von Darkside
Wie definiert man eine lange Zeit? Nach Stunden oder Tagen? Was ist lange? Ist ein halbes Jahr lange oder eine Ewigkeit? In einem ganzen Leben gesehen sind 195 Tage nicht viel. Etwas mehr als ein halbes Jahr. Oder sind 195 Tage zu viel?
Es war ihm eigentlich egal. So egal, wie die Stimmen um ihn herum. So egal, wie das Wetter. So egal, wie alles andere auf dieser endlosen und weiten Welt. So egal, wie sein Leben. So egal. Denn egal, ob 195 Tage nun lang oder kurz waren, es waren 195 Tage ohne ihn.
Sie waren lang, wenn man bedachte, dass jeder Tag 24 Stunden hatte, jede Stunde 60 Minuten und jede Minute 60 Sekunden. Wenn man dran dachte, dass man somit 16848000 Sekunden nur einen einzigen Gedankengang hatte. Alleine. Tod. Weg.
Sie waren kurz, wenn man bedachte, dass das Leben noch viele Jahre weiterlaufen würde. Wie viele halbe Jahre würden noch vergehen? Wenn man dran dachte, dass es noch so viele Sekunden waren, die er ohne ihn war. Weil er weg war. Wenn man bedachte, dass dieser Zustand für immer sein würde.
Wie endlos lang und doch kurz waren dann 195 Tage.
Wütend schlug er auf den Tisch. Es konnte nicht sein. Noch heute weigerte er sich, es hinzunehmen obwohl die Beweise vor ihm lagen. Obwohl er jeden zweiten Tag vor dem Grab stand und auf die Buchstaben starrte. Obwohl er ihn nicht mehr sah, ihn nicht mehr lachen hörte, ihn einfach nur vermisste, wollte er es nicht sehen. Die Wahrheit. Die Wahrheit war für ihn gelogen, unecht. Was war schon Wahrheit? Ein Zustand, eine Lüge? Oder die Wahrheit? Erneut fand seine Faust den Tisch. Er spürte den Schmerz für Sekunden in seiner Hand. Weitere Sekunden, die sich zu vielen Sekunden summierten. Sekunden voller Schmerz.
Jede Sekunde war Schmerz gewesen. Denn er war weg. Er war einfach nicht mehr da. Seine bessere Hälfte, sein zweites Ich war gestorben. Und mit ihm sein Herz, sein Lachen und sein Gefühl. Mit ihm seine Freude am Leben, seine Zuversicht und seine Hoffnung. Er hatte an jenem Tag seine Freiheit gewonnen, und doch alles andere in seinem Leben verloren. Er hatte gekämpft, unermüdlich für eine bessere Welt und hatte ihm, dem Zurückgebliebenen, eine viel schlimmere Welt hinterlassen. Eine Welt ohne ihn.
Er raufte sich die Haare. Keine Träne verließ seine Augen. Nur Schmerz und Trauer und unbändige Wut spiegelte sich in seinen Augen wieder. Warum? Warum er? Es gab keine Tränen mehr. Tränen waren verbraucht, waren zu Ende, waren oft genug geflossen. Oft genug? War er einfach zu lange weg und würde dennoch nie wieder kommen? Für eine Zu lange Zeit? Wie definiert man eine lange Zeit?
Mit ihm, seiner Lebenssonne, seiner Quelle, seiner Erde und seinem Universum war etwas verschwunden, was einfach so weg war, weg, fern.
Denn mit Freds Tod hatte George seine Hälfte verloren, seinen Bruder, sein zweites Ich, sein Leben.
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Kommis?
D-.
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