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Aus der Asche - 21. Kapitel / Schwindel

von fiirvogel

Am Nachmittag besuchte Remus Melody im Krankenflügel. Melody hatte ihn seit Weihnachten nicht mehr gesehen. „Remus“, rief sie erleichtert. „Mein Gott, bin ich froh, dass du hier bist! Ich habe ein so schlechtes Gewissen wegen Weihnachten.“
„Das brauchst du nicht“, entgegnete Remus und setzte sich zu ihr. „Wie geht es dir? Du siehst ziemlich mitgenommen aus.“
Melody versuchte zu lächeln. „So fühle ich mich auch“, gab sie zu.
Remus schüttelte den Kopf. „Wenn dein Vater nicht gewesen wäre ...“
„Er hat mir das Leben gerettet.“
Remus nickte und meinte nach kurzem Zögern trocken: „Er hat es dir genug lange schwer gemacht, oder?“
Melody verzog das Gesicht. „Stimmt!“ – und nach kurzem Zögern mit einem Seufzen – „Snape, mein Vater. Das ist verrückt!“
„Gib ihm eine Chance, Melody.“
„Was?“, fragte Melody verwirrt.
„Er hat sie verdient“, gab Remus zu Bedenken. „Ich weiß, er kann sehr unangenehm sein. Die meiste Zeit sogar, zugegeben. Aber er hat sein Leben riskiert für dich: du bedeutest ihm viel, mehr als er sich bisher eingestanden hat. Glaub mir, Snape macht keine halben Sachen. Alles, was er anpackt, macht er mit pedantischer Sorgfalt und Genauigkeit. So hält er es mit dem Zaubertrankbrauen, mit dem Kämpfen, mit seiner Tarnung, und so wird er es auch mit dem Vatersein halten. Er wird sich Mühe geben. Er ist –“
„Remus ...“, unterbrach ihn Melody.
„Ich finde wirklich, du solltest ihm eine Chance geben“, fuhr Remus fast bittend fort.
„Ich ... Das stand für mich nie zur Diskussion! Remus, ich mag ihn. Das ist verrückt! Ich kenne ihn praktisch nicht, und das wenige, was ich von ihm weiß ... naja, wir kennen ihn alle als missmutigen Lehrer, der auf seinen Schülern herumtrampelt ... Aber seit ich heute Morgen aufgewacht bin, habe ich das Gefühl, als kennte ich ganz andere Seiten von ihm. Ich weiß nichts von ihm, aber er kommt mir so vertraut vor. Das ist verrückt!“
Remus sah sie nachdenklich an. „Das liegt wahrscheinlich am animae iunctae. Wenn man jemandes Herzschlag teilt, seinen Lebensatem ... wenn man, und sei es nur für einen ganz kurzen Augenblick, so tief in die Seele eines anderen eingelassen wird, dann führt das unweigerlich zu sehr viel Vertrautheit, stelle ich mir vor.“
„Meinst du, er war sich dessen bewusst?“
„Keine Ahnung. Er hatte ja nicht gerade viel Zeit, sich über die Konsequenzen seiner Entscheidung Gedanken zu machen ... Da er sich aber schon lange mit dem animae iunctae befasst hat, wird er zumindest vermutet haben, dass etwas in der Art passieren könnte ... Wahrscheinlich ist es im Normalfall umgekehrt: es muss zwischen zwei Menschen sehr viel Vertrautheit und Liebe bestehen, bis einer von ihnen ein solches Risiko für sein eigenes Leben auf sich nimmt. Mir ist niemand bekannt, der das in diesem Jahrhundert gewagt hat.“
Melody blickte gedankenverloren in die Weite und sagte schließlich leise: „Ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nie ... niemals so geborgen gefühlt.“

Lange Zeit schwiegen beide, dann meinte Remus: „Weißt du, dein Vater ist der Grund, weshalb ich erst heute vorbeikomme. Er war unglaublich sauer, dass ich dich an Weihnachten mit nach Grimmauldplatz genommen habe. Er hatte zigmal gesagt, er bestehe darauf, dass du in Hogwarts in seiner Nähe bleibst. Aber als ich sah, wie sehr dich das mitnahm, dass du ein Geschenk von deinem Vater bekommen hattest, ohne irgendeine Hoffnung, ihn zu finden, da hielt ich es für wichtiger, dir etwas Ablenkung zu verschaffen. Als du plötzlich verschwunden warst, war dein Vater außer sich vor Wut – und Sorge. Er machte mir unmissverständlich klar, dass er mich direkt dafür verantwortlich machte und dass ich hier in Hogwarts nicht länger erwünscht war.“
„Du konntest doch nichts dafür, dass ich so etwas Dummes und Unüberlegtes machte“, entgegnete Melody ungläubig.
„Doch Melody, er hatte Recht: Ich hätte besser auf dich aufpassen müssen. Vor allen Dingen hätte ich besser zuhören sollen. Es tut mir Leid.“
„Es ist dennoch nicht fair, dass er dir die Schuld gibt“, beharrte Melody. „Es war meine Entscheidung fortzulaufen ... Dann wird er wohl keine Freude daran haben, dass du hier bist.“
Remus zuckte mit den Schultern. „Das macht mir nichts aus. Ich habe ihm gesagt, dass ich dich besuchen komme ... Weißt du, sein Verhalten mir gegenüber hat mich in den letzten Monaten oft geärgert, aber ich kann es teilweise nachvollziehen. Er ist dein Vater, und doch war immer ich es, an den du dich gewendet hast, wenn du jemanden brauchtest. Er war nur ein Lehrer, und kein beliebter – eine undankbare Rolle. So wenig er sich vorstellen konnte, ein Vater zu sein, er beneidete mich wohl darum, die Chance zu haben, es zu versuchen. Jetzt hat er die Möglichkeit. Ich hoffe, er weiß sie zu nutzen.“

Melody wollte gerade etwas erwidern, als die Türe aufging und vier Schüler hereinkamen. Zwei begleiteten ihre offensichtlich verletzten Freunde. Der eine hatte Gesicht und Arme mit dichtem Haar überwachsen, dem anderen kamen beim Atmen Stichflammen aus dem Mund und Rauch aus Ohren und Nase. Sie beäugten einander wütend und wurden von Pomfrey in zwei weit auseinander liegenden Betten untergebracht. „Kindsköpfe“, murmelte sie, als sie an Melodys Bett vorüberging. Remus und Melody grinsten sich an.
Erst als Pomfrey dem behaarten Jungen mit einem Zauberspruch das Gesicht rasiert hatte, erkannte Melody Denis Creevey. „Oh, hi“, rief sie überrascht. „Ich habe dich gar nicht erkannt.“
„Hallo“, antwortete Creevey fröhlich. „Hast du meinen Drachenzauber an Grimm gesehen. Er spuckt Feuer.“ Creevey grinste triumphierend. Sein Haar begann bereits wieder zu wachsen. Melody kicherte.
Remus räusperte sich und stand auf. „Ich sollte –“
In dem Moment ging die Tür erneut auf und Snape betrat den Krankenflügel. Er blieb abrupt stehen, als er die beiden Jungen erblickte, die ihn abwartend ansahen. Dann trat er auf Remus zu. Die beiden maßen sich mit den Augen und Remus sagte kühl: „Ich wollte gerade aufbrechen.“
Snape blickte noch einmal von Creevey zu Grimm und dann kurz auf Melody und antwortete: „Gut, ich war nämlich auf der Suche nach dir.“ Und ohne Melody eines weiteren Blickes zu würdigen, ohne eine Miene zu verziehen, machte er auf dem Absatz kehrt und rauschte mit wehendem Umhang davon.
Melody wollte ihm etwas nachrufen, biss sich aber im letzten Moment auf die Lippen und wandte sich an Remus. „Grüße Tonks von mir.“
„Mache ich. Und du pass auf dich auf!“

„War das dein Vater?“, fragte Creevey neugierig, als sich die Türe hinter Remus geschlossen hatte.
„Ja“, antwortete Melody abweisend.
„Ich dachte, er wäre ein Muggel“, staunte Creevey.
Melody zuckte gleichgültig mit den Schultern.
„Du hast doch einmal gesagt, er sei ein Muggel“, beharrte Creevey.
„So, hab ich das?“, gab Melody wütend zurück und schenkte ihm einen jener Blicke, mit denen ihr Vater seine Schüler im Allgemeinen im Nu einzuschüchtern vermochte. Es funktionierte: Creevey verstummte.

Ihr Vater schaute nicht mehr im Krankenflügel vorbei. Creevey konnte zwar nicht wirklich etwas dafür, doch Melody nahm ihm seine und Grimms Anwesenheit im Krankenflügel sehr übel. Sie sprach den ganzen Nachmittag kein Wort mehr mit ihm. Auch Hermine, Ron und Harry, die sie nach dem Abendessen besuchten, konnten ihre Stimmung nicht heben. Hermine brachte Melody Bücher mit – „damit du mit deinem Lernplan nicht ins Hintertreffen gerätst“ – und Ron schenkte ihr die letzten Honigtopf-Süßigkeiten, die er von Weihnachten noch übrig hatte.

Melody war todmüde, aber sie konnte nicht einschlafen. Da waren zu viele verwirrende Gedanken und Gefühle in ihr. Schwindel und Übelkeit hatten zwar etwas nachgelassen, die Kopfschmerzen aber nicht. Und ihr Körper schmerzte trotz Pomfreys Heiltränken und Salben ...
Und dann war da die Schlange: Als Melody die Augen schloss, sah sie aus der Finsternis die feurigen Augenschlitze der Schlange auf sich zukommen. Das Tier riss mit einem hässlichen Zischen sein Maul auf, sodass man tief in die Mundhöhle hinein sehen konnte, und zeigte seine spitzen, gebogenen Giftzähne, während die gespaltene Zunge hervorzüngelte. Melody schreckte mit einem erstickten Keuchen hoch und schaute in der Dunkelheit um sich. Es war kein Geräusch zu hören, die anderen schliefen. Aus Grimms Bett am anderen Ende des Saales sah man regelmäßige Flämmchen aufsteigen, wenn er atmete. Melody versuchte, wach zu bleiben, doch sie war zu müde und driftete wieder weg, bis sich die Schlange erneut in ihren oberflächlichen Schlaf schlich und sie zusammenfahren ließ. Sie setzte sich bolzengerade im Bett auf und verharrte in einer möglichst unbequemen Position, um nicht wieder einzuschlafen.
Erst als Pomfrey am Morgen Licht machte und geschäftig auf und ab ging, sank Melody in einen tiefen, erschöpften Schlaf. Sie erwachte gegen Mittag und setzte sich mühsam auf. Sie fühlte sich keinen Deut besser als am vorhergehenden Tag. Pomfrey überwachte sie mit strengem Blick beim Mittagessen – „Sie haben bereits das Frühstück verschlafen. Wenn Sie so weitermachen, fallen Sie mir auseinander“ –, danach stand Melody vorsichtig auf und ging probehalber im Krankenflügel etwas hin und her. Pomfrey ermahnte sie, sich nicht zu übernehmen, aber da bestand keine Gefahr: Melodys Knie zitterten und sie musste sich an den Betten festhalten beim Gehen. Ihr war immer noch schwindlig. Ihr Vorhaben, duschen zu gehen, gab sie auf halbem Weg auf. Sie legte sich wieder ins Bett und versuchte, ein bisschen zu lesen, aber sie bekam davon stechende Kopfschmerzen. So lag sie einfach nur da und döste vor sich hin.

Als die Türe aufging, setzte sie sich erwartungsvoll auf, nur um gleich wieder enttäuscht zurückzusinken: es war eine Ravenclaw-Schülerin, die sich beim Flugtraining das Handgelenk verstaucht hatte und sich von Pomfrey behandeln ließ.
Erst am späteren Nachmittag kamen Lindsay, Mariah und Nora, um zu sehen, wie es Melody ging. Sie erzählten ihr aufgeregt von den Alraunen, die sie in Kräuterkunde umgetopft hatten und von Snape, der sich heute in seiner Gemeinheit selber übertroffen und Gryffindor 20 Hauspunkte abgezogen hatte, weil Massey sich geweigert hatte, einem simulierenden Slytherin mit Armschlinge beim Hacken seiner Nesselwurzeln zu helfen.
„Wann kannst du wieder aus dem Krankenflügel raus?“, fragte Nora. Melody zuckte mit den Schultern. „Ich glaube, Pomfrey wird mich noch eine Weile hier behalten wollen. Könnt ihr mich auf dem Laufenden halten über das, was ihr lernt, damit ich nicht den Anschluss verpasse?“
„Sicher“, versprach Mariah. „Die Bücher hast du ja schon alle.“ Sie deutete auf den Stapel Bücher auf dem Nachttisch.
„Ja, die hat mir Hermine gestern gebracht. Aber ich habe noch nichts gelesen. Ich kriege davon Kopfschmerzen.“
„Malfoy hat übrigens eine Verwarnung bekommen“, berichtete Nora. „Ich habe ein paar Slytherin darüber sprechen gehört. McGonagall war fuchsteufelswild. Sie wollte Malfoy mit sofortiger Wirkung von der Schule weisen. Aber Snape hat Malfoy als Hauslehrer von Slytherin lediglich zu sich zitiert und ihm die Leviten gelesen. Er war –“
„DIE LEVITEN GELESEN?“, rief Melody so laut, dass Pomfrey angelaufen kam und sie bat, ruhiger zu sein. „Er hat ihm die Leviten gelesen? Malfoy hat versucht, mich umzubringen, und mein ... Professor Snape liest ihm nur die Leviten?!“ Melody schnaubte und fuhr mit nur schwer unterdrücktem Zorn fort: „Dann bleibt Malfoy in Hogwarts?“
„Sieht so aus“, antwortete Nora. „Er hat offenbar unter Eid geschworen, er wisse nicht, woher die Brosche stamme: er habe sie auf dem Boden liegen gesehen und gedacht, sie sei dir heruntergefallen. Snape glaubte ihm und legte ein gutes Wort für ihn ein ... Das war ja zu erwarten. Alle wissen, dass Snape ein enger Freund der Malfoys ist. Und Malfoys Vater hat Geld und viel Einfluss: es wird sich niemand trauen, gegen seinen Sohn vorzugehen.“

Melody schluckte und schüttelte sich. Sie blieb den Rest des Besuchs wortkarg und war froh, als sie endlich wieder alleine war. Sie zog sich die Decke über den Kopf, rollte sich zusammen und rang um Fassung. Sie konnte es nicht glauben, dass Malfoy damit einfach so durchkam. Er hatte ihr eine Giftschlange auf den Hals gehetzt. Er hätte sie um ein Haar umgebracht. Sie könnte tot sein. Und er erhielt nur eine Verwarnung. Eine Verwarnung! Melody ahnte, dass ihr Vater nicht mehr hatte tun können, als Malfoy zu verwarnen, aber es tat dennoch weh, sosehr, dass der Kopf wieder zu schmerzen begann und ihr das Atmen schwer fiel. Glühend heiße Wut trieb ihr Tränen in die Augen. Sie biss auf die Zähne, um nicht zu schreien. Als Pomfrey an ihr Bett kam und sie vorsichtig ansprach, hielt sie die Augen geschlossen und stellte sich schlafend. Pomfrey stellte etwas neben sie auf den Nachttisch und entfernte sich wieder. Melody warf einen kurzen Blick auf das Tablett mit dem Abendessen, drehte sich auf die andere Seite und schloss die Augen wieder: sie wollte niemanden mehr sehen – außer ..., aber das ging nicht.

Wie lange sie so dalag, wusste sie nicht. Sie musste eingeschlafen sein, denn sie ging plötzlich eine schmale, dunkle Gasse hinunter, die vorher nicht da gewesen war. Plötzlich tauchte Malfoy aus der Dunkelheit vor ihr auf und versperrte ihr den Weg. Er hielt einen Zauberstab in der Hand und schaute hämisch lachend in die Höhe. Melody folgte seinem Blick. Da hing Hanna kopfüber in der Luft und flehte um Gnade. „Hilf mir, Melody. Mach etwas. Du bist doch eine Hexe. Tu doch was. Er hat Tom getötet.“ Melody sah Tom erst jetzt sonderbar verrenkt vor Malfoys Füssen liegen. Plötzlich rührte er sich. Er ist doch nicht tot, dachte sie erleichtert. Er kroch mühsam auf sie zu, dann verwandelte er sich plötzlich in eine riesige Schlange, die lautlos über den Boden direkt auf sie zuglitt. Melody wollte weglaufen, war aber in einem Netz gefangen, aus dem sie sich nicht befreien konnte. Die Schlangenaugen blitzten, die Giftzähne glänzten im matten Licht, als das Tier das Maul aufriss und mit einem Zischen vorschnellte.
Melody fuhr mit einem Schrei hoch und kämpfte sich aus dem Bettlaken, in dem sie sich verheddert hatte. Sie war schweißgebadet. Ihr Puls hämmerte.
Creevey setzte sich alarmiert auf. „Was ist los?“, fragte er schlaftrunken.
„Nichts, schlaf weiter“, murmelte Melody und legte sich wieder hin. Sie biss auf die Zähne. Tränen traten ihr in die Augen. Sie verkrampfte die Hände ineinander, um das Zittern zu stoppen, das von ihr Besitz ergriffen hatte. So lag sie stockstill, steif wie ein Brett von Kopf bis Fuß. Sie atmete gepresst und spürte ihren Kopf hämmern. Erst als sie Creevey ruhig und gleichmäßig atmen hörte, setzte sie sich leise wieder hin, schlug die Decke zurück und stand auf. Sie wartete, bis sie sicher war, dass Creevey schlief, und ging dann vorsichtig zur Türe. Sie öffnete sie einen Spalt breit, schlüpfte lautlos hinaus und zog sie wieder hinter sich zu. Im Korridor war es ruhig. Nur vereinzelt spendeten Fackeln ein wenig Licht. Es schien schon ziemlich spät zu sein, im Schloss war niemand mehr unterwegs. Melody schlich den Korridor entlang bis zur großen Marmortreppe. Als sie die Stufen in die Eingangshalle hinunterblickte, erschauderte sie bei der Erinnerung an ihren Sturz vor ein paar Tagen. Ihr wurde schwindlig. Sie setzte sich auf die oberste Stufe und wartete, bis die Angst etwas nachließ, dann rutschte sie sitzend Stufe um Stufe hinunter bis in die Eingangshalle. Sie vergewisserte sich, dass sie alleine war, dann stand sie auf und schlich die Treppe zu den Kerkergewölben hinunter. Hier war es noch finsterer als im Rest des Schlosses. Melody fand, das Geräusch ihrer nackten Füße auf dem Steinboden war überlaut zu hören. Hoffentlich kam ihr niemand entgegen. Hoffentlich begegnete sie Malfoy nicht.

Severus war gerade daran, die Grundsubstanz des Veritaserums zu brauen, als es klopfte. Wer mochte das um diese Zeit noch sein? Es klopfte erneut an seiner Bürotür, lauter und dringlicher. Severus fluchte leise, warf einen Blick in den Kessel – ein paar Minuten konnte er dem Elixier fernbleiben – und ging ins Büro hinüber.
„Melody?“, fragte er erstaunt, als er die Tür öffnete. „Was machst du hier?“
„Ich habe schlecht geträumt.“
Severus warf einen Blick in den gottlob leeren Korridor, dann zog er sie hastig in sein Büro hinein und schloss die Tür. Melody stand völlig verloren im Raum und schien nicht zu wissen, was sie sagen sollte. Sie sah aus, als wäre sie soeben aus dem Schlaf erwacht und konnte sich nicht erklären, wie sie hierhergekommen war. Severus musterte sie mit gerunzelter Stirn. Sie wirkte völlig aufgelöst und so, als würde sie nächstens umkippen. „Melody, du kannst nicht einfach mitten in der Nacht hier herunter kommen.“
„Es hat ... mich ... mich niemand ... ge– gesehen“, stotterte sie.
„Trotzdem. Es ist zu riskant“, entgegnete er streng.
Melody blickte ihn zerknirscht an. Ihre Unterlippe zitterte leicht. „Papa“, murmelte sie zaghaft, doch die Stimme versagte ihr. Das Wort klang ungewohnt fremd in Severus’ Ohren. Und in ihren wohl auch, so wie sie gerade dreinblickte.
„Komm her“, erwiderte er sanft und breitete die Arme aus. Melody atmete tief durch. Sie umarmte ihn und vergrub ihr Gesicht in seinen Kleidern. Er hielt sie fest und strich ihr etwas unbeholfen über die Haare.
„Weiß Pomfrey, dass du hier bist?“, fragte er schließlich.
„Nein“, murmelte Melody in sein Gewand. „Sie wäre wohl kaum damit einverstanden.“
„Das glaube ich auch“, antwortete er und hielt sie auf Armlänge von sich. „Du trinkst jetzt erstmal eine Tasse heiße Milch. Ich bin gerade in einer wichtigen Brauphase und brauche noch ein paar Minuten. Komm.“
Er brachte sie hinüber in sein Wohnzimmer. Sie ließ sich mit einem Seufzer auf die Couch fallen. Auf einen Wink von Severus’ Zauberstab stand plötzlich eine große Tasse dampfende Milch auf dem Couchtisch.
„Danke“, murmelte Melody.
Severus nickte knapp und ging zurück in sein Labor, um sich um das Veritaserum zu kümmern, das er für Umbridge herstellen musste. Als er eine Viertelstunde später ins Wohnzimmer zurückkam, war Melody eingeschlafen. Severus setzte sich in den Sessel und betrachtete sie unschlüssig. Sollte er sie wecken und in den Krankenflügel zurückbringen? Oder Pomfrey rufen? Und dann? Was, wenn sie wieder schlecht träumte? Nein – er stand entschlossen auf – er war jetzt für sie verantwortlich! Er holte eine Decke aus seinem Schlafzimmer, deckte sie zu, löschte die Kerzen und ging schlafen.

Melody schreckte aus tiefem Schlaf hoch, als es klopfte. Sie setzte sich verwirrt auf und wusste einen Augenblick lang nicht, wo sie war. Dann kam ihr in den Sinn, dass sie sich gestern Nacht aus dem Krankenflügel davon und in den Kerker hinuntergeschlichen hatte. Snape – ihr Vater – hatte sie ins Wohnzimmer gebracht und ihr eine Milch gegeben. Sie hatte die Milch getrunken und war eingeschlafen.
Es klopfte erneut. Melody blickte sich suchend um. Gottlob tauchte in dem Moment ihr Vater in einer versteckten Tür an der Rückwand des Raumes auf. Er wirkte noch etwas verschlafen.
„Es hat geklopft“, flüsterte Melody.
„Ich habe es gehört“, antwortete er ebenso leise. „Komm her. Es braucht nicht jeder zu wissen, dass ich nachts Schülerinnen beherberge. Du versteckst dich im Schlafzimmer, bis ich dich rufe.“
Melody nickte und drückte sich an ihm vorbei ins Schlafzimmer und zog die Türe zu, bis sie nur noch einen Spalt weit offen stand. Sie warf einen flüchtigen Blick in den düstern Raum, auf das Bett, den Schrank und die nackten Wände, dann beobachtete sie durch den Türspalt, wie ihr Vater zur Türe ging und diese öffnete.
„Ach, guten Morgen, Minerva“, grüßte er betont beiläufig. „Was führt dich an einem Samstagmorgen früh hierher?“
McGonagall blickte den Korridor hinauf und hinunter und fragte dann leise: „Ist Melody bei dir?“
Severus nickte und trat nach kurzem Zögern auf die Seite, damit McGonagall eintreten konnte.
„Poppy war soeben bei mir“, berichtete McGonagall. „Sie sagte, Melody sei verschwunden ... Poppy ist ziemlich aufgebracht.“
„Ich kann es mir vorstellen“, meinte Severus ungerührt. „Ich wollte uns gerade Essen kommen lassen. Bleibst du zum Frühstück?“
McGonagall blickte ihren Lehrerkollegen überrascht an. „Du lädst mich zum Essen ein, Severus?“
„Sieht so aus“, antwortete er trocken. Er ging zum Kamin, warf eine Prise Flohpulver hinein und rief: „Frühstück für drei.“ Dann ging er zur Schlafzimmertür und öffnete sie schwungvoll.

Melody trat erschrocken einen Schritt zurück.
„So“, stellte Snape kühl fest. „Du belauschst uns also.“
Als er sah, wie verwirrt sie ihn ansah, zog er die Mundwinkel nach oben. Es sah aus wie ein Lächeln, aber Melody war sich nicht sicher. „Professor McGonagall ist auf der Suche nach einer entlaufenen Gryffindor und glaubt offenbar, sie könnte sich freiwillig bei mir aufhalten.“
Melody blickte verlegen auf den Boden, als sie das Wohnzimmer betrat. McGonagall kam auf sie zu. „Melody, Madam Pomfrey sucht dich.“
„Tut mir Leid“, murmelte Melody.
„Du kannst doch nicht einfach aus dem Krankenflügel verschwinden“, fuhr McGonagall mit leichtem Vorwurf in der Stimme fort.
„Das habe ich ihr auch gesagt“, mischte sich Snape ein und sah Melody streng an. „Das ist übrigens bereits das zweite Mal, dass du davonläufst.“
„Ja, und du unterstützest sie auch noch darin“, warf McGonagall ein. „Ich kann mich erinnern, dass du vor einem Monat noch Kerkerhaft bei Wasser und Brot gefordert hast. Wie siehst du das heute?“
„Es bleibt dabei“, gab Snape trocken zurück. „Zwei Tage Kerker werden ihr gut tun ...“ Mit diesen Worten ging er zum Tisch im Erker hinüber und setzte sich. „Du kannst Pomfrey ausrichten, Melody sei übers Wochenende zu ihrem Vater gefahren. Sag ihr, du seiest überzeugt, dass er auf sie aufpassen könne.“

McGonagall sah zweifelnd zu Melody, die bleich, matt und mit Augenringen da stand und auf ihre nackten Füße starrte. „Das solltest du Poppy wohl besser selber sagen“, gab sie ungerührt zurück und setzte sich ebenfalls an den Tisch, auf dem drei Gedecke und ein ausladendes Frühstück erschienen waren.
„Das ist das erste Mal, dass mich Severus zum Essen einlädt“, erklärte McGonagall Melody, die sich neben sie setzte. „Ich nehme an, das verdanke ich dir. Ich bin gespannt, ob auch seine Schüler von dem positiven Stimmungswandel, der ihn offenbar erfasst hat, profitieren werden.“
Severus kräuselte die Lippen. „Wohl kaum“, antwortete er süffisant.

Als sich McGonagall nach dem Frühstück erhob, meinte sie: „Du solltest gleich zu Poppy gehen, Severus. Sie ist bestimmt immer noch auf der Suche nach ihrer Patientin.“
Snape knurrte etwas Unverständliches und stand ebenfalls auf. An Melody gewandt meinte er trocken: „Glaube ja nicht, dass ich von jetzt an für alle deine Eskapaden den Kopf hinhalten werde.“
Melody versuchte in seinen Augen zu erkennen, ob er wütend war oder Spaß machte, konnte sich aber nicht entscheiden.
„Kann ich duschen?“, fragte sie zögernd.
„Dort hinten ist das Badezimmer“, antwortete Snape und zeigte zur Schlafzimmertür. Dann ging er noch einmal zum Kamin, warf wieder Flohpulver hinein und rief: „Bilbo!“
Ein kleines Wesen mit großen, segelartigen Ohren und einer überdimensionierten Nase erschien mit einem Plopp aus dem Nichts. Es trug ein schmutziges Tuch um die Hüfte.
„Sag dem Hauself, was er dir aus deinem Schlafsaal bringen soll“, forderte Severus Melody auf und verließ hinter McGonagall das Wohnzimmer. Die Türe fiel ins Schloss.
„Hallo“, meinte Melody zögernd. „Du kannst mir Kleider aus meinem Schrank bringen?“
„Was Miss wünscht“, antwortete der Elf mit einer ehrerbietigen Verneigung.
„Nun, etwas Bequemes zum Anziehen wäre toll. Und könntest du mir vielleicht ...“ Melody überlegte und hatte dann eine Idee. „Findest du vielleicht eine meiner Zimmergenossinnen? Nora, Lindsay oder Mariah. Sag ihnen, sie sollen einpacken, was man für ein Wochenende braucht. Dann wissen sie auch gleich, dass sie mich nicht mehr im Krankenflügel suchen müssen.“
„Wie Miss wünscht“, antwortete der Elf noch einmal und war verschwunden, bevor Melody sich bedanken konnte.

Madam Pomfrey war nicht sehr erfreut, als ihr der Zaubertränkelehrer eröffnete, dass ihre Patientin „zu ihrem Vater gefahren war“.
„Sie braucht professionelle Behandlung und Pflege“, gab sie wütend zu Bedenken.
„Die sie bekommen wird“, gab Severus kühl zurück. „Glauben Sie mir, Pomfrey, ich bin sehr wohl in der Lage, auf meine Tochter aufzupassen.“
Pomfrey sah ihn wütend an. Sie schluckte einen bissigen Kommentar hinunter, drehte sich stattdessen mit einem ungeduldigen Pfff um und holte in ihrem Apothekerraum Salben und Heiltränke. Sie händigte Severus alles aus und erklärte ihm genau, was wofür war und wie viel er Melody wann und wie von den Zaubertränken verabreichen sollte.
„Danke“, antwortete er kalt. „Ich verstehe genug von diesen Dingen, um selber zu wissen, was sie einnehmen muss und was zur äußerlichen Anwendung gedacht ist.“
Mit diesen Worten ließ er Pomfrey stehen und wandte sich zur Tür.
„Sonntagabend“, rief ihm Pomfrey drohend nach.
„Sonntagabend“, rief er ohne sich umzudrehen zurück. „Ich gebe Ihnen mein Wort, Pomfrey.“
Die Schulheilerin schnaubte ärgerlich und verschwand in ihrem Büro am Ende des Krankensaals.

Severus sah dem Wochenende mit gemischten Gefühlen entgegen. Er hatte das nicht geplant. Die Idee war ihm ganz spontan gekommen, und er machte selten Dinge, die er nicht minutiös geplant hatte.
Und was nun? Einerseits freute er sich auf die Gelegenheit, für zwei Tage jemand anders sein zu können. Das heißt Melodys Vater. Andererseits hatte er keine Ahnung, was Vatersein bedeutete. Was erwartete sie von ihm? Was wollte und brauchte sie? Was sollte er zwei Tage lang mit ihr machen? Was tat sie gerne? Ob sie ihm viele Fragen stellen würde? Bestimmt, Frauen hatten ständig Fragen. Würde er sie beantworten können? Würde er sie beantworten wollen? Und wenn nicht, was sollte er sagen? Wie würde sie reagieren? Severus seufzte: eindeutig zu viele Unbekannte für seinen Geschmack!

Melody stand mit anderen, aber nicht minder verwirrenden Gedanken im Schlafzimmer ihres Vaters. Bilbo hatte ihr eine Tasche mit Kleidern und allem gebracht, was Nora für ein Wochenende unentbehrlich hielt. Sie hatte sich an diesem fremden Ort nicht getraut zu duschen, hatte stattdessen ihre Lieblingskleider angezogen und schaute sich nun verlegen um. Es fühlte sich unheimlich und ein bisschen verboten an, hier im Schlafzimmer ihres Zaubertränkelehrers zu stehen. Sie betrachtete die nackten, dunklen Wände in dem schmucklosen Raum, in dem es außer einem Bett, einem Nachttisch und einem Schrank nichts gab, und kaute nervös auf einer Haarsträhne herum. Was machte sie hier überhaupt?! Eine Stimme in ihr sagte ihr, dass sie besser verschwinden sollte. Severus Snape war seit sie ihn kannte immer nur der fiese, humorlose Zaubertränkelehrer gewesen, und jetzt stand sie hier in seinem Zimmer.
Sie wusste kaum etwas von ihm. Sie kannte ihn überhaupt nicht ... Aber stimmte das? Ihr kamen die Samstagvormittage in den Sinn, wenn sie zum Zaubertränkebrauen in den Kerker gegangen war und sie Feuerstelle an Feuerstelle nebeneinander Zaubertränke gebraut hatten. Sie dachte daran, wie er ihr erklärt hatte, wie man neue Zaubertränke kreierte, und geduldig ihre Fragen beantwortet hatte. Ihr kam der Abend in den Sinn, als sie zum ersten Mal in seinem Wohnzimmer gewesen war, nachdem er sie auf dem Astronomieturm aufgegriffen hatte. Sie erinnerte sich, wie er an jenem Abend gesagt hatte, ihr Vater hätte allen Grund, stolz auf sie zu sein, und wie er sie anschließend zum Gryffindorturm zurück begleitet hatte. Sie musste daran denken, wie sie anfangs Schuljahr in der Winkelgasse zusammen ihren Zauberstab gekauft hatten und wie er sie nach dem ersten Apparieren am Arm festgehalten hatte, damit sie nicht stürzte. Sie musste an den unterhaltsamen, glücklichen Abend bei Shanleys denken, an das Frühstück zu zweit in Mariettas Küche, an den Besuch auf dem Friedhof und wie er ihr die Hände auf die Schultern gelegt hatte und wie gut das getan hatte, nicht alleine dort stehen zu müssen ... Nein, fremd war er ihr schon lange nicht mehr. Sie hatte ihn näher kennen gelernt als alle anderen Lehrer in Hogwarts. Sie hatte es nur nicht wahrgenommen, dass er allmählich zu einem festen Bestandteil ihres Lebens hier geworden war. Und nach den Ereignissen der letzten Tage war er ihr sonderbar vertraut. Sie musste an die unheimliche Finsternis denken, in der sie sich nach dem Schlangenbiss orientierungslos bewegt hatte, an die Panik, die sie ergriffen hatte, und daran, wie geborgen sie sich schließlich in seinen Armen gefühlt hatte. Seine Nähe beruhigte sie heute in gleichem Masse, wie sie sie vor ein paar Monaten noch in Schrecken versetzt hatte.

Melody ließ sich auf das große Bett fallen. Der Schwindel war noch nicht ganz weg und die Kopfschmerzen wurden wieder stärker. Sie fühlte sich bereits wieder erschöpft. Sie legte sich hin und schaute das dunkle Gewölbe über sich an. Dem Raum fehlte es an Wärme und Charme, aber sie fühlte sich wohl hier. Es war gut, dass sie hier sein durfte. Sie hatte ihren Vater gefunden, und egal wie er sich vorher ihr gegenüber verhalten hatte, sie war gewillt, das zu vergessen, denn jetzt war er für sie da. Er hatte es versprochen, und sie spürte, dass er das ernst meinte. Es tat gut, das zu wissen.


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Elisabeth Sparrer, Abendzeitung