von Nitsrek
Sie wartete bis zum Schluss, wofür ich wohl nur dankbar sein konnte. Wartete, bis sie sah, dass die Welt gerettet war und ich frei von diesem verrückten Bastard war. Wartete bis ich sie ordnungsgemäß beerdigen konnte. Und dann strich sie über meine Haare, küsste meine Wange, sagte, ich solle glücklich sein, und ging. Narcissa Black hatte schon immer gewusst, wie man einen Abgang machte.
Zum ersten Mal war ich froh über all die Jahre, in denen ich mich niemandem anvertraut hatte. Ich schlüpfte mit Besorgnis erregender Leichtigkeit zurück in die Rolle des Eisprinzen, fror mein Herz, meine Gefühle und meine Tränen ein, damit ich zu der Bestattung gehen konnte.
Ich wusste, dass Hermine mich berühren wollte. Sie wollte meine Hand halten, wie sie es auch bei ihren Jungs tun würde, mich unterstützen und mir Halt geben, aber ich wusste, dass ich zusammenfallen würde, wenn sie meine Hand nehmen würde. Also steckte ich meine Hände in meine Taschen und ließ sie dort. Sie schien die Nachricht zu verstehen, oder vielleicht verletzte meine Handlung sie auch, und sie ließ mich während der Beerdigung in Ruhe.
Als wir unsere Rosen in das Grab geworfen hatten, kam Hermine zu mir und sagte, dass alle heim gingen. In ihren Augen sah ich, was sie wirklich meinte. Wenn du noch bleiben willst, wenn du noch Zeit brauchst, warte ich mit dir. Ich schüttelte meinen Kopf. Ich hatte mich von meiner Mutter verabschiedet, meine Pflicht erfüllt, und jetzt war es vorbei. Sie nickte behutsam und wir Apparierten zurück zum Grimmauld Place.
Ich ignorierte die Trauergäste im Wohnzimmer und ging geradewegs in mein Schlafzimmer, als wir ankamen, arbeitete mich durch den schäbigen Haufen von Besitztümern, die Narcissa sich geschnappt hatte, bevor wir aus dem Manor geflohen waren. Ein Teil von mir registrierte, dass das Ministerium mir bald das Manor übertragen würde und dass ich mich darauf vorbereiten sollte, zu gehen. Es hatte zwar niemand etwas gesagt, aber das hier war nicht länger das Hauptquartier des Ordens, sondern Potters Zuhause und ich hatte seine Gastfreundschaft beinahe überstrapaziert.
Sie überließ mich für eine halbe Stunde meinem Kummer, bevor sie sich nach mir umschaute. Ich saß am Schreibtisch, mein Koffer offen auf dem Bett, und starrte auf ein Foto, das ich noch nie gesehen hatte.
„Draco?“, fragte sie und lief um den Tisch. Ich hörte ihre Stimme, wusste aber nicht mehr, wie man antwortete. Zögerlich berührte sie meine Schulter und ich begann plötzlich, zu reden.
„Sie muss es genommen haben, bevor wir geflohen sind“, sagte ich und zeigte ihr das Bild. Es war ziemlich alt, vermutlich von einem Verwandten aufgenommen, nachdem wir alle drei auf dem Foto sind. Lucius hat den Arm um Narcissa und beide lächeln den kleinen Draco an, der auf einem Besen umherjagt. Auf der Rückseite steht Dracos erster Besen, Dritter Geburtstag.
Hermine lächelte das Foto an. „Ihr seht alle sehr glücklich aus“, sagte sie leise. Ich nickte und starrte aus dem Fenster. „Ich erinnere mich nicht daran“, antwortete ich. „Ein Moment, der ihr so wichtig war, dass sie das Foto mitnahm, obwohl ihr Leben in Gefahr war und ich erinnere mich nicht einmal mehr daran.“
„Draco“, sagte Hermine besorgt. „Du warst drei, du kannst dir keine Vorwürfe machen, weil du nicht mehr weißt, was passiert ist, als du drei warst.“
Ich merkte nicht, dass ich meinen Kopf schüttelte, bis mir eine Strähne in die Augen fiel. „Was weiß ich außerdem nicht?“, fragte ich die Frage, die mich beschäftigte, seit ich das Foto gefunden hatte. „Was gibt es sonst für Erinnerungen an sie, die niemand kennt, nur weil ich nicht gefragt habe?“
Sie kam näher und legte das Foto vorsichtig auf den Tisch. „Draco“, sagte sie ernst. „Du bist nicht allein. Es hängt nicht nur an dir, Erinnerungen an sie zu erhalten. Was ist mit Andromeda? Was ist mit Lucius’ Verwandten? Narcissas Freunden? All die Leute, die auf ihrer Beerdigung waren, erinnern sich an sie. Ich denke, du solltest mit nach unten kommen.“ Potter hatte angeboten, den Leichenschmaus auszurichten, da ich die nächsten Tage im Grunde obdachlos war. „Ihr könnt euch zusammen an sie erinnern“, ergänzte sie sanft.
„In einer Minute“, sagte ich und starrte auf das Foto. „Nur noch eine Minute.“ Es war mir peinlich, das Zittern in meiner Stimme zu hören, die Tränen in meinen Augen zu spüren. Und dann umarmte sie mich, hielt mich fest und ließ mich in ihre Schulter weinen. Als keine Tränen mehr übrig waren, holte sie einen feuchten Waschlappen aus dem Badezimmer und hielt ihn an meine Augen, wartete mit mir. Als ich das Wohnzimmer betrat, hielt sie meine Hand.
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