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Fanfiction

Aus der Asche - 5. Kapitel / Der erste Schultag

von fiirvogel

Nur mit Mühe und eisernem Willen schaffte es Melody am nächsten Morgen aufzustehen. Sie hatte schlecht geschlafen und noch schlechter geträumt. Alles in ihr fühlte sich bleischwer an. Sie zog lustlos ihre Schuluniform an – sie fühlte sich darin wie an einem Faschingfest – und folgte anderen Gryffindorschülern die Korridore und Treppen hinunter in die Große Halle. Sie setzte sich etwas abseits an den langen Haustisch der Gryffindor, weil sie niemanden kannte und nicht den Mut hatte, jemanden kennen zu lernen. Mit düsterer Miene trank sie eine Tasse stark gesüßten Tee und knabberte lustlos an einem Stück Toast mit Butter, als Harry und Ron die Große Halle betraten. Sie kamen zu ihr herüber, als sie sahen, dass sie alleine dasaß.
„Hallo Melody, wie geht es dir?“, fragte Harry und setzte sich neben sie. Ron nahm gegenüber Platz.
„Hallo“, murmelte Melody.
„Na, bist du aufgeregt?“, fragte Harry aufmunternd.
„Es geht so“, antwortete Melody einsilbig.
„Es wird dir gefallen“, versuchte Ron sie aufzuheitern. „Du wirst Spaß haben. Was hast du in der ersten Stunde?“
„Ich weiß es nicht“, gab Melody zu. „Ich habe noch keinen Stundenplan erhalten und auch niemanden gefragt. Sorry, aber ich habe schlecht geschlafen und fühle mich irgendwie ...“ Sie machte eine vage Handbewegung, die von Erschöpfung über Mutlosigkeit bis hin zu Verzweiflung alles bedeuten konnte.
„Schon okay“, beruhigte sie Harry und legte ihr etwas unbeholfen die Hand auf die Schulter. Es war Melodys erster Schultag, und Harry konnte sich noch gut an seinen ersten Tag in Hogwarts erinnern: an die Aufregung, an alles Neue, an das Gefühl, nichts zu wissen und zu können, an die Angst, sich vor allen zu blamieren. Für ihn war es damals trotz der Aufregung eine positive Veränderung gewesen: er konnte weg von den Dursleys. Melody aber war hierher gebracht worden, nachdem ihre Eltern ermordet worden waren. Lupin hatte Hermine, Ron und ihm erzählt, wie er Melody kennen gelernt hatte. Die Geschichte hatte alle drei erschüttert. Harry überlegte, was er noch sagen sollte, aber er war in solchen Dingen nicht gut; Gefühle waren eher Hermines Spezialgebiet. Harry atmete auf, als er sie in dem Moment zusammen mit Ginny die Große Halle betreten sah. Offenbar war auch Ron froh, emotionale Unterstützung zu erhalten: er stand auf und winkte sie laut rufend heran.

„Hallo, ihr drei“, rief Hermine und trat mit Büchern beladen zu ihnen an den Tisch. „Hallo Melody. Na, bereit für deinen ersten Schultag?“
Melody verzog das Gesicht zu einem missglückten Lächeln und blickte Ginny an. „Das ist Ginny“, stellte sie Hermine vor. „Die Schwester von Ron. Ginny, das ist Melody ...“ – Melody nickte Ginny knapp zu – „Habt ihr drei schon gefrühstückt?“
„Nein“, erwiderte Ron. „Wir sind auch gerade erst gekommen.“
„Ich habe schon gegessen“, antwortete Melody und schob ihren Teller mit einer halben Scheibe Toast weg.
Hermine setzte sich neben sie.
„Du wirst sehen, es gefällt dir in der Schule“, sagte sie, während sie eine Scheibe Brot mit Marmelade bestrich. „Es ist unheimlich spannend. Das meiste jedenfalls.“

Melody nickte abwesend mit dem Kopf und ließ den Blick durch die Halle schweifen. An den vier langen Tischen wurde gegessen, geschwatzt, gewitzelt, diskutiert. Es war ziemlich laut und unruhig. Die Lehrer am Hohen Tisch schienen immun gegen den Lärm um sie herum zu sein. McGonagall war in ein Gespräch mit Dumbledore vertieft, Snape in eine Zeitung. Die anderen Lehrer kannte Melody nicht.
Harry und Ron hatten angefangen, über Besen zu fachsimpeln. Melody hörte ihnen mit gerunzelter Stirn zu. „Ihr fliegt wirklich auf Besen in der Gegend herum?“, fragte sie ungläubig.
„Ja“, rief Ron und schluckte hastig sein Brot hinunter, bevor er fortfuhr. „Es macht irre Spaß. Du wirst es sehen. Die Erstklässler haben auch Flugstunden im Stundenplan ... Allerdings sind die Schulbesen natürlich nicht mehr die neusten, die meisten sind Shooting Stars. Aber wenn du einmal auf einem richtig tollen Besen fliegen willst, dann lässt dich Harry vielleicht einmal auf seinem Feuerblitz eine Runde drehen.“
Hermine und Ginny verdrehten die Augen. „Jungs“, sagte Hermine. „Die haben nur Besen im Kopf.“
„Besser als Aritmantik und alte Runen“, gab Ron mit einem Seitenblick auf Hermines Bücherturm zurück.
Melody saß zwischen den vieren und hörte ihnen stumm zu, als plötzlich ein ganzer Schwarm Eulen in die Große Halle flatterte. Die Vögel ließen sich überall auf den Tischen nieder. Eine ließ eine zusammengerollte Zeitung auf Hermines Teller fallen und setzte direkt neben ihr zur Landung an. Sie verpasste Melodys Tasse um Haaresbreite. Melody starrte das wunderschöne, braun gesprenkelte Tier mit offenem Mund an. Keiner der anderen verzog eine Miene. Die Eule streckte Hermine ein Bein entgegen, an dem ein kleiner Lederbeutel baumelte. Hermine kramte in ihrer Tasche nach Kleingeld und steckte eine Münze in den Lederbeutel.
„Darf man sie anfassen?“, fragte Melody, als sie sich von ihrem ersten Schrecken erholt hatte.
„Ich denke, sie hat nichts dagegen“, meinte Hermine, worauf Melody vorsichtig ihre Hand ausstreckte und über das weiche Gefieder der Eule strich.
„Wow“, meinte sie. „Ich habe noch nie eine Eule berührt. Sie ist ganz weich.“
Die Eule schien der Ansicht zu sein, dass das genug der Zärtlichkeit war. Sie schnappte mit ihrem Schnabel ungeduldig nach Melodys Finger, schüttelte ihr Gefieder und hob ab. Melody schaute ihr bewundernd nach.

Als sie ihren Tee ausgetrunken hatte, erhob sie sich und meinte resigniert: „Ich geh dann mal. Ich muss Mariah und die anderen finden. Ich weiß nicht nur nichts über Zauberei, ich weiß nicht einmal, wo ich Unterricht habe, geschweige denn was.“
Ron drückte ein „Viel Spaß“ zwischen einem Mund voll Toast hervor und Harry nickte ihr zu.
„Ja, mach’s gut“, munterte sie Hermine auf. „Wir sehen uns beim Mittagessen.“
Ginny sah Melody nach. Als sie sich am anderen Ende des Tisches zu einer Gruppe Erstklässler gesellte, meinte Ginny: „Sie ist nicht gerade gesprächig.“
Hermine zuckte mit den Schultern. „Ich glaube, sie hat einen gewaltigen Kulturschock. Lass ihr etwas Zeit. Sie muss sich hier erst zurechtfinden.“

Es kostete Melody große Überwindung, ihre neuen Mitschülerinnen zu bitten, sie mit in den Unterricht zu nehmen. Die drei wirkten etwas befangen neben Melody, die fast einen Kopf größer war. Mariah, Lindsay und Nora hätten zu gerne gewusst, woher Melody kam und weshalb sie erst drei Wochen nach Beginn des Schuljahres nach Hogwarts kam, doch Melodys abweisende Ausstrahlung verunsicherte sie. Sie stiegen wortlos die große Marmortreppe hinauf. Melody machte keine Anstalten, irgendetwas zu sagen.
„Und ... sind bei dir beide Eltern Zauberer?“, fragte Lindsay schließlich, um das Eis zu brechen.
„Meine Mutter war eine Hexe“, antwortete Melody knapp.
„Bei mir auch“, antwortete Nora. „Mein Vater ist ein Muggel. Er war nicht gerade begeistert, als er erfuhr, dass ich ebenfalls eine Hexe bin. Ist dein Vater auch ein Muggel?“
Melody wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Sie entschied sich, die Frage zu überhören und fragte stattdessen: „Wohin gehen wir überhaupt?“
„Wir haben Zauberkunst bei Flitwick“, antwortete Nora. „Danach haben wir Verwandlungen bei McGonagall.“
Den Rest des Weges bis zu Flitwicks Klassenzimmer legten die vier schweigend zurück. Melody betrachtete die Bilder an den Wänden. Dass sich die Figuren in Zauberbildern bewegen konnten, faszinierte sie.

Flitwick war so klein, dass er auf einem Stapel Bücher stehen musste, um über das Lehrerpult blicken zu können. Als die Klasse Platz genommen hatte, verkündete er mit quiekender Stimme: „Wir werden heute noch einmal den Bewegungszauber üben“. Auf einen Wink seines Zauberstabs hin schwebten bunte Seidenkissen aus einer Kiste in der Ecke und landeten vor den Schülern auf den Schreibtischen. „Bitte versuchen Sie, die Kissen in die Kiste zurück fliegen zu lassen“, bat er die Schüler. Danach kletterte er von seinem Bücherstapel herunter und kam zu Melody, die an einem der hintersten Tische Platz genommen hatte. Er zeichnete mit dem Zauberstab eine kleine Bockleiter in die Luft und stieg hinauf, bis er auf Augenhöhe mit seiner neuen Schülerin war.
„Wir zwei beginnen vorerst mit dem einfacheren Schwebezauber“, erklärte er Melody und zwinkerte ihr zu. „Sie können mit dieser Zauberformel jeden beliebigen Gegenstand in die Luft heben. Sprechen Sie mir nach: Wingardium Leviosa.“
„Wingardium Liviosa“, murmelte Melody.
„Leviosa“, korrigierte Flitwick. „Und Sie müssen deutlicher sprechen.“
Er ließ Melody die Worte noch dreimal repetieren, dann zeigte er ihr die dazugehörige Handbewegung. Als Melody versuchte, die Handbewegung zu imitieren, musste Flitwick sich plötzlich ducken, weil ein Kissen knapp an seinem Kopf vorbeiflog. Er ruderte mit den Armen, um die Balance zu halten, und blickte im Raum umher. Kreuz und quer schwirrten bunte Kissen herum, die wenigsten schafften es bis in die Kiste. „Kinder, Kinder“, rief Flitwick und eilte wieder nach vorne zum Lehrerpult „Ein bisschen mehr Konzentration, wenn ich bitten darf.“
Während Flitwick Ordnung in die Klasse brachte, versuchte Melody, ihren Zauberstab so elegant zu schwenken, wie Flitwick es ihr demonstriert hatte. Sie zeigte damit auf die Schwanenfeder, die er anstelle des Kissens vor sie auf den Tisch gelegt hatte – „jeder Anfang ist schwer, versuchen Sie es mit etwas Leichterem“ – aber die Feder rührte sich nicht. Auch beim zweiten und dritten Versuch geschah nichts. Melody sah sich verunsichert um. Sie versuchte es weiter, jedes Mal mit einer anderen Betonung der Formel, aber die Feder wackelte nur leicht.
„Gut, gut, gut“, lobte Flitwick, der gerade in dem Moment wieder neben ihr auf die Bockleiter kletterte. „Das ist doch gar nicht schlecht für den Anfang.“ Melody spürte die amüsierten Blicke ihrer Mitschüler.
Als die Stunde vorüber war, riet Flitwick ihr: „Üben Sie den Schwebezauber in aller Ruhe. Auch Ihre Mitschüler haben es nicht alle auf Anhieb geschafft.“ Melody nickte, sie fühlte sich nach der ersten Stunde bereits erschöpft und ausgelaugt. Und sie schämte sich zutiefst. Sie war zwei ganze Jahre älter als ihre Mitschüler und schaffte es nicht einmal, eine Feder von der Bank zu heben.

Das Gefühl von Scham nistete sich gleich neben ihrem Gefühl von absoluter Einsamkeit und Leere ein und begleitete Melody in Professor McGonagalls Unterricht, wo sie eine Nadel in einen Zahnstocher verwandeln sollte. Sie schaffte es nicht. McGonagall ließ die Klasse alleine arbeiten und setzte sich neben sie. Sie hieß sie, den Zauberspruch nachzusprechen, führte ihre Zauberstabhand und sprach ihr gut zu. Melody kämpfte mit den Tränen, als sie sah, wie die anderen sie aus dem Augenwinkel beobachteten. Großes magisches Potential, hatte Dumbledore gesagt. Von wegen: ihre Nadel sah am Schluss der Unterrichtsstunde noch genau gleich aus wie am Anfang.
Als die Stunde zu Ende war, stand Melody auf, nahm ihre Schultasche und wollte gerade aus dem Klassenzimmer flüchten, als McGonagall ihr nachrief. Melody blieb stehen und drehte sich um. McGonagall eilte ihr durch das Klassenzimmer nach und reichte ihr einen Zettel. „Ihr Stundenplan, Miss Rohan“, sagte sie. „Üben Sie den Verwandlungszauber bitte bis zur nächsten Stunde. Sie schaffen das schon.“
Melody nickte nur stumm. Sie stopfte den Stundenplan in ihre Tasche, dann verließ sie das Klassenzimmer, rannte Korridore und Treppen hinunter und aus dem Schloss. Nur weg von hier, dachte sie. Sie rannte den Weg hinunter zu den Gewächshäusern und setzte sich unter einen Baum. Wie lange sie dort saß und vor sich hin starrte, wusste sie nicht. Sie wurde sich ihrer Umgebung erst wieder bewusst, als ein Junge auf sie zukam. Melody kniff ärgerlich die Augen zusammen. Was wollte der von ihr?
„Geht es dir gut?“, fragte der Junge etwas schüchtern, nachdem er sie einen Moment gemustert hatte.
„Wunderbar“, antwortete sie mit einer Stimme, die der ihres Vaters puncto Sarkasmus in nichts nachstand.
Der Junge zögerte einen Moment. „Ich bin Neville“, stellte er sich schließlich vor. „Ich gehe mit Harry und Ron in die Klasse.“ Jetzt kam es ihr in den Sinn: sie hatte ihn am Abend vorher im Gemeinschaftsraum der Gryffindor gesehen.
„Hi“, murmelte sie.
„Hermine hat mir von dir erzählt.“
Melody sah Neville misstrauisch an und fragte: „Und was genau hat sie von mir erzählt?“
„Nun, nicht viel ... dass Lupin dich hierhergebracht hat, dass deine Eltern Muggel waren und du nicht wusstest, dass du eine Hexe bist und ... auch, dass deine Eltern umgebracht worden sind.“
„Das alles weiß sie von mir?!“, fragte Melody ungläubig und ein bisschen verärgert. Die Falte zwischen ihren Augen vertiefte sich.
„Tut mir Leid ... Das mit deinen Eltern, meine ich“, sagte Neville und setzte sich neben sie. „Wie war dein Morgen?“
„Beschissen“, gab Melody ehrlich zurück.
Neville schien zu überlegen, wie er sie aufmuntern konnte und meinte dann mit einem unbeholfenen Lächeln: „Dann kann es ja nur besser werden.“
Melody zog den zerknitterten Stundenplan aus der Tasche und warf einen Blick darauf. „Geschichte der Zauberei und Zaubertränke“, las sie ohne Enthusiasmus vor.
„Das hast du heute Nachmittag?“, fragte Neville. „Naja, Geschichte ist ziemlich langweilig ...“
„Und Zaubertränke?“
Neville zögerte und gestand dann: „Weißt du, ich glaube, ich bin nicht der Richtige, um dir diese Frage zu beantworten.“
Melody musterte Neville. Er sah mit einem Mal ziemlich bleich aus. „Ist Snape wirklich so schlimm, wie alle sagen?“, erkundigte sie sich.
Neville wurde noch eine Nuance bleicher. Er blieb Melody die Antwort schuldig. „Gehen wir essen?“, fragte er stattdessen.
Melody seufzte, nickte dann aber und stand auf.
„Kräuterkunde ist cool“, meinte Neville mit einem Blick zurück zu den Gewächshäusern. „Ich habe mich gerade mit Professor Sprout über die Zucht von Snargaluffs unterhalten. Falls du mal Hilfe brauchst ... von Kräutern verstehe ich was.“
„Danke“, antwortete Melody. „Wenn ich in Kräuterkunde so schlecht starte wie in Zauberkunst und Verwandlungen werde ich deine Hilfe dringend nötig haben.“

Neville hielt Melody galant die Türe zur Großen Halle auf. Sie trat widerstrebend ein. Ihr wäre lieber gewesen, Neville wäre vorgegangen, dann hätte sie in seinem Blickschatten gehen können. Die anderen hatten alle schon längst mit dem Essen angefangen und schauten die zwei Spätankömmlinge fragend an. Sie setzten sich ans Ende des Tisches und Neville füllte sich hungrig den Teller, während er weiter von der Zucht der Snargaluffs erzählte. Melody hatte keine Ahnung, was Snargaluffs waren, traute sich aber nicht zu fragen. Sie hatte keinen Appetit, aber sie zwang sich, eine Kartoffel und etwas Gemüse zu essen und linste dabei zum Hohen Tisch hinüber.
„Welches ist denn der Geschichtslehrer?“, fragte sie Neville leise.
„Keiner von denen“, antwortete Neville mit vollem Mund, „Professor Binns ist ein Geist. Die essen nicht, die brauchen nichts mehr.“
Melody verschluckte sich an einem Stück Blumenkohl und begann zu husten. „Ihr werdet von Geistern unterrichtet?“, fragte sie entsetzt.
„Nur Binns ist ein Geist“, antwortete Neville schnell. „Er unterrichtet schon seit Ewigkeiten in Hogwarts. Es heißt, dass er eines Abends im Lehrerzimmer eingeschlafen sei. Am anderen Morgen ging er wieder in den Unterricht und merkte nicht, dass er seinen leblosen Körper im Lehrerzimmer zurückließ.“
Melody verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Sie wollte gerade ihr Glas mit Kürbissaft ergreifen, als sie einen stechenden Blick spürte. Sie schaute alarmiert zum Hohen Tisch hinauf. Snape starrte sie an. Er blickte sofort weg, als ihre Augen sich trafen. Hatte er sie schon lange so angestarrt? Was hatte er gegen sie?

Geschichte der Zauberei war tatsächlich beruhigend einschläfernd. Melody ließ sich nur zu gerne von Professor Binns monotoner Stimme einlullen. Er schien nicht einmal zu bemerken, dass er eine neue Schülerin hatte. Das war ihr gerade recht.

Im Anschluss an den Geschichtsunterricht hatten die Erstklässler eine Stunde zu ihrer freien Verfügung. Melody eilte nach draußen und setzte sich in einer Ecke des Hofes auf den Boden. Aus ihrer Tasche zog sie die Nadel, die sie heute Morgen bei Professor McGonagall in einen Zahnstocher hätte verwandeln sollen, und legte sie vor sich auf den Steinboden. Sie übte die Handbewegung, dann die Aussprache des Zauberspruchs, dann beides zusammen, aber es wollte ihr einfach nicht gelingen. Ich bin keine Hexe, schoss es ihr durch den Kopf. Sie hatten sich alle geirrt: Hanna, Remus, Dumbledore. Vielleicht war sie ein Squib wie Hanna?
Was nun? Musste sie ihren Zauberstab wieder abgeben? Wo sollte sie hin? Ob sie bei Remus wohnen durfte? Wo lebte er überhaupt? Erst jetzt fiel ihr ein, dass sie keine Adresse von ihm hatte. Sie konnte ihn nicht einmal kontaktieren. Sie biss auf die Zähne. Was, wenn er sie nun einfach hier abgestellt hatte und sie alleine ließ unter all diesen fremden Menschen? Ihr wurde eiskalt bei dem Gedanken. Wo sollte sie hin? Am naheliegendsten war es, dahin zurückzukehren, woher sie kam. Rickmansworth also. Sie würde sich dort an die Gemeinde wenden. Irgendjemand würde ihr schon helfen können. Es gab da sicher eine Behörde, die dafür zuständig war. Vielleicht stand in ihrer Geburtsurkunde, wer ihr Vater war. Dann könnte sie vielleicht zu ihm ziehen. Sie bezweifelte zwar, dass er sonderlich Freude an ihr haben würde, sonst hätte er sich sicher schon früher bei ihr gemeldet. Ob er sie bei sich aufnehmen würde? Oder würde er sie auch in ein Internat abschieben? Wenn sie ihn tatsächlich finden sollte, nahm sie sich vor, würde sie sich anpassen, keine unerklärlichen Dinge mehr geschehen lassen, ihm keinerlei Anlass bieten, sie Hexe zu schimpfen, wie das Tom so oft getan hatte, oder sie in ein Internat wegzustecken. Sie würde sich Mühe geben, so normal wie möglich zu sein ...

Melody war noch tief in Gedanken versunken, als sie die Turmuhr schlagen hörte: vier Uhr. Hastig sprang sie auf und schnappte die Nadel und ihre Tasche. Sie hatte völlig die Zeit vergessen. Ihr Zaubertränkeunterricht begann um vier Uhr. Hatte begonnen korrigierte sie sich selber. Sie rannte die Treppe zum Schloss hinauf. Die Eingangshalle war leer. Sie hatte keine Ahnung, wo sich das Schulzimmer für Zaubertränke befand, und spürte bereits Verzweiflung aufkeimen, als sie einen der Geister durch eine Wand schweben sah. Sie zuckte erschrocken zusammen, nahm dann aber ihren ganzen Mut zusammen und fragte ihn nach dem Weg. Es war der Fast Kopflose Nick, Hausgeist von Gryffindor. Er glitt vor ihr die Treppe hinunter in den düsteren Kerker und brachte sie bis vor die Tür zu Snapes Klassenzimmer. Melody hätte den Fast Kopflosen Nick gerne gebeten, sie hinein zu begleiten, aber sie traute sich nicht. Auf ihr gestammeltes „Danke“ antwortete der Geist mit einem höflichen „Stets zu Diensten“, bevor er durch die Gewölbedecke entschwebte.
Melody hatte vor Aufregung verschwitzte Hände, als sie vorsichtig die Tür öffnete. Snape unterbrach verärgert seine Erklärungen. Seine Augen verengten sich. „Die Stunde hat vor fünf Minuten angefangen“, sagte er mit kühler Stimme. „Auch für Sie, Miss Rohan.“
„Es tut ... tut mir Leid“, stotterte Melody. „Ich fand das Klassenzimmer nicht.“
Einige der Schüler – keiner ihrer Mitschüler von Gryffindor, wie Melody mit einem kurzen Seitenblick feststellte – grinsten hämisch. Melodys Hände zitterten leicht; sie begann, nervös an den Ärmeln ihrer Schuluniform herumzunesteln.
„Hören Sie mit dem Gefummel auf“, herrschte Snape sie an. Sein Blick war hart und kalt. Er zeigte ungeduldig auf den letzten freien Arbeitsplatz, ganz vorne, direkt vor seinem Schreibtisch. Melody durchquerte mit gesenktem Kopf den Raum und stellte sich an den leeren Tisch.
„Wo ist ihr Kessel?“, fragte Snape direkt neben ihr mit der seidenglatten Stimme einer lauernden Raubkatze. Melody zuckte zusammen. Mist, der stand noch immer vor ihrem Bett, vollgestopft mit ihren Einkäufen.
„Tut mir Leid“, antwortete sie leise. „Ich wusste nicht, dass –“
„Was wussten Sie nicht?“, blaffte sie Snape an. „Dass wir hier Zaubertränke brauen? Oder dass man zum Zaubertränkebrauen einen Kessel braucht?“
Er schnippte mit dem Zauberstab, worauf ein alter, verbeulter Schulkessel durch den Raum flog und scheppernd vor Melodys Füßen landete. Sie beeilte sich, den Kessel über die Feuerstelle zu hängen. Die anderen Schüler starrten sie an.
„Weitermachen“, knurrte Snape an die Klasse gewandt. Als er sah, wie Melody ratlos vor ihrem Kessel stand, fragte er kalt: „Was ist los mit Ihnen? Brauchen Sie eine Spezialeinladung?“ Ungeduldig zeigte er auf die Wandtafel und begann wieder, durch den Raum zu tigern.
Melody las, was auf der Wandtafel stand: Vergesslichkeitstrank. Zutaten: Lenkpflaumen, Löffelkraut, Belladonnaessenz, Affodilwurzeln ... Was um alles in der Welt waren Lenkpflaumen? Und Affodilwurzeln? Melody traute sich nicht zu fragen. Sie las weiter: „Zwei Maß Wasser zum Kochen bringen.“ Sie blickte in ihren leeren Kessel, dann auf das Holz, das in der Feuerstelle unter dem Kessel aufgeschichtet lag, dann auf den Arbeitstisch vor ihr. Da lagen weder Zündhölzer noch ein Feuerzeug. Wie um Himmels Willen sollte sie das Feuer entfachen?! Und wie viel war wohl ein Maß? Am liebsten wäre sie an Ort und Stelle im Boden versunken. Doch den Gefallen tat ihr das Schicksal nicht. Stattdessen trat Snape plötzlich wieder lautlos hinter sie und blickte in ihren leeren Kessel. Melodys Nackenhaare stellten sich auf, als er ihr zuraunte: „Ich befürchte, Miss Rohan, Sie werden die Nacht hier verbringen müssen, wenn Sie nicht endlich anfangen, diesen Trank zu brauen.“
Melody murmelte zwischen zusammengepressten Zähnen: „Ich weiß nicht, wie ich Feuer machen soll.“ Sie blickte starr vor sich auf die Tischplatte.
„Sie wissen nicht, wie man ein Feuer macht?“, wiederholte Snape eiskalt und so laut, dass alle es hören konnten. Ein Raunen ging durch die Klasse. Jemand lachte. Snape wirbelte herum. „Ruhe“, knurrte er. Dann deutete er mit seinem Zauberstab auf Melodys Feuerstelle. „Incendio“, sagte er knapp und blickte Melody mit unverhohlener Verachtung an, während das Feuer zu prasseln begann.
Als Snape sah, dass Melody sich immer noch nicht von der Stelle rührte, wandte er sich an einen Schüler, der hinter ihr an einer Feuerstelle stand und konzentriert in seinem Trank rührte. „Massey, helfen Sie Miss Rohan, damit ich heute noch Feierabend machen kann.“

Nur mit Fred Masseys Hilfe schaffte es Melody, ihren ersten Zaubertrank zu brauen. Als die Stunde zu Ende war und Snape die Klasse mit der Aufgabe entlassen hatte, ihm bis zur nächsten Stunde ein Essay zur Wirkung und den Risiken des Vergesslichkeitstranks zu schreiben – eineinhalb Rollen Pergament –, flüchtete Melody aus dem Klassenzimmer, ohne noch einmal zurückzuschauen. Sie erschien nicht zum Abendessen in der Grossen Halle, sondern zog sich in ihren Schlafsaal zurück. Ihre Einkäufe lagen immer noch unberührt am Fußende des Bettes, aber sie hatte weder Energie noch Lust, sie in ihren Schrank zu räumen. Sie kroch ins Bett und zog rundherum alle Vorhänge zu. So lag sie lange unter der Decke zusammengerollt zu einem kleinen Ball und weinte lautlos, bis sie vor lauter Erschöpfung, Hunger und Traurigkeit einschlief.


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