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Fanfiction

Charitys Geheimnisse - ... in Not und mit Heldenmut...

von grit

Heftige Schnabelhiebe trafen wieder und wieder die Scheibe, begleitet von immer schriller werdenden, wütenden Rufen. Snape erhob sich schlaftrunken und schaute zum Fenster. Ein riesiger Schatten war davor zu sehen. Rasch öffnete er den Riegel und bekam einen tiefen Kratzer an seiner rechten Hand ab, als sich der Uhu an ihm vorbei ins Schulleiterbüro drängte, mit heftigem Flügelschlagen zahlreiche Wasserspritzer im Büro und auf Snapes Umhang verteilend.
Mit einem kampfeslustigen Fauchen meldete sich die kleine graue Katze, die nicht einmal halb so groß war wie der Vogel. Der Uhu machte ein seltsames Geräusch und wich keinen Millimeter zur Seite. Neugierig kam die kleine Graue ein Stück näher und beäugte den späten Gast und anschließend ihren neuen Menschen. Vorsicht schien angeraten; dieses große Tier hatte einen bedrohlichen Schnabel, doch ihr Mensch schien keine Angst vor ihm zu haben.
Er streichelte ihr über den Rücken und sagte: „Ganz ruhig, kleines Grauchen, erschrecke unseren späten Gast nicht.“ Dabei schmunzelte er ein ganz klein wenig.
Natürlich kannte er diesen Vogel, es war der Uhu der Malfoys, der ihm ungeduldig einen Brief entgegenstreckte. Seltsamerweise war das Pergament kein bisschen durchfeuchtet. Offenbar ein gut platzierter Imperviuszauber...

Lieber Severus,

du bist der einzige, an den ich mich wenden kann. Bei unseren Zusammenkünften kann ich nicht offen sprechen, zu viele hören mit und belauern jedes Wort von Lucius und mir, daher bitte ich dich auf diesem Weg: Beschütze meinen Sohn Draco. Ich mache mir große Sorgen um ihn. In den Weihnachtsferien, die er bei uns in Malfoy Manor verbracht hat, war er irgendwie eigenartig, gar nicht mehr er selbst. Seine ungesunde Blässe, die eingefallenen Wangen, die fahrigen Bewegungen, seine Appetitlosigkeit... Es schien ihm schlecht zu gehen, obwohl er immer beteuert hat, ich würde mir das nur einbilden. Severus, ich vergehe fast vor Sorge um meinen Sohn. Stell dir vor, der Dunkle Lord hat mehrere Male ganz allein mit Draco gesprochen. Und Draco lief in all diesen Tagen nur wie ein Schatten seiner selbst durch unser Haus. ER hat ihm offensichtlich absolutes Stillschweigen geboten. Niemand von uns weiß, worum es dabei ging, selbst Bellatrix hat nicht die Spur einer Ahnung. Mein Sohn wimmert und schreit im Schlaf – und ich weiß nicht, was ihn quält. Bitte, Severus, halte deine schützende Hand über meinen Sohn. Du weißt, dass unsere Familie derzeit nicht besonders hoch in der Gunst des Dunklen Lords steht. Draco will sich beweisen, er könnte leicht etwas Unbedachtes, Gefährliches tun. Ich bitte dich, Severus, hab ein Auge auf ihn. Ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann, schließlich hast du seinetwegen ja im letzten Jahr den Unbrechbaren Schwur abgelegt – und alles getan, um ihm zu helfen. Daher bitte ich dich heute noch einmal darum.
Der Dunkle Lord ist außerordentlich gereizt – und er lässt es besonders Lucius häufig spüren. Vielleicht kannst du – ja, ich wage es, dich darum zu bitten, - beim Dunklen Lord ein gutes Wort für ihn einlegen. Wir haben ihm unser gesamtes Anwesen zur Verfügung gestellt, doch behandelt er uns mit einer Herablassung und Verachtung, die mich nichts Gutes ahnen lässt. Ich habe Angst, Severus, nicht um mich, aber um Lucius und Draco.
Stell dir vor, am ersten Weihnachtstag bekam ER, dessen Name nicht genannt werden darf, einen noch nie dagewesenen Wutanfall. Nagini, du weißt schon, seine riesige Schlange, hatte Potter aufgespürt. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann war sie in Godrics Hollow, im Haus von Bathilda Bagshot. Aber sie konnte ihn nicht festhalten, und ER kam um ein Winziges zu spät, um Potter zu töten. Du kannst dir nicht vorstellen, wie zornig er war. Eine Spur der Zerstörung zog sich durch unser wunderschönes Anwesen. Zuerst dachte ich, er würde seine Schlange auch bestrafen, weil sie es nicht geschafft hatte, Potter für ihn festzuhalten, aber seltsamerweise tat er ihr nichts.

Die nächsten Zeilen waren durchgestrichen, doch Snape konnte die Worte noch erkennen.

Er ließ stattdessen seine Wut an uns aus, besonders an Lucius. Wahllos schlug er mit dem Cruciatus um sich...
Severus, ich habe Angst. Wie wird das alles nur enden?


Snape starrte auf das Pergament. Diese Frage hatte er sich auch schon so oft gestellt: Wie würde all das enden?

Der Brief schloss mit den Worten:

Ich erwarte keinen Antwortbrief von dir, unseren Uhu habe ich heimlich losgeschickt -
Severus, ich flehe dich an, beschütze meinen Sohn vor dem Zorn des Dunklen Lords, und -
wenn du es vermagst, versuche, etwas für Lucius zu tun.
In tiefer Dankbarkeit

Narzissa


„Ganz schön leichtsinnig...“, murmelte Snape vor sich hin und ließ dabei Narzissas Brief in Flammen aufgehen. Die kleine Katze mauzte erschrocken. Snape sprach beruhigend auf sie ein. Gut, dass ihn hier niemand hören konnte... Dann trocknete er mit einem lässigen Schlenker seines Zauberstabes das Gefieder des Uhus und sorgte mit einem gezielten ungesagten Impervius dafür, dass das Tier einen leichteren Rückflug hatte. Seltsam, dass ihm ein solcher Gedanke nicht früher schon gekommen war. Seit ein Tier an seiner Seite lebte, entdeckte er Dinge, über die er sich nie Gedanken gemacht hatte. So vieles war neu für ihn, doch er hatte keine Zeit, innezuhalten und darüber nachzudenken. Er fühlte eine ständige Anspannung, gepaart mit einer nie gekannten Müdigkeit. Manchmal kam er sich wie ein alter Mann vor.
Jeder schien im Moment etwas von ihm zu erwarten. Er schaute an die Wand hinter seinem Schreibtisch, wo Dumbledore wachte, Dumbledore, der so viel von ihm verlangte:

Er sollte die Schüler vor den Carrows beschützen, er sollte hoch in Voldemorts Gunst bleiben, er sollte herausfinden, wo Potter war und ihm das Schwert von Gryffindor übergeben, er sollte darauf achten, wann Voldemort seine Schlange sicher an seiner Seite hielt, um Harry dann mitzuteilen, dass er sterben musste, und er hatte noch überhaupt keine Vorstellung, wie er es bewerkstelligen sollte, dass Harry ihm überhaupt zuhören, geschweige denn glauben würde. Nun, Voldemort hatte Nagini in Godrics Hollow gelassen – noch war es also nicht so weit...
Und nun also auch noch Narzissa...
Snape war überzeugt, dass Voldemort geschickt mit Narzissas und Lucius' Ängsten spielte. Wenn er einen gefährlichen Auftrag für Draco gehabt hätte, dann, da war er sich sicher, hätte er davon gewusst. Voldemort genoss die Furcht der Malfoys, denn der Nimbus seiner Allmacht hatte deutliche Risse bekommen. Zweimal war Potter vor aller Augen dem Dunklen Lord entkommen, und nun war es ihm ein weiteres Mal gelungen, ihm zu entwischen, ihm persönlich. Nun konnte er keinen seiner Todesser dafür verantwortlich machen, also bekamen sie seinen Zorn zu spüren. Vielleicht hatte er ja auch einige der Gerüchte bemerkt, die unter seinen Anhängern kursierten, einige der Zweifel mitbekommen, ob dieser Potter nicht doch Kräfte hatte, die die ihres Herrn überstiegen.
Ja, Snape konnte gut verstehen, dass Voldemort wütend war.
Er gähnte und strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Schlaf, er brauchte dringend Schlaf, doch der Gedanke an seine nervenzerrüttenden Alpträume hielt ihn davon ab sich hinzulegen.
Sein Blick fiel auf das Denkarium, und er holte die antike Schatulle hervor. Dumbledore in seinem Rahmen murmelte ergriffen: „Sie haben sie gerettet.“ - „Nein, ich habe sie gestohlen, aus dem Büro von McGonagall“, erwiderte Snape trocken. - „Ich hatte sie Charity anvertraut“, wunderte sich Dumbledore, „doch sehen Sie sich ruhig alles an, es könnte sehr interessant für Sie sein, Severus, besonders die zweite Reihe.“ - „Ich hoffte eigentlich nur, dass die Beschäftigung mit diesen längst vergangenen Dingen mich von meinen ständig wiederkehrenden Alpträumen abhalten könnte.“ - „Nur zu, Severus, doch ob das Eintauchen in diese Erinnerungen dagegen hilft, bezweifle ich. Sie sollten sich ein wenig entspannen, hören Sie lieber ein wenig Musik, mein Freund. Auch das Streicheln einer Katze wirkt Wunder, das können Sie mir glauben.“
Als hätte sie jedes einzelne Wort genau verstanden, näherte sich das Tier, stupste mit der Pfote Snapes Hand an und begann zu schnurren. Während Snape Dumbledores Rat befolgte und das kleine Grauchen zu streicheln begann, fielen ihm schon die Augen zu.
Als er am nächsten Morgen erwachte, mit erholtem Geist und etwas schmerzenden Gliedern – warum hatte er eigentlich im Sitzen in seinem Sessel geschlafen? - beschloss er, sich noch einige der Erinnerungen anzusehen, von denen Dumbledore gemeint hatte, sie könnten lehrreich sein.
Doch womit beginnen? Er las die Beschriftungen sorgfältig durch. Sein Blick blieb an einem seltsam geformten Fläschchen hängen, das mit ebenso seltsamen Worten beschriftet war: „Schicksal – Vorbestimmung – Planung – oder einfach nur Zufälle? Eine Suche“
Snape gab die Substanz aus der Phiole vorsichtig in das runenverzierte Steinbecken, berührte sie kurz mit seinem Zauberstab und tauchte neugierig hinein.

Dumbledore saß vor dem Denkarium und betrachtete eine alte Erinnerung. Auf einem trostlosen, düsteren Flur sprach ihn ein Mädchen an: „Halten Sie das für eine gute Idee? Diesem Jungen noch mehr Magie beizubringen?“ Dumbledore sah sich erschrocken um, doch außer den beiden war niemand zu sehen.
„Sie müssen mir etwas versprechen: Bitte! Sie müssen die anderen Kinder in Ihrer Schule vor Tom beschützen, versprechen Sie mir das? Glauben Sie mir, dieser Tom ist sehr gefährlich, Sie werden noch an meine Warnung denken – und hoffentlich wird es dann nicht zu spät sein.“
Das Bild veränderte sich, eine junge Frau, das Haar zu einem strengen Knoten frisiert: „Sie haben mir versprochen, Ihre Schüler vor diesem Jungen zu beschützen. Sie haben mich nicht ernst genommen...“ Dumbledore flüsterte: „Ein Mädchen ist tot, eine meiner Schülerinnen, und niemand hat eine Erklärung dafür.“
„Sie wissen nicht, w i e er es getan hat, aber Sie sind sich sicher, dass er es getan hat, genau wie ich. Es ist etwas in seinen Augen...“ Snape musste sich sehr anstrengen, um Dumbledores nächste Worte zu hören. „Er scheint Gefallen zu haben am Töten...“ - „Nein, ich glaube, es ist das Gefühl der Macht, das er genießt, wenn er tötet. Er fühlt sich als Herr über Leben und Tod – und das ist, glaube ich, noch viel gefährlicher.“
Erstaunt sah Dumbledore seine Gesprächspartnerin an und jetzt erkannte Snape, dass es das Mädchen von vorhin war, nur einige Jahre älter. Wieso kamen ihm diese Augen nur so bekannt vor?
Diese Erinnerung musste schon sehr alt sein, denn Dumbledore war darin noch jung, sein Haar und sein Bart hatten noch keine Spur von Weiß.
Und wieder veränderte sich das Bild, und wieder sprach die junge Frau: „Krieg ist etwas Schreckliches, er zwingt harmlose, friedfertige Menschen, Dinge zu tun, die sie nie für möglich gehalten hätten, Dinge mit anzusehen, die sie ihr Leben lang nie wieder loslassen werden. Sprechen Sie sich aus, niemand wird davon erfahren, Ihr Geheimnis ist bei mir sicher, so wie die Geheimnisse so vieler anderer, die sich mir anvertraut haben.“

Als hätte Dumbledore genau auf diese Worte gewartet, stand er entschlossen auf und murmelte vor sich hin: „Ich werde sie aufsuchen, ich muss es ganz genau wissen. So viele Jahre... Warum habe ich nicht früher an sie gedacht?“

Diesmal war die Veränderung anders. Es war ein ganz und gar eigenartiges Gefühl, es kam Snape so vor, als sei alles, was er nun sah, eine Art bewegtes Bild, wie ein Abbild einer Erinnerung.
Zwei junge Leute standen einander gegenüber. Die junge Frau aus der letzten Erinnerung und ein ausgesprochen gut aussehender junger Mann. Snape musterte ihn interessiert: Wache, intelligente Augen, eine sehr stolze Haltung, eine aristokratische Blässe, sehr feingliedrige, gepflegte Hände, die mit einem offenbar antiken Ring spielten. Der Stein kam ihm bekannt vor. Wo hatte er so etwas nur schon gesehen? Es wollte ihm einfach nicht einfallen. Der Junge fragte mit leichtem Spott in der Stimme: „Nun, hast du deine Eltern gefunden?“ - „Ich weiß nun ganz sicher, dass meine Mutter wenige Tage nach meiner Geburt gestorben ist.“ - „Und dein Vater?“ - „Sie hat einen Brief hinterlassen, in dem sein Name gestanden haben soll, doch davon ist nur ein Schnipselchen übrig geblieben, Mrs. Cole hat es mir gezeigt. Mehr werde ich wohl nie erfahren. Und du – bist du vor deinen Vater hin getreten?“ - „Oh ja, ich bin vor ihn hin getreten...“ Er spielte mit dem Ring an seiner Hand und sagte leichthin: „Ein altes Familienerbstück.“ Die junge Frau schauderte. „Was hast du getan, Tom?“ - „Ich sagte doch, ich bin vor ihn hin getreten.“

Dumbledore schien aufgeregt. Jetzt sah alles wieder aus, wie es Snape aus dem Denkarium vertraut war, es schien – lebendiger. „Kannst du mir diesen Ring genau beschreiben?“
„Oh, das ist schon so lange her, aber ich glaube, es war eine Gravur auf dem Stein. Er war schwarz, wie für einen Mann gemacht, es war, glaube ich, ein einfaches geometrisches Muster. Ein Dreieck, genau in der Mitte geteilt, das einen Kreis umschließt.“- „Sah es so aus?“, Dumbledore skizzierte es auf einem Blatt Papier. „Ja, genau so.“ - „Und er hat gesagt, es sei ein altes Familienerbstück?“ - „Genau das waren seine Worte – und ich bin mir sicher, er hat seinen Vater getötet“, flüsterte die Frau, nun nicht mehr jung, sondern mit weißem Haar – und nun endlich erkannte Snape sie. Es war Charity Burbage. Doch wer war dieser hübsche Junge, dieser Tom, von dem sie glaubte, er habe seinen Vater getötet?
„Wie hast du es herausgefunden? Du musst wissen, er hat tatsächlich seinen Vater getötet, und außerdem noch seine Großeltern.“
Entsetzt schaute Charity hoch:„Und er ist nie dafür bestraft worden, auch nicht bei Ihnen?“
Resigniert entgegnete Dumbledore:„Ein anderer hat, in der Überzeugung, diese Morde begangen zu haben, die Tat gestanden und den Rest seines Lebens im Gefängnis verbracht. Ich weiß es erst seit kurzer Zeit, aber wie um alles in der Welt hast du es herausgefunden?“ - „Ich kann das nicht erklären, es war etwas in seinen Augen, wie damals, als dieses Mädchen aus Ihrer Schule gestorben ist. Natürlich gibt es keine Beweise, aber die Art, wie er diese Worte ausgesprochen hat: 'Ja, ich bin vor ihn hin getreten!' - mir ist es eiskalt den Rücken heruntergelaufen. Und er wusste es. Er hat seitdem immer vermieden, mit mir zu sprechen. Hätte man ihn nur damals aufhalten können! Albus, warum hast du ihm nicht Einhalt geboten, damals?“ - „Ich glaube, jeder hat eine zweite Chance verdient, ich hoffte damals, er habe sich geändert.“ Charity schüttelte den Kopf.

Und wieder veränderte sich das Bild, Snape fand sich in einem Lehrerbüro in Hogwarts wieder, und nun, da er ihn von vorn sah, erkannte er Horace Slughorn. In der Gruppe der Schüler die offenbar gerade im Begriff waren, sich zu verabschieden, stand auch der hübsche Junge, den er eben schon in einer anderen Erinnerung gesehen hatte – und er trug den Ring am Finger, für den Dumbledore viele Jahre später ein solch ungewöhnliches Interesse gezeigt hatte. Und jetzt erkannte Snape ihn wieder – es war der Ring, den der ehemalige Schulleiter hier in diesem Büro versucht hatte zu spalten, mit dem Schwert von Gryffindor. Jener Ring, auf dem ein solch starker, letztlich tödlicher Fluch gelegen hatte, dass selbst all sein Wissen über schwarze Magie Dumbledore nicht retten konnte. Und doch hatte jener immer den Eindruck gemacht, dass es ihm weder um seine verdorrte Hand, noch um sein Leben Leid getan hatte, ja er hatte sogar einmal etwas in der Art geäußert, dass es das wert gewesen sei. Offenbar hatte Charity Bescheid gewusst, sie wusste, was es mit diesem Ring auf sich hatte. Snape hatte das Gefühl, als würde ihm nur noch ein winziges Puzzleteil fehlen, dann würde er auch endlich verstehen, was das alles bedeutete und weshalb er Potter das Schwert geben sollte.
Noch einmal veränderte sich die Szenerie. Es war noch immer das Schulleiterbüro, doch diesmal sah Dumbledore sich wieder eine alte Erinnerung an, und er war nicht allein dabei. Neben ihm saß Harry Potter. Dumbledores Hand war verdorrt, es musste also im letzten Schuljahr gewesen sein.
Es klopfte an der Tür – und herein trat jener junge Mann, jener Tom, den er gerade im Gespräch mit Slughorn gesehen hatte. Doch nein, etwas war anders. Die hübschen Gesichtszüge hatten sich verändert, waren seltsam verwischt. „Wie ich höre, sind Sie inzwischen Schulleiter.“ Auch seine Stimme hatte sich verändert, sie war kälter geworden, höher. Snape hielt den Atem an. Er kannte diese Stimme...
„Nun, Tom... was verschafft mir die Ehre?“ Dumbledores Hand reichte ein Glas Wein herüber.
„Man nennt mich nicht mehr Tom. Inzwischen bin ich unter dem Namen...“
Keuchend atmete Snape aus. Dieser Tom, dieser einstmals so hübsche Junge, das war - ER.
Snape hörte der Unterhaltung nicht mehr richtig zu, er sah die beiden nur an und spürte, dass dies eine Form von Kräftemessen war, und er spürte auch, dass eine Spur von Resignation von Dumbledore ausging, als er sagte: „Die Zeiten sind längst vorbei, da ich ..Sie zwingen konnte, für Ihre Verbrechen zu bezahlen. Aber ich wünschte, ich könnte es, Tom...“
„Warum? Warum kam er zurück? Haben Sie das jemals herausgefunden?“ Die Fragen sprudelten geradezu aus Harry heraus.
Snape schwirrte der Kopf, er konnte kaum fassen, was er da soeben gesehen hatte.
Dumbledore riss sich aus der alten Erinnerung los, er saß allein im Büro, den Kopf in die Hände gestützt, zahlreiche seiner seltsamen blinkenden Instrumente um sich herum und wiederholte Harrys Frage: „Warum?“-
„Was hat er wirklich gewollt? Was ist, wenn meine Vermutungen falsch sind?
Harry – der Auserwählte – gibt es so etwas wie Schicksal? Wieviel davon liegt wirklich in unserer Hand?“ Er schien so versunken, dass er nicht zu bemerken schien, wie er seine Gedanken leise vor sich hin sprach. Immer noch ganz in Gedanken erhob sich Dumbledore, er verließ sein Büro.
Snape folgte ihm durch die Gänge von Hogwarts. Sein Schritt war dabei beinahe beschwingt, jetzt, da er keine hämischen Blicke befürchten musste, weil niemand ihn sehen konnte. Vor dem Büro der Muggelkundelehrerin verhielt Dumbledore seine Schritte, klopfte an und trat ein. Charity freute sich über den Besuch, machte Tee, stellte Kekse auf den Tisch und sagte:„Lang ruhig zu, es wird ja eine längere Unterhaltung, wenn ich mir dich so ansehe.“ Dumbledore schmunzelte: „Dir kann man eben nichts vormachen. Wie machst du das nur?“ - „Aber Albus, ich habe es dir doch schon so oft zu erklären versucht.“
Snape horchte auf. Würde er nun endlich erfahren, wie diese kleine alte Hexe sein größtes Geheimnis erfahren hatte?
Doch Charity ging nicht weiter auf diese Frage ein, sie schaute ihren späten Gast an und stellte mit leicht tadelndem Unterton fest: „ Die Sache hat dich doch nicht losgelassen, nicht wahr? Du quälst dich mit der Frage, ob dich all deine Vermutungen auf den richtigen Weg geführt haben, ob du dich nicht vielleicht doch geirrt hast - und ob der Junge bereit ist. Du willst Gewissheit, möchtest gern hören, dass dein und sein Opfer nicht vergebens sein werden, du machst dir Sorgen um diese Schule, um Severus...“
Snape konnte nicht umhin, er war beeindruckt, wie Charity scheinbar mühelos Gedanken zu lesen schien.
Doch Dumbledore schien das überhaupt nicht zu beunruhigen, er schaute sein Gegenüber nur erwartungsvoll an. Doch sie goss ihm Tee nach und stellte dann die Kanne mit einer energischen Bewegung ab. „Albus, du weißt doch ganz genau, dass ich nicht in die Zukunft sehen kann. Ich verstehe ja, dass es dich nach einer Bestätigung verlangt, aber ob deine Ahnungen und Vermutungen richtig sind, - so leid es mir tut, du wirst es in diesem Leben nicht mehr herausfinden, und wenn ich meinen Plan durchführen kann, werde auch ich es nicht mehr erfahren. Wir werden beide tot sein, bevor diesem psychopathischen Massenmörder das Handwerk gelegt wird. Und all seine Anhänger, von denen viele nicht weniger gefährlich sind...“, sie strich sich eine widerpenstige Haarsträhne aus der Stirn, „...das wird noch ein langer Weg, Albus. Uns bleibt nichts anderes übrig als zu hoffen, dass andere ihn fortsetzen werden.“
Dumbledore runzelte die Stirn, schob seine Brille zurecht und streichelte gedankenverloren Charitys kleine graue Katze. Doch die entwand sich seinen Fingern, sprang auf eines der Regale an der Wand, schob vorsichtig mit ihrem Kopf den Deckel von einer der Dosen und angelte mit der Pfote darin herum und warf etwas daraus auf den Teppich. Wie ein Blitz sprang sie hinterher und es knackte zwischen ihren Zähnen. Dann sprang sie auf Charitys Schoß und ließ sich streicheln.
„Albus, eines kann ich dir mit großer Sicherheit sagen: Harry Potter ist fest entschlossen. Er wird alles tun, um diesen Tom zu besiegen. Und er wird dabei nicht allein sein. Ich habe dieselbe Hingabe, dieselbe unbedingte Entschlossenheit, in den Augen seiner Freunde gesehen, obwohl ihnen offenbar noch nicht völlig klar ist, dass sie eine schier unlösbare Aufgabe vor sich haben.“ Dumbledore beugte sich vor und sagte mit verschwörerischer Miene: „Ich glaube, deine Idee, tief in Riddles Vergangenheit nachzuforschen, Ereignisse und Orte zu finden, an denen er als Junge besondere Macht über andere ausgeübt hat, hat mich einen weiteren aufspüren lassen.“ Aufgeregt unterbrach ihn Charity: „Ist es diese Höhle am Meer?“ Dumbledore nickte: „Harry hat mich gefragt, ob er mitkommen darf, wenn ich versuche, ihn an mich zu nehmen. Du hast Recht, Charity, der Junge ist entschlossen, ich habe ihm versprochen, dass er mitkommen darf.“ -
„Der Auserwählte... , wenn man dem Tagespropheten glauben darf...“ Charity lehnte sich zurück und fügte leise hinzu: „Ich glaube ja, dass es darauf überhaupt nicht ankommt. Wichtig ist doch nur, wie er selbst zu dieser Sache steht, oder?“ Dumbledore nickte.
Mit einem Lächeln flüsterte Charity: „Weißt du, Albus, dass ich mich auch einmal für auserwählt gehalten habe? Ich glaube, ich habe das noch nie jemandem erzählt, aber ich habe diesen Gedanken viele Jahre als innere Überzeugung in mir bewahrt, und wer weiß, vielleicht ist ja doch etwas dran...“ Sie goss sich etwas Tee nach und setzte hinzu: „Nicht, dass du jetzt denkst, ich hielte mich für etwas Besonderes“, Albus unterbrach sie lächelnd: „Aber du bist etwas Besonderes!“ -
„Jeder Mensch ist etwas Besonderes, Albus, so habe ich das nicht gemeint mit dem Auserwählt-Sein.“ Dumbledore hatte sich wieder bequem hingesetzt. „Langweile ich dich auch nicht mit diesen alten Geschichten?“, vergewisserte sich Charity leise.“Du erinnerst dich sicher noch, wie du mir vor vielen Jahren von einer für dich schrecklichen Erinnerung erzählt hast. Ich sehe diesen jungen Albus vor mir, wie er da steht und mit zuckenden Schultern eine kleine Phiole an sich drückt. Dein Körper hat damals schon gewusst, was ich dir erst viel später erklärt habe, dass diese Erinnerung, so schlimm sie auch für dich sein mag, eine Kostbarkeit ist, etwas, worum ich dich sogar beneiden könnte...
Weißt du, Albus, jedes Waisenkind träumt davon, seine Eltern zu finden, von dort weggeholt zu werden, zu erfahren, dass alles nur ein Irrtum war und jemand nur darauf wartet, einen in den Arm zu nehmen und zu lieben. Wir alle träumten irgendwie von einem richtigen Zuhause. Manchmal ist es aber für die seelische Gesundheit eines Kindes besser, wenn es die Wahrheit erfährt, zumindest weiß ich, dass eine der Schwestern, die dort arbeiteten, so dachte. Sie war eine sehr gläubige Frau, und sie nahm mich eines Tages beiseite und erklärte mir, nicht ohne eine gewisse Ergriffenheit und den Verweis auf Gottes Fügungen, was man über meine Herkunft in Erfahrung gebracht hatte. Das Heim war damals überbelegt und derartige Nachforschungen nach Angehörigen, die man möglicherweise in die Pflicht nehmen konnte, wurden von der Heimleitung unterstützt.
Ich erzähle dir diese Geschichte zum besseren Verständnis der Reihe nach, nicht so, wie ich Bruchstück für Bruchstück, Puzzleteilchen für Puzzleteilchen in Erfahrung gebracht habe.
Meine Mutter war schon schwanger, als ihr Freund, der sie heiraten wollte, ihr eröffnete, dass er sich nicht gegen seine Familie stellen könne. Er schlug ihr allen Ernstes vor, als Hausangestellte bei ihm zu bleiben und das „Verhältnis“, wie er es nannte, fortzusetzen, wenn sie das leidige Problem – mich – aus der Welt geschafft hätte. Er gab ihr Geld und eine Adresse in London, damit sie „es“ wegmachen lasse. Sie ist auch tatsächlich dorthin gefahren, doch als sie vor dem besagten Haus stand, bekam sie es mit der Angst. Sie war ein gläubiger Mensch, was sie getan hatte, war sündig, aber was sie nun im Begriff war zu tun, war eine viel größere Sünde – und es war strafbar. Also beschloss sie, das Kind zu bekommen. So entging ich das erste Mal dem Tod.
Die Geburt war schwer, der Arzt soll gesagt haben, er könne nicht beide retten, man hielt mich schon für tot, doch ich blieb am Leben, während meine Mutter wenige Tage später starb. So war ich das zweite Mal dem Tod entgangen. Die Frau, die sich um meine Mutter gekümmert hatte - und auch um mich, musste kurze Zeit später die Stadt verlassen. ( Ich glaube, als sie mir Jahre später davon erzählte, hat sie die Umstände ein wenig zu ihren Gunsten verändert, doch das spielt keine Rolle.) Sie legte mich – in eine Decke und ein paar Tücher gewickelt, einen Brief meiner Mutter in die Decke mit eingepackt – auf die Treppe der kleinen Kirche. Die Ratten vom Fluss müssen dieses Bündel für ein Festmahl gehalten haben...“
Charity entblößte ihren linken Unterarm und Snape sah furchtbare Narben. Dumbledore schaute sie erschrocken an, doch Charity fuhr fort: „Und hier nun entging ich ein drittes Mal dem Tod, denn der Kater der Pfarrersköchin und eine kleine Streunerin lieferten sich einen heftigen Kampf mit meinen Peinigern. Die Pfarrersköchin soll am nächsten Morgen in Ohnmacht gefallen sein, als sie die Tür aufmachte und vier tote Ratten auf der Treppe liegen sah, unweit daneben ihren Kater und eine fremde Katze neben einem kleinen Bündel, aus dem ein ganz leises Wimmern drang. Tja, die beiden Katzen haben mir das Leben gerettet, sie haben die Wunden geleckt und mich gewärmt. Der Arm sah schrecklich aus, man brachte mich zu einem Arzt, der allerdings nicht viel Hoffnung hatte. Ich bekam hohes Fieber, die Wunden hatten sich entzündet und ich war sehr schwach. Doch noch einmal entging ich dem Tod und kam schließlich ins Waisenhaus von Mrs. Cole, wo wir beide uns das erste Mal begegnet sind. Kannst du dir vorstellen, was diese Geschichte für einen Eindruck auf mich gemacht hat? So viele Hindernisse auf dem Weg ins Leben – so viele Gelegenheiten, den Tod zu finden, und doch lebte ich. Ja, ich glaubte, das müsse einen Sinn haben, vielleicht hatte das Schicksal etwas Besonderes mit mir vor. Ja, ich hielt mich für auserwählt. Damals gab mir dieser Gedanke Kraft; in schier aussichtslosen Situationen habe ich mich daran festgehalten, auch wenn ich heute natürlich weiß, dass das alles nur eine Abfolge von Zufällen war, die nichts bedeuten, - damals fand ich Halt an dieser Idee. Ich, ein unbedeutendes kleines Mädchen, bestimmt zu etwas Großem... - na, d u kannst dir bestimmt sehr gut vorstellen, wie ich mich damals gefühlt habe: Charity – die Auserwählte...“ Sie schüttelte den Kopf.
Dumbledore fragte nach: „Und dein Vater? Hast du jemals etwas über ihn herausgefunden?“
„Weißt du, Albus, das war eigenartig. Nachdem ich sicher wusste, dass meine Mutter tot ist und mein Vater mich nicht gewollt hat, habe ich aufgehört, mich für ihn zu interessieren.
Das war übrigens der große Unterschied zwischen Tom und mir in dieser Frage. Während mir dieser Vater, der mich nicht gewollte hatte, völlig gleichgültig war, schien Tom, der inzwischen in Erfahrung gebracht hatte, dass seine Mutter bei seiner Geburt gestorben war, regelrecht besessen von dem Gedanken, seinen Vater zu finden.“ Und mit tonloser Stimme fügte sie leise hinzu: „Und er hat ihn ja schließlich auch gefunden...“ -
„Ach ja, und meinen Vater habe ich schließlich auch kennengelernt. Es war im Krieg und keine sehr erfreuliche Begegnung, dieses erste Treffen, ganz im Gegenteil, doch das ist schon wieder eine andere Geschichte, an der übrigens du schuld bist.“ Sie lachte leise auf: „Wir haben einander ganz schön angeschnauzt, ich war wirklich nicht nett zu ihm, aber mit den Jahren wird man nachsichtiger...“ - „Was hab ich denn damit zu tun gehabt, ich kann mich an nichts dergleichen erinnern?“ , wunderte sich Dumbledore. „Nun, er hat mich damals überprüft, schließlich arbeitete ich in einem Militärhospital, und es gab Zweifel an meiner patriotischen Loyalität.“ Mit einer wegwerfenden Handbewegung erklärte sie:„Man witterte damals überall Spione, und ich war schließlich mehrere Male in Gesellschaft eines ausgesprochen verdächtigen, exzentrisch gekleideten Individuums beobachtete worden.“ Charitys Augen blitzten, als sie hinzufügte: „Mal ehrlich, dieses pflaumenblaue Jackett mit dem Paillettenkragen, das du damals immer trugst, das war schon ein bisschen...“ - „Ich hatte keine Ahnung, dass dich meine Besuche in Schwierigkeiten bringen könnten.“ Dumbledore wirkte bestürzt, doch Charity lächelte: „Ich war ja nicht in Schwierigkeiten, ich hatte ja nichts Verbotenes getan, und den Verdacht konnte ich leicht entkräften.“ - „Aber was um Himmels willen hast du denn über mich erzählt?“ Noch immer lächelnd entgegnete Charity: „Na die Wahrheit natürlich, du weißt doch, dass ich nicht wirklich lügen kann.“ Entsetzen malte sich auf Dumbledores Gesicht. Er stammelte erschrocken:„Die Wahrheit, aber wie ...“
Charity lachte wie über einen gelungenen Streich: „Ich habe erzählt, dass du eine private Internatsschule im Norden leitest und dass ich dich aus dem Waisenhaus kenne, wo du einem unserer Zöglinge ein großzügiges Stipendium angeboten hast – und dass man einen solchen Kontakt mit einem wohlwollenden Gönner, der mittellosen Waisen zu einer guten Ausbildung verhelfen kann, pflegen sollte. Na ja, und dass man da über ein paar exzentrische Kleidungsgewohnheiten und Verhaltensweisen durchaus hinwegsehen kann...“
Dumbledore schüttelte den Kopf und murmelte: „Die Wahrheit...“, doch Charity sagte forsch: „Ich habe nur die reine Wahrheit gesagt, keines meiner Worte war gelogen.“
Charitys Augen blitzten wieder und Snape konnte plötzlich hinter all den Falten und Runzeln dieses alten Gesichts das junge Mädchen von damals erkennen, als sie sagte: „Albus, weißt du, es kommt wirklich nicht darauf an, was diese Prophezeiung letztlich bedeutet, bedeutsam ist nur, was Harry selbst darüber denkt – und glaube mir, wenn er davon überzeugt ist, dass e r all die Schrecken, all dieses Morden, beenden kann, dann wird ihm das helfen, es auch tatsächlich zu tun. Mehr können und werden wir niemals wissen. Wir können nur hoffen, Albus. Du musst Harry vertrauen, genau wie du Severus vertraust. Weißt du, ich glaube, er wird es am schwersten haben. Wenn alles so kommt, wie du es geplant hast, werden ihn alle hier hassen. Und er wird sich niemandem anvertrauen können. Stell dir doch mal vor, was alle über ihn sagen und denken werden: Dumbledores Mörder...“ - „Du hast - wie immer - Recht, Charity, ich weiß, dass ich sehr viel von ihm verlangen muss, vielleicht zu viel...“
Zu hören, wie die beiden hier über ihn sprachen, verursachte ein seltsames Ziehen in Snapes Magengegend. Dieses Gespräch schien eine Fortsetzung vieler anderer Unterhaltungen zu sein, Snape verstand nicht, was Dumbledore mit der Suche in Toms Vergangenheit meinte, was er aufgespürt zu haben glaubte, was er Harry aufgetragen hatte. Doch eines verstand er: In diesem Plan spielte er, Severus Snape, eine Rolle, auch wenn er deren Einzelheiten nicht genau kannte, und Dumbledore vertraute ihm, ohne jeden Zweifel. Er verließ sich auf ihn, und mit einer Art grimmiger Entschlossenheit dachte er bei sich, dass Dumbledore sich ganz sicher sein konnte: Er würde ihn nicht enttäuschen.
Charity beugte sich leicht nach vorn und sah Dumbledore in die Augen:
„Weißt du, ich habe dir ja von meiner Idee erzählt, eigentlich gefällt mir der Gedanke, dass das letzte, was ich in diesem Leben tun werde, eine Hilfe für den Auserwählten sein wird. Wenn ich diesen Riddle dazu bringen kann, an seine Horkruxe zu denken, wenn Harry unbemerkt in seinen Geist eindringt, drei, sagtest du ja, sind es , die er noch finden muss – und die Schlange - dann hat das alles doch einen Sinn, dass ich überlebt habe, dass mich wieder einmal eine Katze gerettet hat. Man könnte doch auf die Idee kommen, dass es genau so sein muss...“
Dumbledore antwortete nicht gleich, und Snape biss sich auf die Lippen. Er konnte nicht glauben, was er da gerade gehört hatte. Horkruxe. Nicht Horkrux, nein, Horkruxe. Mehrere. Konnte das wahr sein? Hatte Voldemort Stücke seiner Seele verborgen und sicher aufbewahrt, damit er niemals sterben konnte? Offenbar. Es passte alles zusammen. Und Dumbledore hatte wahrscheinlich schon einen oder mehrere zerstört. Danach hatte er also gesucht, wenn er im letzten Jahr fast ständig unterwegs war – und das war sein wahres Ziel gewesen am Abend seines Todes. Natürlich, und deshalb war dieser Potter bei ihm. Es war, als hätte plötzlich jemand ein Licht in seinem Gehirn angeknipst – plötzlich fügten sich so viele unerklärliche Dinge zusammen. So viele Fragen beantworteten sich mit einem Male nahezu von selbst. Warum war Voldemort nicht gestorben nach seinem Angriff auf die Potters? Warum hatte Dumbledore im Ministerium nicht einmal den Versuch unternommen, ihn zu töten? Was musste der Junge tun? Und warum sollte er auf Nagini achten? Natürlich, wenn ER sie sicher an seiner Seite halten würde, unter starkem magischen Schutz, dann wären seine Horkruxe zerstört, dann wäre Nagini der letzte. Und dann musste der Junge sterben. Das also hatte Dumbledore gemeint, als er von einem Stück der Seele des Dunklen Lords gesprochen hatte, einen unfreiwilligen Horkrux... Snape schauderte. Vor vielen Jahren hatte er einmal etwas über diesen Zauber gelesen. Der Gedanke, seine Seele zu zerstören, war ihm so schrecklich erschienen, dass er sich nicht vorstellen konnte, dass irgendjemand es auch nur versuchen würde. Und ER hatte mehrere gemacht... Wie viele es wohl waren? Konnte es sein, - drei und die Schlange, dazu der, den Dumbledore bereits zerstört hatte und der, den sie an seinem letzten Tag gesucht hatten – konnte es sein, dass ER sieben Horkruxe gemacht hatte. Die Sieben, die stärkste magische Zahl... Aber das war doch Wahnsinn! Und doch, Wahnsinn, das war das einzige, was Snape einfiel, wenn er jetzt an den Dunklen Lord dachte, an sein Dunkles Mal, an seine letzte Begegnung mit ihm.
Er war so in seine sich überschlagenden Gedanken vertieft, dass er gar nicht bemerkt hatte, wie er aus der Erinnerung aufgetaucht und in sein Büro zurück gelangt war. Er schaute Dumbledores Portrait an, doch der schlief in seinem Rahmen. Der von Phineas Niggelus war noch immer leer.
Er schloss das Denkarium ein und öffnete die Bürotür. Alles schien ruhig, er erwartete auch keinen Besuch, also beschloss er, sich noch ein paar Stunden Schlaf zu gönnen, bevor er wieder seinen zahlreichen Verpflichtungen als Schulleiter nachkommen musste. Ob nun das Eintauchen in alte Erinnerungen oder die Fülle an neuen, unerhörten Gedanken etwas damit zu tun hatten – sein Schlaf war tief und fest, und er wunderte sich, dass es stockdunkel war, als ihn eine aufgeregte Stimme weckte:
„Schulleiter! Schulleiter!“
Das Rufen kam aus dem Rahmen von Phineas Niggelus. Stolz verkündete er:
„Sie kampieren in Forest of Dean! Dieses Schlammblut -“
„Benutzen Sie dieses Wort nicht!“ Snapes Ton war schneidend.
„-dieses Granger-Mädchen, also, sie hat den Ort erwähnt, als sie ihre Tasche öffnete, und ich habe sie gehört!“
„Gut. Sehr gut!“, rief das Porträt von Dumbledore. Albus schien immer im richtigen Moment zu erwachen. Aufgeregt flüsterte er: „Nun, Severus, das Schwert! Vergessen Sie nicht, dass es nur in Not und mit Heldenmut genommen werden darf – und er darf nicht wissen, dass es von Ihnen kommt!
Wenn Voldemort in Harrys Gedanken eintauchen sollte und sieht, dass Sie für ihn handeln -“
„Ich weiß“, sagte Snape knapp. Er ging auf das Portrait zu und zog seitlich am Rahmen. Die verborgene Feder offenbarte ein Geheimfach, in dem das Schwert von Gryffindor verborgen war. Das echte, von dem alle dachten, es sei sicher im Verlies von Bellatrix Lestrange in Gringotts verwahrt.
„Und Sie wollen mir immer noch nicht sagen, warum es so wichtig ist, Potter das Schwert zu geben?“, fragte Snape, als er einen Reisemantel über seinen Umhang schwang.
„Nein, ich denke nicht. Er wird wissen, was er damit tun soll. Und, Severus, seien Sie vorsichtig, nach George Weasleys Unglück werden die sich womöglich nicht besonders über Ihr Erscheinen freuen -“
„Machen Sie sich keine Sorgen, Dumbledore“, sagte Snape kühl. „Ich habe einen Plan...“

Doch nicht nur das, während er sich auf den Weg machte, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Natürlich: Es war eine koboldgearbeitete Klinge, was er da trug. Vor fünf Jahren hatte Potter damit den Basilisken in der Kammer des Schreckens getötet. Diese Waffe hatte aufgenommen, was sie stärkte. Sie war mit Basiliskengift getränkt! Und Dumbledor hatte mit diesem Schwert einen Stein gespalten, es war dieser Ring, über den Charity mit Albus geredet hatte, ein Ring, den Voldemort – es fiel ihm schwer, an ihn als den Tom zu denken, den er in den Erinnerungen gesehen hatte. Doch, es war dieser Ring gewesen, beladen mit einem tödlichen Fluch. Hatte Dumbledore mit dem Schwert von Gryffindor einen Horkrux zerstört? In Not und mit Heldenmut – hatte er sich etwa absichtlich in Lebensgefahr gebracht, damit er das Schwert benutzen konnte? Wie zerstörte man nur so einen Horkrux? Snape konnte sich nicht erinnern, jemals etwas darüber gelesen oder gar gehört zu haben. Doch dieses Schwert, getränkt mit dem Gift des Basilisken – und wer weiß, womit noch in all den Jahren, seit es schon existierte, es konnte offenbar Horkruxe zerstören...
Während all diese Gedanken seinen Kopf durchströmten, hatte er das Ende der Schlossgründe erreicht. Es war noch immer dunkel, auch wenn man wegen der dichten Schneedecke ein paar Schritt weit sehen konnte.
Mit einem klaren Kopf wie schon seit langem nicht mehr, apparierte er zum Forest of Dean. Er legte einen Desillusionierungszauber über sich und wartete. Die Schutzzauber, die sie errichtet hatten, würde er nicht durchdringen können. Er machte sich auf die Suche nach Spuren von Magie.Es dauerte nicht lange, da wurde er fündig. Irgendwo hier in der Nähe mussten sie campieren. Er schritt zügig aus, in einiger Entfernung hatte er vorhin eine Art Reflexion bemerkt.
Er lief direkt darauf zu und richtig, vor ihm lag ein zugefrorener Weiher. Er nahm das Schwert vorsichtig heraus und stieß es ins Eis. Es ging hindurch wie durch Butter und blinkte am Grunde wie ein vergessenes Juwel. Nun musste er nur noch dafür sorgen, dass Potter es auch finden konnte. Erschrocken schaute er sich um. Er hatte etwas gehört. Doch wahrscheinlich spielten ihm nur seine überreizten Sinne einen Streich. Es war wohl doch nichts. Seine Schritte hinterließen tiefe Abdrücke im Schnee, die er mit einem Schlenker seines Zauberstabes beseitigte. Man hörte noch ein Knirschen, doch das konnte auch von einem Tier stammen. Snape war perfekt getarnt.
„Expecto Patronum!“ Eine silberne Hirschkuh brach aus seinem Zauberstab hervor und bewegte sich anmutig zwischen den Bäumen hindurch auf die Stelle zu, an der er Potter und seine Freunde vermutete. Nun hieß es warten. Alles an Snape war angespannt, er spürte die Kälte nicht, die langsam durch seine Glieder kroch. Und tatsächlich – da kam die silberne Hirschkuh zurück – und mit ihr – Potter. Er sah genauso erschöpft aus, wie Snape sich fühlte, war hagerer geworden. Und doch strahlte jede seiner Bewegungen eine Art grimmiger Entschlossenheit aus. Snape schaute zu, wie Potter seine Sachen ablegte und in den Weiher tauchte. Gleich musste er mit dem Schwert wieder auftauchen, doch er kam nicht wieder an die Oberfläche. Snape war schon entschlossen, sein Versteck zu verlassen und Potter herauszuziehen, da tauchte plötzlich eine weitere Gestalt auf, sprang in den Weiher und holte den Ertrinkenden heraus. Mit den Worten:“Bist - du – verrückt?! Warum zur Hölle hast du dieses Ding nicht abgelegt, bevor du reingesprungen bist?“ , hielt Ronald Weasley Harry ein Medaillon vor's Gesicht, das hypnotisch an einer abgerissenen Kette hin- und herbaumelte. In der anderen Hand hielt Ron das Schwert. Snape konnte nicht genau verstehen, worüber die beiden sprachen, nun, nachdem die Unterhaltung in normaler Lautstärke geführt wurde. Harry hatte merkwürdige Spuren der Kette an seinem Hals, so als hätte sie ihn gewürgt. Vielleicht konnte er noch in Erfahrung bringen, was es mit diesem Ding auf sich hatte, doch Ron lief genau auf sein Versteck zu und wäre beinahe in ihn hineingelaufen, also apparierte er ein Stück weiter, er hörte, wie die beiden rätselten, wer wohl die Hirschkuh geschickt und das Schwert im Weiher deponiert haben könnte, und ob es das echte sei. Da sagte dieser Potterjunge etwas sehr Seltsames, nämlich, dass es eine Möglichkeit gebe, das sofort herauszufinden. Das Medaillon mit seiner zerrissenen Kette baumelte immer noch in Rons Hand, es sah aus, als würde es sich von selbst bewegen, als wolle es fort von seinem Träger. Konnte es sein, dass...
Die nächsten Worte Potters, die er hören konnte, verscheuchten auch den letzten Zweifel:
„Ich werde es öffnen, und du erstichst es. Und zwar sofort, verstanden. Denn was immer da drin ist, es wird sich wehren. Das Stück Riddle in dem Tagebuch hat versucht mich umzubringen.“

Snape hielt den Atem an. Sie hatten einen Horkrux gefunden, ein Stück von Voldemorts Seele steckte in diesem Medaillon. Deshalb also hatte es versucht, Potter zu erwürgen. Wirklich, außerordentlich leichtsinnig von diesem Bengel, es nicht vorher abzulegen...
Doch dann bot sich seinen Augen ein schreckliches Schauspiel: Er sah von weitem, wie aus dem Medaillon zwei Köpfe herauswuchsen. Es waren Harry und Hermine, aber sie sahen seltsam verzerrt aus und sprachen zu dem Weasley-Jungen mit vor Hohn triefenden Stimmen. Der hielt das Schwert hoch, war aber offensichtlich nicht fähig zuzustechen, denn immer wieder rief Potter ihm zu:“Erstich es! / Stich doch zu! Tu es, Ron!“ Endlich, nach wer weiß wie vielen quälenden Minuten stieß das Schwert auf das Medaillon nieder, ein markerschütternder Schrei war zu hören, das Medaillon qualmte leicht. - Es war vorbei.
Snape atmete erleichtert aus, offenbar wussten diese jungen Leute ganz genau, was sie taten – und er hatte ihnen das Schwert genau im richtigen Moment gebracht. Ein Stück von Voldemorts Seele war vernichtet, und er, Severus Snape, hatte das Seine dazu getan. Er apparierte zurück nach Hogwarts und während seine Schritte über den Schnee der Schlossgründe knirschten, wurde ihm bewusst, dass es nun noch viel mehr gefährliche Gedanken gab, die er vor einer erneuten Begegnung mit Voldemort im Denkarium verbergen musste. Trotzdem waren seine Schritte beschwingt, als er das Schloss betrat und sich in sein Büro begab. Dumbledore in seinem Portrait blinzelte:“Nun, Severus, ist es Ihnen gelungen?“ Snape entgegnete trocken: „Und mehr als das: Ich habe beobachtet, wie sie einen Horkrux zerstört haben.“ Dumbledore erschrak:
„Woher wissen Sie -“, doch statt einer Antwort zeigte Snape nur auf die Truhe und sagte vorwurfsvoll: „Sie hätten es mir ruhig sagen können.“ Dumbledore schüttelte den Kopf: „Severus, verstehen Sie doch, ich wollte Sie nicht noch mehr in Gefahr bringen. Ich wusste doch, er würde nicht zögern Sie zu töten, wenn er wüsste, dass Sie sein Geheimnis kennen. Und Sie wissen doch, wie wichtig es für diese Schule und für die Sicherheit der Schüler ist, dass Sie so lange wie möglich hoch in Voldemorts Gunst bleiben. Sie sind noch so jung, Severus, Sie sollten wenigstens eine Chance haben...“
„Sie haben mit Prof. Burbage darüber gesprochen.“ Es klang beinahe ein wenig trotzig, doch Dumbledore antwortete ganz gelassen: „Sie haben es ja gehört, sie hatte nur noch ein Ziel im Leben – diesem Tom, wie sie ihn immer nannte, das Handwerk zu legen. Sie wollte Voldemort herausfordern, um Harry einen Weg zu den Horkruxen zu bahnen, und sie hätte sich niemals umstimmen lassen. Außerdem, wie Sie ja selbst schon bemerkt haben, war es außerordentlich schwierig, etwas vor ihr zu verbergen.“
„Wie hat sie das nur gemacht? Welche verborgene Art von Legilimentik hat sie eingesetzt, um meine Verteidigung zu durchbrechen?“
„Aber Severus, haben Sie es denn noch immer nicht erkannt: Sie selbst haben es ihr verraten.“
Dumbldore lachte: „Ach, Severus, wenn Sie jetzt Ihr verdattertes Gesicht sehen könnten!“
Doch plötzlich verzerrten sich Snapes Züge: „Was haben Sie denn, Severus?“, fragte Dumbledore besorgt, doch statt einer Antwort biss Snape die Zähne zusammen und entblößte seinen linken Unterarm. Das Dunkle Mal brannte rot glühend. Voldemort rief seinen Diener zu sich.

Bevor Snape mit routinierten Bewegungen seine gefährlichen Gedanken, zu denen nun auch sein letztes Erlebnis im Forest of Dean gehörte, aus seinem Kopf zog und im Denkarium ablegte, durchzuckte ihn die Frage: „Hat er es bemerkt? Kann er es spüren, wenn ein Teil seiner Seele vernichtet wird? Was wird er tun?“
Doch als er sein Büro verließ war sein Schritt fest und seine Miene undurchdringlich.
In Malfoy Manor nahm er wortlos seinen Platz am Tisch ein, wie immer mit einer leichten Verbeugung und einem halb gehauchten:“Herr...“ seine Bereitschaft zeigend, die Befehle des Dunklen Lords zu erfüllen.
Nur die Spur eines leichten Nickens zeigte Narzissa, dass er ihren Brief erhalten hatte.


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