von Schneeflocke
Es konnte nur Schicksal sein, dass er hier neben Minerva durch die GĂ€nge von Hogwarts ging. Nicht einfach so, wie man neben seiner Schwester, seinen Eltern oder einer guten Freundin laufen wĂŒrde. Nein, ganz anders.
Das Besondere dieses Moments war, dass ihre schmale, warme Hand in seiner lag. Vertraut und doch noch ungewohnt. Unsicher und doch schĂŒtzend hielt er sie umfasst, um sie durch diese kleine Geste wissen zu lassen, dass er fĂŒr sie da war. Sie beschĂŒtzen wĂŒrde, ganz egal vor was. In erster Linie aber vor diesem arroganten Widerling aus Slytherin, der Minerva mit seinen Blicken verfolgte, wo immer sie sich ĂŒber den Weg liefen.
âIch muss da rum zum KrankenflĂŒgelâ, holte sie ihn aus seinen Gedanken.
Fenrir sah auf, erwiderte ihren Blick lĂ€chelnd. âDu willst das wirklich durchziehen, was?â
âWas denkst denn du?â Ihre Augenbrauen wanderten nach oben.
So und nicht anders kannte er sie. Von einem einmal gefassten Vorhaben war sie einfach nicht mehr abzubringen. Einer der vielen Eigenschaften, die er an ihr liebte. âIch dachte ehrlich gesagt, du wĂŒrdest es dir noch einmal ĂŒberlegen. Ich meine, möchtest du wirklich Heilerin werden? Du bist eine der besten in der Klasse, Verwandlung ist dein Lieblingsfach und dann ⊠Heilerin?â
Minerva lachte. Kein spöttisches Lachen, sondern ein helles, fröhliches Lachen.
Merlin, wie sehr er dieses Lachen liebte.
âJa, Heilerin. Ich kann mir gut vorstellen, Menschen durch mein Können zu helfen. Du denn nicht? Ich glaube, fĂŒr dich wĂ€re das auch nicht schlecht.â
âJa sicher.â Fenrir lehnte sich gegen die Wand, legte seine HĂ€nde um Minervas Taille und zog sie an sich. Ihre Blicke trafen sich. âIch werde eingehen in die Geschichte als Fenrir Greyback, der Arzt, der kein Blut sehen konnte.â Er senkte die Stimme, als er dieses peinliche Ereignis der jĂŒngsten Vergangenheit ansprach. In der letzten Stunde âPflege magischer Geschöpfeâ hatte der WildhĂŒter sie mit in den Wald genommen. Wie es der Zufall wollte, waren sie ĂŒber einen sterbenden Zentaur gestolpert, aus dessen massigen Pferdekörper literweise - so war es Fenrir erschienen - Blut floss. Er hatte sich hinter einem Baum ĂŒbergeben mĂŒssen und noch Tage spĂ€ter verfolgte dieses Bild ihn bis in den Schlaf.
âHey ⊠das wĂ€re vielen anderen auch nicht anders gegangen.â Minerva hob ihre Hand, fuhr mit ihren Fingerspitzen ĂŒber seine Wange.
Nur ihr hatte er anvertraut, was an diesem Nachmittag geschehen war. WĂ€hrend das ganze Schloss darĂŒber rĂ€tselte, wie der Zentaur den Tod gefunden hatte, war er damit beschĂ€ftigt gewesen, diesen Anblick zu vergessen.
âMag sein, aber Fakt ist, dass es mir passiert ist. Nein, ich bin fĂŒr nichts geschaffen, das mit Blut zu tun hat.â Er seufzte theatralisch und berĂŒhrte ihre Lippen sanft mit seinen. âSehen wir uns spĂ€ter?â
âHm, mal sehen. Ich möchte rĂŒber zum Quidditchfeld, Gryffindor hat heute Nachmittag Training. Komm doch einfach vorbei.â
âKeine schlechte Idee. Das nĂ€chste Spiel ist gegen Ravenclaw, ich könnte ein bisschen spionieren âŠâ Er lachte leise, wusste er doch genau, dass er Minerva mit solchen ĂuĂerungen bis aufs Blut reizen konnte. WĂ€hrend ihr Herz an diesem Spiel hing, versuchte er immer noch zu ergrĂŒnden, was so faszinierend dabei sein sollte, einem Ball hinter her zu fliegen.
âWag dich!â, lachte Minerva. âZum spionieren lungern die Slytherins schon stĂ€ndig auf dem Feld rum.â Dumpfe Wut klang in ihrer Stimme mit, was eigentlich so gar nicht zu ihr passte.
âLass mich raten, Riddle ist auch immer dabei.â
âJa, meist. Dabei habe ich noch gar nicht mitbekommen, dass er so ein groĂer Fan wĂ€re.â
âIst er auch nicht.â Fenrir grollte innerlich. Er wusste ganz genau, was der Slytherin auf dem Sportfeld suchte. Ihn interessierte Minerva sehr viel mehr, als das Spiel. âTu mir einen Gefallen und geh ihm ein bisschen aus dem Weg.â Schon als er diese Worte ausgesprochen hatte wusste er, dass er sie sich hĂ€tten sparen können.
Minervas Augen verengten sich, so wie sie es immer taten, wenn sie sauer war. âIch soll was bitte? Das kann ja wohl nicht dein Ernst sein. Denkst du, ich habe Angst vor diesem Wichtigtuer? Nur weil er Schulsprecher ist und ein paar Hirnlose ihn anhimmeln wie Merlin selbst, glaubt er, ihm wĂŒrde die Welt gehören!â
âSchon gut, schon gut âŠâ Fenrir seufzte leise. Er machte sich wirklich so seine Gedanken, denn Riddle war nicht nur fĂŒr seine Menschenfreundlichkeit bekannt. âPass nur ein bisschen auf, sei so gut.â
âWas hĂ€ltst du davon âŠâ Minerva trat noch einen Schritt auf ihn zu, war ihm nun so nahe, dass ihm beinah die Luft weg blieb und sein Herz irgendwo in seinem Hals zu pochen schien. â⊠wenn ⊠du auf mich âaufpassenâ wĂŒrdest?â
âNichts könnte mich davon abhalten.â Einige Sekunden ruhte Fenrirs Blick mit einem warmen LĂ€cheln auf Minerva, ehe er sich zu ihr hinab beugte und ihre Lippen mit einem Kuss verschloss, nach dem er sich schon seit der letzten Unterrichtsstunde sehnte.
*
Minerva verbrachte fast eine Stunde damit, sich mit der Medi-Hexe von Hogwarts zu unterhalten. Dieses GesprĂ€ch bestĂ€rkte sie noch in ihrem Entschluss, diesen Beruf ebenfalls zu ergreifen. KrĂ€uterkunde lag ihr beinah so gut wie Verwandlung und Heilierinnen wĂŒrden immer gebraucht werden. Sie könnte in einer Schule, im St. Mungos oder im Ministerium arbeiten. Zufrieden damit, endlich die richtige Wahl getroffen zu haben, machte sie sich auf den Weg zum Gryffindor-Turm. Vermutlich hatte das Training schon angefangen, aber sie wollte sich doch noch umziehen und ihre Schuluniform durch etwas bequemere Kleidung ersetzen.
âMcGonagall! Welch freudige Ăberraschung.â Die seidenweiche Stimme, in der schneidende Nuancen mitschwangen und die nur von Tom Riddle stammen konnte, drang von hinten an Minervas Ohr vor.
Seufzend blieb sie stehen und wandte sich langsam um. âJa, Ăberraschung. Ich habe aber keine Zeit fĂŒr Smalltalk.â
Riddle ĂŒberbrĂŒckte die letzten Meter, die sie trennten, mit langen, geschmeidigen Schritten.
âEigentlich sieht er gut ausâ, ging es Minerva durch den Kopf, denn etwas Anderes zu behaupten wĂ€re schlichtweg gelogen gewesen. Riddle hatte einen athletischen Körper, war groĂ, mit dunklen Haaren und ebenso dunklen Augen, die das Herz einer Frau durchaus zum Rasen bringen könnten. Wenn nicht immer diese KĂ€lte in ihnen liegen wĂŒrde, die Minerva beinah Angst machte.
âIrgendwie habe ich das GefĂŒhl, du gehst mir aus dem Weg. Kann das sein?â
âEinbildung.â Minerva ging weiter, Riddle gesellte sich an ihre Seite.
âAch komm schon McGonagall, jetzt sei nicht so. Ich hab dir nichts getan, oder tĂ€usche ich mich?â
âNein, eigentlich nichtâ, musste Minerva zugeben. âWas willst du eigentlich von mir?â, verlangte sie zu wissen, anstatt ihre Gedanken auszusprechen. âIch will weder mit dir sprechen, noch ĂŒberhaupt was mit dir zu tun haben. Bei so vielen SchĂŒlern im Schloss dĂŒrfte das doch kaum ins Gewicht fallen.â
âAber nicht viele SchĂŒlerinnen sehen so aus wie du!â
Minerva stockte ob dieser Worte der Atem. Nach Luft schnappend blieb sie stehen und schĂŒttelte den Kopf. Wie dreist konnte ein Mensch eigentlich sein? âJa, gut. Ist sonst noch etwas?â
âWeiĂt du âŠâ Riddle legte den Kopf zur Seite, sah dabei fast unschuldig und gekrĂ€nkt aus. âIch denke, wir sollten Freunde werden. Das ist wichtig, sagt sogar Dumbledore. Von wegen hĂ€userĂŒbergreifende Freundschaft. Gehen wir beide mit gutem Beispiel voran, was meinst du?â
Minerva zögerte, etwas zu erwidern. Die logische Wahrnehmung zeigte ihr einen netten, jungen Mann, der sich bemĂŒhte, sich gut mit ihr zu verstehen. Dem es wichtig war, dass zwischen Slytherins und Gryffindors so etwas wie Freundschaft herrschen konnte.
Doch ihr GefĂŒhl sagte ihr, dass sie flĂŒchtigen sollte. SĂ€mtliche Alarmglocken in ihr schrillten so laut, dass sie vermutlich die Fenster gesprengt hĂ€tten, könnten sie nach auĂen dringen.
âNein, tut mir leid. Ich bin dafĂŒr die falsche Adresse.â Minerva beschleunigte ihren Schritt und bog kurz darauf nach rechts, wo sie im Strom anderer SchĂŒler verschwand und irritiert registrierte, dass sie eben tatsĂ€chlich geflĂŒchtet war.
*
Tom blieb zurĂŒck. Seine Lippen, weiĂ und blutleer, pressten sich fest aufeinander. Seine FingernĂ€gel hinterlieĂen AbdrĂŒcke in seiner HandflĂ€che, so fest ballte er die HĂ€nde zu FĂ€usten. Wie konnte sie es wagen? Ihn einfach so stehen lassen, ihn Tom Riddle?
âUnd?â
Tom wandte seinen Blick zur Seite. Lautlos war Antonin Dolohov neben ihn getreten, den Blick forschend auf ihn gerichtet.
âNichts. Sie bildet sich wirklich ein, mir sagen zu können, dass sie nichts mit mir zu tun haben möchte!â Dumpfe Wut brodelte in ihm.
âDie typische Gryffindor-Arroganz.â
âJa ⊠Aber ich garantiere dir, mein Freund. Ich werde sie bekommen. Wenn erst einmal McGonagall auf unserer Seite ist, werden sich nicht nur Slytherins unserem Vorhaben anschlieĂen.â
Antonin verlagerte sein Gewicht in sichtlichem Unbehagen von einem FuĂ auf den anderen. âAber werden wir ihr vertrauen können?â
âWir werden, keine Sorge.â Tom lĂ€chelte und legte seine Hand lachend auf die Schulter seines Freundes. âSie wird vollkommen vertrauenswĂŒrdig sein. Ein hĂŒbsches MĂ€dchen, die Kleine. Das ⊠könnte wirklich angenehm werden.â
T.b.c.
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