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Fanfiction

Aus der Asche - 9. Kapitel / Auf dem Astronomieturm

von fiirvogel

Für Lily_Luna, Sabrina.Lupin, Kett_Black, Julie, Fred_Weasley und Yatsukino. Ich habe mich sehr über eure Kommis gefreut. Danke!

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Nach dem Abendessen am folgenden Tag stieg Melody in den dritten Stock hinauf und klopfte an Umbridges Bürotüre. Umbridge erwartete sie bereits.
„Kommen Sie herein, Miss Rohan“, begrüßte sie Melody mit ihrer falschen, süßlichen Stimme. Melody registrierte teilnahmslos die rosafarbenen Tapeten und die kitschigen Wandteller mit putzigen Kätzchen, die sie neugierig ansahen. „Hier drüben, kommen Sie“, sagte Umbridge freundlich. „Sie setzen sich hierhin.“
Melody setzte sich benommen an den Holztisch, auf dem ein Pergamentbogen und eine lange, schmale Feder mit scharfer Spitze lag. Der fünfte Abend Strafstunde in Folge! Und die Lehrer – inklusive Snape und Umbridge – erwarteten, dass sie neben den regulären Hausaufgaben auch noch den Unterrichtsstoff aufarbeitete, den sie verpasst hatte. Langsam aber sicher wuchs Melody alles über den Kopf. Die Tage waren anstrengend, und in den Nächten lag sie oft stundenlang wach, obwohl sie todmüde war. Sie versuchte mit allen Mitteln, wach zu bleiben, denn der Schlaf brachte mit erschreckender Zuverlässigkeit den Albtraum zurück, den sie sosehr fürchtete und aus dem sie jedes Mal schweißgebadet und zitternd erwachte.

„Nun ... ich möchte, dass Sie für mich etwas schreiben“, erklärte Umbridge und riss Melody aus ihrer Lethargie. „Ich möchte, dass Sie schreiben: Ich schlage andere Schüler nicht.“
Melody starrte dumpf auf das Pergament, nahm die Feder in die Hand und zögerte. „Professor Umbridge?“, fragte sie. „Ich habe keine Tinte.“
Umbridge lächelte undurchsichtig. „Sie werden keine Tinte brauchen. Fangen Sie einfach an zu schreiben.“
Melody seufzte und schüttelte innerlich den Kopf. Was für eine Sinnlosigkeit! Zeilen schreiben! Da war Snapes Vorratsraum besser gewesen! Ein bisschen gruseliger, zugegeben, aber spannender, und sie hatte an den letzten vier Abenden einige interessante Dinge gelesen und sich über zahlreiche Zaubertrankzutaten informiert. Und nun sollte sie Zeilen schreiben. Ich schlage andere Schüler nicht!
Melody setzte zum Schreiben an und sog scharf die Luft ein. Sie spürte einen stechenden Schmerz in der rechten Hand. Das Wort, das sie geschrieben hatte, erschien in rot auf dem Pergament und als feiner Schnitt auf ihrem Handrücken. Sie blickte zu Umbridge hinüber. Diese lächelte ihr nur schadenfroh zu. „Fahren Sie fort. Ich schlage vor, Sie schreiben, bis die Botschaft sich eingeprägt hat“, sagte sie.
Melody sah auf ihre Hand, wo das eingeritzte Wort bereits wieder verheilt war. Sie setzte die Feder erneut auf das Pergament und schrieb: „Ich schlage andere Schüler nicht“. Wieder durchfuhr ein stechender Schmerz ihre Hand, und wieder verheilten die eingeritzten Worte innerhalb von Sekunden. Zurück blieb eine leicht gerötete Stelle.
Melody verlor jegliches Zeitgefühl. Sie schrieb und schrieb und ihre rechte Hand brannte wie Feuer. Endlich erhob sich Umbridge und kam zu ihr hinüber.
„Zeigen Sie mir Ihre Hand“, forderte sie Melody auf. Sie nickte zufrieden, als sie die sich nun deutlich abzeichnende frische Narbe sah. „Ja, ich denke, das sollte genügen. Sie werden es auch nicht mehr vergessen, mein Kind, nicht wahr?“, fragte sie mit einem mütterlichen Lächeln.
Melody schüttelte stumm den Kopf. Sie musste auf die Zähne beißen, damit sie Umbridge nicht anschrie. In ihr drin brodelte es: Hass, ohnmächtige Wut und verletzter Stolz zerrten an ihr.
„Gut, dann dürfen Sie jetzt gehen.“ Umbridge schenkte Melody noch einmal ein falsches Lächeln und entließ sie.

Melody drehte sich um und verließ Umbridges Büro ohne ein Wort oder einen Blick zurück. Sie eilte durch die leeren, dunklen Korridore zum Gryffindorturm. Auch der Gemeinschaftsraum war bereits leer. Es musste schon ziemlich spät sein. Sie durchquerte den leeren Raum und stieg die Treppe zum Schlafsaal der Erstklässlerinnen hinauf. Dort zog sie sich aus, schlüpfte in ihren Pyjama und ging die Zähne putzen. Danach legte sie sich auf ihr Bett und starrte gegen die Decke. Ihre Hand brannte und pochte unablässig. Langsam stieg die ohnmächtige Wut in ihr hoch und überwältigte sie. Heiße Tränen traten ihr in die Augen und liefen ihr über die Wangen. Sie fühlte sich zutiefst gedemütigt und verletzt. Sie sah Umbridges selbstgefälliges Gesicht vor sich, Malfoy, wie er ihre Mutter verhöhnte, sie hörte seine gedehnte Stimme in ihrem Kopf – „ihre Mutter ist eine Hure“ – und sah plötzlich den Todesser vor sich, der sie verfolgt hatte. „Ich will nur meinen Spaß haben“, hörte sie ihn lachen – dieselbe gedehnte Stimme – und dann „Crucio“. Melody rollte sich zusammen und versuchte, normal zu atmen. Ihre Kehle brannte, ihre Hand brannte. Ihre Verzweiflung verschaffte sich einen Weg nach draußen: Sie begann zu schluchzen.
„Melody, bist du das?“, fragte Mariah im Bett nebenan mit verschlafener Stimme.
„Entschuldigung“, flüsterte Melody. Sie zögerte einen Moment, dann schwang sie, plötzlich entschlossen, die Beine aus dem Bett. Sie schlüpfte in ihre Turnschuhe, zog ihr weißes Kapuzenshirt über, schnappte sich ihre Mütze und ging zur Tür. Sie hatte sie bereits erreicht, als sie noch einmal umkehrte und ihren Zauberstab, der auf dem Nachttischchen lag, einsteckte. Mit einem letzten Blick zurück verließ sie den Schlafsaal und hastete durch den Gemeinschaftsraum. Als sie das Portrait von innen öffnete, guckte sie die fette Dame missbilligend an. „He, was soll das? Es ist mitten in der Nacht“, sagte sie vorwurfsvoll.
„Tut mir Leid“, flüsterte Melody tonlos und rannte weiter den dunklen Korridor hinunter.

Mitternacht war bereits vorbei, als Severus Snape von den Gewächshäusern zum Schloss hinaufstieg. Er hatte Beinwellwurzel ausgegraben – das sollte man vorzugsweise bei Vollmond tun. Plötzlich stutzte er: er hatte das Gefühl gehabt, auf den Zinnen des Astronomieturmes eine Gestalt gesehen zu haben. Hastig verstaute er die Wurzeln in einer Tasche seines weiten Umhanges und betrat das Schloss. Er fluchte, als er die zahllosen Stufen hinaufstieg. Der Astronomieturm war ein beliebter Ort für Schüler, die ungestört etwas Zeit miteinander verbringen wollten. Denen würde er ihr Schäferstündchen aber gehörig verderben.
Oben angekommen trat er auf die Plattform hinaus und donnerte: „Was ist denn hier los? Sperrstunde ist schon lange gewesen.“
Ein Mädchen lehnte an der Wand neben der Tür. Sie zuckte heftig zusammen und erstarrte zur Salzsäule, als sie ihn erblickte. Severus war genauso perplex wie sie und starrte sie sekundenlang sprachlos an. Seine ... Tochter? Sie war leichenblass, hatte eingetrocknete Tränenspuren im Gesicht und zerzauste Haare. Ihre dunklen Augen wirkten dumpf und abgelöscht, und in ihrem Blick lag abgrundtiefe Verzweiflung.
„Was machen Sie hier?“ fragte Severus barsch und hoffte, der Schreck, den ihr Anblick ihm eingejagt hatte, schwang nicht in seiner Stimme mit.
Melody schwieg.
„Miss Rohan“, fragte Severus noch einmal eindringlich. „Was tun Sie um diese Zeit hier oben?“
Melody gab keine Antwort. Sie blickte geradewegs durch ihn hindurch. Ihr Blick verlor sich irgendwo hinter ihm, jenseits der fassbaren Welt. „Ich wollte ...“, flüsterte sie und brach ab.
„Was wollten Sie?“
„Ich ...“ Sie sah verloren um sich. Doch dann schien plötzlich wieder etwas Leben in sie zu kommen. Sie blickte Severus mit ihren obsidianschwarzen Augen direkt an und fragte: „Sir, gibt es ... ich glaube, ich habe vorhin ... Kann es sein, dass ich ein Einhorn gesehen habe?“
Severus wusste einen Moment lange nicht, was er von diesem abrupten Themenwechsel halten sollte, sagte dann aber: „Im Verbotenen Wald lebt eine kleine Herde von Einhörnern. Manchmal kommen sie in der Nacht an den Waldrand, um zu äsen.“
Melodys Augen leuchteten einen Wimpernschlag lange auf. Sie ging schnell hinüber zu den Zinnen und schaute hinunter. „Können wir sie suchen gehen?“, fragte sie.
Severus kämpfte den übermächtigen Drang, Melody von den Zinnen zurückzuzerren, hinunter und antwortete stattdessen: „Einhörner sind sehr scheue Tiere. Sie lassen selten Menschen an sich heran. Außerdem“ – sein Blick wanderte missbilligend an ihr hinunter – „scheinen Sie mir nicht für einen nächtlichen Waldspaziergang gekleidet.“
Melody trug unter einem weißen Kapuzenshirt offensichtlich einen Pyjama. Ihre nackten Füße steckten in Turnschuhen, die sie nicht einmal geschnürt hatte. Sie zitterte leicht, die Oktobernächte waren bereits empfindlich kalt. Neben ihr auf dem Boden lagen ihre Mütze, die sie offenbar immer mit sich herumtrug, und ihr Zauberstab.
„Sie kommen jetzt mit in mein Büro“, sagte Severus mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete. Er deutete mit seinem Zauberstab auf ihre Mütze und ihren Zauberstab und murmelte „Accio“, worauf ihm beides in die Hände flog.

In den Kerkern unten öffnete er seine Bürotür und trat zurück, um Melody den Vortritt zu lassen. Sie zuckte leicht zusammen, als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel. Severus führte sie durch eine weitere Tür auf der rechten Seite in seinen persönlichen Wohnraum hinüber. Der Raum war voller Bücher. In einem Erker standen ein Tisch und vier Stühle, daneben ein altertümlicher Sekretär aus dunklem Holz, und vor dem Kamin gab es eine Sitzgruppe aus schwarzem Leder um ein kleines Tischchen herum.
„Setzen Sie sich“, befahl Severus und legte Melodys Zauberstab und ihre Mütze auf das Tischchen. Er richtete seinen Zauberstab auf die Feuerstelle, worauf sich sogleich Flammen an dem aufgeschichteten Holz empor zu fressen begannen. Dann schnippte er mit dem Zauberstab, und eine Kanne schwebte durch den Raum und hängte sich selber an den dafür vorgesehenen Haken über dem Feuer, das nun bereits munter prasselte. Schließlich drehte Severus sich um. Sein Blick ruhte lange auf seiner Tochter. Sie saß in sich zusammengesunken auf der Couch und stierte auf ihre Schuhe hinunter. Ihr Gesicht war blass und ernst. Sie hatte die Stirn gefurcht und kaute auf ihrer Unterlippe herum. Severus fuhr sich mit dem Finger über den Mund und überlegte, was er tun sollte. Schließlich fragte er: „Was haben Sie auf dem Turm gemacht, Miss Rohan?“
„Nichts“, kam die geflüsterte Antwort.
„Das können Sie irgendwo machen“, entgegnete er kühl. „Warum waren Sie dort oben?“
Melody gab keine Antwort mehr. Sie schien ihn gar nicht gehört zu haben. Es irritierte ihn, dass sie ihm einfach die Antwort verweigerte. Nach kurzem Zögern ging er entschlossen zum Sekretär hinüber und holte ein kleines Fläschchen durchsichtigen Inhalts aus einer der zahllosen Schubladen hervor. Er setzte sich Melody gegenüber in den Sessel, stellte das Fläschchen zwischen sich und seine Tochter auf den Tisch und fasste sie scharf ins Auge.
„Wissen Sie, was das ist?“, fragte er.
Melody schüttelte kaum merklich den Kopf.
„Das ist Veritaserum“, erklärte er mit leiser, bedrohlicher Stimme. „Drei Tropfen davon genügen, damit Sie bereitwillig Ihre dunkelsten Geheimnisse vor mir ausbreiten.“ Er machte eine Pause, um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen. „Zwingen Sie mich nicht, Ihnen Veritaserum zu verabreichen. Ich will wissen, was Sie auf dem Astronomieturm oben gesucht haben.“
Melody zog die Nase hoch. Ein Schauer ging durch ihren ganzen Körper. Sie blickte zum Kamin hinüber. Ihre Stimme zitterte leicht. „Was soll ich hier?“, fragte sie das Feuer. „Was mache ich hier in Hogwarts? Ich gehöre nicht hierher. Ich habe dreizehn Jahre lang gelernt, dass Zauberei etwas Schreckliches, Unverzeihbares war, das bestraft wurde. Ich schämte mich, weil ich anders war. Und jetzt? Jetzt bin ich immer noch anders, noch schlimmer anders. Und ich schäme mich immer noch. Ich muss mit elfjährigen Kindern zusammen in die Klasse. Ich weiß nichts von alledem, was sie wissen, ich kriege die Dinge nicht hin, die sie können. Ich habe nachts Albträume und wache schreiend auf und ... Ich will weg von hier. Einfach weg! Ich möchte nach – nach Hause.“ Ihre Stimme wurde zu einem Flüstern. „Ich habe kein ... Zuhause mehr. Keine Eltern mehr. Meine Mutter ist tot, Hanna und Tom sind tot, ich habe niemanden mehr. Niemanden!“
„Was ist mit Remus Lupin?“, presste Severus zwischen den Zähnen hervor.
Melody hielt einen Augenblick inne, dann seufzte sie. „Er hat soviel für mich getan“, antwortete sie. „Aber er kann mich doch nicht zu sich nach Hause nehmen. Er hat viel zu tun, ist oft unterwegs. Er sagt, dass es das Beste für mich ist, wenn ich hier bleibe ... Und ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich ihm einfach so in den Weg geworfen worden bin und er sich verpflichtet fühlt, sich um mich zu kümmern. Ich möchte das nicht. Ich will ...“ Sie schwieg und sah den Flammen zu. Tränen glitzerten in ihren Augen, und als sie blinzelte, fiel eine hinunter. Aus der Kanne dampfte es, aber Severus merkte es nicht.
„Ich will ...“, versuchte sie erneut, ihre Gefühle in Worte zu fassen. „Ich will weg von hier. Ich möchte meinen Vater finden und bei ihm bleiben.“
„Wo wollen Sie ihn suchen?“, fragte Severus nach kurzem Überlegen.
„Ich weiß es nicht“, gestand Melody kleinlaut. „Ich habe keine Ahnung. Ich weiß nicht, wie er heißt oder wo lebt er. Oder wie er aussieht ... Ich weiß nichts über ihn. Das ist ein schreckliches Gefühl. Ich könnte ihm gegenüberstehen und würde es nicht merken ... es sei denn“ – sie legte nachdenklich die Stirn in Falten – „es sei denn, es gibt so etwas wie eine magnetische Anziehungskraft zwischen Kindern und ihren Eltern.“
Bei diesen Worten stand Severus abrupt auf und wich hinter den Sessel zurück. Er legte die Hände auf die Rücklehne und beobachtete Melody mit zusammengekniffenen Augen. Bei Liz’ Gabe, in die Menschen hineinzusehen, traute er es ihrer Tochter durchaus zu, dass sie plötzlich aufblickte und spürte, wem sie hier gerade gegenüber saß. Um noch etwas mehr Distanz zwischen sich und seine Tochter zu bringen, ging er zum Feuer hinüber. Auf einen Wink seines Zauberstabs hin erschien aus dem Nichts ein Tablett mit zwei Tassen, Zucker und einem Kännchen Milch. Mit dem Zauberstab dirigierte er die Kanne mit kochendem Wasser heran, gab Teekraut hinein und rührte um.
„Möchten Sie Tee?“, fragte er.
Melody blickte auf und nickte. „Ja, gerne.“
Severus stellte das Tablett auf den Tisch, rührte noch einmal und goss den Tee durch ein Sieb in die bereitstehenden Tassen. Melody nahm sich die Zuckerschale und begann, Zucker in ihren Tee zu schaufeln. Severus traute sich nicht, seinen Tee gleich wie sie zu trinken. Er hatte das ungute Gefühl, dass ihm die Besorgnis eines Vaters und die Angst davor, enttarnt zu werden, momentan ins Gesicht geschrieben standen. Sonderbar, er hatte sich in all den Jahren seiner Agententätigkeit seiner Tarnung immer sicher gefühlt, und jetzt saß er hier vor einer Dreizehnjährigen und fürchtete sich, dass sie ihn durchschaute?

Severus seufzte und gab einen großzügigen Schluck Milch in seinen Tee. Auf Zucker verzichtete er ganz. Dann lehnte er sich mit seiner Tasse in der Hand im Sessel zurück und beobachtete Melody nachdenklich. Sie hatte dieselben dunklen, leicht gewellten Haare wie ihre Mutter gehabt hatte. Und wie Liz’ Haare schimmerten auch ihre leicht rötlich im Licht des Feuers. Sie trug sie allerdings länger als Liz. Ihre Gesichtszüge waren ihrer Mutter aus dem Gesicht geschnitten, die feine Nase, der Mund, bis zum Grübchen im Kinn. Severus staunte, wie genau er sich nach so vielen Jahren noch an Liz erinnern konnte.
Es schien ihm beinahe, als wäre es erst gestern gewesen, dass er ihr zum letzten Mal gegenüber gestanden hatte. Sie hatten sich an dem Abend gestritten. Liz hatte ihn mit ihren grünen Augen angefunkelt. Sie verlangte von ihm, dass er bei ihr blieb. Für immer. „Wenn du jetzt gehst, brauchst du nicht mehr wieder zu kommen“, drohte sie. Er wurde wütend, konnte nicht verstehen, weshalb sie das von ihm verlangte. Es war nicht möglich, darüber waren sie sich immer einig gewesen: sie war eine Aurorin, er galt nach wie vor als Todesser und hatte eine wichtige und lebensgefährliche Aufgabe als Dumbledores Spion in den Reihen der Getreuen des Dunklen Lords. Er konnte seinen Posten nicht verlassen. Dumbledore war überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit war, dass der Dunkle Lord zurückkehren würde, und er verließ sich auf ihn, Severus Snape. Er musste sich bereithalten. Das sollte doch auch Liz klar sein. Er war zu spät gekommen, ihre Eltern vor den Häschern des Dunklen Lords zu retten. Das würde ihm nicht noch einmal passieren, das hatte er sich geschworen. Er würde seine Mission nicht vernachlässigen, und wenn es bedeutete, dass Liz grollte. Später, wenn sie sich etwas beruhigt hatte, würde er noch einmal mit ihr darüber reden, nahm sich Severus vor, als er die Türe hinter sich zuzog ... Aber es gab kein Später mehr.
Severus schloss kurz die Augen und legte den Kopf in den Nacken, dann blickte er wieder zu Melody hinüber. Sie rührte immer noch in ihrer Tasse herum. Severus fielen plötzlich die roten Narben auf ihrem rechten Handrücken auf.
„Was ist das?“, fragte er kühl und zeigte auf ihre Hand. Melody versuchte, die Hand zu verstecken, doch er bestand darauf, sie zu sehen.

„Umbridge gab mir eine Strafarbeit“, gestand Melody kleinlaut. Sie fühlte sich unbehaglich.
„Wann haben Sie nur Zeit für alle Ihre Strafstunden“, wunderte sich Snape mit leichtem Sarkasmus in der Stimme.
Melody antwortete nicht, holte stattdessen tief Luft und machte ihrem verletzten Stolz Luft. „Wieso darf Umbridge so etwas machen?“, fragte sie mit unverhohlenem Hass in der Stimme. „Wie kann eine Schule zulassen, dass diese ... diese ...“ – sie suchte nach einem Wort – „diese Hexe“ – sie war sich bewusst, dass „Hexe“ in einer Schule für Hexerei kein geeignetes Schimpfwort war, aber ihr fiel nichts Besseres ein – „von ihren Schülern verlangt, dass sie sich zur Strafe selber die Hände aufritzen?! Das wäre bei Muggel nie erlaubt. Das ist Körperverletzung, dafür gäbe es eine Gefängnisstrafe.“
Snape überhörte ihre Kritik an Hogwarts.
„Wen haben Sie geschlagen?“, erkundigte er sich mit kalter Stimme.
„Malfoy“, gab Melody zurück. Ihre Augen blitzten wieder. Sie war wütend.
„Warum?“
„Er hat mich provoziert“, verteidigte sich Melody. „Er –“
„Wieso lassen Sie sich auch ständig provozieren?“, herrschte sie Snape an und schlug mit der Faust auf den Tisch.
Melody zuckte zusammen. „Er nannte meine Mutter eine Hure“, presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Er nannte Ihre Mutter ein Hure“, wiederholte Snape mit gefährlichem Unterton in der Stimme.
„Und meinen Vater nannte er einen Feigling.“
„So“, antwortete Snape knapp. Seine Lippen kräuselten sich.
„Ja“, schnappte Melody. „Und einen Muggel.“
„Einen Muggel?!“, fauchte Snape. Das Wort „Muggel“ schien ihn wesentlich mehr zu ärgern als „Feigling“.
Melody zuckte mit den Schultern. „Das ist mir egal. Sehr wahrscheinlich war er ein Muggel“, murmelte sie und starrte in ihren schwarzen Tee. „Weshalb sonst hat er meine Mutter verlassen, als sie ihn brauchte?“
Snape blickte sie durchdringend an. „Wohl eher, weil er ein Feigling war“, erwiderte er.
Melody wollte aufbegehren, doch etwas in Snapes Blick ließ sie ihre entrüsteten Worte hinunterschlucken. Lag Bedauern in seinen Augen? Es dauerte nur einen Sekundenbruchteil, dann war sein Blick wieder so undurchsichtig wie immer.
„Was, wenn er wirklich ein Muggel ist wie Tom?“ fragte Melody mehr sich selber als Snape. „Wenn ich ihn jemals finden sollte und er erfährt, dass ich eine Hexe bin und an eine Zauberschule gehe, wird er mir die Tür vor der Nase zuschlagen. Er wird mich nicht sehen wollen; er wird mich verachten und sich wünschen, mir nie begegnet zu sein.“

Severus war einigermaßen schockiert von Melodys Überzeugung, ihr Vater sei ein Muggel und könnte sie zurückweisen, weil sie eine Hexe war. Ihm kam eine Ahnung, weshalb sie beim Zaubern auch nach sechs Wochen noch solche Mühe bekundete: ein Teil von ihr wollte gar nicht zaubern lernen, wollte gar keine Hexe sein ...
Severus wog seine nächsten Worte genau ab, bevor er zu sprechen anfing. „Melody!“
Sie blickte erstaunt auf.
Er sah ihr ruhig in die Augen. „Dein Vater hat allen Grund, stolz auf dich zu sein. Du kannst Dinge, die kein Muggel kann. Ich habe dich fliegen gesehen: Du fliegst gut. Du kannst einen Trank brauen, der einen alles vergessen lässt. Du kannst Dinge durch den Raum schweben lassen und musst sie nicht selber hintragen. Darum werden dich viele Muggel beneiden. Es hat doch Vorteile, zaubern zu können.“
Endlich huschte der Anflug eines Lächelns über Melodys Gesicht.
Severus atmete innerlich auf. „Lass dich nicht beirren“, fuhr er fort. „Längst nicht alle Muggel sind wie Tom. Es gibt auch solche, die stolz wären, eine Hexe als Tochter zu haben.“
„Meinen Sie wirklich, dass es solche Muggel gibt?“
„Deine Mutter hatte einen Muggel-Vater. Frag Lupin, wie ihr Vater dazu stand, dass seine Tochter zaubern konnte.“
Melody nickte nachdenklich und blickte versonnen ins Feuer. Lange schwiegen beide, während sie ihren Tee tranken.
Als Severus bemerkte, dass Melody beinahe die Augen zufielen, erhob er sich. „Ich bringe Sie jetzt zurück zum Gryffindorturm“, erklärte er, und seine Stimme war wieder kühl und glatt wie immer. Im Büro nahm er eine Glasflasche von einem Regal. Sie war randvoll mit einer goldgelben Flüssigkeit. Er maß eine kleine Phiole ab und verkorkte sie.
„Hier, für Sie“ – er reichte ihr das Fläschchen – „Damit können Sie heute Nacht gut schlafen.“
„Was ist das?“
„Der Trunk des Friedens, den Sie gestern gebraut haben“, gab er zur Antwort. „Kommen Sie jetzt.“ Er öffnete die Bürotür.

Sie sprachen kein Wort mehr, während sie durch das stille Schloss Richtung Gryffindorturm gingen. Erst als sie vor dem Portrait der fetten Dame angekommen waren, wandte sich Severus wieder an Melody und meinte: „Es ist am besten, wenn Ihr nächtlicher Ausflug unter uns bleibt.“ – und mit einem Nicken Richtung Portrait – „Gute Nacht.“
Er wartete, bis Melody das Passwort gesagt hatte – „Unverschämt, mich um diese Zeit noch zu stören“, schimpfte die fette Dame – und durch das Portraitloch geklettert war. Einen Augenblick blieb er gedankenverloren stehen. Die schrille Stimme der fetten Dame riss ihn aus seiner Grübelei: „Was tun Sie noch hier? Sie haben hier nichts verloren, Sie Slytherin, Sie.“
Severus warf ihr einen giftigen Blick zu und rauschte davon.


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