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Aus der Asche - 6. Kapitel / Innerer Widerstand

von fiirvogel

Zwei Tage später war Samstag und mildes, schönes Herbstwetter. Melody ging gleich nach dem Frühstück nach draußen und setzte sich an den See. Sie schlug Miranda Habichts „Lehrbuch der Zaubersprüche, Band 1“ auf und begann zu lesen. Sie sollte aufarbeiten, was sie seit Schulbeginn verpasst hatte. Aber sie konnte sich nicht konzentrieren. So viele Gedanken schwirrten in ihrem Kopf herum. Sie musste an den Samstag vor einer Woche denken, an das Gespräch mit Hanna, als sie zum ersten Mal erfahren hatte, dass sie eine Hexe war wie ihre verstorbene Mutter. An die Todesser, die in ihr Haus eingedrungen waren und Tom und Hanna gequält hatten. Sie sah die Bilder vor sich, hörte das Flehen und Schreien ... Tränen stiegen in ihr hoch. Trauer, Hilflosigkeit und Wut übermannten sie. Warum hatte sie nicht helfen können? Warum war nichts geschehen? Weshalb hatte sie nur angewurzelt und zu Stein erstarrt auf der Treppe gestanden? Und sie sollte eine Hexe sein!
Unheimlich dumm und unwissend fühlte sie sich nach drei Tagen Zauberschule. Nichts wollte ihr gelingen. Sie hatte am Tag zuvor mit größter Mühe mit ihrem Zauberstab eine Feder vom Schreibtisch heben können, aber sie war sich nicht sicher, ob es nicht einfach ein Luftzug gewesen war.
Die einzige Stunde, die ihr wirklich Eindruck gemacht hatte, war Kräuterkunde bei Professor Sprout gewesen. Zu erfahren, welches Kraut wofür gebraucht wurde, das war wenigstens etwas Sinnvolles, fand Melody. Dagegen war die „Verteidigung gegen die dunklen Künste“ absolut langweilig gewesen. Dabei hatte sie gehofft, dass sie in dem Fach lernen würde, wie sie sich verteidigen konnte und dass sie vielleicht erfahren würde, wie sie Tom und Hanna hätte helfen können, auch wenn es zu spät war. Aber sie mussten nur zähe Theorie lesen.

Melody starrte auf die spiegelglatte Seeoberfläche hinaus. Einige verwegene Schüler wagten sich ins kühle Nass und spritzten einander an. Melody verstaute das dicke Lehrbuch der Zaubersprüche in ihrer Tasche, wischte sich trotzig die Tränen ab und stand entschlossen auf. Sie war auf dem Weg zurück zum Schloss, als ihr Dean, Seamus und Neville über den Schlossgrund entgegen kamen. Melody grüßte etwas schüchtern und ging an ihnen vorbei. Neville verabschiedete sich hastig von seinen Freunden und folgte ihr. Er hatte es sich ein bisschen zur Aufgabe gemacht, sich um sie zu kümmern.
„Wie war deine erste Woche?“, erkundigte er sich, als er sie eingeholt hatte. Melody lächelte schief.
„Es geht so“, antwortete sie, „aber du hattest Recht: Kräuterkunde ist wirklich interessant.“
Neville nickte. „Ich freue mich, dass dir Kräuterkunde gefallen hat. Und was ist mit den anderen Fächern?“
Melody seufzte und machte eine Grimasse. „Neville, ich komme mir so blöd vor. Ich habe keine Ahnung von Zauberei, ich krieg die Zaubersprüche nicht auf die Reihe ... es ist schrecklich! Ich wollte, ich wäre weit weg von hier.“
Neville beruhigte sie. „Du brauchst einfach noch ein bisschen mehr Zeit. Es war bestimmt ein Riesenschock für dich, plötzlich in Hogwarts zu sein. Du hast ja bis vor einer Woche noch nie etwas von der Zaubergemeinschaft gehört. Du wirst dich bald an das Leben hier gewöhnen, und das mit den Zaubersprüchen kommt bestimmt noch. Wenn du Lust hast, kann ich dir beim Üben helfen ...“

In dem Moment hörte Melody jemanden ihren Namen rufen. Sie blickte suchend zum Schloss hinauf und sah Remus den Weg herunter auf sie zukommen. Sie strahlte. „Oh, es ist Remus“, rief sie. Dann blickte sie Neville entschuldigend an und fragte mit etwas schlechtem Gewissen: „Können wir uns ein anderes Mal unterhalten? Es tut mir Leid, aber ...“
„Na klar“, antwortete Neville. „Ich sehe dich später. Tschüss.“ Er kehrte um und spazierte Richtung See hinunter, um Dean und Seamus zu suchen.

„Melody“, begrüßte Remus sie, als er vor ihr stand, und umarmte sie. Es war sonderbar: Melody kannte ihn erst seit einer Woche, und doch kam er ihr so vertraut vor. Er war ihr letztes Band zu ihrem bisherigen Leben.
„Wie war deine erste Schulwoche? Hast du viel gelernt? Wie gefällt dir Hogwarts?“
Melody blickte ihn finster an. Statt eine seiner Fragen zu beantworten, packte sie seine Hand mit beiden Händen und bettelte: „Bitte, bitte, Remus, bring mich weg von hier. Ich will nicht hier bleiben. Ich will keine Hexe sein. Ich will nach Hause.“
Remus sah sie besorgt an. „Du hast kein Zuhause mehr, Melody. Es liegt alles in Schutt und Asche.“
„Dann nimm mich zu dir. Wo wohnst du? Warum kann ich nicht bei dir leben? Hat es bei dir keine normale Schule, die ich besuchen könnte? Bitte, Remus. Ich störe dich ganz bestimmt nicht. Ich verspreche es! Gib mir eine Chance.“ Ihre Stimme hatte einen sehr dringlichen Ton angenommen. Sie sah Remus aus nachtschwarzen Augen hoffnungsvoll an.
Remus hielt ihrem Blick stand und schüttelte den Kopf. „Ich kann dich nicht zu mir nehmen. Ich bin oft unterwegs. Ich arbeite für Dumbledore im Kampf gegen Voldemort. Ich habe ein sehr unstetes und gefährliches Leben und kann nicht auf dich aufpassen. Du musst in Hogwarts bleiben, Melody. Glaub mir, du gehörst hierher. Es gibt so viel, was du lernen musst. Und Hogwarts ist der Ort, diese Dinge zu lernen. Du wirst dich bestimmt an das Leben hier gewöhnen. Die Lehrer wissen, dass du Zeit brauchst. Sie haben doch sicher Verständnis, oder?“
Melody schob trotzig die Unterlippe vor und entgegnete wütend: „Nicht dieser Snape.“
„Professor Snape“, korrigierte sie Remus.
„Er war so gemein“, ereiferte sich Melody. „In der ersten Stunde fand ich das Klassenzimmer nicht und kam deswegen zu spät. Und ich hatte meinen Kessel nicht dabei. Und ich hatte keine Ahnung, wie man ohne Feuerzeug ein Feuer entfacht. Snape hat mich vor der ganzen Klasse fertig gemacht. Ich hasse ihn.“
Remus sah sie nachdenklich an. „Ich werde mit ihm sprechen“, entschied er schließlich.
Melody erschrak. „Nein, um Himmels Willen, tu das nicht, Remus!“, bat sie ihn. „Wenn du mit ihm sprichst, weiß er, dass ich mich bei dir beklagt habe. Das macht die Sache bestimmt nur noch schlimmer.“
Remus schüttelte wütend den Kopf und meinte, mehr zu sich selber: „Er benimmt sich unmöglich.“

Eine Weile sagte keiner ein Wort, während sie weiter spazierten. Dann fragte Melody leise: „Remus, was ist mit der Beerdigung? Von Tom und Hanna.“
Remus sah sie schuldbewusst an. „Die Beerdigung war gestern Nachmittag. Es kamen nur wenige Leute. Ein paar Nachbarn waren da und ein Onkel von Tom, Berny hieß er, glaube ich. Ein weißhaariger, alter Mann. Kennst du ihn?“
Aber Melody hatte die letzte Frage gar nicht gehört. Sie war abrupt stehen geblieben und starrte Remus fassungslos an. Heiße Wut stieg wie ein Vulkan in ihr hoch. „Du warst an der Beerdigung und hast mir nichts gesagt?“, schrie sie ihn an. „Wie kannst du nur! Remus, was ist los? Sie waren doch meine Eltern!“ Sie hatte die Hände zu Fäusten geballt und presste die Zähne zusammen.
„Melody, beruhige dich“, beschwor sie Remus, als er ihre zusammengekniffenen Augen sah. Sie schienen Funken zu sprühen. „Wie hast du dir das vorgestellt? Du bist seit einer Woche spurlos verschwunden. Die Polizei sucht überall nach dir. Was hättest du gesagt, wo du warst und weshalb du dich nie bei der Polizei oder bei Bekannten gemeldet hast? Es gab Nachbarn, die sich daran erinnerten, dass einmal ein Klassenzimmer wegen dir gebrannt hat –“
„Es war bloß der Lehrerschreibtisch“, unterbrach ihn Melody wütend.
„Das spielt doch keine Rolle. Ich habe Leute gehört, die bestätigten, dass sie es dir durchaus zutrauen würden, irrtümlicherweise auch das Haus deiner Eltern anzuzünden. Immerhin hättest du eine schwierige und konfliktreiche Beziehung zu deinem Vater gehabt und eine ziemlich unberechenbare Art, mit Konflikten umzugehen.“
„Glauben die wirklich, ich könnte ... das Haus angezündet haben?“, stammelte Melody.
Remus nickte schweigend.
Melody sank in sich zusammen. Sie schloss die Augen und rang um Fassung.
Dann fragte sie leise: „Waren die Shanleys dort? Patrick und Marietta Shanley mit Matthew?“
„Nein, wer sind sie?“
„Freunde“, antwortete Melody nach kurzem Zögern. „Wir fuhren jedes Jahr am Geburtstag meiner Mutter zu ihnen. Und auch sonst verbrachten wir oft Ferien bei ihnen.“
„Nein, tut mir Leid, sie waren nicht an der Beerdigung ... “
Melody schwieg. Ihr Blick verlor sich im Unendlichen. Remus beobachtete sie besorgt und wartete, dass sie etwas sagte, doch Melody schien weit weg zu sein, Trauer und Sehnsucht in den Augen.
„Wir gehen zusammen auf den Friedhof“, versprach Remus mit besänftigender Stimme. „Aber nicht heute. Lass noch etwas Gras über die Angelegenheit wachsen.“
Melody nickte kaum merklich und seufzte tief.
Remus fuhr fort: „Und wenn du mich brauchen solltest, schickst du mir eine Eule, okay? Sie findet mich. Hermine kann dir helfen.“
„Musst du schon wieder gehen?“, fragte Melody, aus ihren Gedanken gerissen, mit gefurchter Stirn.
„Ja es tut mir Leid. Ich muss zu Professor Dumbledore. Er hat eine wichtige Mission für mich und muss mich instruieren.“
Melody seufzte niedergeschlagen. „Entschuldige, Remus“, murmelte sie. „Ich möchte dir nicht zur Last fallen. Ehrlich nicht. Aber irgendwie bist du jetzt einfach meine ... meine einzige Familie. Und ich fühle mich hier so fremd und alleine ... und fehl am Platz.“
Remus schloss sie in die Arme und wiegte sie hin und her. „Du schaffst das schon“, flüsterte er.
„Sehe ich dich bald wieder?“, murmelte Melody in seine Schulter.
„Bestimmt. Ich bin jederzeit da, wenn du mich brauchst. Und ich werde bald wieder vorbeischauen, das verspreche ich dir.“
Er hielt sie auf Armlänge vor sich und sah ihr tief in die traurigen Augen, die nichts zu halten schienen.
„Du siehst aus wie deine Mutter“, flüsterte er lächelnd. „Sie war eine sehr mutige und kluge Hexe. Ich sehe sie in dir.“ Er ließ sie los, schaute sie noch einmal an und ging dann zurück zum Schloss.

Remus hatte kaum einen Schritt in die leere Eingangshalle gesetzt, da rief eine frostige Stimme hinter ihm: „Lupin!“
Remus drehte sich langsam um. Snape trat aus dem Schatten der Tür.
„Was willst du?“, fragte Remus unwirsch.
Snape vergewisserte sich, dass niemand in der Nähe war, dann kam er drohend näher und sagte mit kalter Stimme: „Fass sie nicht an.“
„Wen?“, fragte Remus mit nur schwer unterdrücktem Zorn. „Deine Tochter? Meinst du sie? Wie kannst du es wagen, mir zu sagen, wie ich mit Melody umzugehen habe! Kehr zuerst vor deiner eigenen Tür, Professor Zaubertränkemeister!“ Er machte Anstalten, die Marmortreppe hinaufzusteigen, doch Snape packte ihn am Arm und hielt ihn zurück. „Was hat sie gesagt?“, wollte er wissen.
„Sie erzählte von der ersten Unterrichtsstunde bei dir“, antwortete Remus kühl. „Ich warne dich, Snape, wenn ich höre, dass du sie weiter schikanierst und vor der Klasse demütigst, dann wirst du mich richtig kennen lernen. Ich bin ihr Vormund, ihre Familie, wie sie sich ausdrückt. Sie steht in meiner Obhut und ich werde nicht zulassen, dass du sie fertig machst, ganz egal, wer du bist.“
„Du hast mir nicht zu sagen, wie ich Miss Rohan behandeln soll. Ich bin ihr Lehrer, und ich behandle meine Schüler so, wie ich will.“
„Ich habe dich gewarnt“, gab Remus trocken zurück. Er riss seinen Arm aus Snapes eisernem Griff und stieg die Treppe hinauf, ohne noch einmal zurückzublicken.

Melody gewöhnte sich allmählich an das Leben in Hogwarts. Sie erschrak nicht mehr, wenn ein Geist durch die Wand erschien. Sie verirrte sich nicht mehr in den zahllosen Korridoren und Räumen und hatte nach anfänglicher Mühe auch das Schreiben mit einer Feder langsam im Griff. Neben der Kräuterkunde bereiteten ihr die Flugstunden unerwartet viel Spaß. Melody liebte den Wind im Gesicht und das Gefühl, sich für einen Augenblick, und sei er noch so kurz, von dieser unruhigen und lärmigen Welt lösen und auf sie hinabblicken zu können. Es war wie ein Ausbrechen aus der verwirrenden, belastenden Wirklichkeit, mit der sie sich Tag für Tag herumschlug.
Madam Hooch hatte Freude an Melody. Sie ließ sie brüske Wendemanöver durchführen, tauchen, steigen, beschleunigen, im Flug Bälle fangen.
„Sie haben Talent, Miss Rohan“, gratulierte sie ihr nach einer Übungsflugstunde, in der Melody besonders übermütig Loopings ausprobiert hatte. „Ich denke, ich werde mit Angelina Johnson sprechen. Die Auswahlspiele für das Quidditchteam haben zwar bereits stattgefunden, aber Sie gäben einen hervorragenden Hüter ab.“
„Nein, nein, bitte nicht“, wehrte Melody ab. „Ich möchte da nicht mitmachen. Ich komme schon mit dem normalen Unterricht nicht zurecht. Das Zaubern laugt mich aus.“
„Wie Sie wollen“, antwortete Madam Hooch, doch sie sah ziemlich enttäuscht aus.

Am meisten zu schaffen machte Melody der Zaubertränkeunterricht bei Snape. Hermine riet ihr, seine verletzenden Kommentare und seine herablassende Arroganz nicht persönlich zu nehmen.
„Snape hasst Schüler. Er ist rücksichtslos und selbstgefällig. Nur bei seinen eigenen Schülern, den Slytherin, sieht er gerne großzügig über Fehler hinweg“, erklärte sie. „Versuch, dich nicht von ihm irritieren zu lassen.“
Melody gab sich Mühe, Hermines Rat zu befolgen und Snape im Zaubertränkeunterricht zu ignorieren, doch das war nicht einfach, er war schließlich der Lehrer, und ihr Arbeitsplatz blieb der undankbare direkt vor seinem Schreibtisch. Wenn er dort saß, schien er sie die ganze Zeit mit seinem stechenden Blick zu fixieren, und er sah jeden auch noch so kleinen Fehler, den sie in ihrer Nervosität machte, und kommentierte ihn boshaft.
Wenn er nicht an seinem Schreibtisch saß, wanderte er zwischen den Arbeitsplätzen im Schulzimmer auf und ab. Das Gefühl, Snape ständig im Rücken zu haben und der Schrecken, den er ihr einjagte, wenn sie plötzlich seine eiskalte, seidenglatte Stimme direkt hinter sich hörte und seinen Atem in ihrem Nacken spürte, waren beinahe noch unangenehmer, als ihn vor sich zu sehen.
Melody fühlte sich, als wäre sie ständig unter Hochspannung. Sie konnte sich kaum konzentrieren. Immer wieder kam es vor, dass sie die Reihenfolge der Zutaten durcheinanderbrachte, in die falsche Richtung rührte – „Im Uhrzeigersinn, Miss Rohan, können Sie nicht lesen?!“ –, oder zuviel von einer Ingredienz in den Kessel schüttete. Einmal drohte ihr Snape sogar, sie müsse am Schluss der Stunde ihren eigenen Zaubertrank testtrinken. „Vielleicht lehrt Sie das ja, die Anleitung genauer zu lesen“, meinte er mit einem verächtlichen Blick in das olivegrüne, nach faulen Eiern riechende Gebräu in ihrem Kessel.

Langsam wurde das Wetter kälter und unfreundlicher. Der Sommer verabschiedete sich endgültig und das Leben in Hogwarts zog sich allmählich ins Schloss zurück. Melodys Stimmung war ähnlich düster wie das nass-kalte, teils stürmische Wetter außerhalb der Schlossmauern. Die Schule war anstrengend, und Melody fühlte sich jeden Abend vollkommen auf den Felgen.

Ein Teil von ihr, ein ziemlich großer sogar, wollte nicht hier sein, und das wirkte sich alles andere als positiv auf ihre Leistungen aus. Es war wohl nicht so sehr das Talent, das ihr fehlte, als vielmehr der Mut und in ihrem tiefsten Inneren der Wille. Sie bemühte sich zwar redlich beim Zaubern, es kostete sie aber viel Energie und – es dauerte lange, bis sie das merkte – Überwindung. Etwas in ihr sträubte sich gegen das Zaubern. Ihre Pflegeeltern hatten ihr das Zaubern stets mit Härte auszutreiben versucht. Es war, als sei dieses Potential nun irgendwo in einem Winkel ihrer Persönlichkeit unter Verschluss, und Melody traute sich nicht, diese Tür zu öffnen. Hatte sie Angst vor dem, was dahinter alles verborgen lag? Fürchtete sie sich, die Kontrolle darüber zu verlieren, wenn die Türe erst einmal offen stand?

Etwas anderes beschäftigte sie genauso stark: sie dachte oft an den Vater, den sie irgendwo hatte, und sie wünschte sich, ihn kennen zu lernen. Sie war sich sicher, dass er lebte; sie konnte es nicht erklären, sie spürte es einfach. Sie nahm an, dass er ein Muggel war. Sie hatte sich die Geschichte so zurecht gelegt, weil es für sie die einzige mögliche Erklärung dafür war, weshalb ihr Vater sich von ihrer Mutter abgewandt und sie in so großer Gefahr und schwanger alleine gelassen hatte. Sehr wahrscheinlich hatte ihre Mutter ihm gebeichtet, dass sie eine Hexe war, worauf er gegangen war. Er war kein Fiesling, bestimmt nicht, er war wohl einfach nur vollkommen überfordert gewesen mit der Tatsache, eine Hexe zur Frau zu haben. Das war bestimmt ziemlich beängstigend. Auch Tom hätte Hanna verlassen, wenn sie eine richtige Hexe gewesen wäre, davon war Melody überzeugt. Er hatte ihr selber gegenüber genug oft mit aller Deutlichkeit gezeigt, was er von übernatürlichen Kräften hielt, und wenn Hanna nicht gewesen wäre, hätte er sie wahrscheinlich schon als Kleinkind in irgendeiner Anstalt untergebracht.
Und ihr leiblicher Vater musste ein ebensolcher Muggel sein. So oft hatte sie sich in den letzten Wochen vorgestellt, wie es wäre, ihn zu finden. Und da war immer die bange Frage: Wie würde er reagieren, wenn er herausfände, dass sie eine Hexe war? Er würde sie sicher sogleich wieder vor die Tür stellen, er würde sie abweisen wie damals ihre Mutter. Je besser sie ihre Zauberkräfte unter Verschluss hielt, umso einfacher würde es ihr fallen, ein ganzer Muggel zu sein, wenn sie ihren Vater erst einmal gefunden hatte. Und dass sie ihn früher oder später finden würde, davon war Melody überzeugt, auch wenn sie noch keine Ahnung hatte, wo sie mit der Suche beginnen sollte.

Wenn ihr wieder einmal alles zu viel wurde, was immer wieder vorkam, zog sich Melody in den Schlafsaal der Erstklässler zurück. Dort lag sie oft alleine auf ihrem Bett und starrte an die Decke ihres Himmelbetts. Sie fühlte sich bleischwer, trostlos und von der Welt verlassen. Oft kreisten ihre Gedanken um ihr letztes Gespräch mit Hanna. Sie war sich fast sicher, dass Hanna gewusst hatte, wer ihr Vater war, und dass sie es ihr gesagt hätte, wenn sie nur noch etwas mehr Zeit gehabt hätte, sie davon zu überzeugen, wie wichtig es für sie war, ihn kennen zu lernen. Ob Remus etwas wusste? Schließlich hatte er am Tag vor Hannas Tod noch mit seiner Cousine gesprochen. Melody beschloss, ihn bei der nächsten Gelegenheit zu fragen.

Remus holte sie an einem Sonntag Mitte Oktober ab und begleitete sie endlich nach Rickmansworth auf den Friedhof. Nun standen sie zusammen vor Hannas und Toms Grab. Zwischen schweren, dunklen Wolken warf die Sonne einzelne Strahlen auf die Landschaft. Melodys Blick ruhte auf dem frischen Grabstein, und mit einem Mal begannen die Buchstaben vor ihren Augen zu verschwimmen. Schreckliche Bilder stiegen ungebeten aus den Tiefen auf, in die sie sie verbannt hatte. Sie versuchte sie zurückzudrängen, doch es gelang ihr nicht. Sie sah wie Hanna und Tom gequält wurden, sie sah das brennende Haus, hörte Schreie, das Prasseln des Feuers. Über dem Haus schwebte ein hässliches, grünes Mal in der Luft, eine Schlange, die aus dem geöffneten Mund eines Totenkopfs hervorglitt ... Weshalb hatte es so lange gedauert, bis Hilfe gekommen war? Was, wenn sie, Melody, zurückgekehrt wäre? Hätte sie Hanna und Tom retten können? Aber sie war nicht zurückgekehrt. Sie hatte nur wie gelähmt hinter einem Busch gekauert und zugesehen, wie die Flammen aus dem Dach schlugen. Sie hatte nicht einmal versucht zu helfen. Sie war zu feige gewesen!
Melody merkte erst, als Remus sie an sich zog, dass sie weinte. Lange standen sie so da, alleine mitten auf dem leeren Friedhof am Rande der Ortschaft.
„Komm, lass uns gehen“, meinte Remus endlich.
Melody nickte, drehte sich um und lief ziellos hinaus in die trostlose Herbstlandschaft. Die Sonnenstrahlen hatten sich zurückgezogen, der Wind blies unangenehm und trieb braune, nasse Blätter vor sich her. Stumm gingen Melody und Remus nebeneinander her. Schließlich stellte sie ihm die Frage, die sie schon so lange beschäftigte. „Remus, weißt du, wer mein Vater ist?“
Wenn sie ihn in dem Moment angeschaut hätte, hätte sie die Antwort in seinen Augen sehen können, aber sie hatte den Blick unverwandt auf den Boden gerichtet.
Remus antwortete nicht.
„Hat dir Hanna nichts über ihn erzählt?“, fragte Melody weiter, nun mit einer gewissen Dringlichkeit in der Stimme. „Keinen Namen, Beschreibung, Aufenthaltsort, irgendeinen klitzekleinen Hinweis, der uns helfen würde, ihn zu finden?“
„Tut mir Leid“, antwortete Remus nur.


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Hoch motivierte Angestellte vergessen morgens aus der S-Bahn auszusteigen, weil sie unbedingt das Kapitel zu Ende lesen müssen. Seit die Potter-Bücher auch in den Chef-Etagen aufgetaucht sind, häufen sich im Management die plötzlichen Krankmeldungen.
Meike Bruhns, Berliner Zeitung