von SaphiraMalfoy
Eine halbe Stunde später schlenderte Draco etwas planlos durch das Erdgeschoss des großen Schlosses und überlegte, was er mit dem restlichen Tag anfangen sollte. Unterricht hatte er keinen mehr, die Hausaufgaben würde er sich abends vermutlich von Theodore Nott besorgen, denn diese Nullnummer traute sich ja ohnehin nicht, ihm etwas zu verwehren und Saphira würde ihn niemals abschreiben lassen. Dafür war sie einfach zu... selbstsüchtig. Wobei er das auch irgendwie verstehen konnte, denn wenn er sich mal dazu überwinden konnte, etwas zu tun und sich an zu strengen, hatte er auch keine Lust, dass andere dafür die Lorbeeren einheimsen, in dieser Hinsicht waren Draco und seine Cousine sich mal wieder sehr ähnlich, nur dass sie im Gegensatz zu ihm ein wenig ehrgeiziger und fleißiger war. Nachdenklich verließ er das alte Gebäude und trat hinaus auf den Hof, wo trotz des relativ schlechten Wetters noch einige Leute waren, hauptsächlich Jungs. Ein paar hatten sich in die windgeschützeren Ecken verzogen und rauchten heimlich, andere sprachen über Quidditch und Mädchen, wieder andere mussten beweisen, wie hart sie doch waren und standen in kurzärmeligen Shirts lässig an die Steinmauern des Schlosses gelehnt, um auch ja zeigen zu können, wie muskulös sie im Laufe der vergangenen Sommerferien doch geworden waren... Nicht weit von diesen Spinnern entfernt stand auch schon ein kleines Grüppchen kichernder Drittklässlerinnen, welche die Jungs auffällig unauffällig beobachteten und ihnen immer wieder diese zufälligen Blicke zu warfen... Weiber.
Zwar genoss der junge Malfoy es meist ebenfalls, wenn ihm solche Blicke zu Teil wurden, doch hatte er es nicht nötig, diese auf so dermaßen kindische Weise zu provozieren. Das klappte auch so ganz gut und ehrlich gesagt, konnte das Ganze schon nerven, glücklicherweise gehörten weder Saphira noch Pansy zu dieser Sorte von Mädchen und Astoria offenbar auch nicht. Nein, sie war einfach das andere Extrem, aber auch dies war nicht gerade das, was Draco sich unbedingt wünschen würde. Zumindest stellte die jüngste der Greengrass Schwestern eine bisher ungekannte Herausforderung für ihn und das würde ihn vermutlich noch etwas länger beschäftigen. Interessant war es ja und in der Zwischenzeit konnte er noch ein paar Mal auf Pansy zurück kommen, denn abgeneigt schien sie nicht zu sein. Es war beeindruckend, wie locker sie das ganze nahm. Nachdem sie fertig gewesen waren, griff sie sich ohne zu fragen ein frisches Handtuch aus dem Schrank, trocknete sich ab und suchte dann ihre Anziehsachen im Schlafsaal zusammen, was jedoch einige Zeit gedauert hatte, da diese im Eifer des Gefechts in allen möglichen und unmöglichen Ecken des Raumes gelandet waren. Sogar viel Glück bei seinem Vorhaben mit Astoria hatte Pansy ihm noch gewünscht, obwohl es eher ironisch geklungen hatte, als wäre auch sie davon überzeugt, dass er dieser Aufgabe nicht gewachsen war. Aber sie würde schon noch sehen, wozu er im Stande war... Kurz kam ihm noch einmal ihr hinterlistiges Grinsen in denn Sinn, welches sie ihm zu geworfen hatte, während sie den Schlafsaal verließ und sich zurück in den Gemeinschaftsraum begab. So ein versautes Luder...
Als er aus seinen Träumereien wieder zurück in die Realität kehrte, stellte Draco fest, dass er sich mittlerweile ziemlich abseits des Schlosses befand und auch die Stimmen der anderen Schüler drangen nun nur noch sehr leise aus großer Distanz an sein Ohr. Hier, weit ab der hohen, schützenden Mauern war die herbstliche Kälte deutlich spürbar, doch als er um eine Ecke bog und vor hatte, sich zu einem der Hintereingänge zu begeben, um sich von dort aus zurück in die Kerker zu begeben, stellte der junge Slytherin fest, dass er hier nicht alleine war.
Auf einer kleinen Steinmauer saß eine zierliche, realtiv kleine Hexe, deren lange, blonde Locken sich leicht im Wind bewegten und neben ihr hüpfte ein großer Rabe schreiend auf der Mauer herum. Eine seltsam unwirkliche Situation... Es wirkte fast, wie in einem Traum, oder einer Fantasie, jedenfalls ziemlich surreal. In dieser tristen, grauen Umgebung unter dem wolkenverhangenen Himmel, der keinen einzigen Sonnenstrahl durch ließ, schien sie merkwürdig fehl am Platz zu sein, erinnerte beinahe an einen Engel...
Welch absurder Gedanke. Dachte Draco und näherte sich ihr kopfschüttelnd. Manchmal ging seine Fantasie wirklich mit ihm durch. Wie kam er nur auf so einen Unsinn?
Mit schief gelegtem Kopf beobachtete sie den Raben und streckte vorsichtig eine schneeweiße Hand nach ihm aus. Aufmerksam hob das pechschwarze Tier den Kopf und schien ihr direkt in die Augen zu blicken.
„Hey, Phia.“ begrüßte Draco die Blonde laut, damit seine Stimme auch durch den Wind, der in den Blättern der Bäume des verbotenen Waldes rauschte, zu ihr duchdringen konnte. Erschrocken fuhr Saphira zusammen und blickte ihn bitter böse an, als der Vogel neben ihr vor Schreck die Flucht ergriff, wovon Draco allerdings kaum Notiz nahm.
„Was willst du denn?“ fauchte sie ihn an und schenkte ihm nur einen herablassenden Blick, ehe sie dem davon fliegenden Raben hinter sah.
„Nichts besonderes, Süße. Andere Frage, was tust du hier?“ fragte er und ließ sich auf den nun freien Platz neben ihr sinken, was Saphira ein genervtes Seufzen entlockte.
„Meine Ruhe vor Idioten wie dir haben, stell dir vor!“ entgegnete sie bitter, zog den Zauberstab aus der Rocktausche, murmelte etwas und kurze Zeit später fielen dicke, weiße Flocken vom Himmel, allerdings nur im Umkreis von ungefähr zwei Metern um die beiden blonden Slytherins herum.
„Was soll das denn jetzt wieder? Spinnst du, oder was?!“ rief Draco erschrocken aus und wischte sich den Schnee vom Umgang, war ja nicht so, als wäre es nicht bereits kalt genug... Aber Saphira saß völlig unbeeindruckt neben ihm und wenn man ganz genau hinsah, konnte man sogar die Spur eines hinterhältigen Lächelns in ihrem Gesicht sehen.
„Ich erschaffe eine gemütliche Atmosphäre, wenn es dich stört, dann musst du dich wohl woanders hinsetzen, Honey.“ War ihre Antwort, doch Draco blieb, wo er war. Den Triumph würde er ihr nicht auch noch gönnen, reichte ja schon, dass er für sie heute Pansy flachgelegt hatte.
Einen Augenblick lang schwiegen beiden, dann drehte Draco sich zu ihr um und versuchte Blickkontakt zu ihr aufzunehmen, jedoch vergeblich.
„Ach übrigens... Parkinson ist abgehakt.“ Stellte er fest und grinste bei der Erinnerung daran wieder breit. Überrascht hob Saphira den Kopf und sah einen winzigen Moment lang beeindruckt aus, dann verzog sie angewidert den Mund.
„Gerade eben? Als du mit ihr im Schlafsaal verschwunden bist?“ fragte sie und rutschte ein Stück weit von ihm weg.
„Jap, gerade eben.“ bestätigte der Blonde und war mal wieder mächtig stolz auf sich.
„Ich hoffe du warst danach duschen. Falls nicht, fass mich nicht an!“ zischte Saphira und konnte sich in diesem Moment selbst nicht erklären, was genau sie an dieser Situation als so dermaßen abstoßend empfand, denn das rein körperliche, worauf sie ihn soeben bereits hingewiesen hatte, war es nicht.
„Oh ja, das war ich...“ erwiderte Draco und lächelte seelig. Wenn Saphira nur wüsste...
Langsam nickte sie und wirkte einigermaßen zufrieden, denn das konnte sie ja schließlich auch. Wieder einmal hatte sie jemanden dazu gebracht genau das zu tun, was sie verlangte und das innerhalb kürzester Zeit. Saphira sah ihren Cousin prüfend an. Seine silberblonden Haare waren vom Herbstwind zerzaust, die hellen Augen aufmerksam auf sie gerichtet. Er würde wirklich alles für sie tun, denn er war genauso beschränkt, wie die vielen anderen Jungs in Hogwarts. Ein Schwung ihres Haares, ein gekonnter Augenaufschlag aus ihren smaragdgrünen Augen, nur schwach mit Wimperntusche betont, reichte vollkommen dafür aus, um sie alle in ihren Bann zu ziehen.
Jeder Mann vergötterte Saphira Black.
Schon sehr früh, vielleicht viel zu früh, hatte sie begriffen, welche Anziehungskraft sie auf das männliche Geschlecht hatte und beinahe ebenso schnell gelernt, wie man auch die weibliche Fraktion beieinflussen und kontrollieren konnte. Niemand manipulierte gerissener und skrupelloser als Saphira und kein Mädchen ihres Alters verstand es so gut, mit den Gefühlen anderer Menschen zu spielen und diese so lange zu ihrem Vorteil einzusetzen, bis sie ihr nicht mehr nützlich waren.
Bereits im Kindesalter war sie dazu in der Lage gewesen, Draco so zu manipulieren, dass er ihr beinahe aufs Wort gehorchte, man musste ihn nur immer in dem Glauben lassen, dass er es freiwillig tat, auch etwas davon hatte, aber immer wieder daran erinnern, WER hier die Bedingungen stellte. Scheinbar stand er schon immer auf die kalte, verführerische Saphira, die sie nur zu gerne für ihn spielte. Er war vermutlich ihr bestes Hilfsmittel, das nützlichste Spielzeug, der Einzige, den sie immer bei sich behielt und niemals endgültig von sich stieß. Auf eine gewisse Art und Weise brauchte sie Draco, doch letzten Endes war es immer nur Saphira, die alleine die Kontrolle über alles behielt...
Sie brauchte keine wahren Freunde, ohne war sie wirklich besser dran. Es gab keine Verpflichtungen, keine dauerhaften Bindungen und sie bekam doch auch so alles, was sie wollte. Wozu also... Nein, es gab definitiv keinen Grund sich das Leben mit so etwas unnötig schwer zu machen, dachte die junge Hexe und ihr Blick verlor sich irgendwo in den Bäumen des Waldes, wurde leer und verlor an Kälte. Leer. Das war sie. Eine leere Hülle ohne Gefühle und das war auch gut so, das glaubte zumindest sie selbst...
„Hey...“ flüsterte Draco und sah das wunderschöne Mädchen stirnrunzelnd von der Seite her an, doch sie reagierte nicht auf ihn, war viel zu gefangen in ihren eigenen Gedanken. Vorsichtig hob der junge Malfoy eine Hand und berührte sie damit sacht an der Wange, an ihrer kalten, klammen Wange. Die plötzliche Kälte schien auf seiner Haut beinahe zu brennen, bohrte sich wie Säure in sie hinein, brachte die Stellen, die mit Saphira in Berührung gekommen waren, dazu verheißungsvoll zu prickeln, als ob er einen Gegenpol gefunden hätte. Eiseskälte... und dennoch warm, lebendig. Sicherlich hatte sie wieder irgendwas mit ihm angestellt, teilnahmslos geguckt und ihn dennoch mit einem verdammten Zauber belegt, das kleine Biest!
Im selben Augenblick jedoch zuckte Saphira leicht zusammen und sah ihn eine Sekunde lang erschrocken an, scheinbar war sie gerade doch unachtsam gewesen... War das nicht ein Zeichen von Vertrauen? Normalerweise war sie immer aufmerksam, würde niemals eine solche Angriffsfläche für andere Menschen bieten... oder war es wieder nur ein Spiel von ihr gewesen, wie schon so oft...?
Doch noch bevor er den Gedanken weiter vertiefen konnte, ergriff Saphira seine Hand und schubste ihn ruckartig von sich weg. Dort, wo ihre Finger sich fest um sein Handgelenk geschlossen hatten, blieben kühle, weiße Druckpunkte zurück. Wie Schnee. Vergänglich und doch allgegenwärtig...
Immer noch gefesselt von dieser Begebenheit blieb Draco wie versteinert sitzen und starrte ihr nach, als sie, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, davon rauschte. Die langen, blonden Haare fielen ihr um die Schultern und bewegten sich, beinahe schon wieder zu elegant, um natürlich zu wirken. Diese verdammte Perfektion... und er konnte sie nicht haben, nicht erobern, wie all die anderen Mädchen, nicht besitzen oder sie von sich überzeugen und das ärgerte den jungen Malfoy gewaltig.
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