest, weil sie schwankte. Er war bleicher als sonst. Melody kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf, als könne sie so die Erinnerungen abschütteln. Dann sah sie ihren Vater etwas zerknirscht an und meinte: „Das war nicht gut.“
„Nein“, kam die knappe Antwort.
„Papa, weißt du, wer der Todesser war?“
Ihr Vater nickte. „Lucius Malfoy.“
Melody biss auf die Unterlippe. „Das dachte ich mir, als ich Dracos Stimme zum ersten Mal hörte.“
„Sollen wir es noch einmal versuchen?“
Melody nickte.
„Versuch, an nichts denken. Die Gedanken sind ein Fluss, es wird dir nicht gelingen, dich an einer einzelnen Erinnerung festzuhalten. Jedes Bild zieht unweigerlich ein weiteres nach sich. Versuche, überhaupt nicht in den Fluss hinein zu geraten, und wenn du hinein gerätst, versuche auszusteigen. Mach deinen Kopf leer. Schau mich an, konzentrier dich auf mich.“

Severus wartete, bis Melody tief durchgeatmet hatte und ihm zunickte. „Legilimens!“ Dieses Mal spürte er einen schwachen Widerstand, als er seine Gedanken nach ihren ausstreckte. Doch die Barriere war leicht zu durchbrechen und bald war er wieder mitten drin in Melodys Erinnerungen ...

Ein zerzaustes Mädchen, das versucht, etwas aus dem Wasser zu fischen. Es verliert das Gleichgewicht, stürzt hinein und versucht schreiend und um sich schlagend, den Kopf über Wasser zu halten – ein Mann, Tom wahrscheinlich, der fluchend hinter dem Kind her in den See steigt – Melody, nicht viel jünger als jetzt, wie sie auf ihrem Bett liegt und an die Zimmerdecke stiert, während sie dröhnende Musik hört – Draco, der Melody einen Gegenstand zuwirft – die Schlange mit den gelben Augen, die das Maul aufreißt – Melody, verdreckt und durchnässt in den rauchenden Überresten eines Hauses, und Lupin, der mit einer hilflosen Geste sagt: „Es tut mir so Leid!“ – ein Kleinkind, vielleicht zwei Jahre alt, das vor Töpfen voller Geranien kauert und sorgfältig Blütenblatt um Blütenblatt abzupft und in ein Plastikeimerchen fallen lässt – Tom wieder, der den Plastikeimer fortschleudert, das kleine Mädchen an den Haaren packt, sie schüttelt und –

Mehr bekam Severus nicht zu sehen. Er spürte plötzlich, wie Melody sich vehement gegen ihn stemmte. Sie versuchte, ihn aus ihren Gedanken zu drängen. Schließlich riss sie sich los und sank erschöpft auf die Couch.
Severus sah sie anerkennend an. „Nicht schlecht für den Anfang. Waren das Toms Geranien?“
„Er züchtete sie, ging mit ihnen zu Ausstellungen ... mit denen, die ich kaputt gemacht hatte, natürlich nicht mehr.“
„Wolltest du mit den Blüten einen Zaubertrank brauen?“
Melody lachte bitter. „Ich weiß es nicht mehr. Aber Tom hat mich hinter dem Eimer hergeschleudert und hier bin ich gegen den Pfosten der Veranda geprallt.“ Sie strich sich gegen den Strich durch die rechte Augenbraue, wo eine feine, weiße Narbe zum Vorschein kam.

Melody stand entschlossen wieder auf. „Noch einmal“, verlangte sie und schloss die Augen, um ihren Kopf leer zu kriegen. Atmen. Atmen. An nichts denken. An nichts. Nichts. Nichts ... Sie öffnete die Augen, richtete sie auf ihren Vater und nickte.
„Bereit?“
„Bereit.“
„Legilimens!“
Melody konzentrierte sich auf das Gesicht ihres Vaters, versuchte, an nichts anderes zu denken als an ihn. Sie spürte die Kraft, mit der er versuchte, ihre Barrieren zu durchbrechen. Sie versuchte dagegen zu halten, merkte aber, wie ihre Schutzwälle langsam bröckelten und nachgaben. Das Gesicht ihres Vaters verschwamm. Dann war es plötzlich wieder da ...

Wütend stand Severus Snape vor ihr und sagte mit eisiger Stimme: „Richten Sie nie mehr einen Zauberstab gegen mich, Miss Rohan!“ – Melody, wie sie mit sechs Jahren am ersten Schultag vor der Lehrerin steht, die sie über ihre Hornbrille hinweg ansieht, dann auf ihre Klassenliste schaut und fragt: „Melody Eileen Rohan?“ – Melody, vier Jahre alt, wie sie neben einer verletzten Katze am Straßenrand kauert, ihr die Hände über die blutende Wunde hält und immer wieder unter Tränen intoniert: „Ich mach dich gesund, ich mach dich gesund!“ – Harry und sie, wie sie zusammen das Foto der Abschlussklasse ihrer Eltern betrachten, auf dem Liz und Lily winken – die fünfjährige Melody, die unter Hannas wachsamem Blick Fahrradfahren übt, schwankend die Quartierstraße entlang radelt und stürzt – Tom, der ihr ein Pflaster über das aufgeschlagene Knie klebt – der Todesser, der den Zauberstab gegen Melody hebt und nach hinten gegen den Wandschrank prallt, wo er reglos liegen bleibt ...

Dann brach der Bilderfluss ab. Melody sah wieder ihren Vater vor sich.
„Du bist müde“, stellte er fest. „Du bietest kaum noch Widerstand. Wir machen das nächste Mal weiter. Jetzt solltest du schlafen gehen.“
Er breitete die Arme aus und Melody flüchtete sich hinein. Sie schloss die Augen und atmete seinen unverwechselbaren Geruch ein, der ihr ein Gefühl von Ruhe und Sicherheit gab. Sie konzentrierte sich auf seinen Herzschlag, seinen Atem. Alles andere war bedeutungslos, rückte in weite Ferne und löste sich auf. Für einen Augenblick dachte sie nichts, sie war nur und bekam eine Idee davon, was Okklumentik bedeutete: Nur im Hier und Jetzt zu sein. Ohne Vergangenheit, ohne Zukunft, ohne Geschichte, Gedanken, Emotionen, Hoffnungen oder Ängste ...
„Du heißt Melody Eileen?“, fragte ihr Vater unvermittelt.
„Mhm.“
„Wusstest du, dass deine Großmutter Eileen hieß?“
Melody schüttelte den Kopf und grub ihr Gesicht noch tiefer in seine Robe. „Deine Mutter?“, nuschelte sie.
„Ja.“

Als Melody in den Gryffindorturm zurückgegangen war, brauchte Severus einen Whisky. Er setzte sich auf die Couch und starrte ins Feuer. Der Abend war für ihn emotional nicht weniger anstrengend gewesen als für Melody. Es fiel ihm nicht leicht, in den Erinnerungen seiner Tochter herumzuwühlen und so viele unangenehme Erinnerungen wachzurufen. Doch er durfte sie nicht schonen, genauso wenig wie Potter. Nur war es ihm bei Potter absolut egal, wie er sich nach den Okklumentikstunden fühlte, bei Melody nicht.
Severus nahm einen tiefen Schluck. Es machte ihn ohnmächtig, Zeuge davon zu sein, wie Tom seine Tochter schlug, und nichts dagegen tun zu können. Sie vor Malfoy stehen zu sehen und nicht dazwischentreten zu können. Er fühlte Bitterkeit und – ja – Bedauern: Er wollte, er hätte die Kleine durch die Luft gewirbelt. Er wollte, er hätte sie aus dem See fischen und wärmend in seinen Mantel hüllen können. Er wollte, er wäre da gewesen im letzten September, als die Todesser ihre Existenz in Schutt und Asche gelegt hatten. Wenn ihm die Fotos im Album der Shanleys eine leise Ahnung davon gegeben hatten, so fühlte er nach dem heutigen Abend Gewissheit: er hatte viel verpasst. Dreizehn Jahre von Melodys Leben waren unwiderruflich vorbei und er hatte nicht daran teilnehmen können. Er konnte die Zeit nicht zurückdrehen, die Vergangenheit nicht mehr aufholen, und wenn er noch so lange in Melodys Erinnerungen stöberte.
Nachdenklich sah er den Flammen zu. Ob die kleine Melody die Katze geheilt hatte? Unmöglich war es nicht. Solche frühen Manifestationen von magischen Fähigkeiten kamen bei Kindern immer wieder vor. Die Kleine hatte mit offenkundig verzweifeltem Willen versucht, die Katze zu heilen. Er leerte das Glas in einem Zug, legte den Kopf gegen die Rücklehne und schloss erschöpft die Augen.

Melody schlief nach der Okklumentikstunde trotz des Schlaftrunks schlecht. Erinnerungen verfolgten sie, allen voran Lucius Malfoy und die Schlange mit den feurigen Augen. Melody war froh, als der Morgen anbrach und der Gryffindorturm allmählich wieder erwachte. Müde ging sie zum Frühstück und hoffte, dass ihr ein starker Tee helfen würde, den Tag zu überstehen. Als sie während zwei Bissen Toast ihr Geschichtsbuch aus der Tasche holte, fiel ihr der Lehrplan in die Hände, den ihr Hermine zusammengestellt hatte, um den Zweitklassstoff aufzuarbeiten. Melody betrachtete ihn frustriert. Sie war ins Hintertreffen geraten, und das, obwohl sie während den Weihnachtsferien die Zeit gut genutzt und hart gearbeitet hatte. Ob sie wohl heute noch ein bisschen Lernen hineinquetschen konnte? Aber dann: sie hinkte schon mit dem normalen Schulstoff hintennach, weil sie beinahe zehn Tage gefehlt hatte. Vielleicht über Mittag. Und am Abend, dann würde sich das Essay für Flitwick bis zum nächsten Tag gedulden müssen. Das sollte reichen, sie hatte am Freitag noch eine Zwischenstunde ...
Melody hob die Tasse mit Tee an die Lippen. Ein Blitz zuckte durch ihren Kopf. Ohne jede Vorwarnung. Die Hände zitterten, sie verschüttete etwas Tee, konnte aber gottlob die Tasse halten. Etwas in ihr zog sich zusammen ... Scham. Schnell stellte sie die Tasse hin. Hatte es jemand bemerkt? Ron schräg gegenüber sah sie fragend an. „Geht es dir nicht gut? Du siehst so bleich aus.“
„Es ist nichts. Ich –“
Da war es wieder, in ihrem Kopf. Melody brach mitten im Satz ab und wusste nicht mehr, was sie gesagt hatte.
„Melody?“, fragte nun auch Hermine. „Was ist los?“
„Ich bin nur müde“, verteidigte sich Melody. „Ich werde –“ Sie ließ den Satz offen. Sie musste weg von hier. Irgendwohin, wo sie niemand sah. Sie wollte schnell noch ihren Tee austrinken, schaffte es aber nicht mehr, die Tasse an den Mund zu führen. Sie fiel ihr aus der Hand und zerschlug den Teller vor ihr.
Melody erhob sich eilig. Sie musste raus! Bevor ihr noch mehr solche peinlichen Dinge passierten. Sie schwang die Beine über die Bank – ihr Herz raste –, stand auf und wollte die Große Halle fluchtartig verlassen, als sie ein erneuter Blitz traf, heftiger als die vorhergehenden. Er schüttelte sie von Kopf bis Fuß durch. Melody sackte zu Boden wie eine Marionette, der jemand die Fäden durchgetrennt hatte, und blieb einen Moment benommen liegen.

Severus stand abrupt auf. Doch Minerva legte ihm die Hand auf den Arm und hielt ihn zurück. „Ich gehe“, beruhigte sie ihn und eilte zum Gryffindortisch hinüber. Severus zwang sich, ruhig zu atmen, und setzte sich widerstrebend wieder auf seinen Stuhl.

„Miss Rohan, geht es Ihnen nicht gut?“
„Es ist nichts, Professor. Ich bin nur –“, versuchte Melody sich noch einmal zu rechtfertigen, spürte aber gleichzeitig, wie ihre Stimme aussetzte. „... über die Bank gestolpert.“
„Ich bringe Sie in den Krankenflügel“, entschied McGonagall. „Potter, helfen Sie mir bitte.“
Sie fasste Melody am Arm.
„Ich kann alleine gehen“, verteidigte sich Melody fast flehentlich. Sie war sich der vielen neugierigen Blicke, die auf sie gerichtet waren, mehr als bewusst und wäre gerne im Boden versunken. Harry hielt sie am anderen Arm fest und half ihr auf die Beine. Zwischen den beiden verließ Melody die Große Halle. McGonagall und Harry mussten sie festhalten, als ihr erneut die Beine versagten. Melody spürte immer wieder, wie sich ihr Hirn, manchmal auch der ganze Körper krampfartig zusammenzog. Sie versuchte, ruhig zu atmen, und war heilfroh, als sie den Krankenflügel erreicht hatten und sie sich auf ein Bett sinken lassen und die Augen schließen konnte. Sogar im Liegen zuckten ihre Glieder immer wieder unkontrolliert. Wut und Ohnmacht trieben ihr Tränen in die Augen.

Madam Pomfrey schickte McGonagall und Harry aus dem Krankenflügel und zog den Sichtschutz um Melodys Bett zu. „Ruhe ist jetzt das Wichtigste“, riet sie Melody.
„Ich weiß“, murmelte Melody.
„Hatten Sie das schon öfters?“
Melody wollte zu einer Antwort ansetzen, doch ein Krampf schnürte ihr die Stimme ab.
„Sie können mir das später erzählen, Miss Rohan. Ruhen Sie erst einmal aus.“ Madam Pomfrey zog Melody die Schuhe aus und deckte sie zu. Dann war Melody alleine. Sie zog die Decke bis zum Nasenspitz hoch und hielt sie mit beiden Händen umklammert. Sie spürte krampfhafte Schauer durch ihren Körper gehen. Sie wurden jedoch allmählich schwächer und seltener, als wäre das Gewitter, das ihren Körper erfasst hatte, am Abziehen. Einmal noch, als Madam Pomfrey etwas scheppernd fallen ließ, zuckten Melodys Muskeln, dann spürte sie nichts mehr als bleierne Erschöpfung. Sie döste ein.

Als sie aufwachte, war ihr Vater da. Er saß neben dem Bett und betrachtete sie besorgt.
„Was ist passiert, Melody?“
„Ich weiß es nicht ... Es ist wieder vorbei.“
„Was ist vorbei?“
Auch Pomfrey sah sie gespannt an.
„Es war wie ein Gewitter. Wie Blitze in meinem Kopf, in meinen Händen, manchmal sogar im ganzen Körper. Die Muskeln zogen sich heftig zusammen. Immer nur kurz.“
„Krämpfe“, mutmaßte Pomfrey.
„Ausgelöst durch das Schlangengift?“, wollte Severus wissen.
Pomfrey wiegte abwägend den Kopf hin und her. „Möglicherweise. Oder vom starken Schlag auf den Hinterkopf nach dem Sturz. Es kann passieren, dass das Nervensystem nach einem so heftigen Schlag weniger belastbar ist als vor dem Unfall. Es ermüdet schneller, braucht mehr Pausen. Der Kopf kann sich nicht mehr auf mehrere Dinge gleichzeitig konzentrieren. Durch die Krämpfe versucht das überforderte Nervensystem, die angestaute Spannung abzubauen ... Melody, hattest du in den letzten Tagen ähnliche Aussetzer?“
Melody sah beschämt zur Seite und schluckte leer. „Ja“, gestand sie leise. „Aber noch nie so heftig ...“
„Hast du auch im Unterricht Schwierigkeiten, dich zu konzentrieren?“
Melody schüttelte den Kopf.
„Und das Gedächtnis? Hast du das Gefühl, du hast Erinnerungslücken?“
Melody schob die Unterlippe vor und überlegte. „Ich glaube nicht.“

„Geht das wieder vorüber?“, fragte Severus.
„Ich hoffe es. Vorerst sollte Melody sich schonen. Früh ins Bett, Belastungen vermeiden. Eins nach dem anderen erledigen. Pausen einlegen ... Ich bringe dir gleich noch einen krampflösenden Trank, danach solltest du noch etwas ausruhen.“
„Aber ich fühle mich wieder besser“, protestierte Melody, doch Pomfrey war bereits weg.
Severus betrachtete seine Tochter nachdenklich.
„Mein Kopf spinnt!“, flüsterte sie beschämt.
Er schüttelte nur leicht den Kopf. „Das wird schon wieder. Du hast Pomfrey gehört. Geh die Dinge ruhig an.“
„Aber ich hätte soviel zu lernen. Ich bin ins Hintertreffen geraten mit Hermines Lehrplan ...“
„Mit Hermines Lehrplan?“ Severus runzelte die Stirn.
„Sie half mir, einen Plan zu erstellen zum Aufarbeiten des Zweitklassstoffs.“
„Vergiss den Zweitklassstoff“, unterbrach sie Severus schroff.
„Aber ich wollte doch ...“
„Du hast alle Zeit der Welt zum Lernen. Jetzt konzentrierst du dich auf deinen eigenen Unterrichtsstoff. Es kommt noch genug dazu mit der Okklumentik. Und auch das Duellieren möchte ich mit dir angehen, wenn du dich noch etwas stärker fühlst. Das sind die wichtigen, die überlebenswichtigen Dingen. Vergiss den Zweitklassstoff.“
Melody seufzte sichtlich frustriert.
„Und noch etwas, junge Dame ... Es versteht sich zwar von selbst, aber ich möchte es doch noch erwähnt haben: Du hast absolutes Flugverbot!“
„Schon klar“, brummte Melody und sah ihn wütend an.
Severus schmunzelte und drückte ihr – nachdem er sich vergewissert hatte, dass Pomfrey nicht hinsah – einen Kuss auf die Stirn. „Du solltest Orte meiden, an denen du tief stürzen könntest. Du steigst auch in der Bibliothek nicht mehr selber die Leiter hoch. Und ...“ – Melody sah ihn abwartend an – „ich erwarte, dass du mir sagst, wenn die Anfälle zurückkommen.“


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