von Mary_Evans15
Huch, der hat meine Entschuldigung von gestern gar nicht geladen?!
Naja, egal. Zweiundzwanzigster kommt heute Abend noch.
Liebste Grüße, Marie
Einundzwanzigster Dezember
Das Joggen beruhigte mich wieder ein bisschen. Aber komplett legte sich meine Anspannung nicht.
Was hatte Yasmina hier zu suchen? Ja, auch ihre Eltern hatten hier ganz in der Nähe ein Familienhaus, aber musste sie unbedingt jetzt gerade Urlaub machen?
Ich wollte sie nicht wiedersehen. So hart es auch klang, aber Yasmina erinnerte mich an eine unglückliche, verkrampfte Zeit, in der ich so gar nicht ich selbst gewesen war. Ich hatte sie auf einer Party von Freunden kennengelernt, kurz nachdem wir die Schule beendet hatten. Sie war in Beauxbatons zur Schule gegangen und erst später nach England gezogen, daher kannte ich sie nicht aus Hogwarts. Schließlich waren wir sogar ein paar Wochen miteinander gegangen, aber sie war zu anhänglich, zu eifersüchtig für mich. Ich kam mir vor wie ein Goldfisch im Glas.
Doch auch nach unserer Trennung blieb sie mir nicht vom Hals.
Und anscheinend hatte sie es bis jetzt nicht vor.
Lily tat, als wäre nichts geschehen. Sie plapperte in einem fort mit Ruby, erledigte dies und das und meinte dann letztendlich, sie müsse sich noch einmal die Beine vertreten, fragte sogar, ob wir mitkommen würden. Widerwillig erbarmten wir uns.
Die Mädchen waren schon zum Meer vorgegangen, während Sirius und ich noch trödelten, um Zeit zu schinden. Das Wetter sah nicht sehr einladend aus, Wolken brauten sich über dem Himmel zusammen und von Zeit zu Zeit fielen bereits ein paar Regentropfen. Obendrein war es tatsächlich ungewöhnlich frisch geworden und wir fröstelten in unseren luftigen Sommerklamotten. Solch ein Wetter war ich von der Karibikinsel gar nicht gewöhnt und normalerweise hätten mich keine zehn Pferde vor die Tür gekriegt, aber meine Freundin hatte ja seltsamerweise einen besonders hohen Bewegungsdrang.
Ich lächelte über ihre Sturheit, als ich die Freundinnen durch das Fenster beobachtete, wie sie lachten und sich den atemberaubenden Himmel ansahen. Die Wolken verdüsterten das Meer, das jetzt beinahe eine dunkelblaue Färbung angenommen hatte. Alles sah bedrohlich aus, aber auch irgendwie faszinierend.
„Sie ist wirklich etwas ganz besonderes für dich, nicht wahr?“
Erschrocken zuckte ich bei Sirius Worten zusammen, so weit weg hatten mich meine Gedanken getragen. Verwirrt drehte ich mich zu ihm um. Er hockte ganz nah, zog sich seine Schuhe an und sah zu mir auf. Sein Blick war wissend, und doch schauten mich seine Augen so ernst an wie lange nicht mehr. Ich nickte nur.
„Dann ist doch Dumbledore ein sehr talentierter Partnervermittler“, fuhr er etwas fröhlicher fort und spielte damit auf unser Lauschen an seinem See im Hauptquartier an. Wir hatten nicht wenig mitgehört, anfangs unabsichtlich, dann mit immer mehr Interesse. Ein paar Tage vorher hatte ich Lily damit aufgezogen und lachend eine Kopfnuss kassiert. „Ich habe auch mitgehört, dass du mich wegen meiner Shampoos nicht leiden kannst“, hatte sie nur trotzig erwidert, nicht ohne rot zu werden. „Da kannte ich dich doch noch gar nicht!“, protestierte ich, ließ aber weitere Neckereien bleiben. Wer konnte schon wissen, was sie noch so in petto hatte.
„Aber du weißt, James, ihr müsst vorsichtig sein. Die Todesser nutzen jede noch so kleine Beziehung aus. Dumbledore mag ja recht haben, dass Vertrauen und Liebe gerade zu dunklen Zeiten wichtig ist, aber sie können auch gefährlich sein. Ich glaube nicht, dass Lily gefährlich ist, aber -“ Er zögerte. „- aber ich denke, sie schenkt manchen Menschen zu schnell das Vertrauen, von dem alle sprechen. So schade es auch ist, aber es ist nicht immer hilfreich, nur an das Gute im Menschen zu glauben. Nicht, dass Lily irgendwann den Feind direkt ins Hauptquartier bringt.“
Ich überlegte gerade, dass das wohl Sirius längste, ehrlichste und ernsthafteste Rede war, die er je gehalten hatte (nicht mal sein Referat über dunkle Flüche aller Art hatte er ruhig halten können – er hatte sich durchweg über die krankhaften Ideen einiger Leute amüsiert) und setzte gerade dazu an, ihm bewundernd auf die Schulter zu klopfen. Doch dazu kam ich nicht, denn ein markerschüttender Schrei, wenn er auch nur gedämpft durch die Wände zu hören war, ließ mich erst erstarren und dann aufspringen. Es war Lily gewesen.
Die Mädchen standen immer noch am Meer unter dem düsteren Himmel, aber sie waren nicht mehr allein. Aus der Ferne konnte ich zwei schwarze Schattengestalten erkennen, die bei ihnen standen. Einer der beiden fuchtelte aufgeregt mit dem Zauberstab, die andere – jedenfalls sah sie aus wie eine Frau - stand nur regungslos, aber kampfbereit daneben und beobachtete das Geschehen aufmerksam. Lily hatte es bereits zu Boden gerissen, ich konnte erkennen, wie sie wie eine Betende auf dem Sand verweilte, die Arme um ihren dünnen, zu leicht bekleideten Körper geschlungen. Ruby stand neben ihr und versuchte der Gestalt in dem dunklen Gewand Paroli zu bieten, aber auch sie sah schon geschafft aus. Lange würde sie das nicht mehr aushalten.
Sirius und ich fackelten nicht lange. Hektisch griffen wir nach unseren Zauberstäben und hasteten aus dem Ferienhaus heraus, Sirius mit einem Schuh und einem nur halb angezogenem Socken, direkt auf das so plötzlich entstandene Spektakel zu. Der Sand gab unter den Füßen nach und machte das Rennen beschwerlicher, ich hatte das Gefühl, gar nicht vorwärts zu kommen, als hätte man mich auf ein Laufband gestellt.
Jegliche Urlauber waren wie vom Erdboden verschluckt. Das Haus stand recht einzeln, aber es hatten sich immer Menschen herumgetrieben. Ich wusste nicht, ob es am Wetter lag oder an den Todessern. Nur ganz weit in der Ferne konnte ich einige Menschen knapp erkennen. Sie surften, grillten und lachten wahrscheinlich unentwegt. Sie würden uns weder hören noch überhaupt Notiz von dem Geschehen nehmen, es war ihnen egal. Was ja auch besser so war, sie hätten schließlich eh nichts ausrichten können.
„James!“, hörte ich Sirius hinter mir rufen. Wahrscheinlich wollte er mich aufhalten, wollte mir einen anderen Plan sagen, so wie sonst immer, wenn ich dazu neigte, impulsiv zu handeln. Aber dieses Mal kam seine Warnung zu spät.
Der Todesser hatte Ruby zu Boden geworfen und sich sie gestürzt. Bevor ich irgendetwas dagegen unternehmen konnte, verschwanden sie mit einem Plopp und eine schreckliche Leere blieb zurück.
„Nein!“, krächzte ich, und begann, Flüche gegen die Hinterbliebene abzufeuern. Sie hatte einen Zauberring um sich und Lily gelegt und so war es mir unmöglich, näher an die beiden heranzukommen. Gekonnt wich die Frau all meinen Flüchen aus und griff auch nach Lilys Arm, die anscheinend nicht einmal mehr die Kraft hatte, sich zu wehren. Was hatten sie bloß mit ihr gemacht?
Bevor auch die Frau ein Nichts hinterließ, fiel ihr noch die Kapuze herunter. Langes, blondes Haar fiel wie befreit aus der Kapuze heraus und legte sich auf ihre Schultern. Das Gesicht kam mir nur allzu bekannt vor.
„Yasmina!“, polterte ich, aber es war zu spät. Sie waren schon weg.
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