von SaphiraMalfoy
Lucius atmete schwer. Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren. War er nun Wochen hier, Monate… oder gar Jahre? Er wusste es nicht, wusste nichts mehr.
Krampfhaft versuchte er sich an etwas Glückliches zu erinnern: seinen kleinen Sohn. Vor seinen Augen tauchte das Bild des damals einjährigen Dracos auf, wie er zaghaft versuchte einen Fuß vor den anderen zu setzen, während er seine besorgte Mutter böse anguckte, die einfach nicht seine Hand loslassen wollte.
Wie es ihm nun ging… Ob er überhaupt noch lebte? Ein eisiger Schauer, der nichts mit der Kälte der Seeluft oder den unzähligen vermummten Dementoren zu tun hatte, durchzuckte den blonden Mann, der ganz alleine auf dem härtesten Stein saß, den seine dunkle Zelle zu bieten hatte. Endlich sah er es wieder, es schienen Wochen vergangen zu sein, seit es ihm zum letzten Mal gelungen war sich ihr weißes, vollkommenes Gesicht, das von ihren wundeschönen blonden Locken eingerahmt wurde und aus dem ihn diese blauen Augen entgegenstrahlten, in Erinnerung zu rufen. Seine Erinnerungen wurden nun allmählich klarer, er dachte daran zurück, wie sie sich früher gegenseitig verachtet hatten und wie sie beide krampfhaft alles dafür getan hatten der Zwangshochzeit, die ihre Eltern arrangiert hatten, zu entfliehen. Zweifellos war sie immer wunderschön gewesen, doch er hatte nie viel für sie übrig gehabt, bis sie es endlich geschafft hatten seine Eltern davon zu überzeugen die Verlobung zu lösen und er mit Entsetzen feststellen musste, dass er sich nun, da sie soviel Zeit miteinander verbracht hatten um gemeinsam Anti-Hochzeits-Pläne zu schmieden , wirklich in sie verliebt hatte. Ein flüchtiges Lächeln huschte über sein ausgemergeltes Gesicht, als er an ihre erste gemeinsame Nacht dachte, die er auf Grund einer Menge Feuerwhisky nur wage in Erinnerung hatte und nach der er immer noch dachte, Narzissa würde ihn nicht wollen. Wie lange waren sie sich aus dem Weg gegangen, immer in der Annahme, der einzige zu sein, der sich in den anderen verliebt hatte… Nur um dann, als sie nach einer endlosen Zeit endlich zueinander gefunden hatten, noch in derselben Nacht überstürzt, heimlich und alleine zu heiraten.
So unbeschreiblich schön war sie, wenn ihr unbeschwertes Lachen in ihren blauen Augen aufblitze.
Betrübt musste Lucius feststellen, dass er schon gar nicht mehr wusste, wann er es das letzte Mal gesehen hatte. Es musste lange vor seiner Zeit in Askaban gewesen sein. Einzig für ihren Sohn hatte noch Augen und nur er vermochte es ihr ein Lächeln in ihr wunderbares Gesicht zu zaubern. Wenn Draco in der Schule war, so lief Lucius seiner Frau meist lediglich zu den Mahlzeiten über den Weg…
Wo war sie nur hin, die Leidenschaft, die sie einst verband?
So verging die Zeit. Wie viel Zeit wusste der einst so stattliche Mann, der nur da saß und stur geradeaus auf die kahle, schmutzige Felsmauer starrte, nicht. Askaban hatte ihn gezeichnet, doch er war stärker, als die vielen, die schon nach wenigen Wochen in Askaban wahnsinnig wurden, oder einfach vor lauter Verzweiflung starben. Die Zeit in dem tristen Gemäuer hatte ihn abstumpfen lassen, er zog seinen Umhang nun nicht mehr enger um sich, wenn der kühle Wind durch die schreckliche Festung peitschte, wusste nicht mehr, ob es Tag oder Nacht, Sommer oder Winter war. Die tiefe, verzweifelte Leere in seinem Inneren wich langsam einer beinahe undurchdringlichen Gleichgültigkeit.
Nur in den wenigen Stunden, in denen er es schaffte sich dieses wunderschöne, blasse Gesicht mit den unbeschreiblich blauen Augen ins Gedächtnis zu rufen, erinnerte er sich daran, wer er war und dass es ein Leben vor seiner Zeit in Askaban gegeben hatte. Ein gutes Leben, das er mit Füßen getreten hatte.
Es war für ihn ein Tag wie jeder andere hier. Er hatte nicht den Hauch einer Vorahnung, dass sich noch heute am frühen Abend die Tore Askabans für ihn öffnen würden und kein Dementor ihm mehr den Weg versperrte.
Er konnte gehen, er war frei.
Frei?
Doch was bedeutet Freiheit für jemanden, der sich einst freiwillig in die Ketten der ewigen Treue zum Dunklen Lord hatte legen lassen?
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